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Die Wikingerfibel Teil 02

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Nach längeren Diskussionen haben wir gemeinsam beschlossen, dass Greta und Lifa diesmal nicht mitreisen. Sie wollen sich auf den Hof und die Ausbildung der anderen Wikinger und ihrer Frauen konzentrieren.

„Bring mir Getreide mit, wenn ihr in England seid", hat Greta einmal gemeint. „Bei uns in Dänemark gibt es eine Legende, wonach in einem Land im Norden Getreide wächst. In Dänemark gibt es zwar auch einige Felder davon, aber es setzt sich nicht durch. Die Menschen wissen nicht wirklich, was sie damit anfangen können. Ich bin mir sicher, es gibt eine Möglichkeit, Getreide sinnvoll zu verarbeiten, damit es eine gute Alternative zur Hirse werden könnte."

Fjell ist für mich zu einem ständigen Begleiter geworden. Unsere Bereiche überschneiden sich stark. Er und Hakon sind meine Stellvertreter. Wir arbeiten sehr gut zusammen und ich bin sehr froh, dass ich die beiden habe.

Nun ist es so weit und wir laufen endlich aus. Die Schiffe der anderen Stämme sollen etwas später zu uns stoßen. Ich nehme Kurs Richtung Norden, zunächst noch ein kleines Stück an der Küste entlang. Ich bin entspannt und freue mich schon auf das neue Land. Ich war als Studentin und später auch als Architektin mehrfach in Großbritannien. Wie das Land jedoch zur Zeit der Wikinger ausgesehen hat, kann ich nicht sagen und genau deshalb bin ich neugierig, es jetzt zu sehen.

Wir segeln entspannt dahin, als plötzlich vor uns fünf Wikingerschiffe auftauchen. Es könnten die Leute der Nachbarstämme sein. Allerdings sehen sie ausgesprochen bedrohlich aus und ich bin auch sofort alarmiert. Sie halten direkt auf uns zu und verhalten sich nicht so, als wollten sie einfach nur mit uns segeln.

„Die suchen eindeutig den Kampf!", warnt mich Fjell aufgeregt.

„Die kommen aus den Orten, wo unsere Begleiter herkommen."

„Trotzdem, alles deutet darauf hin, dass sie gleich angreifen."

„Sie wollen die Expedition übernehmen", überlege ich.

„Das denke ich auch. Ich frage mich allerdings, was sie davon haben."

„Sie wollen nicht unter dem Kommando einer Frau segeln."

„Was tun wir?"

„Lass bei unseren Schiffen alle Segel setzen. Wir nehmen Kurs aufs offene Meer und versuchen sie abzuschütteln."

„Das wird schwer."

„Wir müssen es versuchen. Ich will keinen Mann im Kampf verlieren, wenn es nicht unbedingt sein muss."

Fjell gibt meine Befehle weiter und so versuchen wir den anderen zu entkommen. Ich nehme zunächst ohne größere Berechnungen Kurs in Richtung Nord-Westen. Ich nehme mir vor, später in aller Ruhe die genaue Route zu bestimmen und dann den Kurs entsprechen zu korrigieren. Das allerdings erst, wenn wir außer Sichtweite unserer Verfolger sind. Ich will sie bewusst in die Irre führen und sie nicht wissen lassen, wohin sie segeln müssen.

„Die fallen zurück", meint Fjell sichtlich erstaunt.

„Das habe ich mir schon gedacht", grinse ich schelmisch.

„Sie haben Schiffe, die sind mit unseren vergleichbar", wirft er ein.

„Sie haben allerdings deutlich mehr Waffen an Bord als wir und ich denke, unter Deck sind auch wesentlich mehr Männer, als sie uns haben glauben machen. Damit sind die Schiffe deutlich schwerer als unsere, liegen damit auch deutlich tiefer im Wasser und sind damit erheblich langsamer."

„Das mit den Waffen und Leuten siehst du einfach so?"

„Nein, ich nehme es an."

„Warum?"

„Würde ich zunächst uns überfallen und dann einen Raubzug nach alter Wikingerart unternehmen wollen, würde ich deutlich mehr Waffen und Leute mitnehmen, als wir es getan haben."

„Du bist ein Schlitzohr", grinst er.

„Ich versuche nur logisch zu denken. Es muss schließlich einen Grund haben, warum ihre Schiffe so tief im Wasser liegen."

„Aber was passiert jetzt?"

„Wir segeln nach England und lassen sie zurück."

„Wenn sie uns folgen und in England wieder zu uns stoßen?"

„Das werden sie nicht."

„Warum bist du dir da so sicher? Sie brauchen uns doch nur zu folgen und Kurs zu halten."

„Ich fürchte, sie werden an England vorbei hinaus auf den Ozean segeln. Ich habe den Verdacht, ihretwegen wird man eines Tages vermuten, dass Wikinger bis nach Amerika gekommen sind."

„Wohin?"

„Ein Land ganz weit in diese Richtung", sage ich. Dabei deute ich nach Westen und muss herzlich lachen.

„Muss ich das jetzt verstehen?", grinst Fjell etwas unsicher.

„Dir das zu erklären, wäre etwas zu aufwendig. Aber es tut nicht viel zur Sache", winke ich ab. „Wir werden noch einmal Kurs wechseln und erst damit auf unser Ziel zusteuern. Die anderen werden daran vorbeisegeln."

„Na dann, müssen wir ihnen wohl eine gute Reise wünschen", lacht auch er.

Ich behalte unsere Feinde genau im Auge. Sie bleiben immer weiter zurück und irgendwann sind sie ganz hinter dem Horizont verschwunden. Nun begebe ich mich in meine Kajüte und berechne den Kurs neu. Wir müssen etwas in südlichere Richtung umschwenken und tun dies auch.

Ich bleibe aufmerksam, bekomme aber unsere Verfolger einen ganzen Tag lang nicht mehr zu Gesicht. Damit haben wir sie endgültig abgeschüttelt. Dass sie rein zufällig die gleiche Kursänderung vornehmen, wie wir, ist absolut unmöglich.

Ich hoffe zwar für sie, dass sie umkehren und versuchen den Heimathafen wiederzufinden, bin mir da aber nicht so sicher. Sie sind verzweifelt und brauchen Beute. Vermutlich würde ich an ihrer Stelle auch die Reise fortsetzen, in der Hoffnung, wir hätten direkt Kurs auf England genommen.

Mir ist aber auch klar, dass sie bei meinem zunächst eingeschlagenen Kurs aller Wahrscheinlichkeit nach, nördlich von Großbritannien und später südlich von Island und Grönland durchsegeln. Das wird ihnen vermutlich zum Verhängnis werden.

Ich hätte es lieber vermieden, so viele Männer in den Tod oder zumindest in die Verbannung zu schicken. Wenn sie tatsächlich den Weg fortsetzen und in Richtung Amerika segeln, dann kommen sie entweder um oder nie mehr zurück. Sie haben nicht die, wenn auch sehr rudimentären, Instrumente und Seekarten, wie ich sie besitze. Sie müssen sich auf die Sterne verlassen und die sind in Amerika anders als in der Nähe von Norwegen. Damit ist es beinahe ausgeschlossen, dass sie von dort den Weg zurück finden.

Ich sehe aber keine andere Möglichkeit. Sie haben versucht uns anzugreifen und wollten den Raubzug unter ihr Kommando stellen. Ich frage mich zwar, wie sie sich das vorgestellt haben, wenn sie keine Ahnung davon besitzen, wohin sie segeln müssen und auf mein Wissen und meine Fähigkeiten angewiesen sind. Ich vermute, sie waren sich sicher, mich zwingen zu können.

Sich mit ihnen zu arrangieren wäre der falsche Weg gewesen. Auf ein solches Wagnis wollte ich mich nicht einlassen. Sie sind vermutlich in der Überzahl und nur durch diesen Trick war es mir möglich, einen Kampf zu vermeiden. Mir ist sehr wichtig, dass keiner meiner Männer in Gefahr gerät. Wäre es zu einer direkten Konfrontation gekommen, hätte es garantiert auf beiden Seiten Tote und Verletzte gegeben. Da bin ich mir sicher.

Es gibt Historiker, die vermuten, dass die Wikinger lange vor Christoph Columbus Amerika entdeckt hätten. Ich fand dies in der Schule immer spannend und es hätte mich brennend interessiert, ob die Nordmänner tatsächlich lange vor Columbus das amerikanische Festland erreicht hätten. Nun weiß ich, dass es durchaus so gewesen sein kann. Aber ich weiß auch, dass es ein Missgeschick war und sie von einer Frau in die Irre geführt worden sind.

Ich stehe an der Reling und muss bei solchen Gedanken belustigt lächeln. Ich möchte so gerne die doofen Gesichter sehen, wenn die Wikinger irgendwo in Kanada oder an der US-Ostküste an Land gehen und dort auf Eingeborene treffen. Das wäre für sie eine ganz andere Welt.

„Du grinst", meint Fjell, der sich neben mich stellt.

„Ich weiß, wohin sie segeln und das ist weit, weit weg."

„Du hast die Burschen ganz schön in die Irre geführt. Es war genial von dir."

„Ich habe nur logisch gedacht."

„Zu erkennen, dass sie tiefer im Wasser liegen, wie wir, dass sie deshalb mehr Waffen und Männer an Bord haben müssen als wir, da braucht es ein geschultes Auge."

„Ich habe mich lange mit solchen Dingen befasst. Ich habe ein Auge für so etwas."

„Aber du hast auch den Schluss daraus gezogen, dass wir ihnen davonsegeln können und sofort gehandelt. Das war unsere einzige Chance und du hast sie ergriffen."

„Entscheidungen sollten möglichst rasch getroffen werden."

„So mancher Mann würde nicht so schnell entscheiden. Hakon zum Beispiel hätte gezögert und damit die Chance vertan. Soll noch einmal einer sagen, Frauen seien nicht in der Lage, Wikinger anzuführen", grinst er.

Einen Tag lang halte ich selbst Ausschau nach den anderen Schiffen. Als ich aber immer noch keine Spur von ihnen ausmachen kann, gehe ich davon aus, dass wir es definitiv geschafft haben. Trotzdem bin ich vorsichtig und stelle einen Mann ab, der das Meer hinter uns im Auge behalten soll.

So verläuft die restliche Reise völlig ruhig. Die Stimmung an Bord hat sich nach der Aufregung wieder beruhigt und ist beinahe entspannt. Ein kleinerer Sturm, der aufzieht, stellt uns vor keine größere Herausforderung und bringt auch nur eine sehr geringe Verzögerung.

Ich stehe am Bug und blicke nach vorne, als Melva zu mir tritt. Sie ist eine von vier Frauen, die auch auf dieser Reise mit dabei sind.

„Wie lange haben wir noch?", will sie wissen.

„Ich weiß es nicht genau. Weit kann es nicht mehr sein."

„Weißt du, dass ich dich sehr bewundere?"

„Ich mache doch nichts Besonderes."

„Doch, du hast es uns Frauen ermöglicht, mit auf die Schiffe zu kommen. Ich habe im Winter mit einer Frau aus dem Nachbarstamm gesprochen. Bei ihnen wäre so etwas unvorstellbar."

„Es wird sich auch bei ihnen mit der Zeit etwas ändern", sage ich, um ihr Mut zu machen.

„Was wird sein, wenn die Männer wirklich ins Verderben gesegelt sind?"

„Dann werden wir uns auch um die Frauen und Kinder in diesen Stämmen kümmern müssen."

„Aber einige Männer sollen zurückgeblieben sein."

„Ich glaube eher, sie haben alle verfügbaren Männer auf diese Schiffe geladen. Sie wollten gegen uns kämpfen und brauchten dazu jeden Kerl, der nur halbwegs in der Lage war, eine Waffe zu halten. Zuhause werden nur jene geblieben sein, die alt, krank oder zu jung sind."

„Das alles nur, um nicht auf die Befehle einer Frau hören zu müssen. Unglaublich!"

„Es ist traurig, aber nicht zu ändern."

„Ich bin auf jeden Fall froh, dass du zu uns gekommen bist."

Da ich während unseres Gesprächs weiterhin das Meer vor uns im Auge habe, fällt mir sofort der Baumstamm auf, der etwas weiter vor uns, ruhig auf dem Wasser schaukelt.

„Da! Wir sind nicht mehr weit von der Küste entfernt."

„Das wäre schön", meint sie.

„Vertrau mir, das ist so."

Ich lasse die Segel abnehmen und wir nähern uns auch dieses Mal langsam der Küste. Schon gegen Mittag kann ich in der Ferne den Strand erkennen und wir ändern den Kurs, sodass wir parallel zum Land langsam im Wasser dahinsegeln. Erst am späten Nachmittag, als es bereits beginnt, dunkel zu werden, nähern wir uns der Küste.

Wir gehen vor, wie beim letzten Mal. Wir segeln so lange parallel zum Land, bis wir rauchende Schornsteine entdecken und damit ein Dorf gefunden haben. In der Nacht nähern wir uns vorsichtig und gehen an Land. Wir umstellen auch hier das Dorf und treiben alle zusammen.

Die Briten sind allerdings deutlich wehrhafter, als die Männer in Dänemark und so kommt es immer wieder zu teils heftigen Kämpfen. Auch ich werde in solche verwickelt. Einer der Briten scheint besonders aggressiv zu sein. Er geht entschlossen auf Fjell los, der daraufhin alle Hände voll zu tun hat, um den Kerl abzuwehren. Er ist so damit beschäftigt, die Hiebe des Briten zu parieren, dass er gar nicht ans Angreifen denken kann. Ich fürchte, dass Fjell seinem Gegner nicht ewig standhalten kann, da dieser deutlich stärker zu sein scheint. Vor allem aber beherrscht er die Kampfkunst deutlich besser als der Wikinger.

„Hey Brite, ergib dich, ist besser für dich", rufe ich dem Mann lachend zu. Natürlich erwarte ich nicht, dass er es auch tatsächlich macht. Allerdings lenke ich seine Aufmerksamkeit auf mich.

Wie erwartet, mustert mich der Mann nur und grinst überheblich zu mir herüber. Die Aussicht, sich mir zuzuwenden, scheint ihm aber zu gefallen. Er versetzt Fjell einen Schlag, dass dieser nur so zur Seite fliegt und kommt auf mich zu. Als ich sehe, dass Fjell sich wieder aufrappeln und den Mann erneut angreifen will, gebe ich ihm zu verstehen, er soll es lassen. Das kriegt auch der Brite mit.

„Du hast Mut", grinst dieser mich an. „Glaubst du wirklich, du kannst auch nur den Hauch einer Chance gegen mich?"

„Man wird wohl noch träumen dürfen", halte ich gut gelaunt dagegen.

„Wenn das nur kein schlimmes Erwachen wird."

„Die Frage ist eher, für wen es das schlimme Erwachen gibt", gebe ich Kontra.

„Na dann, viel Glück!", grinst er.

„Das hat nichts mit Glück zu tun."

Um uns herum tobt der Kampf. Er ist relativ ausgeglichen. Als sich der Hüne mir zuwendet, lachen seine Landsleute, zumindest die, welche es mitkriegen. Ich weiß zwar, dass es nicht leicht werden wird, weil er ein wirklich ernstzunehmender Gegner ist. Er scheint kampferprobt, groß und geübt zu sein. Aber ich rechne mir durchaus gute Chancen aus. Vor allem meine Wendigkeit und mein Training im Kampfsport dürften von Vorteil sein. Er hingegen hat vor allem Kraft und Muskeln vorzuweisen. Seine Masse macht ihn allerdings auch etwas schwerfällig.

Mir ist sehr wohl klar, dass er der Anführer ist und dass ihn zu besiegen, einen deutlichen Vorteil in diesem Kampf mit sich bringen dürfte. Deshalb gehe ich besonders konzentriert in Kampfhaltung.

Wie erwartet setzt er auf seine Kraft. Die Axt bedrohlich schwingend kommt er auf mich zu. Er ist aber nicht so unüberlegt, wie viele meiner bisherigen Gegner. Er weiß genau, was er tut. Dennoch gelingt es mir, unter seiner Axt durch zu tauchen und ihm einen empfindlichen Tritt gegen die Brust zu versetzen. Er kommt dadurch etwas ins Taumeln.

„Wie kämpft du denn?", will er wissen.

„Wie ein Mädchen", lache ich.

„Das sehe ich", grinst nun auch er.

Erneut lasse ich ihn zum Angriff übergehen. Diesmal weiche ich aus, positioniere mich schnell hinter ihm und diesmal bekommt er einen Tritt aus Leibeskräften in die Nierengegend. Da ich perfekt treffe, gibt er einen Laut von sich, der vermuten lässt, dass es für ihn äußerst schmerzhaft gewesen sein dürfte. Aber an Aufgeben ist nicht zu denken.

Diesmal ist er vorsichtiger und wartet bis ich ihn angreife. Da auch ich warte, tänzeln wir die längste Zeit um einander herum. Schließlich wird es mir zu blöd, ich täusche einen Angriff an, breche diesen aber ab, sobald der Hüne auf mich losgeht, umgehe ihn und springe von hinten auf seinen Rücken.

Der Angriff ist etwas unorthodox, aber ich schaffe es auf diese Weise, ihm mein Schwert an die Kehle zu drücken. Mit dem anderen Arm halte ich mich an seinem Hals fest. Er versucht in einer ersten Reaktion zwar, mich abzuschütteln, was ihm aber nicht gelingt. Da ich dabei das Schwert etwas kräftiger an seinen Hals drücke und sogar die Haut etwas einritzte, wird dem Mann schnell klar, dass dies für ihn gefährlich werden könnte.

„Was jetzt?", will er wissen.

„Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder du ergibst dich oder ich schneide dir die Kehle durch. Das gibt dann allerdings eine ganz große Sauerei und das wollen wir doch beide vermeiden."

„Du bist echt unverfroren. John McBrix so anzugreifen, würde sich wohl kaum jemand anders trauen."

„Einer muss immer der Erste sein, oder die Erste", grinse ich. „Auch, wenn es peinlich für dich ist."

„Gut, ich ergebe mich", gibt er nach.

„Ruf deine Männer zurück. Sie sollen sofort aufhören, zu kämpfen."

„Woher weißt du, dass ich der Anführer bin?"

„Dazu braucht es nicht viel Menschenkenntnis. Du bist arrogant."

„Ich arrogant?", meint er.

„Ja, nein, kein Bisschen!", grinse ich.

„Ok, Leute, hört auf zu kämpfen. Die Lady hat mich besiegt", ruft er laut den anderen zu.

Auch er lässt bei diesen Worten seine Axt fallen. Ich springe daraufhin von seinem Rücken und er dreht sich zu mir um.

„Was nun, Lady?"

„Wir reden und versuchen ohne weiteres Blutvergießen die Sache zu einem guten Ende zu bringen."

„Was ist für dich ein gutes Ende?"

„Wir sind hier, um euch jene Lebensmittel und Tiere abzunehmen, die ihr zu viel habt. Außerdem lautet mein Name Alva."

„Meine liebe Alva, wir haben nichts zu viel", grinst er.

„Oh, verzeiht mir, Eure Lordschaft! Ich habe mich falsch ausgedrückt. Wir nehmen alles mit, was ihr nicht zum Überleben braucht", antworte ich belustigt.

„Ich bin kein Lord, ich bin ein Earl."

„Nur?", necke ich ihn.

„Ich bin mit diesem Titel sehr zufrieden", antwortet er ernst.

Offenbar haben sich die Briten nicht sehr verändert. Wenn es um ihre Adelstitel geht, verstehen sie keinen Spaß.

„Lassen wir es dabei, Earl. Eure Frauen und Kinder bleiben in den Häusern und die Männer versammeln sich am Dorfplatz."

Er gibt entsprechende Anweisungen und schon gehorchen alle. Die wenigen Frauen und Kinder, die hinter Ecken und Mauern hervorgelugt haben, um den Kampf zu verfolgen, verschwinden, die Männer geben ihre Waffen ab und versammeln sich am zentralen Platz.

„Darf ich dich bitten, mit mir in die Burg zu gehen, um die Gespräche zu führen?", bietet der Earl an.

„Hakon, Fjell, kommt ihr mit?"

Wie erwartet, begleiten sie mich. In der Nähe des Hauptplatzes befindet sich, hinter Bäumen und Sträuchern weitgehend verborgen, eine Burg. Sie ist kleiner als die Burg in Haugesund, aber sie ähnelt ihr doch sehr. Auch diese ist eher ein Zweckbau. Vermutlich haben die Briten erst später damit begonnen, die schönen Burgen und Schlösser zu errichten, die heute noch dieses Land zieren.

McBrix führt uns in einen Raum, der einem Rittersaal sehr ähnlichsieht. Neben einem großen offenen Kamin steht darin eine lange, rudimentär zusammengezimmerte Holztafel.

„Setzt euch", bietet er an. Dann wendet er sich an eine Frau im Hintergrund. „Bring uns Whisky."

Die Frau eilt davon und kommt mit einem Krug zurück. Dann holt sie Becher und schenkt uns ein.

„Was ist das?", will Hakon wissen. „Ich kenne keinen Whisky."

„Das ist ein Schnaps aus Getreide", antworte ich an der Stelle des Earl.

„Woher kennst du dieses Gebräu? Warst du schon einmal in diesem Land", will Hakon neugierig wissen.

„Das ist eine längere Geschichte", winke ich ab.

Der Earl nimmt seinen Becher und als wir es ihm gleichtun, erhebt auch Hakon den seinen. Ich blicke McBrix gespannt an.

„Auf unsere Gäste, dass wir uns einig werden. Prost!"

„Auf, dass wir eine gute Lösung finden", antworte ich.

Damit trinken wir. Da ich Whisky bereits kenne, nehme ich einen vorsichtigen Schluck und kann feststellen, dass er zwar stark, gleichzeitig aber auch sehr weich und damit sehr alt sein muss.

„Das ist ein ausgezeichneter Tropfen", sage ich anerkennend zum Earl.

„Der liegt schon lange im Fass", meint er sichtlich stolz.

„Ich weiß es zu schätzen, dass du uns den besten Whisky anbietest."

„Darf ich auch Zimmer für dich und deine Begleiter vorbereiten lassen?"

„Wenn es keine Umstände bereitet. Sonst können wir auch auf dem Schiff schlafen."

„Es wäre mir eine Ehre."

„Dann nehme ich die Einladung gerne an."

„Wegen der Zimmereinteilung, welcher ist dein Mann?"

„Ich habe keinen Mann", antworte ich grinsend.

Das Schlitzohr wollte auf diese Weise wohl erfahren, ob ich verheiratet bin oder nicht. Es ist ihm auch gelungen und ich sehe ihm an, dass er sich freut, dass sein Plan aufgegangen ist. Ich nehme an, dass er auch mit der Information, die er dadurch bekommen hat, zufrieden ist. Er scheint ein wenig ein Auge auf mich geworfen zu haben. Zumindest lässt dies sein Blick vermuten.

„Da es schon Nacht ist, sollten wir uns schlafen legen", schlägt er vor. „Morgen können wir die Verhandlungen beginnen."

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