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Die Köningin der Drachen

Geschichte Info
Ein Mächen vom Dorf erlebt einen rasanten Aufstieg
99.4k Wörter
4.71
16.3k
23
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Die Königin der Drachen

Kapitel 1

„Freja, liebste Freundin, halte doch bitte durch, bitteeee! Du kannst mich nicht schon allein lassen. Du musst wieder gesund werden!"

Ich halte schon seit Stunden die kraftlose Hand meiner fiebernden Freundin. Freja ist ein Jahr jünger und hat vor zwei Tagen ganz plötzlich sehr hohes Fieber bekommen. Sie glüht förmlich und unser Heiler hat keine Idee mehr an was das Mädchen erkrankt sein könnte.

Ich fürchte, er hat sie insgeheim bereits aufgegeben. Ich habe diesen Eindruck, wenn ich ihm in die Augen schaue. Ich kann darin nur Ratlosigkeit erkennen. Diese Machtlosigkeit versetzt mir einen äußerst schmerzhaften Stich mitten ins Herz. Ich sitze die ganze Zeit an ihrem Bett und wechsle die kalten Wickel, die ihre Temperatur senken sollen. Aber die Wirkung ist nicht der Rede wert. Ich bin am Verzweifeln.

„Sei mir nicht böse, ich schaffe es nicht", meint sie. Ihre Stimme ist schwach, kaum mehr als ein Hauchen. Ich muss mich anstrengen, sie zu verstehen.

„Du kannst mich nicht allein lassen. Was mache ich ohne dich?"

„Du bist eine starke junge Frau, Serena."

„Und du bist meine einzige Freundin, die beste die es gibt. Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen."

„Du warst von klein auf meine beste und einzige Freundin und ich danke dir, dass du immer zu mir gehalten hast. Ich hätte liebend gern noch viel, viel mehr Zeit mit dir verbracht. Ich fürchte aber, es soll nicht sein. Das Schicksal hat andere Pläne", antwortet sie. Sie tut mir schrecklich leid, weil ich sehe, wie sehr sie das Sprechen anstrengt.

„Halt durch, du musst das Fieber besiegen!", jammere ich.

Tränen sammeln sich in meinen Augen. Ich habe die letzten Stunden versucht, stark zu sein, zu tun, als würde ich nicht kurz vor dem Zusammenbruch stehen. Aber irgendwann kann ich beim besten Willen nicht mehr. Es ist einfach zu viel für mich. Je hoffnungsloser die Situation wird, je mehr ich sehe, dass Freja leidet und je länger sich ihr Siechen hinzieht, umso mehr bröckelt die Kraft, mit der ich krampfhaft versuche, meine Gefühle immer und immer wieder zurückzudrängen.

Ich will stark sein, stark für Freja. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem ich es einfach nicht mehr schaffe und dieser Zeitpunkt ist jetzt. Zuerst ist es nur eine einzelne Träne, die über meine Wange nach unten kullert. Sie bleibt aber nicht lange allein und es werden zunehmend mehr.

„Sei nicht traurig", versucht Freja mich zu trösten. „Ich hatte ein schönes Leben, dank dir."

„Aber es darf noch nicht zu Ende sein!", hauche ich verzweifelt. „Du bist noch so jung! Wir haben noch so viel vor uns!"

Ich halte immer noch ihre Hand und lege die Stirn auf ihren Unterarm. Ich bin traurig, unglaublich traurig sogar. Meine Tränen tränken allmählich den Stoff ihres dünnen Hemdchens, das sie normalerweise zum Schlafen anhat. Das habe ich ihr einst geschenkt, weil sie nichts hatte.

„Serena, du musst mir versprechen, dein Leben zu leben. Ich weiß, du bist zu Großem berufen."

„Ich?"

„Ja, du."

„Wie kannst du so etwas sagen? Ich fürchte, solche Gedanken entspringen nur deinem Fieberwahn."

„Glaube mir, ich weiß es. Du bist die Güte in Person, du hilfst allen Menschen, die Hilfe brauchen und verteidigst die Schwachen mit all deiner Macht. Du bist der beste Mensch, den ich je getroffen habe."

„So viele hast du noch gar nicht getroffen, um das sagen zu können."

„Glaub mir, es waren genug, um zu erkennen, dass es wichtig ist, in die Seele eines Menschen zu blicken. Dort drinnen erkennst du sein wahres Wesen."

„Und das hast du alles bei mir gesehen?"

„Du hast eindeutig das Herz eines Drachens."

Bei diesem Satz brechen alle Dämme und ich kann einfach nur noch hemmungslos heulen. Diese Worte erinnern mich an frühere Tage, an glückliche Tage, die wir als Kinder zusammen beim Spielen verbringen durften. In jungen Jahren haben wir immer davon geträumt, eines Tages Drachen zu sehen. Wir haben fest daran geglaubt, dass es diese majestätischen Tiere gibt und dass sie eines Tages ihren Weg zu uns finden werden.

Diese Erinnerung bringt mich aber auch zum Schmunzeln. Es ist schön, dass sie gerade in dieser Situation, da ihr Tod zu nahen scheint, wieder an diese Wesen denkt. Wir haben schon seit Jahren nicht mehr von ihnen gesprochen.

„Ich brauche auch das Herz eines Drachens, weil darin ganz viel Platz sein muss, um alle schönen Erinnerungen an dich einzuschließen und für alle Zeiten zu bewahren. Ich will nicht eine einzige Sekunde vergessen, die wir zusammen erlebt haben."

„Du musst dein Leben weiterleben und nicht in der Vergangenheit verweilen. Es ist lieb von dir, dass du mich in deinem Herzen behalten willst. Aber dort muss auch Platz für Neues sein."

„Keine Angst, mein Herz, das hast du selbst gesagt, ist groß."

„Ich habe dich lieb Serena, so unglaublich lieb!"

„Ich dich auch, Freja."

Kaum habe ich das gesagt, schließt sie langsam die Augen, die zuvor nur noch starr in die Weite geblickt haben. Der Kopf neigt sich langsam zur Seite und mir fällt auf, dass das beruhigende Heben und Senken ihrer Brust nicht mehr da ist. Freja atmet nicht mehr! Sie ist tot!

Kapitel 2

„Serena, träumst du schon wieder mit offenen Augen, du faules Kind!"

„Nein Mutter, ich habe mich nur einen Moment ausgeruht."

Ich kann ihr nicht sagen, dass ich wieder einmal, wie so oft in den vergangenen Wochen, an Freja gedacht habe. Ihr Tod ist nun doch schon zwei Monate her. Trotzdem muss ich jede Minute an sie denken. Sie fehlt mir unheimlich und jeder Gedanke an sie schmerzt immer noch heftig. Ohne sie fühle ich mich nicht vollständig, so als würde ein wichtiger Teil von mir fehlen.

Freja geht mir keine Minute aus dem Sinn und vor allem nicht aus dem Herzen. Ich will sie auch nicht vergessen und ich werde sie auf keinen Fall vergessen, da bin ich mir ganz, ganz sicher. Sie war mir das Liebste auf der Welt, die Schwester, die ich nie hatte.

„Ausgeruht? Wovon? Du bist so etwas von faul! Los, los geh in den Wald und sammle Holz. Tu was und nütz die Zeit!"

„Aber Mutter, der letzte Winter ist gerade erst vorbei und wir haben noch so viel Holz vor dem Haus."

„Man kann nie früh genug damit anfangen vorzusorgen und man hat nie genug Holz. Der nächste Winter kommt bestimmt und du kannst nicht sagen, ob er milde oder hart wird. Also mach dich auf den Weg und das etwas plötzlich!"

Widerrede hat sowieso keinen Sinn. Meine Mutter toleriert nicht, wenn ich auch nur eine Sekunde stillsitze und verlangt von allen, dass sie ständig etwas machen, was in ihren Augen sinnvoll ist. Nur mal kurz ausruhen, das geht bei ihr ganz und gar nicht. Wenn wirklich gar nichts anderes mehr zu tun ist, dann heißt es bei ihr Holz sammeln gehen.

Wir leben in einem Dorf weit im Norden und die Winter sind kalt. Da sollte man vorsorgen, will man nicht frieren, wenn die kalten Monate hereinbrechen. Darin stimme ich mit meiner Mutter durchaus überein. Aber man muss es nicht gleich übertreiben. Wir haben noch Holz für zwei Winter auf Lager.

Ich mache mich also auf den Weg in den Wald. Ich schwinge meinen Korb auf den Rücken und marschiere los. Ich habe keine Lust dazu, aber es hilft ja nichts. Wenn ich meine Ruhe haben will, dann muss ich tun, was Mutter mir anschafft. Außerdem bin ich nicht ungern im Wald. Ich liebe die Natur und die Ruhe, die mich dort umgibt. Zudem werde ich dort nicht ständig kontrolliert.

Ich kenne eine Stelle, an der viel und vor allem gutes Brennholz am Boden liegt und mache mich dorthin auf den Weg. Die Strecke ist zwar erheblich länger und der Weg beschwerlicher als jener zu den üblichen Stellen, dafür ist aber das Aufsammeln um vieles einfacher. Zu meinem Glück kennt sonst keiner aus dem Dorf diesen Platz, weil keiner Lust dazu hat, so weit zu marschieren.

Nach über einer Stunde Fußmarsch erreiche ich den Felsen, der mein Ziel ist. Ein Sturm hat im letzten Sommer eine größere Anzahl an Bäumen entwurzelt, die nicht stark genug in der Felswand verankert waren. Durch das Herabstürzen sind die Äste mehrfach gebrochen und liegen nun in kleineren Stücken am Fuße der Wand verstreut. So bekomme ich sie leichter in den Korb und muss sie nicht mit viel Mühe erst passend machen.

Kaum angekommen mache ich mich auch gleich ans Einsammeln und achte währenddessen nicht sonderlich auf meine Umgebung. In diesem Bereich des Waldes leben keine Bären und auch sonst gibt es keine gefährlichen Tiere. Wenn dem nicht so wäre, wäre ich wohl eher auf der Hut. So aber kann ich mich ganz auf das Einsammeln des Holzes konzentrieren.

Ich will mich schließlich beeilen, um den Korb möglichst schnell voll zu bekommen. Wenn mir danach noch etwas Zeit bleibt, könnte ich mich in die Sonne legen und etwas ausruhen, bevor ich mich auf den Rückweg mache. Am Fuße der Felswand ist es am Nachmittag bei schönem Wetter immer angenehm warm und hier zu liegen, liebe ich sehr. Wie oft bin ich mit Freja hier gewesen und wir haben zusammen die Zeit vergessen.

„Na schau mal einer an", höre ich plötzlich eine raue Männerstimme.

Als ich mich erschrocken umdrehe erblicke ich eine Gruppe von etwa 10 bis 12 Kriegern, die sich mir unbemerkt genähert haben müssen. Sie stammen garantiert nicht aus dieser Gegend. Zumindest habe ich die Uniform, die sie tragen, noch nie in meinem Leben gesehen. Sie machen auf mich den Eindruck, als würden sie aus einer anderen Zeit stammen. Sie sehen sehr bedrohlich und grobschlächtig aus. Man sieht, sie sind das Kämpfen gewohnt.

„Die Kleine ist aber echt nicht übel. Mit der Süßen werden wir garantiert unseren Spaß haben", meint ein anderer. Er steht etwas schräg hinter dem ersten Mann und grinst schweinisch.

„Finger weg von dem Mädchen. Der König persönlich will sie haben. Keine Ahnung, was er mit der Göre vorhat, aber der Befehl ist klar: Sie wird nicht angerührt", brummt der Mann von vorhin.

„Das heißt ja nicht ..."

„Keiner greift die Kleine an! Haben wir uns verstanden?", unterbricht ihn rüde der Anführer, zumindest glaube ich, dass er das Sagen hat.

„Schon gut, Kevin. Du gönnst einem auch gar keinen Spaß."

Ich beobachte die Szene mit wachsender Besorgnis. Die Männer sind mir ganz und gar nicht geheuer. Ich habe mich vorsichtig erhoben und versucht, mich dabei von den Kriegern langsam und möglichst unbemerkt zu entfernen. Ich mache vorsichtige Schritte rückwärts und bin bemüht, mich nicht zu hastig zu bewegen.

Die Männer aber haben meine Absicht recht schnell durchschaut und mich eingekreist. Nun stehe ich da, mit dem Rücken zum Felsen und die Männer vor mir. Sie bilden einen Halbkreis um mich herum, sodass ich nicht den Hauch einer Chance habe, wegzulaufen. Ich schaue sogar verstohlen nach oben, ob ich die Wand hoch klettern könnte. Das aber dürfte ein ausgesprochen waghalsiges Unterfangen werden. Aber, wenn es der einzige Ausweg ist, werde ich es versuchen. Noch aber ist es nicht so weit, ich will herauszufinden, was hier gespielt wird.

„Was wollt ihr von mir?", frage ich hörbar eingeschüchtert. Meine Absicht, so selbstsicher wie möglich zu klingen, scheitert grandios. „Ich bin doch nur ein einfaches Mädchen."

„Wenn dich der König will, dann bist du kein einfaches Mädchen", kontert der Anführer der Gruppe schnippisch.

„Was soll ich sonst sein?"

„Keine Ahnung, was er in dir sieht. Er hat uns ausgesandt, um dich zu holen. Zum Glück hast du es uns einfach gemacht und bist in den Wald gegangen. Sonst hätten wir das Dorf niedermetzeln müssen."

„Das Dorf niedermetzeln? Habt ihr sie noch alle? Wer seid ihr überhaupt?", frage ich leicht aufbrausend. Wo haben sie diese Idioten denn ausgelassen?

„Wir sind Krieger aus dem Königreich Gunderin."

„Gunderin, noch nie davon gehört", antworte ich.

„Du wirst es noch kennenlernen."

„Aber ich will da nicht hin, ich weiß nicht, was ich dort soll."

„Das wird dir unser König schon erklären, wenn die Zeit dazu gekommen ist", antwortet der Anführer gelassen. „Los Männer, schnappt euch die Kleine und dann machen wir uns auf den Rückweg. Ich fühle mich in dieser Welt nicht sonderlich wohl."

Die Männer sind noch geschätzt zehn Meter von mir entfernt. Vor dem Felsen, den ich im Rücken habe, erstreckt sich eine größere freie Fläche. Der Wald hat diesen Platz wohl noch nicht erobert.

Die Krieger aus dem mir unbekannten Land nehmen ihre Waffen entschlossener in die Hand, einige machen einen oder gar zwei Schritte auf mich zu. Weiter kommen sie allerdings nicht.

Lautes Gebrüll hallt plötzlich über den Platz und wird von der Felswand als Echo zurückgeworfen. Es klingt schaurig und furchteinflößend. Alle halten auf der Stelle in ihrer Bewegung inne. Auch ich schaue mich neugierig um und versuche herauszukriegen, was jetzt schon wieder los ist. Ein solches Gebrüll habe ich mein Lebtag noch nicht gehört. Keine Ahnung, was das für ein Tier sein könnte. Mir ist allerdings klar, dass es gefährlich sein muss. Dieser heutige Tag ist echt verrückt.

Wie aus dem Nichts taucht aus dem Wald der Kopf eines Drachens auf. Was? Ich reibe mir die Augen und versuche mich zu vergewissern, ob ich nicht doch träume. Aber es ist tatsächlich ein Drache, ein lebender Drache.

Das Tier stapft entschlossen zwischen den Bäumen auf uns zu. Der riesige Kopf und ein Teil seiner mächtigen Schultern überragen die Bäume um ein ganzes Stück. Aus den Nüstern steigen weiß-schwarze Rauchwolken auf und die Augen leuchten feuerrot. Waren die Krieger schon angsteinflößend, so stellt dieses Tier sie bei Weitem in den Schatten. Könnte ich, würde ich schreiend davonlaufen. Aber da sind ja die Krieger vor mir und die Felswand hinter mir, die den Weg versperren.

Auch die Männer vor mir haben sich umgedreht. Plötzlich bin ich nicht mehr so interessant. Die Krieger schauen zwar besorgt drein, ich habe jedoch den Eindruck, als würden sie sich gar nicht wundern, dass da ein Fabelwesen auf sie zukommt, ein Wesen, das es eigentlich nicht geben dürfte. Es kommt mir eher so vor, als wüssten sie von der Existenz dieser Tiere.

Der Drache hingegen macht einen Schritt nach dem anderen. Er hat offenbar keine Eile. Die Schritte sind eher gemächlich. Aufgrund seiner Größe aber sind sie doch wieder gewaltig und er kommt trotz allem sehr schnell auf uns zu. Als er auf die Lichtung tritt, fallen riesige Bäume vor ihm einfach zu Boden, so als würde er Grashalme knicken. Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, wie stark dieses Tier sein muss.

Erneut gibt der Drachen ein markerschütterndes Brüllen von sich. Meine Beine zittern und in mir macht sich allmählich Panik breit. Das Tier bleibt am Rande der Lichtung stehen. Seine Augen fixieren mich. Warum mich? Was wollen heute alle von mir, ausgerechnet von mir?

Im Blick des Drachen liegt, je länger ich ihn betrachte, eigentlich nichts Bedrohliches. Ich habe den Eindruck, als könnte ich darin Wärme und Zuneigung erkennen. Trotz der Situation beruhige ich mich etwas. Aber das ändert nichts daran, dass die gesamte Situation nach wie vor bedrohlich ist. Da sind schließlich immer noch die Krieger, die sichtlich Angst vor dem Tier haben.

Ich bin geschockt und überfordert, unfähig, mich zu bewegen. Ich schaue gespannt zu dem Tier, das ich bisher für eine Erfindung von Märchenerzählern gehalten habe. Trotz allem finde ich den Drachen aber faszinierend. Ich verspüre einen inneren Drang, auf ihn zuzugehen und ihn zu berühren.

Aber das geht nicht. Die Krieger aus Gunderin befinden sich immer noch zwischen mir und dem Drachen. Also wird es sie als erstes erwischen, überlege ich erleichtert. Aus mir unerklärlichen Gründen schleicht sich sogar ein Lächeln auf meine Lippen. Je länger ich den Drachen anschaue, umso mehr legt sich meine Angst. Das Tier ist einfach wunderschön.

Vom Drachen aus sind es nur noch etwa 10 Meter bis zu den Männern und dann weitere fünf bis sieben bis zu mir. Meine Angst ist nach und nach verflogen. Es ist absurd, aber ich entspanne mich und lehne mich fast gelassen an den Felsen, um das Geschehen zu beobachten. Ich finde den Drachen faszinierend, mächtig, majestätisch, aber nicht bedrohlich, zumindest nicht für mich. Ich frage mich, ob meine Gefühle gerade verrücktspielen.

„Sag den Männern, sie sollen sich verziehen, aber schnell", höre ich eine Stimme in meinem Kopf.

„Wer bist du?", frage ich laut.

„Ich bin Freja, deine Freundin und jetzt sag den Typen, sie sollen sich vom Acker machen, sonst ergeht es ihnen schlecht."

„Die Typen haben dich doch auch gehört? Oder etwa nicht?", frage ich laut.

„Was haben wir gehört?", will der Anführer wissen.

„Ich kommuniziere nur mit dir, und zwar über Gedanken. Die Männer können mich nicht hören."

„Was? In meinem Kopf?"

„Du hast eine Verbindung zu diesem Vieh?", will der Anführer beinahe schockiert wissen.

Jetzt erst verstehe ich, was los ist, oder zumindest ich vermute es. Der Drache kann aus irgendeinem Grund mit mir Kontakt aufnehmen, nicht aber mit den Kriegern, obwohl sie ihm räumlich näher sind. Ich muss also als Dolmetscher fungieren.

„Der Drache sagt, ihr sollt euch verziehen", sage ich laut zu den Männern.

„Was sonst?", will der Anführer wissen.

„Sonst gibt es geröstete Krieger", sagt die Stimme in meinem Kopf.

„Geröstete Krieger gibt es? Was soll das sein?", frage ich irritiert.

„Geröstete Krieger?", will daraufhin auch der Anführer wissen.

Wie aus dem Nichts schießt aus dem Maul des Drachens ein sehr konzentrierter Feuerstrahl auf einen der Männer zu. Dieser geht auf der Stelle in Flammen auf, brennt sofort lichterloh, schreit, dass es einem durch Mark und Bein geht und es stinkt nach kurzer Zeit fürchterlich nach verbranntem Fleisch.

Ich reiße erschrocken meine Augen auf, die Männer machen geschockt einen Schritt nach hinten und kommen mir damit näher. Aber das nehme ich nicht wirklich wahr. Ich bin noch immer starr vor Schreck. Den Mann so sterben zu sehen, ist der blanke Horror.

„Ist jetzt klar, was ich meine?", sagt die Stimme in meinem Kopf.

„Ja, alles klar!", bestätige ich.

„Du sollst die Männer fragen, du Dummerchen. Sag ihnen auch, sie sollen verschwinden."

„Äh, ja, der Drache will, dass ihr verschwindet und hofft, ihr habt verstanden, was er mit den gerösteten Kriegern gemeint hat", sage ich nun laut.

„Wir lassen uns nicht einschüchtern", meint der Anführer starrsinnig.

„Ich will aber nicht enden, wie Sefrin", meint der Vorlaute von vorhin. Ich kann die Furcht deutlich in seiner Stimme wahrnehmen.

„Das werden wir auch nicht!", meint der Anführer entschlossen. Er nimmt sein Schwert fest in die Hand, reckt es weit nach oben und brüllt: „Angriff!"

Gleichzeitig rennt er auch schon los, direkt auf den Drachen zu. Seine Männer schauen ihn kurz zweifelnd an, laufen dann aber ebenfalls mit erhobenen Waffen auf das Tier zu. Sie sind vom Befehl ihres Anführers nicht sonderlich begeistert. Ich sehe es ihnen an, dass sie sich lieber zurückziehen würden. Sie aber sind Krieger und können oder wollen sich einem Befehl nicht widersetzen.

Der Drache jedoch bleibt trotz der auf ihn zustürmenden Krieger ruhig stehen und hebt nur einen Fuß, als ihm die Krieger mit den Schwertern draufhauen. Die Schläge aber prallen an den Schuppen einfach ab. Sie können dem Tier nichts anhaben und hinterlassen nicht die geringste Spur.

Als der Drache sein Vorderbein überraschend und mit gewaltiger Kraft auf den Boden rammt, zerquetscht er damit gleich vier Angreifer auf einmal. Das Geräusch der Leiber, die unter der Pranke des Tieres zermalmt werden, sorgt dafür, dass es mir kalt den Rücken hinunterfährt. Es ist gruselig.

„Sie haben keine Chance", sagt die Stimme in meinem Kopf. „Sie sollten verschwinden."

Ich rufe die erneute Warnung den Männern zu, aber der Anführer treibt seine Leute ein zweites Mal zum Angriff. Ich kann ein erbostes Funkeln in den Augen des Drachens erkennen, als auch schon ein Feuerstrahl auf Kevin zuschießt und auch er von einem Moment zum anderen in eine menschliche Fackel verwandelt wird.