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Die Wikingerfibel Teil 02

Geschichte Info
Alva unternimmt eine Reise zu den Briten
33k Wörter
4.63
7.3k
8
Geschichte hat keine Tags

Teil 2 der 4 teiligen Serie

Aktualisiert 09/11/2023
Erstellt 09/08/2023
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Die Wikingerfibel

Teil 2 - Aufbruch zu neuen Ufern

Kapitel 1

„Mann, diese dumme Kuh, sie tritt ständig nach mir. Wie soll ich sie nur melken, wenn sie mich nicht lässt", ärgert sich Lifa.

„Du musst liebevoll mit ihr umgehen, dann lässt sie sich problemlos melken. Unsere Kühe sind ganz liebe Tiere", antwortet Greta geduldig.

„Mit dir sind sie vielleicht lieb. Bei mir sind die Viecher einfach nur bockig und stur."

„Du hast ja auch immer kalte Hände. Du solltest sie vorher anwärmen."

„Was haben meine Hände damit zu tun, dass die Kühe mich nicht mögen?"

„Würde ich mit kalten Händen an deine Brüste fassen, würdest du sicher auch nach mir treten", meint Greta. Dabei lacht sie belustigt.

„Natürlich! Was denkst du denn? Brrr!", kontert Lifa.

„Eben! Bei den Kühen ist es nicht anders."

„Meinst du?"

Ich stehe in der Tür zum Stall, beobachte die beiden und muss breit grinsen. Lifa reibt sich nun die Hände und macht sich erneut daran, die Kuh zu melken. Diesmal klappt es deutlich besser. Greta steht dahinter und betrachtet ihre Freundin mit einem Strahlen in den Augen. Die beiden lieben sich heiß und innig. Ich bin froh, dass sie bei mir die Möglichkeit haben, diese Liebe auch auszuleben und zu genießen.

Bei den Wikingern, das habe ich inzwischen verstanden, sind homosexuelle Beziehungen nicht gewünscht, vor allem nicht zwischen Frauen. In dieser Hinsicht ist dieses Volk absolut rückständig. Aber was kann ich schon erwarten? Ich bin Jahrhunderte zurückgeworfen worden.

Ich habe schon alle Hände voll zu tun, damit ich zumindest das Frauenbild etwas ändere und den Nordmännern ein wenig Respekt der weiblichen Bevölkerung gegenüber beibringen kann. Ob ich auch in dieser Frage auf den Stamm einwirken kann, weiß ich nicht.

Aus diesem Grund sind wir nach außen hin eine Zweckgemeinschaft. Was Lifa und Greta hinter den Mauern unseres Hofes treiben, das geht niemanden etwas an. Als Frau aus dem 21.Jahrhundert finde ich dieses Versteckspiel zwar falsch, aber ich kann nicht alles auf einmal umkrempeln. Mir ist zudem bewusst, dass ich nur langsam gegen die Einstellungen ankämpfen kann. Trotzdem nehme ich mir vor, mein Möglichstes zu tun, um auch in dieser Frage Veränderungen herbeizuführen.

„Gefällt euch der Hof?", frage ich. Damit reiße ich sie aus ihrer Tätigkeit.

„Das ist das Haus einer Anführerin", meint Lifa begeistert. „Ich fühle mich sauwohl hier."

„Das ist ein Bauernhof für drei starke Frauen", halte ich dagegen.

„Die Dorfbewohner mögen dich. Das sieht man in der Unterstützung, die du erfährst. In nur drei Monaten so ein Gehöft zu errichten, ist eine beachtliche Leistung", mischt sich nun auch Greta ein.

„Es musste so schnell gehen, sonst wären wir bis zum Winter nicht fertig geworden", verteidige ich meine Eile. „Zum Glück haben alle mitgeholfen."

„Du hast den Bau auch perfekt koordiniert. Super war, dass wir das Heu einbringen und trocken lagern konnten, lange bevor mit dem Bau des Stalles und dann des Wohnhauses begonnen wurde", ergänzt Lifa.

„Das war unumgänglich. Das Futterhaus musste als erstes stehen, damit wir über den Winter kommen. Im Sommer war es kein Problem, die Tiere auf der Weide zu lassen. Erst für den Winter haben wir auch den Stall benötigt. Wenn wir das Wohnhaus auch erst in einem Jahr hätten bauen können, wäre nicht allzu viel passiert. Dann hätten wir eben im Futterhaus oder in der Burg gewohnt. Aber das Heu und die Tiere mussten noch vor Einbruch der Kälte eine Bleibe kriegen", fasse ich meine Überlegungen zusammen.

„Wo hast du gelernt, Bauarbeiten so perfekt zu planen und zu koordinieren. Ich kenne niemanden, der das so macht, wie du", will Greta wissen.

„Ich habe das gelernt", antworte ich zögerlich.

Wie soll ich den Mädchen erklären, dass ich in der Welt, aus der ich komme, Architektur studiert und den Beruf dann auch ausgeübt habe. Für mich war das Planen von Häusern und die Bauaufsicht mein tägliches Brot.

„In Bergen?", will Lifa skeptisch wissen.

„Warum Bergen?", erkundigt sich Greta.

„Weil Alva ursprünglich aus Bergen kommt", erklärt ihr ihre Freundin. „Aber auch dort läuft es sicher nicht viel anders als hier."

„Was soll ich euch sagen. Ich kann das eben", antworte ich ausweichend.

„Du bist eine Kriegerin, du kennst Länder, von denen sonst noch niemand je gehört hat, du kannst Schiffe steuern und über das offene Meer ans Ziel bringen, was noch nie ein Wikinger vor dir geschafft hat, du kannst Häuser zeichnen und bauen, was kannst du denn noch alles?"

„Ich kann euch zeigen, wie ihr die Tiere pflegen müsst. Ich habe in Dänemark einige Gegenstände und Geräte mitgenommen, die wir für die Viehhaltung brauchen", sage ich und hoffe, die beiden jungen Frauen damit von mir abzulenken.

Ich gehe zur Kammer, in der ich die Gegenstände, die ich bei unserem Beutezug habe mitgehen lassen, abgestellt habe. Ich habe versucht vorauszudenken und alles zu bekommen, was wir brauchen.

„Das sind Dinge, die habe ich noch nie gesehen", staunt Lifa.

„Ich kann sie dir erklären", bietet Greta an. Sie stammt ja von dort und kennt sich deshalb auch mit Ackerbau und Viehzucht ein wenig aus.

„Aber woher kennt Alva diese Werkzeuge?"

„Weil ich sie schon mal gesehen habe", erkläre ich erneut ausweichend.

Zum Glück beginnt Greta sofort damit, ihrer Freundin jedes einzelne Stück zu erklären, wie es heißt, wozu es dient und wie man es verwendet. Damit lenkt sie Lifa ab und erspart mir damit weitere lästige Fragen, auf die ich keine Antwort geben könnte.

„Wir sollten handwerklich geschickte Männer aus dem Stamm bitten, weitere solcher Gegenstände anhand dieser Beispiele anzufertigen. Wenn wir langsam, langsam die Viehzucht und den Ackerbau auch den anderen beibringen wollen, dann benötigen auch sie solche Gerätschaften und Werkzeuge", sage ich.

„Oder wir lassen bei den nächsten Raubzügen noch weitere mitgehen", grinst Lifa. „Das wäre deutlich einfacher."

„Aber auf Dauer ist das keine Lösung. Wir können nicht immer darauf warten und hoffen, bis wir den nächsten Raubzug planen und durchführen", halte ich dagegen.

Seit unserem ersten Raubzug sind einige Monate vergangen. Die Beute war so reichlich, dass die Versammlung beschlossen hat, erst im Frühjahr, wenn das Wetter wieder besser wird, erneut loszuziehen. Bis dahin reichen die erbeuteten Lebensmittel locker aus.

Zum Glück ist Haferbrei nicht mehr auf dem Speiseplan, seit wir zurückgekommen sind. Alle im Dorf sind heilfroh darüber und die Stimmung hat sich deutlich gebessert. Natürlich ist damit auch mein Ansehen erheblich gestiegen.

„Du musst uns beim nächsten Raubzug wieder anführen", hatte Fjell zu mir gesagt, als wir die erste Versammlung nach unserer Rückkehr abgehalten haben. „Immer nur du! Dann haben wir Erfolg und kommen mit reicher Beute heim."

Mir war dann erst einmal der Aufbau des Hofes wichtig und es hat dabei auch alles bestens funktioniert. Alle Gebäude sind errichtet, nur bei der Einrichtung fehlt es noch etwas, aber das hat noch Zeit. Inzwischen haben wir einen Stall voller Tiere. Es sind fünf eigene Kühe und ein Stier, weitere 16 Kühe haben andere Wikinger bei uns eingestellt. Hinzu kommen zahlreiche Ziegen, Schafe und Schweine. Selbst ein paar Hühner habe ich in Dänemark mitgehen lassen und sie laufen frei im Hof herum und gackern munter durch die Gegend.

Wir haben natürlich unsere Tiere untergebracht, aber eben auch einige Rinder von anderen Wikingern. Diese müssen allerdings mithelfen, die Tiere zu versorgen und bei der Heuarbeit helfen. Es gibt dafür einen Plan, wer wann antreten muss. Mein Ziel dabei ist es, dass auch diese Wikinger lernen, sich um die Tiere und das Futter zu kümmern, damit sie in absehbarer Zeit selbst einen Hof errichten und führen können.

Mein Plan scheint auch aufzugehen, denn alle sind mit Begeisterung dabei. Einige drängen mich bereits, auch für sie Stallungen und Futterhäuser zu bauen. Nach Rücksprache mit Hakon haben wir drei weitere Familien ausgewählt und ich habe bereits, über den Winter, die entsprechenden Planungen begonnen.

Wie schon bei unserem Hof habe ich auch hier den Stall und das Futterhaus für mehrere Tiere ausgelegt. Ich möchte erreichen, dass mit der Zeit jeder Hof die Rinder züchtet und damit den Bestand aufstockt. In der Zwischenzeit gibt es Platz für andere Familien, ihre Tiere unterzustellen.

Überzeugt von der Viehzucht hat die Leute vor allem mein Argument, dass wir damit jederzeit Milch haben, die bisher im Speiseplan der Wikinger nur eine sehr geringe Rolle gespielt hat, weil sie auch nicht ständig verfügbar war. Nun aber, wo es genügend davon gibt, ist sie ein beliebtes Nahrungsmittel.

Außerdem, so habe ich meinen Leuten erklärt, sind die lebenden Tiere eine Art Notration für den Fall, sollten die Zeiten wieder einmal schlechter werden. Man kann schließlich nicht immer davon ausgehen, dass die Raubzüge erfolgreich sind. Als dann sogar das erste Kalb geboren wurde, verbreitete sich die Nachricht, wie ein Lauffeuer in der Siedlung.

Gefeiert wird inzwischen nicht mehr, aber jeder freut sich, wenn Tiere zur Welt kommen, egal ob es bei den Rindern, den Schafen oder den Schweinen ist. Langsam verstehen alle, dass dies wichtig ist, um den Bestand zu halten und auszubauen.

Damals bei unserer Rückkehr, gab es eine lange Diskussion, wie die Verteilung der Beute erfolgen sollte. Soweit ich verstanden habe, wurde die Beute früher so aufgeteilt, dass der Stammesführer am meisten bekam. Da einige der Meinung waren, ich sollte gleich viel, wenn nicht sogar mehr bekommen als Hakon, entbrannte eine heftige Diskussion.

Ich hatte mir diese eine Zeit lang angehört, ohne ein Wort dazu zu sagen. Dann aber bin ich aufgestanden und habe die Frage in den Raum geworfen, warum einige mehr und andere weniger bekommen sollten. Es seien alle dabei gewesen, jeder habe sich den Gefahren des Meeres ausgesetzt und jeder habe seinen Beitrag zum Gelingen geleistet. Deshalb sollte die Beute exakt gleich aufgeteilt werden.

Zunächst herrschte Stille, betretene Stille. Ich vermute, der Vorschlag war so revolutionär, dass sie zunächst nachdenken mussten, was ich damit genau meine. Fjell wollte wissen, ob ich gleich viel wie Lifa bekommen sollte, oder ein Mann, der nur im Lager unter Deck gearbeitet habe. Auf mein simples „Ja, warum nicht?" hin, herrschte kurz Ratlosigkeit. Schließlich war es Fjell der die Stille durchbrach und meinte, wenn ich es so für richtig erachten würde, dann sollte es auch so sein.

Man habe mir die Treue geschworen und vertraue mir, hat Fjell gemeint. Ich hatte bei der Sache auch einen Hintergedanken. Eine gleiche Aufteilung für alle, würde vor allem für die jungen Männer ein Vorteil sein. Sie bekleiden nicht die wichtigen Ämter, wollen aber eine Familie gründen und haben es nötiger, stärker an der Beute beteiligt zu werden. Damit sicherte ich mir natürlich auch ihre Unterstützung im Rat.

Die Versammlung kam mir sogar so weit entgegen, dass nicht nur Lifa, als Frau, sondern auch Greta und selbst Maja sowie Laura einen Anteil bekommen sollten. Immerhin waren sie Frauen und gehörten vorher nicht zum Stamm. In früheren Zeiten hätte man sie sicher nicht mit einem Anteil an der Beute bedacht.

Mir war dies aber wichtig, weil Greta einen großen Beitrag geleistet hatte und es für Maja einen besseren Start in ihr neues Leben bedeuten konnte. Schließlich einigte man sich darauf, dass jeder zwei Rinder, fünf Schafe und drei Schweine bekam. Auch der Rest der Beute wurde auf alle gleich verteilt.

Erneut war es Greta, welche die Aufteilung übernahm und organisierte. Natürlich wurden unsere Tiere bei uns eingestellt. Aber auch Maja bat darum, dass wir uns um ihre und Lauras Tiere kümmern. Natürlich habe ich bereitwillig zugesagt.

Gerne denke ich an diese Zeit zurück. Seit meiner Ankunft beim Stamm sind inzwischen einige Monate ins Land gezogen, aufregende Monate, wie ich zugeben muss. Schon lange hätte ich die von mir geplante Auszeit beenden sollen und wieder in meinen Beruf zurückkehren. Das aber war mein ursprünglicher Plan. Die Ereignisse haben ihn über den Haufen geworfen. Ich fühle mich hier wohl und werde wohl nicht mehr weggehen.

„Hallo, ist Alva hier?", höre ich eine Stimme von der Tür her.

„Hier bin ich", antworte ich. „Komm doch herein."

Erst jetzt fällt mir das Wimmern eines Kindes auf. Allerdings ist es sehr schwach. Eine Frau kommt auf mich zu. Sie hält ein Bündel Stoffe im Arm, in die ein kleines Kind eingewickelt ist. Ich kann ihr sofort ansehen, dass sie sich große Sorgen macht. Ich nehme an, es geht um das Kind.

„Was ist los?", frage ich allarmiert, als ich sehe, wie schwach das Baby ist.

„Ich habe keine Milch und kann das Kind nicht stillen. Zudem gibt es im ganzen Dorf keine Frau, die als Amme einspringen könnte. Mein Kind ist am Verhungern. Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun könnte. Du bist meine letzte Hoffnung", sagt sie leise und flehend.

„Wir geben dem Kind Kuhmilch. Allerdings keine frische und wir müssen den Rahm abschöpfen", antworte ich spontan.

„Ich soll dem Kind Kuhmilch geben?"

„Es ist auch Milch, deiner sehr ähnlich. Bei den Kühen ist allerdings deutlich mehr Fett enthalten und das ist für den empfindlichen Magen deines Kindes nicht so gut. Greta, hol bitte die Schüssel mit der Milch von gestern. Bring außerdem einen Löffel und eine kleinere Schüssel mit."

Alle drei Frauen schauen mich überrascht an. Dann aber macht sich Greta auf den Weg und Lifa folgt ihr, um zu helfen. Keine fünf Minuten später sind sie zurück. Wie erwartet, schwimmt in der Schüssel mit der Milch eine dicke Rahmschicht obenauf. Mit dem Löffel schiebe ich die dicke Schicht zur Seite und lasse die darunter zum Vorschein kommende Milch vorsichtig in die kleine Schüssel rinnen.

„So, das hätten wir. Ungefähr ein Viertelliter müsste passen", sage ich, mehr zu mir selbst.

„Wieviel?"

„Etwa so viel", verbessere ich mich und deute auf die kleine Schüssel. „Sonst wird es zu viel für das Kind."

Hastig überlege ich, was ich an Stelle eines Trinkfläschchens verwenden könnte. Es ist immer wieder eine Herausforderung für mich, wenn ich genau weiß, was ich brauche, es aber nicht, wie in meinem früheren Leben gewohnt, in einem Geschäft kaufen kann, weil es keine Geschäfte und die gewünschte Ware einfach noch nicht gibt.

Zum Glück kommt mir eine Idee. Ich laufe schnell hinaus hinters Haus. Dort steht ein Baum mit reifen Äpfeln. Diese sind wild, klein und haben eine ganz dicke Schale. Bei mir zuhause hätte man sie Lederäpfel genannt. Ob das allerdings die gleichen sind, kann ich nicht sagen.

Da fällt mir ein, dass die Milch noch angewärmt werden muss. Zusammen mit Lifa gehe ich ins Haus und suche eine kleine Metallschüssel. Zum Glück habe ich eine in Dänemark mitgehen lassen. Ich schütte die Milch nun um und lasse sie über dem Feuer handwarm werden.

Während Lifa sich um die Milch kümmert, nehme ich ein Messer und hole das Fruchtfleisch aus dem Apfel, mache ein kleines Loch an einer Stelle, an der ich die Schale etwas konisch zusammendrücken kann und fülle anschließend die handwarme Milch in den Hohlraum des Apfels. Nun bin ich gespannt, ob das funktioniert.

Ich halte den leeren Apfel dem Kind vor den Mund. Wie automatisch öffnet es ihn, weil es vermutlich großen Hunger hat. Anschließend lasse etwas von der Milch in den Apfel tropfen. Am Anfang hat der Kleine noch etwas Schwierigkeiten mit dem komischen Ding, das ich ihm vor den Mund halte. Dann aber hat er den Dreh schon bald heraus und beginnt fast schon gierig zu trinken. Lifa schüttet mir mit dem Löffel immer wieder Milch in den Apfel nach und so brauche ich nicht abzusetzen.

Die Prozedur ist umständlich und dauert gut eine halbe Stunde. Aber das Kind trinkt und das ist im Moment das Wichtigste. Seine Mutter beobachtet uns mit großen Augen. Als wir ihm die gesamte Milch eingeflößt haben, nehme ich den Bub hoch, drücke ihn an meine Schulter und klopfe ihm sanft auf den Rücken und reibe ihm beruhigend darüber. Es dauert nicht lange und er gibt einen passablen Rülpser von sich.

„So, jetzt kannst du ihn schlafen legen. Ich bastle in der Zwischenzeit eine bessere Trinkhilfe", sage ich zur Mutter. Dabei reiche ich ihr den kleinen Racker. „In vier Stunden sehen wir uns wieder."

Die Frau schaut mich mit großen Augen an. Ich habe den Eindruck, als sei sie nur aus Verzweiflung zu mir gekommen, hätte aber nicht erwartet, dass ich ihr helfen kann. Vor allem, da ich noch keine eigenen Kinder habe, hätte sie mir wohl nicht zugetraut, zu wissen, was zu tun ist. Und nun, nun hält sie ein sattes und zufrieden schlafendes Kind in den Armen.

„Danke!", haucht sie.

„Gern geschehen. Wir sehen uns in vier Stunden", antworte ich aufmunternd lächelnd. „Das wird schon."

Kaum ist die Frau gegangen, schicke ich Lifa zur Burg, um dort um ein Stück weiches und dünnes Leder zu bitten. Ich selbst mache mich auf den Weg in den Wald, weil ich mich daran erinnern kann, dort einen Baum gesehen zu haben, der für meine Zwecke perfekt geeignet sein müsste.

Einige Äste sind innen hohl, das Holz außen herum aber noch fest. Ich schneide mühselig ein Stück ab und muss dabei tunlichst vermeiden, dass ich es nicht zusammendrücke. Ich brauche einige Zeit, aber mein Vorhaben gelingt. Ich reinige den Hohlraum innen, wobei ich ihn noch etwas vergrößere und darauf achte, dass sich an der Innenseite nur noch gesundes und sauberes Holz befindet. Außerdem schneide ich auf einer Seite eine Furche etwa einen Zentimeter vom Ende entfernt in die Außenseite, sodass diese um das Holz herumläuft. Danach suche ich noch etwas Harz an den Bäumen und sammle es ein.

Als ich wieder zum Hof komme, ist meine Freundin mit einem Stück Leder zurück, das genau meinen Vorstellungen entspricht. Ich mache ein Loch hinein, wickle es um jenes Ende, an dem ich die Furche eingekerbt habe und befestige es ganz straff mit einem dünnen Band aus Leder. Allein so müsste es bereits passen. Doch, um das ganze richtig abzudichten, mache ich das gesammelte Harz warm und streiche es dick auf den Übergang zwischen Holz und Leder.

Pünktlich vier Stunden nach der ersten Fütterung ist die Frau wieder bei uns. Diesmal versuchen wir es mit dem improvisierten Fläschchen und zu meiner großen Erleichterung klappt mein Vorhaben. Der kleine Racker trinkt die Milch mit Genuss aus der neuen Vorrichtung. Die Frau strahlt mich die ganze Zeit an, als sie sieht, wie das Kind es sich schmecken lässt.

„Du hast ihm das Leben gerettet", meint sie leise. Dabei kullert ihr eine Träne über die Wange. „Ohne dich wäre mein kleiner Schatz gestorben."

„Ich habe nur getan, was ich konnte", wiegle ich ab.

„Du bist ein Segen für den Stamm. Auf dich kann man sich verlassen."

Ich erkläre ihr noch schnell, was und wie sie es machen soll und dass sie bei uns so viel Milch bekommt, wie sie braucht. Dankbar zieht sie schließlich ab und strahlt über das ganze Gesicht. Ich bin mir sicher, sie wird es hinbekommen.

Einfach hatten es die Frauen in jener Zeit nicht. Was für uns eine Selbstverständlichkeit ist, ist für diese Wikingerfrauen ein kleines Wunder. Wieder einmal bin ich dankbar, dass ich helfen konnte.

Kapitel 2

Ich stehe vor dem Hof und schaue über das Meer. Da der Raubzug unter meiner Führung so erfolgreich war, durfte ich mir die Stelle aussuchen, an der die Gebäude für mein Anwesen errichtet werden sollten. Ich habe die Küste etwas abseits der Burg gewählt. Die Steilküste und der Blick über das Meer haben es mir von Anfang an angetan.

Plötzlich stellt sich jemand neben mich. Als ich zur Seite blicke, um zu schauen, wer es ist, entdecke ich Maja. Schon an ihrem Blick erkenne ich, dass sie etwas auf dem Herzen hat.

„Guten Morgen, Maja", grüße ich sie.

„Guten Morgen, Alva."

„Wo drückt der Schuh?"

„Was? Der Schuh? Der drückt nicht", meint sie überrascht.

„Das ist doch nur eine Redewendung. Ich sehe, du hast etwas, das dich beschäftigt und das war die Aufforderung, mir zu sagen, worum es sich dabei handelt."