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Die Violinistin und die Bassistin

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NaSchmi
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„Also meinst du, dass ich die Gibson verdient habe?", fügte sie schließlich hinzu, und mit einem Mal wandelte sie sich. Sie lächelte kokett, legte den Kopf zur Seite, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte unschuldig.

Flirtete sie mit mir?

Sie war nicht unattraktiv, sie hatte etwas, das musste ich ihr lassen.

Eine Menge Unarten hatte sie. Sie glaubte, sie wäre was Besseres. Sie meinte, die Welt würde sich um sie drehen. Aber wie sie sich hielt, wie sie sich verhielt, wie sie in ihren Bewegungen eine bestimmte Disziplin zeigte, den Kopf aufrecht hielt, verriet sie, dass mehr hinter ihr steckte als ein verwöhntes Blag mit zu reichen Eltern. Vielleicht war sie wirklich ein Geheimtipp. Nicht nur bezogen auf ihr musikalisches Talent, sondern vielleicht auch bezogen auf anderes.

Aber ich stand nicht so auf diese manipulative Art. So einfach war ich nicht um den Finger zu wickeln, daher murmelte ich eher für meine als für ihre Ohren bestimmt:

„Du hast es verdient, dass ich dich übers Knie lege und dir den Hintern versohle!"

Als ich Joelles erstaunte Reaktion sah, musste ich erkennen, dass ich wohl etwas zu laut gewesen war.

„Was war das?" fragte sie, klang dabei aber nicht erbost, sondern eher überrascht.

„Ach nichts", wiegelte ich ab. „Gerne verkaufe ich Ihnen die Gitarre.", und bevor sich noch eine unangenehme Stille einstellen konnte, fügte ich hinzu: „Schön, dass wir uns verstehen. War wohl nur ein Missverständnis."

Ich lächelte sie unverbindlich an, startete mein Verkaufsgespräch, wollte ihr die Unterschiede zwischen Western- und Konzertgitarren erklären, aber sie war bestens informiert. So schnell hatte ich noch nie ein so teures Instrument verkauft.

Ich nahm ihr die Gibson aus der Hand und ging zur Kasse.

Joelle folgte mir, und ich gab mich professionell kühl, kassierte mit ihrer schwarzen Visa-Karte, reichte ihr schließlich den Gigbag mit dem teuren Instrument und lächelte:

„Viel Spaß mit der Gibson. Und wenn wir noch irgendwas für Sie tun können, dann kommen Sie jederzeit vorbei." Es war eine Floskel, und als solche war sie auch gemeint.

Sie nickte, nahm die Tasche mit der Gitarre in die Hand, bedankte sich und stand unschlüssig da, als wolle sie noch nicht gehen.

„Kann ich noch was für Sie tun? Vielleicht noch eine neue Violine?"

„Nein Danke, ich bin mit meiner sehr zufrieden. Ich denke außerdem nicht, dass ihr etwas in meiner Preisklasse da hättet."

Da war wieder ihre Arroganz. Eine ganze Weile hatte sie die versteckt gehalten. Aber so richtig gelang es ihr wohl nicht, sie ganz zu unterdrücken.

„Sicherlich nicht", antwortete ich verständnisvoll. „Wir führen mehr Instrumente für Normalsterbliche."

Ich lächelte sie unverbindlich kühl an, und sie merkte, wie ihre Worte bei mir angekommen waren und stammelte einlenkend:

„Ich meine ... nur so."

„Weil Sie ja Solo-Violinistin sind und so", ergänzte ich. „Ich habe schon verstanden."

„Nein, so war das nicht gemeint!"

„Oh!"

Sie war nun verunsichert, aber hatte noch etwas auf dem Herzen.

„Wie auch immer. Ich habe mich gefragt, ob du... ob Sie... mir vielleicht Unterricht geben wollen. Ich meine, Sie haben mich mit der Gitarre hier gut beraten, und ich brauche jemanden, der mir das Spielen beibringt. Jemand, der konsequent ist. Denn ich... bin manchmal ein wenig schwierig."

Das hatte ich nun auch schon gemerkt. Aber der Gedanke erschien mir vollkommen fremd.

„Tut mir leid. Ich kann zwar ein wenig Gitarre spielen, aber mein Instrument ist der Bass."

„Oh!"

Ich muss zugeben, es bereitete mir Freude, sie auf Granit beißen zu lassen.

„Vielleicht könnten Sie mir dann auch noch ein paar Bässe zeigen?"

Sie lächelte wieder verschmitzt und flirtete. Ich muss gestehen, dass mir ihre Antwort gefiel. Aber es kam nicht in Frage.

„Auch wenn bestimmt noch viel Geld auf Ihrer schwarzen Kreditkarte ist, hatten Sie versprochen, die Gibson zu ehren. Sie sollten ihr nicht so schnell untreu werden!"

„Natürlich nicht. Das war auch nur ein Scherz."

„Ich habe es auch so verstanden."

Es gefiel mir, ihr das Gespräch so unangenehm wie möglich zu machen. Und so sagte ich nichts mehr, sondern schaute sie nur erwartungsvoll an, bis sie schließlich nickte, sich bedankte und den Laden verließ.

Daraufhin widmete ich mich Vater und Tochter, die zu dem Ergebnis gekommen waren, dass sie nunmehr beide Gitarre spielen lernen wollten und für den Anfang eine akustische, eine elektrische Gitarre, Verstärker und Zubehör brauchten. Der Umsatz war bei weitem nicht so hoch wie bei der Gibson, aber immerhin. Das Musikgeschäft lief nicht mehr ganz so gut, seit man im Internet Instrumente billig kaufen konnte. Trotzdem machte ich ein gutes Geschäft wie lange nicht. Wenn ich nur Prozente bekäme statt meines Mindestlohns!

Kapitel 3

„Hi!"

Ich war in Gedanken versunken gewesen und erschrak, als Joelle sich mir aus dem Nichts in den Weg stellte. Ich hatte gerade meine Schicht beendet und war in Gedanken bei der anstehenden Probe. Und so rannte ich Joelle mit dem großen Koffer, in dem mein Bass steckte, fast um.

„Sorry!", meinte sie. „Alles gut?"

„Äh, ja?" Ich war etwas überrascht über die Selbstverständlichkeit, mit der sie da vor mir stand. Zugegebenermaßen hatte ich ein oder zweimal an sie gedacht nach unserer ersten Begegnung, aber mehr, weil dieses Treffen eben so seltsam gewesen war.

„Das ist ja ein Zufall", meinte ich trocken. „Oder ist das gar kein Zufall?"

„Nein, das ist kein Zufall. Ich habe auf dich gewartet."

"Woher wusstest du, dass ich heute arbeite?"

„Wusste ich nicht. Ich habe es gehofft."

„Gehofft? Klingt für mich so ein bisschen, als würdest du mich stalken."

„Oh." Sie stockte, fing sich dann aber schnell: „Würdest du denn gerne von mir gestalkt werden? ... Ich meine, wenn es wirklich so wäre."

„Ich glaube, niemand wird gerne gestalkt. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass die Definition von Stalken ist, dass man das nicht gerne hat."

Sie überlegte einen Moment.

„Naja, aber es zeigt auch, dass man irgendwie... gewollt ist?", stammelte sie sichtlich unsicher. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich das alles anders vorgestellt hatte. Einfacher definitiv.

„Mit anderen Worten, du willst mich?", fragte ich kühl.

„Was soll ich sagen? Nein?"

„Nein? Du willst mich also nicht. Da das ist ja mal nett!"

„Was kann ich dann für dich tun?", fragte ich ungeduldig. Ich hatte es eilig, durfte die Bahn nicht verpassen.

„Ich habe eine Frage wegen der Gitarre."

„Okay. Worum geht's?"

„Ich will neue Saiten aufziehen. Aber ich weiß nicht wie."

„Neue Saiten? Die sind ganz neu. Warum willst du jetzt schon die Saiten wechseln? Die sind total in Ordnung."

„Es mag irgendwie komisch klingen, aber ich spiele nicht gerne auf Instrumenten, die jemand anders schon verwendet hat. Ich bin eben so. Ich möchte neue, frische. Findest du das komisch?"

Sie zuckte mit den Schultern und lächelte. Wieder dieser Versuch, charmant zu sein.

„Ist mit eigentlich egal. Wenn du die wechseln willst, dann mach es!"

„Aber wie?"

„Youtube hilft dir sicher."

„Ich meine ja nur, weil du sagtest, dass ich mich melden soll, wenn ich ein Problem hätte. So von wegen Kundendienst und Service und so."

Ich erinnerte mich vage, das gesagt zu haben. Es war eine Floskel gewesen.

Ich seufzte.

„Also gut. Ich könnte dir sagen, dass du in den Laden gehen sollst, dass man dir da helfen wird. Dass man dich beraten wird, dass man dir Saiten verkauft und die dir sogar aufzieht. Aber ich nehme an, dass es dir nicht darum geht. Du willst mich sehen. Richtig?"

Sie sagte nichts. Erst als ich auf die Uhr sah, kam sie mit der Sprache heraus.

„Wie soll ich sagen. So ganz falsch ist das nicht."

Ich dachte nicht lange nach.

„Hab jetzt keine Zeit. Muss zur Probe. Morgen um vier im Cafe Chaos. Kennst du das?"

Es war eine Bauchentscheidung, ihr den Termin anzubieten.

„Um vier?"

Der Termin passte ihr offensichtlich nicht. Ich ignorierte das.

„Wenn du mich wirklich stalkst, sollte es doch kein Problem sein, dir den Termin freizuschaufeln." Und dann setzte ich noch böswillig hinzu: „Du scheinst ja nicht sooo viel zu tun zu haben, wenn du mir tagelang hinterherspionierst."

Es war gemein, das wusste ich auch, aber irgendwie konnte ich es mir nicht verkneifen, die Solo-Violinistin etwas aufzuziehen mit ihrer Wichtigkeit.

Ihr Blick war finster, sogar giftig. Aber sie verkniff sich einen Kommentar, und ich lenkte etwas ein:

„Wenn du so sehr daran interessiert bist, wie man Saiten wechselt, dann wirst du es irgendwie einrichten können. Sorry, aber ich muss jetzt weg. Bis dann!"

Damit ließ ich sie stehen, und ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mich wirklich beeilen musste.

Die Bahn bekam ich noch so gerade, und das auch nur, weil sie zwei Minuten Verspätung hatte.

Eigentlich wollte ich mir auf der Fahrt das neue Arrangement ansehen, das man mir geschickt hatte, aber meine Gedanken gingen immer wieder zurück zu Joelle und ihrem ungelenken Versuch, ein Date mit mir zu kriegen.

Nun, sie hatte gewonnen. Das war ihr gelungen, das musste man ihr lassen. Auch wenn sie es nicht sonderlich elegant angestellt hatte.

Sie wollte offensichtlich was von mir. Ich war schon erstaunt, was so ein kleines Prinzesschen an mir finden konnte. Es schmeichelte mir ein wenig, denn wir entstammten doch beide ganz unterschiedlichen Welten.

Ich stellte mir vor, wie sie ganz edel in weiß gekleidet mit ihren auch in weiß gekleideten Eltern beim Tee saß, den kleinen Finger abspreizte und sich über den Gärtner oder den Jaguar in der Garage unterhielten, während ihr weiß gekleideter Freund, der Jura oder BWL studierte, neben ihr saß und ihr Händchen hielt.

Ich stellte mir vor, wie sie ihren Freund nur als Vorwand missbrauchte, um eine Fassade aufrecht zu erhalten, während sie sich vorstellte, sich in den Armen einer anderen Frau zu verlieren und die Lippen einer Frau zu küssen. Aber ehrlich gesagt war das vielleicht ein Klischee. Ich wusste nicht genug über sie.

Ich war nicht von Komplexen überwältigt, aber empfand mich auch nicht als eine Offenbarung für die Menschheit. Müsste man wegen eines heranrauschenden Meteors die Tausend tollsten Menschen suchen, die in einem Raumschiff auf einem anderen Planeten den Grundstein für die Zukunft der Menschheit legen sollten, ich käme nicht in die engere Auswahl. Nicht mal, wenn es richtig viele Raumschiffe gäbe. Das sage ich ganz offen und ohne, dass man sich um mein geringes Selbstwertgefühl Sorgen machen muss.

Ich weiß, was ich an mir habe, und was ich kann. Joelle mochte eine Zukunft als großartige Violinistin vor sich haben. Ich schlug mich als Bassistin nicht schlecht. Ich war auch auf CDs zu hören. Auf CDs, die sich vermutlich sehr viel besser verkauften als die von Joelle. Allerdings stand mein Name nicht auf dem Cover. Man musste sogar ziemlich gute Augen haben, um ihn auf dem Sleeve in Schriftgröße 0,5 zu entziffern. Ich hatte damit kein Problem, zumal ohnehin niemand mehr CDs kaufte.

Mir war es sogar ganz recht, dass mein Name nicht so ganz groß auftauchte, denn als Studiomusikerin konnte man sich seine Jobs nicht immer aussuchen. Gerne hätte ich nichts anderes als Funk gespielt. Aber Funk war nicht so in wie Schlager, und so war ich mehr an Musik beteiligt, die eher beschämend war.

Ich hatte die Basslinien für einige schlimme Songs eingespielt. Letztens erst für ein plumpes Schlagersternchen, das gerade auf dem Weg in die Top Ten war.

Wer kann schon behaupten, dass er den Bass auf einem Song spielt, der in den Top Ten ist? Nicht so viele. Aber nicht so viele Leute, die ich kenne, wollen mit der Art Musik in Verbindung gebracht werden, die man zum Geldverdienen spielt. Daher hielt ich all meine Studio-Gigs in einer Datei fest, die aber nie, nie, nie jemand zu sehen bekam. Man spricht über schreckliche Musik, die man für Geld aufnimmt, genauso gerne wie über Hämorrhoiden.

Das mit der Studiomusik gehörte zu meinen vielen Wegen, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dazu gehörte auch das Jobben im Musikgeschäft und wenn es eng wurde, kellnerte ich auch.

Ich war auch in einer Band. Wir machten gute Musik. Crossover, Fusion, Funk. Wir konnten alle was, waren gut, arbeiteten hart und machten teilweise richtig geile Musik. Aber nur wenige wollten das hören.

Ich lebte also das typische Künstlerleben. Nicht mehr voller Hoffnung, irgendwann mal groß rauszukommen, aber ich kam zurecht, wurschtelte mich so durch. Es war sicherlich nichts, was man mit 60 noch machen wollte, aber für den Moment war ich zufrieden.

Ich war also Musikerin wie Joelle. Aber das erklärte noch nicht, was sie an mir fand. Ich empfand mich nicht als besonders attraktiv, auf einer Skala von 1 bis 10 so circa eine 6,5 (leicht über dem Durchschnitt, aber nicht so, dass sich irgendwer mein Gesicht merkte). Ich war weitestgehend zufrieden mit meinem Körper. Hier und da könnte er etwas mehr oder weniger haben, manche Teile könnten eine leicht andere Form haben, aber das war mir nicht wichtig. Mein Körper war okay, wie er war.

Joelles Körper war auch okay, wie er war, soweit ich das erkennen konnte, vielleicht unterschied uns in der Beziehung nicht so viel.

Ich muss zugeben, dass ich geschmeichelt war, dass sie so hinter mir her war. Immerhin hatte ich nichts anderes getan, als sie relativ pampig davon abzuhalten, eine Gitarre von mir zu kaufen. Da konnte ich nicht erwarten, dass sie mit besonderer Zuneigung auf mich reagierte. Es war vermutlich genau das, was ich interessant fand. Dass ich sie vor den Kopf gestoßen hatte und sie sich nicht abwandte, sondern dran blieb.

Ich fand es doch irgendwie schmeichelhaft, gestalkt zu werden.

In ihren Augen musste ich ein großartiger Mensch sein, dass sie sich das alles gefallen ließ.

Für meinen Teil konnte ich noch nicht sagen, was ich von ihr hielt. Ich stand nicht auf diese arrogante Art, ihr Gehabe war nicht mein Ding, aber mir schien, dass das vielleicht auf Unsicherheit beruhte, dass sie noch nicht so richtig wusste, wo es hingehen sollte. Immerhin war sie ein paar Jahre jünger als ich und damit noch nicht so sicher, wo es hingehen sollte. Ich dagegen war ein Schlachtross. Zumindest fühlte ich mich manchmal so.

Ich war mir also nicht so ganz sicher, was ich von ihr halten sollte, aber ich war offen für alles, was so kommen könnte.

Kapitel 4

„Du, sorry!", stöhnte sie, als sie keuchend in das Cafe stürmte. „Aber der Verkehr ist mörderisch!"

„Mörderisch. Hui! Das ist ja viel. Du meinst, der Islamische Staat ist hier eingefallen?"

Sie sah mich an und zickte:

„Das ist metaphorisch zu verstehen!"

„Metaphorisch! Aha."

Ich sah auf die Uhr. Sie war eine halbe Stunde zu spät. Ich war nicht unbedingt sauer, da ich mir Arbeit mitgebracht hatte, aber da sie so scharf auf dieses Treffen gewesen war, hätte ich gedacht, dass sie ein wenig mehr Interesse daran gehabt hätte, pünktlich zu erscheinen.

Sie legte ihre Tasche ab, setzte sich mir gegenüber, winkte der Bedienung, und als diese nicht sofort schaute, rief sie durch den halb gefüllten Raum:

„Einen Cappuccino. Aber bitte mit richtigem Espresso, nicht mit Filterkaffee. Und natürlich mit aufgeschäumter Milch, nicht mit Sahne."

Ich runzelte die Stirn.

„Was?", fragte sie verständnislos.

„Wenn du gerade versuchst, dich nicht wie eine verwöhnte Göre zu benehmen, muss ich dir sagen, dass du nicht sehr erfolgreich damit bist. Du bist mehr so eine Diva. Aber ich meine das nicht im positiven Sinne."

„Oh. Okay. Tut mir leid, aber ich bin noch nicht ganz angekommen."

„Dann komm erst mal an. Ich meine ja nur. Wir könnten das als Motto für diesen Nachmittag nehmen. Andere Saiten aufziehen. So von wegen Gitarre und nerviges Verhalten und so."

Ich lächelte, als ich das sagte, und meine Stimme drückte eher Ironie als Abneigung aus.

„Tut mir leid."

„Kein Thema."

Die Bedienung brachte den Cappuccino, doch die Tasse stand noch nicht auf dem Tisch, da ging die Szene auch schon weiter:

„Ich glaube, hier ist noch Lippenstift an der Tasse. Könnten Sie mir eine andere bringen?"

Die Kellnerin und ich beugten uns vor, versuchten den Lippenstift auszumachen, sahen aber nur das makellose Weiß des Porzellans.

Ich sah die Kellnerin an und versuchte ihr durch meinen Blick mitzuteilen, dass ich auch keinen Lippenstift erkennen konnte, dass ich mich von dieser Beschwerde distanzierte und dass ich es verstehen könnte, wenn sie ihr den Cappuccino über die Klamotten kippen würde. Ich weiß nicht, ob sie mich verstand, vermutlich machte sie mich zu Joelles Komplizin. Es war mir peinlich.

Ob die Kellnerin meinen Blick verstand, weiß ich nicht, aber Joelle war er nicht entgangen, und so versuchte sie sich zu rechtfertigen:

„Es ist ja nur, wegen dem Herpes. Ich will mir sowas nicht holen, und in Lokalen holt man sich das schnell. Ich bin nämlich So..." und da merkte sie, dass sie auf dem Weg war, Dinge zu sagen, die bei mir nicht so gut ankommen würden. Und so rettete sie sich: „Solo, und da wäre es ja schlecht, sich so einen Herpes zu holen."

Sie lächelte. Die Kellnerin sah mich kurz an, aber ich konnte ihren Blick nicht deuten. Stattdessen lächelte sie und sagte:

„Kein Problem. Ich bringe Ihnen sofort einen neuen!"

„Vielen, vielen Dank!"

Als die Kellnerin außer Hörweite war, meinte Joelle:

„War ich zu nervig? Du kannst ganz offen sein."

„Hundertprozentig war das zu nervig!"

Joelle seufzte.

„Ich will nicht so sein. Glaubst du mir das? Ich will nicht nervig oder asozial oder eine Diva sein. Ich finde das auch schrecklich, aber manchmal überkommt mich das einfach so. Kannst du das verstehen?"

„Nein. Ich verstehe das nicht. Ich meine, ich verstehe, dass du keine Diva und nicht nervig und kein Asi sein willst, aber ich verstehe nicht, warum du nicht einfach vorher darüber nachdenkst, ob du vielleicht wie eine asi-nervige Diva rüberkommst, bevor du dann alles tust, um das Bild zu bestätigen."

„Ja", meinte sie nur und schwieg für einen Moment. „Es ist nur nicht so einfach mit dem Denken."

Ich mochte es, wie sie dann doch fähig war, Selbstironie zu verwenden.

„Da sagst du was. Wo du jetzt schon auf dem Weg zur Selbsterkenntnis bist, solltest du dich vielleicht bei der Bedienung entschuldigen."

„Ich werde ihr ein dickes Trinkgeld geben", lächelte Joelle, und damit war das Thema für sie durch. Stattdessen legte sie mir die Hand auf den Arm und lehnte sich vor:

„Tut mir echt leid, dass ich dich habe warten lassen. Das war nicht meine Absicht. Aber ich habe dieses Konzert am Wochenende, und da ist eine Passage, die echt frickelig ist, und die habe ich nicht so drin. Schumann, die erste Violinsonate in a-Moll. Kennst du vielleicht."

Ich schüttelte den Kopf.

„Jedenfalls musste ich das üben."

„Was für ein Konzert ist das?"

„Am Samstag. Ein Kammerkonzertabend in der Großen Fauna. Nichts Tolles, aber immerhin. Willst du kommen? Ich könnte dir eventuell noch eine Karte besorgen."

„Vielleicht ein anderes Mal. Ich bin nicht so der Klassik-Fan."

„Was machst du für Musik? Bitte erzähl!"

Ihre Hand lag immer noch auf meinem Arm, und sie drückte einmal kurz, wie um ihr Interesse zu betonen. Mir schien diese Haltung fremd, sie drückte eine Vertrautheit aus, die wir nicht hatten. So als wären wir schon seit Jahren beste Freundinnen. Aber ich ignorierte es, betrachtete mir ihre kleinen, schmalen und gepflegten Finger und zögerte.

Wenn man erzählt, dass man Musikerin ist, bekommt man häufig eine interessierte Reaktion. Auch wenn man das als Beruf nicht ernst nimmt, und man beginnt die immer gleiche Story herunter zu rattern. Ich war mittlerweile etwas vorsichtig geworden, denn ich wollte andere Menschen auch nicht langweilen mit meiner Geschichte, die ich wenig spannend fand. Aber für viele waren Musiker eben Leute, von denen Geschichten über Exzesse, Stars und Skandale erwartete wurden. Ich gab ihr also die Kurzversion, aber Joelle fragte ständig nach und schien ernsthaft interessiert zu sein an meiner Story.

NaSchmi
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