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Die Violinistin und die Bassistin

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NaSchmi
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Und so verging der Nachmittag recht flott, und wir unterhielten uns über unsere sehr unterschiedlichen Musikkarrieren. Ich kam mir wie eine Anfängerin vor in Anbetracht ihrer Erfolge, und ich hatte gar ein schlechtes Gewissen, dass ich noch nie von ihr gehört hatte.

Es war nett, das konnte ich nicht anders sagen. Und mit nett meine ich sehr angenehm.

Manchmal funkelten ihre Augen, wenn sie von ihrer Musik sprach. Ich erinnere mich noch, wie sie davon sprach, wie es sich anfühlt, ein neues Stück zu meistern:

„Du hörst dir das zum ersten Mal an und denkst dir, das schaffe ich nie. Ich habe keine Ahnung, wie man das spielen soll. Aber dann bist du schon niedergeschlagen, bevor du überhaupt erst angefangen hast. Und dann setzt du dich dran und erarbeitest es dir langsam Stück für Stück, und du beginnst ein wenig zu verstehen, und es läuft auch irgendwie, aber dann kommen wieder Phasen, wo alles den Bach runter geht und du dich klein und mies fühlst, weil irgendeine Stelle nicht funktioniert. Dann wirst du depressiv und versuchst und versuchst, aber es klappt nicht mehr. Du lässt es sein und versuchst es am nächsten Tag wieder, und dann läuft es plötzlich, der Knoten platzt und von da an wird es fast einfach. Am Ende hat man es drauf, gerade rechtzeitig. Dann tritt man auf, ist nervös, hat Lampenfieber und malt sich aus, was alles Schreckliches passieren könnte. Aber nichts Schreckliches passiert. Man kommt in diese Zone, in der man plötzlich alles versteht. Die Musik versteht und wie sie gespielt werden muss, wie man sie anfassen muss. Deine Finger und dein ganzer Körper machen plötzlich alles richtig. Man vergisst alles andere. Und wenn man am Ende angekommen ist und der letzte Ton verklungen ist, ist man unendlich traurig, dass dieser Moment nun zu Ende ist. Aber dann setzt der Applaus ein, und man ist versöhnt. Aber nur ein wenig, weil das Publikum nicht verstanden hat, was man gerade erlebt hat. Kennst du dieses Gefühl?"

Ich muss gestehen, ich kannte es nicht. Der Bass ist ein Instrument für eine Band. Man spielt den Bass nicht allein. Es gibt zwar Leute, die Bass-Soli spielen wie Gitarristen es machen, aber das klingt immer wie schlecht masturbiert. Natürlich gibt es großartige Bassisten, die auch Melodien spielen und den Bass aus dem Hintergrund holen, aber die wirklich guten wissen, wo ihr Platz in der Band ist, und der ist immer links oder rechts vom Zentrum. Der Platz des Bassisten ist nicht in der Mitte der Bühne. In der Mitte steht der Sänger und da steht vielleicht auch noch der Lead-Gitarrist. Meiner Meinung nach steht da nicht der Bassist. Der ist im Hintergrund. Der ist wichtig, aber nur wer Ahnung von Musik hat, kann das richtig einordnen.

Wenn man sich die White Stripes anhört, weiß man wie viel so ein Bass ausmacht, denn, egal wie gut die Musik ist, etwas fehlt: Der Bass. Drei Instrumente gehören mindestens in eine Band. Eins davon ist der Bass. Man hat immer eine Band um sich und man spielt mit ihr zusammen. Wenn es läuft, dann klickt man mit dem Schlagzeuger, denn Bass und Schlagzeug sind für den Rhythmus der Band verantwortlich. Gitarre und Gesang für die Melodie.

Aber wenn es auch anders läuft bei unseren Instrumenten, so verstand ich, wie man sich in der Musik verlieren kann, wie alles verschwindet bis auf die Töne, wie man in den Groove kommt und alles passt. Es passiert nicht immer, sogar eher selten.

Aber ich hatte das Gefühl, dass ich sie verstand, dass wir etwas gemeinsam hatten und dass sie im Innersten nicht so sein konnte, wie sie sich nach außen gab.

Überhaupt, während sie so erzählte, zeigte sie keiner dieser Eigenschaften, die mich nervten.

So störte mich bald auch nicht mehr, dass sie immer noch ihre Hand auf meinem Arm hatte und mir immer näher rückte.

Es war unerwartet nett. Ich hoffe, das klingt jetzt nicht zu arschig. So ist es nicht gemeint. Es war nicht so, dass ich Joelle von Anfang an nicht gemocht hätte, sie war nur, sagen wir, etwas speziell.

Ich erfuhr, dass sie an einem privaten Konservatorium die Violine studierte und unsicher war, ob sie eine Karriere als Violinistin anstreben sollte. Man riet ihr wohl von allen Seiten dazu, aber sie war nicht überzeugt, dass sie das Zeug dazu hatte.

Ich hatte das Gefühl, dass sie noch dabei war, sich zu finden.

Sie zeigte sich von einer ganz anderen Seite. Etwas unsicher, etwas vage. Aber auch interessant. Diese ganze überhebliche Art, dieses Unangenehme, Überhebliche, all das hatte sie abgelegt, wie man einen schweren Schutzanzug ablegt, in dem man sich nur mühsam bewegen kann, in dem man schrecklich schwitzt und der unkomfortabel ist. Und darunter kam eine interessante junge Frau zum Vorschein, die etwas zu sagen hatte, der ich zuhören konnte und die ähnliche Gedanken zur Musik hatte wie ich.

Wir waren keine Freunde geworden an diesem Nachmittag, aber sie war menschlicher geworden. Sie entstammte einer musikalischen Welt, in der vieles anders zu sein schien als in meiner. Wir fanden Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede in unserer Musik. Joelle brachte es ganz nett auf den Punkt, als sie bemerkte, dass unsere Instrumente in den vier gleichen Noten gestimmt waren, nur jeweils umgekehrt. Mein Bass war auf die Saiten E-A-D-G gestimmt, ihre Violine auf G-D-A-E. Ich hatte das nicht gewusst, es bedeutete nicht viel, aber ich fand es interessant. Joelle wusste eine Menge mehr über Musik, vor allem über die Theorie, als ich. Ich konnte gut damit leben. Ich wusste, welche Noten gut zueinander passten. Sie konnte auch noch erklären, warum das so war. Es wäre einfach gewesen, zu behaupten, dass sie das theoretische Wissen hatte und ich die Intuition. Aber Joelle war nicht nur die kalte Theoretikerin, sie war einfach umfassender geschult in der Musik als ich. Sie war besser, viel besser als ich. Ich hatte damit kein Problem.

Aber machen wir uns nichts vor, am meisten mochte ich, wie sie mir schmeichelte, wie sie sich um mich bemühte, mit mir flirtete. Ihre Hand auf meiner, wie sie ihren Kopf leicht schräg hielt, lächelte, sich mit den Fingern durch die Haare fuhr. Es war alles so eindeutig, wie sie sich für mich interessierte. Das schmeichelte mir. Es war eine Weile her, dass meine letzte Beziehung zu Ende gegangen war, und die war nicht so toll gewesen, dass ich mich sofort nach etwas Neuem gesehnt hätte. Doch wie sie nun ihre ganzen Signale setzte, ihr Interesse an mir zum Ausdruck brachte und um mich herumschlich, das mochte ich. Es war schon etwas her, seit sich das letzte Mal jemand um mich bemüht hatte.

Als sie noch einmal ihre Hand auf meine legte, mir tief in die Augen sah und mich fragte, ob sie mich wiedersehen dürfe, da fand ich das eine gute Idee.

Fairerweise muss ich sagen, dass ich mir noch kein Urteil gebildet hatte, was ich von Joelle selbst hielt. Ich war vorsichtig, denn so angenehm sie sich an diesem Nachmittag auch gab, als wir zahlten, zeigte sie wieder ihre unangenehme Seite.

Schon wie sie der Kellnerin winkte, fiel mir negativ auf. Sie würdigte der Bedienung keines Blickes, rief lediglich „zahlen" in den Raum und schwenkte ungeduldig mit dem Arm. Als die Frau dann an den Tisch trat, sah Joelle diese nicht einmal an, kramte nur in ihrer Geldbörse und warf einen Zwanziger auf den Tisch. Das war zugegebener Maßen ein üppiges Trinkgeld, aber mir widerstrebte diese Art, sich die Zuneigung von Menschen, mit Geld zu erkaufen.

Die Kellnerin ließ sich nichts anmerken, blieb professionell, aber ich musste was unternehmen, weil ich diese Art, mit Menschen umzugehen, nicht ausstehen konnte. Ich war selbst schon so behandelt worden und hasste das. Überhaupt fand ich es ärgerlich, dass sie so schnell verschiedene Seiten von sich zeigte. Mir gegenüber war sie aufmerksam und liebevoll, anderen gegenüber aber zeigte sie diese kalte und gleichgültige Art. Es gab ihren Handlungen etwas Unaufrichtiges, Manipulierendes. Das mochte ich nicht.

Dieses Mal legte ich meine Hand auf ihren Arm, bat die Kellnerin mit einem knappen „Entschuldigung" zurück an den Tisch und sagte zu ihr:

„Tut mir leid, Sie noch einmal zu stören, aber meine Freundin wollte Ihnen noch etwas sagen. Wegen eben... der Sache mit dem Lippenstift."

Joelle sah mich fragend an. Ich drückte meine Fingernägel zur Bekräftigung tief in ihren Arm und sah sie eindringlich an. Es sollte ein Zeichen sein, dass sie, wenn sie mich wiedersehen wollte, sich jetzt besser benahm. Vielleicht war das etwas weit hergeholt. Konnte sie verstehen, dass ich eine Entschuldigung von ihr erwartete und diese von einem weiteren Treffen abhängig machte?

Sie schwieg einen Augenblick. Es war ihr sichtlich unangenehm, was ich von ihr erwartete, und sie kämpfte mit sich und ihrem Stolz. Ich hatte das Gefühl, dass sie nicht nachgeben würde, dass sie lieber auf ein weiteres Treffen mit mir verzichtete, als sich zu einer Entschuldigung herabzulassen. Aber dann senkte sie doch den Blick und begann mit einem kleinen Kloß im Hals zu reden, und sie entschuldigte sich wirklich und wie gefordert für ihr barsches Verhalten.

Innerlich schmunzelte ich. Es bereitete mir ein kleines Wenig Genugtuung, wie sie da auf ihrem Stuhl hin und her rutschte und schließlich eine Entschuldigung herauspresste. Es war süß, wie sie die Kellnerin für ihr Verhalten um Vergebung bat.

Immer wieder schweifte Joelles blick bei ihrem erstaunlich demütig vorgetragenen Vortrag zu mir, und sie schaute mir tief in die Augen, als würde sie sich mehr bei mir entschuldigen als bei der Bedienung.

Die Kellnerin spielte das Ganze höflich herunter, meinte, es sei ja alles kein Problem gewesen und sie sei Schlimmeres gewohnt. Ich fuhr meine Krallen wieder ein, nahm sie von Joelles Handgelenk und tätschelte sie noch einmal, wie man ein kleines Kind belohnt, das seine Sache gut gemacht hat.

Joelle sah mich an, als sie den Arm hob. Die Abdrücke meiner Fingernägel waren noch schwach zu erkennen.

Als wir das Café verließen, ging sie hinter mir und schien immer noch recht beschämt, was mich schon ein wenig wunderte. Warum sollte sie diese kleine Sache so bewegen?

Aber auch ich musste an diesem Tag noch einige Male an unser Gespräch und diese kleine Szene am Ende denken. Ich fragte mich, ob ich nicht vielleicht diejenige war, die zu weit gegangen war.

Viel später erklärte Joelle mir, dass dieses kleine Spielchen für sie der Moment war, an dem sie wusste, dass wir beide füreinander geschaffen waren.

Kapitel 5

Joelle hatte gesagt, dass sie mich wiedersehen wollte, und ich hatte nichts dagegen. Sie meldete sich zu meiner Überraschung aber schon zwei Tage später. Das ging ziemlich schnell, aber ich hatte nichts dagegen. Ihr Vorschlag war ein Picknick zu veranstalten. Sie würde sich um alles kümmern, meinte sie, und auch dagegen hatte ich nichts. Ich ließ mich überraschen.

Wir verabredeten uns, und sie fuhr in einem New Beetle Cabrio vor. Typisch, dachte ich mir: Das Auto für reiche Töchter.

Aber ich sagte nichts, wollte auch nicht die Spielverderberin sein, die an allem was auszusetzen hatte. Daher ersparte ich mir einen Kommentar. Ich musste ein wenig aufpassen. Am Vormittag hatte ich Zoff gehabt wegen eines anstehenden Gigs, der doch nicht so ablaufen sollte, wie es geplant gewesen war, und wenn ich schlecht gelaunt war, ließ ich das schnell an anderen aus. Aber Joelle hatte natürlich keinen Grund, unter meinen Launen zu leiden. Da ich ihr das Leben auch nicht schwerer machen wollte, als es ohnehin schon war, blieb ich zunächst einsilbig.

Ich versuchte, die Sonne auf meiner Haut zu genießen, während sie aus der Stadt fuhr. Aus ihrer Stereoanlage erklang Depeche Mode. Nicht unbedingt meine Lieblingsmusik, aber immerhin besser als das Violinkonzert in D-Moll und gepuderter Perücke. Klassische Musik war nicht mein Ding und überkandidelten Operngesang hätte ich auch nicht gut ertragen können.

Joelle hingegen war gut gelaunt. Sie erzählte mir, dass sie in jeder freien Minute auf ihrer Gitarre übe, welche Fortschritte sie machte und wo sie Schwierigkeiten hatte.

Ich hörte ihr zu, gab hier und da eher einsilbig einen Kommentar ab, aber in Gedanken hing ich immer noch bei dem Veranstalter, der mir so doof gekommen war.

Wir fuhren noch eine Weile, dann bog sie von der Landstraße ab auf eine kleine, holprige Straße und von da noch einmal auf einen Feldweg, der sich sanft entlang einiger Hügel schlängelte. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren. Irgendwo im Grünen. Ich konnte jedenfalls weit und breit keine Ortschaft, kein Dorf, kein Haus erkennen. Nur Grün und ein paar Hügel.

Joelle erzählte derweil von ihrem Tag und allerlei anderem. Ihr Schwall an Worten ließ mich langsam meinen Groll vergessen.

Schließlich hielt sie den Wagen an. Wir waren mitten im Grünen.

Ich sah sie fragend an, und Joelle sagte fast entschuldigend:

„Das ist ein Grundstück, das mein Vater mal irgendwann gekauft hat. Er wollte hier was bauen, aber irgendwie hat es bis jetzt dann doch noch nicht geklappt."

„Und warum gerade hier?"

Sie war bereits ausgestiegen und hatte einen Picknick-Korb vom Rücksitz genommen.

„Ich zeig's dir."

Ich folgte Joelle, als sie über die Reste eines verrosteten Stacheldrahtzauns stieg.

Es war mühsam, sich durch das Unkraut zu kämpfen, und ich wünschte mir, ich hätte keine Shorts, sondern eine lange Hose angezogen.

Wir kämpften uns ein paar Meter einen Hügel hoch. Als wir oben angekommen waren, eröffnete sich uns ein Ausblick auf einen Teich mit einem kleinen Wäldchen dahinter. Es war ziemlich idyllisch.

„Wow! Dein Vater hat Geschmack. Nettes Plätzchen!"

„Mmh!", stimmte sie knapp zu, als wäre ihr das etwas peinlich.

„Warum so bescheiden?"

„Naja, was soll ich sagen. Er wollte hier ein Häuschen fürs Wochenende hinsetzen. Das wäre schon ziemlich dekadent geworden."

Da hatte sie Recht.

„Ich kenne eine nette Stelle am Ufer."

Joelle ging durch das hohe Gras den Hügel hinunter, und ich folgte ihr vorsichtig ans Ufer.

„Ich komme manchmal hierher, wenn ich allein sein will", erzählte sie. „Das ist quasi mein geheimer Ort."

„Jetzt ist er aber nicht mehr geheim."

„Meinst du wirklich, du würdest allein wieder hierher finden?"

Vermutlich nicht, da hatte sie Recht.

„Das scheint ja eine ziemliche Ehre zu sein, wenn du mir dein Geheimnis zeigst."

„Kann man wohl sagen!"

Joelle stellte den Korb ab, holte eine kleine Decke heraus und entfaltete sie auf dem Boden.

„Komm hier auf die Decke."

Es war eine verdammt kleine Decke, die sie da eingepackt hatte, aber wenn ich nicht im Unkraut sitzen wollte, blieb mir nichts anderes übrig, also setzte ich mich zu ihr und genoss stumm die Aussicht auf den Teich.

„Du bist so still, die ganze Zeit schon. Stimmt irgendwas nicht?"

„Stress mit einem Veranstalter."

Sie setzte sich neben mich und kramte in ihrem Korb.

„Möchtest du erzählen?"

Ich zögerte und seufzte. Der Ort war eigentlich zu schön für meine schlechte Stimmung.

„Wir machen es so: Du erzählst mir alles, und ich kümmere mich darum, dass es dir an nichts fehlt. Was sagst du dazu? Ist das ein Angebot?"

Ich sah sie an. Diese hilfsbereite Art war mir reichlich fremd. So kannte ich sie gar nicht.

Sie erkannte meine Zweifel wohl und meinte:

„Lass mich dir zeigen, dass ich nicht nur ein egoistisches Miststück bin, auch wenn du das vielleicht von mir glauben solltest."

Ich warf ihr einen Blick zu, aber sie lächelte nur:

„Sollte jetzt keine Provokation sein. Mir ist schon klar, dass ich manchmal nicht einfach bin. Ich versuche echt daran zu arbeiten. Vielleicht kannst du mir ja sogar dabei helfen. Aber nicht jetzt. Jetzt dreht sich alles um dich. Was sagst du?"

Ich nickte vorsichtig, und sofort hellte sich ihre Miene auf.

„Supi! O-Saft oder vielleicht sogar ein Piccolöschen?"

„Viel Sekt, wenig Saft."

„Kommt sofort!"

Sie kramte zwei Sektgläser aus ihrem Korb hervor und mixte unsere Getränke.

„Was ist mit deinem Veranstalter?"

Ich zögerte. Sollte ich mich wirklich darüber aufregen, sollte ich wirklich darüber jammern?

„Komm schon, erzähl. Du willst es doch auch!"

Sie lachte.

„Es ist keine große Sache. Meine Band hat vor einiger Zeit einen Gig gelandet bei diesem kleinen Festival. Relativ klein, aber doch mit ziemlich viel Publikum für unsere Verhältnisse. Wir sollten sowas wie Headliner sein, also als Letztes spielen."

Sie reichte mir den Sekt, wir stießen an, wobei ich „Prost" und sie „cin cin" sagte. Wir sahen uns an und lachten. Kulturelle Unterschiede halt.

„Naja, ziemlich kurzfristig waren wir dann doch nicht mehr Headliner, sondern sie hatten noch eine bekanntere Band gefunden, also rutschten wir nach hinten, und heute Morgen haben wir erfahren, dass jetzt noch eine andere Band vor uns spielen soll. Wir sind also noch weiter nach hinten gerutscht, und außerdem soll es jetzt auch noch weniger Geld geben, weil halt das Budget jetzt auf mehr Bands aufgeteilt werden muss oder so."

„Das ist Mist."

„Das kannst du laut sagen. Sowas passiert ständig. Musiker sind einfach der letzte Dreck, und alle wissen, dass wir auf die Auftritte angewiesen sind. Ich würde denen ja am liebsten sagen, wohin sie ihr Festival stecken können, aber wir brauchen den Auftritt und die Knete. Wir wollen nur nicht gerne so behandelt werden!"

„Ist schon komisch, ich kann die gleiche Story erzählen. In der klassischen Musik ist es kein Bisschen anders!"

Und dann erzählte sie mir von diesem Kammermusikabend, an dem sie spielen sollte, weil der große Star ausgefallen war, und als Joelle alle ihre Termine umgelegt hatte, um diesem Wunsch gerecht zu werden, änderte sich wieder alles, als der Star es dann doch einrichten konnte und Joelles Auftritt wieder gecancelt wurde.

Ich war also nicht allein, sie hatte ähnliche Erfahrungen gemacht und hasste es genau wie ich.

Sie erzählte mir, wie enttäuscht sie sich gefühlt hatte, und weil ihre Erfahrungen weiter zurück lagen, konnte sie bereits darüber lachen. Wie sie ihre Story erzählte, musste ich akzeptieren, dass meine Geschichte auch nicht schlimmer war, dass ihre sogar tragischer war. Wenn sie also darüber lachen konnte, dann musste ich das wohl auch können.

Und irgendwie war es ja auch albern, sich darüber lange aufzuregen. Es war eine Kleinigkeit.

Stattdessen wurde mir wieder bewusst, dass wir doch einiges gemein hatten, auch wenn sie sich in einer anderen Ecke der Musikwelt aufhielt.

Sie packte aus ihrem Korb allerlei Köstlichkeiten, Kanapees, Häppchen, Tapas, wie immer man dieses Fingerfood nennen mochte. Es war lecker, das musste ich ihr lassen, wenn ich auch selten so etwas aß und sie sich ganz offensichtlich auskannte. Sie erzählte mir, wo sie die Sachen herhatte, aber ich musste gestehen, was für sie Allgemeinwissen zu sein schien, war mir vollkommen unbekannt. Ich hatte jedenfalls von den Feinkostläden und Geheimtipps noch nie gehört, die sie angesteuert hatte, um das alles zu besorgen. Sie war stolz auf sich, und ich gab zu, dass es sehr lecker war. Auch wenn es ein wenig Perlen vor die Säue waren, denn mit einem Döner hätte sie mich auch beeindrucken können. Aber ich wusste es zu schätzen, dass sie sich Mühe gab.

Wir aßen und quatschten über Essen und Musik, waren mal näher- bei und dann weiter voneinander entfernt, aber es war immer nett, immer angenehm und freundlich.

Joelle spielte die Gastgeberin, und wieder kam nichts Unangenehmes von ihr.

Schließlich lagen wir ganz nah nebeneinander auf der Decke und schauten in die Wolken, die langsam vorbei zogen. Joelles Arm berührte meinen.

Die noch frühlingshafte Sonne war stark genug, uns ein wenig zu wärmen, und während eine große weiße Wolke vorbeizog, erzählte sie mir, wie schön sie das hier alles fand. Ich ließ es geschehen, als sie ihre Hand in meine legte. Wir atmeten einfach nebeneinander.

Ich musste weggedöst sein, doch als ich ihren Atem auf meiner Wange spürte, wachte ich auf. Ich roch den süßen Duft des Orangensafts in ihrem Atem und darunter ganz leicht die Säure des Sekts.

NaSchmi
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