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Die Macht des Drachens

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Das Mädchen schaut die Leichen geschockt an. Der vierte Mann liegt wimmernd und zusammengekauert in einer Ecke. Sie bewegt sich nicht vom Fleck. Ich kann verstehen, dass ihr das gerade Erlebte tief in den Knochen steckt.

Langsam gehe ich auf sie zu und putze unterwegs mein Schwert an der Hose eines der Männer ab und sammle meine Messer wieder ein. Auch sie reinige ich notdürftig an der Kleidung eines der Männer. Dann stehe ich vor dem Mädchen.

„Du hast die vier Männer ganz allein ...", stammelt sie.

„Sie haben es nicht anders verdient."

„Bist du eine Kriegerin?"

„So etwas ähnliches. Ich habe das Kämpfen gelernt."

„Das habe ich gesehen."

„Wie heißt du?"

„Ich bin Mirabell."

„Gut Mirabell, soll ich dich nach Hause bringen?"

„Das wäre lieb von dir."

„Wo wohnst du?"

„Im Schloss."

„Im Schloss?"

„Ja, meine Eltern leben dort."

„Gut, dann bringe ich dich bis ans Tor. Ich hoffe die Wachen kümmern sich dann um dich."

„Das tun sie ganz sicher."

Ich nehme sie an der Hand und wir gehen zurück zur Hauptstraße. Ich achte dabei, einen möglichst großen Bogen, um die Leichen zu machen, auch wenn dies in der engen Gasse nicht einfach ist.

„Wie heißt du eigentlich?", will das Mädchen wissen.

„Ich heiße Lotta."

„Du hast ein schönes Tattoo am Arm. Zeigst du es mir?"

Ich halte ihr das Tattoo hin und sie betrachtet es eingehend. Dann blickt sie mir in die Augen.

„Es ist ungewöhnlich, dass eine Frau eine Tätowierung trägt."

„Ich kann ja auch kämpfen", antworte ich ausweichend.

„Das ist auch wieder wahr."

„Wie alt bist du?", frage ich Mirabell.

„Ich bin vor einem Monat 12 geworden."

„Dacht´ ich´s mir doch."

Es entsteht eine kurze Pause. Ich lasse ihr etwas Zeit, um das Erlebte zu verdauen. Sie beobachtet mich von der Seite her. Ich glaube, sie stellt sich gerade die Frage, wie eine Frau so kämpfen kann. Sie traut sich aber offenbar nicht, diese zu stellen. Dafür aber kommt mir eine Frage in den Sinn.

„Warum warst du in dieser Gasse, wenn du im Schloss wohnst?"

„Ich wollte etwas kaufen, meine Mutter hat in wenigen Tagen Geburtstag."

„Aber du findest doch kein vernünftiges Geschäft in einer so heruntergekommenen Gasse?"

„Ich war auf der Hauptstraße, da hat mich einer dieser Männer angesprochen und dabei unangebrachte Worte verwendet. Mir war das sofort unangenehm. Was ich aber nicht bemerkt habe war, dass da noch andere waren und mich die vier Männer geschickt abgedrängt haben, sodass ich vor ihnen geflohen und in dieser Gasse gelandet bin."

„Verstehe", sage ich. „Es ist dieses Mal ja noch gut gegangen. Sei aber bitte in Zukunft vorsichtiger."

„Das werde ich", versichert mir das Mädchen.

Wir haben inzwischen das Tor des Schlosses erreicht. Ich nehme an, das Mädchen ist die Tochter eines Beamten oder sonst eines Bediensteten. Da ihr Kleid aus einem guten und teuren Stoff gefertigt ist, denke ich, dass ihr Vater nicht unbedeutend ist.

Als die Wachen uns kommen sehen, kommt überraschend Leben in sie. Sie nehmen überraschend zackig Aufstellung und Haltung an. Wir werden vom Hauptmann persönlich angesprochen.

„Was ist los?", will er wissen. „Geht es Euch gut?"

„Uns geht es gut, danke der Nachfrage. Das Mädchen lebt im Schloss. Könnt ihr sie zu ihren Eltern bringen? Sie wurde überfallen", antworte ich gelassen.

Sofort ziehen die Wachen ihre Waffen und halten mir die Spitzen entgegen. Bei ihnen sieht man sofort, dass sie den Umgang mit Waffen gewohnt sind, ihre Ausbildung lässt aber dennoch ein wenig zu wünschen übrig. Gegen mich hätten sie keine Chance. Da ich mir aber nichts habe zuschulden kommen lassen, bleibe ich gelassen.

„Seid ihr verrückt? Steckt die Waffen sofort weg! Lotta hat mir das Leben gerettet!", fährt Mirabell den Hauptmann an.

Ich bin etwas verwundert, dass dieser, anstatt sie wegen ihrer tadelnden Worte zu schimpfen, leicht rot im Gesicht wird und schuldbewusst die Klinge zurück in die Scheide steckt und auch die anderen anweist, es ihm gleichzutun. Aber wie gesagt, der Vater des Mädchens wird vermutlich eine wichtige Position im Schloss einnehmen. Nur so kann ich mir das Verhalten der Wachen erklären.

„Verzeiht!", meint der Hauptmann unsicher.

„Ihr bringt Mirabell zu ihren Eltern. Kann ich mich darauf verlassen?", frage ich streng.

„Natürlich machen wir das."

„Dann ist ja gut", sage ich und wende mich wieder dem Mädchen zu. „Mach´s gut und sei in Zukunft vorsichtiger. Man soll niemandem trauen."

„Dir würde ich jederzeit trauen", meint sie.

Dann breitet sie die Arme aus und zieht mich in eine Umarmung. Es ist ein ungewohntes Gefühl. Ich wurde noch nie umarmt. So etwas kenne ich nicht. Deshalb versteife ich mich im ersten Moment auch, lasse mich dann aber auf die Geste ein und erwidere diese.

„Danke", haucht sie mir ins Ohr.

„Nichts zu danken", antworte ich. „Ich hab das gern gemacht."

Damit drehe ich mich um, winke den Wachen zu und verschwinde im Getümmel der Menschen, die auf der Straße vor dem Tor flanieren.

Kapitel 7

Ich bin dabei die Boxen auszumisten. Noch am Tag meiner Ankunft habe ich in einem Stall einen Job gefunden. Meine Arbeit gefällt mir fürs Erste ganz gut. Es handelt sich um einen Stall, in dem Bewohner der Stadt, aber auch Durchreisende, ihre Pferde abstellen. Meine Aufgabe ist es, mich um die Tiere zu kümmern.

Dafür darf ich im nahegelegenen Gasthof essen, im Stall schlafen und bekomme auch einen ganz vernünftigen Lohn. Es ist zwar nicht die Welt, aber für den Anfang reicht's und außerdem habe ich ein Dach über dem Kopf. Ich halte trotzdem meine Augen und Ohren offen. Wenn sich eine bessere Gelegenheit ergibt, würde ich zugreifen. Allerdings habe ich vorerst keine Eile.

Die Pferde waren in den ersten Tagen sonderbar nervös, wenn ich mich ihnen genähert habe. Ich gehe davon aus, das lag vermutlich am Drachen in mir. Aber inzwischen sind sie auffallend zutraulich. Ich denke, sie spüren die tierische Seite und vertrauen mir.

Endlich habe ich für heute fertig, gehe mich waschen und will mich anschließend auf den Weg in die Gaststube machen. Ich habe einen Bärenhunger. Heute war besonders viel zu tun, da ungewöhnlich viele Durchreisende angekommen sind und ihre Pferde bei mir abgestellt haben. Gerade will ich den Stall verlassen, da versperrt mir ein Mann den Weg. In seinem Gesicht liegt ein hinterhältiges Grinsen. Sein Blick ist musternd auf meinen Körper gerichtet.

Er macht einen Schritt auf mich zu. Ihn genau im Auge behaltend, bleibe ich stehen. Als er allerdings einen weiteren Schritt auf mich zumacht, weiche ich zurück und bringe damit wieder etwas Abstand zwischen uns. Er aber macht erneut einen Schritt auf mich zu. Sein Blick nimmt immer noch ungeniert und lüstern meinen Körper unter die Lupe.

„Etwas dürr", sagt er. Es sind die ersten Worte, die er spricht.

„Was interessiert´s dich?", antworte ich ohne jegliche Emotion in der Stimme.

Ich bin einen weiteren Schritt zurückgewichen, er hat erneut einen auf mich zugemacht und ich wieder einen rückwärts. Wir befinden uns inzwischen mitten im Stall. Ich habe keine Angst vor ihm, ich habe mich bewusst zurückfallen lassen, weil ich in der Mitte des Stalls mehr Platz habe. Meine Hand lasse ich wie nebenbei zu einem der versteckten Dolche wandern. Ich bin grundsätzlich nie unbewaffnet. Er allerdings scheint dies zu vermuten.

Der Stall ist so angelegt, dass sich in der Mitte eine große freie Fläche befindet, die Boxen gehen rund herum ab und bilden damit einen Kranz um diese Fläche. In der Mitte der Decke befindet sich ein Loch, über das man Heu, vom Stock drüber, nach unten werfen und damit dann die Pferde füttern kann. Im Augenblick allerdings liegt kein Heu herum, weil ich die Tiere bereits gefüttert und sauber gemacht habe.

„Ich will mehr von dir sehen. Zieh dich aus!", grinst er. „Wir werden jetzt Spaß haben."

„Das denke ich nicht."

„Wer sollte mich davon abhalten. Außer uns ist um diese Zeit sowieso niemand mehr hier. Da es schon dunkel ist, kommt auch keiner mehr mit einem Pferd vorbei."

„Bin ich etwa niemand."

Er lacht laut auf, als hätte ich einen guten Witz von mir gegeben. Wie üblich, scheint auch dieser Mann, mich zu unterschätzen.

„Du bist überraschend gelassen."

„Warum sollte ich nervös sein?"

„Du gefällst mir. Das Mädchen vor dir hat gezittert wie Espenlaub. Allerdings nur vorher. Nachdem ich mit ihr fertig war, hat sie nur noch gejammert und geflennt. Da hatte sie keine Kraft mehr zum Zittern."

„So einer bist du also. Einer, dem man erst einmal beibringen muss, dass ein Nein ein Nein ist."

„Was ist schon das Nein einer Frau", lacht er höhnisch auf.

„Noch lachst du. Aber nicht mehr lange."

„Da hast du vermutlich Recht, bald werde ich stöhnen."

„Bald wirst du jammern, wenn du überhaupt noch einen Laut von dir geben kannst."

„Dass ich nicht lache."

„Jemand muss Typen wie dir Manieren beibringen."

„Das willst ausgerechnet du sein? Dass ich nicht lache!"

Damit greift er an. Er versucht auf mich zuzukommen, ich weiche allerdings aus und so vollführen wir einen langsamen Tanz um den anderen herum. Er greift nicht an, vollführt ab und zu einen Scheinangriff und grinst unentwegt. Ich greife bewusst nicht an, ich will ihn kommen lassen. Aber er scheint Spaß daran zu haben, Mädchen und jungen Frauen zunächst Angst einzujagen. Aber nicht mit mir!

„Jemand anderes ist leider nicht da, um dir Manieren beizubringen. Du musst also mit mir Vorlieb nehmen", antworte ich auf die Frage von vorhin.

„Nun halt doch endlich still!", ruft er ungeduldig. „Dein Ausweichen hat eh keinen Sinn. Früher oder später bekomme ich dich."

Langsam scheint er zum Angriff übergehen zu wollen. Er will langsam mehr als nur spielen und macht einen Satz auf mich zu. Er will mich am Handgelenk packen. Ich aber weiche geschickt zur Seite aus und gehe in Kampfposition. Das ärgert ihn und er will es nun offenbar wissen. Sein Blick wird entschlossener, auch ein bisschen Ärger zeichnet sich darin ab. Ich allerdings lasse das Messer in meinem Kampfanzug versteckt. Er soll nicht zu früh gewarnt sein, dass ich nicht so wehrlos bin, wie er glaubt.

„Das Täubchen will mit mir spielen. Das gefällt mir. Schließlich haben wir Zeit in Hülle und Fülle. Lass uns also Spaß haben!"

Er kommt erneut auf mich zu. Diesmal ist sein Blick entschlossener. Ich aber weiche erneut aus. Da der Mann schon um die 40 ist, bin ich deutlich wendiger und aufgrund meines Trainings, ihm heillos überlegen. Trotzdem mache ich nicht den Fehler, ihn zu unterschätzen. Ich bleibe konzentriert.

„Je mehr du dich wehrst, umso mehr muss ich dich nachher bestrafen."

„Dazu müsstest du mich allerdings erst einmal kriegen."

„Das tue ich, keine Sorge."

„Sorgen habe ich keine. Deinetwegen ganz bestimmt nicht!"

Erneut startet er einen Angriff. Diesmal kann ich deutlich Wut und Ärger in seinen Augen erkennen. Meine Provokation wirkt. Ihn nervt mein Ausweichen. Er will nach mir schlagen und tut das eher blindlings. Der Angriff geht erneut ins Leere. Langsam wird er ungeduldig und brutal.

Ich aber lasse mich nicht aus der Ruhe bringen und weiche ihm immer wieder aus. Ich spiele tatsächlich mit ihm und je mehr er sich ärgert, umso mehr Spaß habe ich daran. Während er schon beginnt schneller zu atmen und Müdigkeitserscheinungen zu zeigen, bin ich noch immer völlig entspannt. Mein Training macht sich wieder einmal bezahlt.

Als er erneut merkt, dass ich ihm ein weiteres Mal entwischt bin, wirbelt er aufgebracht herum und kommt diesmal wild um sich schlagend auf mich zu. Diesmal aber begnüge ich mich nicht, ihm nur auszuweichen. Dieses Mal weiche ich zwar erneut aus, bin aber gleich darauf hinter ihm und versetze ihm mit dem Fuß einen kräftigen Tritt in die Nierengegend.

Er heult vor Schmerzen auf, kommt ins Straucheln, weil ich ihn damit auch aus dem Gleichgewicht gebracht habe und donnert schließlich der Länge nach auf den Boden. Etwas benommen und mit blutender Nase rappelt er sich wieder auf. Ich hätte ihn, am Boden liegend, attackieren und ihn erledigen können, aber ich will ihm noch die Chance geben, selbst den Rückzug anzutreten.

Ihn hat aber offenbar nicht die Vernunft, sondern der Jähzorn gepackt. Plötzlich hält er ein Messer in der Hand und funkelt mich aus hasserfüllten Augen an.

„Das wirst du mir büßen, du miese Schlampe!", brüllt er. „Wenn ich mit dir fertig bin, dann will dich keiner mehr anfassen. Das schwöre ich dir."

Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie der Besitzer des Pferdestalls in der Tür steht und uns beobachtet. Ich kann nicht einschätzen, ob er vor Schreck erstarrt ist oder ob er das Schauspiel einfach nur anschauen will. Lange kann ich ihm meine Aufmerksamkeit allerdings nicht widmen. Ich stehe immerhin einem Mann gegenüber, der mit einem Messer bewaffneten ist und der mich jede Sekunde angreifen kann. Da sollte ich konzentriert bleiben.

„Ich steche dich ab, du dummes Weib!", brüllt er.

Mit dem gezückten Messer und hasserfülltem Blick stürmt er auf mich los. Diesmal mache auch ich ernst. Ich weiche ihm zwar aus, stelle ihm aber ein Bein und greife nach seinem rechten Arm. Er hält das Messer fest mit der Hand umklammert. Ich drehe das Handgelenk so, dass die Klinge gegen seinen Bauch gerichtet ist. Durch mein Bein kommt er zu Fall, fällt der Länge nach auf den Boden und rammt sich dabei das Messer selbst etwas unterhalb des Bauches in den Körper. Ein markerschütternder Schrei verlässt seine Kehle, dann sackt er wimmernd und jammernd zusammen.

„Wir sollten die Wache verständigen", meint der Stallbesitzer.

„Aber ich habe mich nur verteidigt."

„Das habe ich gesehen und kann es bezeugen. Keine Sorge! Aber wir müssen die Wache verständigen, wenn ein Mann verletzt oder gar getötet wird."

„Er lebt noch."

„Noch!"

„Ich habe mich wirklich nur verteidigt."

„Mach dir keine Sorgen. Es ist eine reine Formalität."

„Der Mann hat das schon einmal gemacht. Offenbar mit einem anderen Mädchen hier im Stall. Zumindest hat er das angedeutet."

„Oh, mein Gott! Jetzt verstehe ich, warum sie von einem Tag auf den anderen verschwunden ist. Sie hat danach wohl auch die Stadt verlassen. Ich habe sie nie mehr gesehen", meint der Mann. „Bleib hier, ich kümmere mich um alles."

„In Ordnung", sage ich ergeben.

Ich denke kurz daran, davonzulaufen. Als Frau sitzt man in solchen Situationen manchmal trotz allem ganz schnell auf der Anklagebank. Männer halten bei solchen Dingen oft zusammen. Ich hoffe, der Stallbesitzer steht zu seinem Wort und erzählt wahrheitsgemäß, was er gesehen hat. In diesem Fall kann mir tatsächlich nichts passieren.

Ich setze mich auf einen Strohhaufen und harre der Dinge. Ich behalte den Mann im Auge und sehe, wie sich um seinen Unterleib eine immer größere Blutlache bildet. Er selbst wimmert und jammert nur. Es dauert zum Glück auch nicht lange, da kommt der Besitzer des Pferdestalls auch schon mit vier Wachen zurück. Sie schauen sich um.

Einer der Männer geht zunächst zu meinem Angreifer, der immer noch wimmernd am Boden liegt. Etwas grob dreht er ihn auf den Rücken und als er das Messer in seinem Unterleib sieht, das der Mann mit seinen Händen fest umschlossen hält, reißt er die Augen auf und schaut mich genauer an. Eine Augenbraue geht nach oben.

„Dich kenn ich", sagt er.

„Ich wüsste nicht woher", antworte ich ehrlich.

„Du hast doch das Mädchen zum Schloss begleitet, vor etwa zwei Wochen."

Ich mustere den Wachmann genauer und da fällt es mir wieder ein. Er ist der Hauptmann, der damals am Tor war.

„Geht es Mirabell gut?", frage ich. „Habt ihr sie zu ihren Eltern gebracht?"

„Mirabell geht es bestens. Aber dich muss ich mitnehmen."

„Ich habe doch gar nichts getan", versichere ich. „Dieser Mann hat mich angegriffen, es ist sein eigenes Messer, mit dem er auf mich losgegangen ist und er ist in seine eigene Waffe gestürzt. Ich habe ihm nur ein Bein gestellt. Ich habe mich lediglich verteidigt. Der Besitzer des Stalls kann dies bezeugen."

„Das kann ich. Es war, wie Lotta es erzählt hat", versichert der Stallbesitzer. „Ich schwöre!"

„Trotzdem, mitkommen!", sagt die Wache entschlossen. „Pack deine Habseligkeiten zusammen."

„Das auch noch?"

Langsam wird mir tatsächlich mulmig zumute. Ich überlege, ob ich mir die Freiheit erkämpfen soll, aber dann bin ich auch in diesem Land eine Gejagte. Wo soll ich dann noch hin.

„Vertrau auf meine Kräfte. Egal was ist, wir können auch später flüchten", meldet sich Horus.

„Na gut", gebe ich mich geschlagen. „Aber ich habe mich wirklich nur verteidigt."

„Darum geht es nicht. Wir suchen dich schon seit Tagen."

„Ich habe ganz bestimmt nichts angestellt."

„Mitkommen habe ich gesagt!", meint der Hauptmann etwas grob.

„Schon gut, schon gut", antworte ich. Dabei hebe ich abwehrend die Hände.

Ich gehe in die Schlafecke, wo ich meinen Rucksack und meine wenigen Habseligkeiten liegen habe, packe alles hastig zusammen und kehre in die Mitte des Stalls zurück.

„Es tut mir leid", sagt der Besitzer. „Ich werde auf jeden Fall für dich aussagen, wenn es sein muss. Du warst eine echte Hilfe im Stall und hast nie gemurrt. Ich werde dich vermissen."

Zu meiner Überraschung kommt er auf mich zu und umarmt mich. Zunächst bin ich etwas überrascht, dann aber erwidere ich etwas zaghaft die Geste. Schließlich bin ich nicht so innig mit ihm. Aber ich habe den Verdacht, dass er einfach nur schüchtern ist und wohl mehr von mir wollte, sich aber nie getraut hat, etwas zu sagen. Doch das ist jetzt auch egal. Ich bin sogar froh, ihm auf diese Weise nicht sagen zu müssen, dass ich seine Gefühle nicht erwidere. Ich bin im Augenblick so ganz und gar nicht an einem Mann interessiert.

Nach kurzer Zeit löse ich mich von ihm, auch wenn er mich nur widerwillig ziehen lassen will. Ich gehe entschlossen auf den Hauptmann zu und stelle mich ihm gegenüber hin.

„Gehen wir!", sage ich selbstbewusst.

Er grinst etwas, gibt dann seinen Untergebenen den Befehl zum Aufbruch und wir machen uns auf den Weg. Der Hauptmann geht neben mir, einer der Wachleute bleibt vor uns, die anderen beiden hinter uns. Ich komme mir vor, wie eine Verbrecherin, die abgeführt wird. Es fehlen eigentlich nur die Ketten. Allerdings wundert mich, dass ich meine Waffen behalten darf. Das ist ungewöhnlich.

Unsicherheit macht sich in mir breit. Ich überlege fieberhaft, was ich angestellt haben könnte. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nichts mit dem Vorfall von heute zu tun hat, dass ich abgeführt werde. So etwas hat der Hauptmann angedeutet. Einen anderen Grund dafür kann ich mir allerdings auch nicht vorstellen. Ich bin doch nie negativ in Erscheinung getreten, habe nichts getan, das eine Verhaftung rechtfertigen würde.

Wir erreichen nach einiger Zeit das Schlosstor. Ein kurzes Nicken des Hauptmannes genügt, damit die Wachen den Weg freigeben und uns passieren lassen. Nun bin ich in der Höhle des Löwen. In mir macht sich ein ungutes Gefühl breit. Es ist schließlich noch nicht so lange her, dass ich aus ähnlichen Mauern ausgebrochen bin, und nun werde ich wieder in solches Gemäuer hineingeführt.

„Keine Sorge, diesmal bin ich bei dir", beruhigt mich Horus.

Ich bin ihm dankbar dafür, dass er für mich da ist. Ich muss es nicht laut aussprechen. Er weiß auch so, dass ich genau diese Unterstützung zu schätzen weiß.

Kapitel 8

Zu meiner Überraschung verlangt auch im Schloss niemand, dass ich meine Waffen abgebe. Der Hauptmann nickt den uns begleitenden Wachleuten zu und sie ziehen sich wortlos zurück. Auch das ist ungewöhnlich. Allein mit mir setzt er den Weg fort. Ich bin verwundert, dass er so unbedarft ans Werk geht. Es wäre für mich ein Leichtes, ihn zu überwältigen. Zwar wird es nicht so leicht werden, aus dem Schloss herauszukommen, aber mit dem Überraschungseffekt auf meiner Seite, könnte ich es durchaus schaffen.

„Mit dem Drachen sowieso", meint Horus.

„Aber wir müssten dann unsere Identität preisgeben. Das will ich auch nicht."

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