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Ein Fotoshooting auf Sylt

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Vorsichtig ging ich in die Wohnküche. Neben der Cinzano-Fleecedecke auf dem Boden entdeckte ich einen bordeauxroten Reisepass. Ich dachte im ersten Moment, es wäre meiner und hob ihn auf. Nur um darin Dieters Bild zu finden.

Aber dieser Pass gehörte einem gewissen Daniel Hartwig.

In meinem verkaterten Kopf wurde mir langsam klar, dass der Typ unter falschem Namen auftrat. Er hatte mir hohe Summen dafür bezahlt, dass ich Zigaretten rauchte und an einem heißen Sommertag meine nackten, bemalten Titten vor Scharen geiler Männer öffentlich zur Schau stellte. Er hatte Hunderte oder wahrscheinlich Tausende von Bildern von mir gemacht, zu einem Zweck, den er mir nicht verraten wollte. Schließlich hatte er mich mit Cocktails begossen und ins Bett gezerrt, als ich mich in einem willenlosen Zustand befand.

Ich humpelte die Treppe zu meinem Zimmer im ersten Stock hinauf, in der Hoffnung, dass das Quietschen der Holzstufen Dieter (oder besser gesagt Daniel) nicht weckte. Ich vergewisserte mich, dass meine 6000 Euro noch vorhanden waren, zog ein T-Shirt und eine abgeschnittene Jeans an und warf meine Sachen in die Reisetasche. So leise wie möglich ging ich nach unten.

Meine Handtasche lag auf dem Tisch neben der angebrochenen Stange Camel-Zigaretten. Ich war mir sicher, dass ich keine Raucherin werden wollte. Andererseits hatte Dieter, oder wie auch immer dieser Typ hieß, sie für mich gekauft, ohne selbst Verwendung für sie zu haben. Und eigentlich brauchte ich in dem Moment eine Zigarette.

Ich nahm eine aus einer geöffneten Schachtel, zündete sie an und steckte Feuerzeug und Zigarettenschachtel in meine Jeans. Die angebrochene Stange landete in meiner Reisetasche.

Dann humpelte ich barfuß mit meiner Bandage um den angeschwollenen Knöchel Richtung Ausgang und bemerkte in einem Flurspiegel die verschmierten Reste meines Sylt-Designs. Einen Moment lang zögerte ich und überlegte, ob ich unter der Dusche versuchen sollte das Bodypainting abzuwaschen. Aber eine Konfrontation mit Dieter/Daniel fand ich völlig unüberschaubar. Also schloss ich leise die Tür hinter mir und ging langsam durch die Dünen zum Strand. Es wehte eine schwache, östliche Brise und die Nordsee war flach wie ein Brett. Ich riss mein Handtuch in zwei Teile, zog mich nackt aus und ging ins morgendlich kalte Wasser, wo ich die Farbe, so gut es ging, mit der nassen Hälfte meines Handtuchs wegschrubbte.

Nach dem Abtrocknen zog ich mich wieder an und saß eine Weile rauchend am Strand, bevor ich in Richtung der Hauptstraße nach Westerland hinkte. Ein lokaler Klempner hielt an und nahm mich mit zum Bahnhof in Westerland, wo 20 Minuten später ein Direktzug nach Hamburg abfuhr. Die nächsten drei Stunden verbrachte ich in einem fast leeren Raucherabteil und war erleichtert wieder in Hamburg zu sein, als ich am Hauptbahnhof ausstieg.

Ein paar Tage später, zurück in Hamburg, verwandelte sich mein Ärger über Daniel/Dieter in Neugierde. Ich kannte im immer noch den Namen seines mysteriösen Kunden, der mich so fürstlich dafür bezahlt hatte, dass ich in der Sonne mit nackten Titten und in Unterhosen rumlief.

Ich versuchte, die Nummer auf seiner Visitenkarte anzurufen aber, wen wundert's: „Kein Anschluss unter dieser Nummer".

Ich ging zu der Adresse in der Innenstadt, die auf der Karte stand. Aber ein Dieter Hamann oder ein Daniel Hartwig war unter dieser Adresse oder anscheinend auch sonst in Hamburg nicht auffindbar. Ich habe eine Reihe von Daniel Hartwigs in Deutschland und Österreich gefunden. Aber nicht der Typ, mit dem ich auf Sylt war.

Die Polizei wäre zwar in der Lage gewesen ihn, durch sein Autokennzeichen zu finden. Aber ich hatte eigentlich keinen Grund, zur Polizei zu gehen. Daniel Hartwig hatte mich angelogen. Na und? Ist ja kein Verbrechen. Und ich hatte meine 6000 Euro. Steuerfrei.

Ich bin nie wieder die ganze Strecke um die Außenalster gelaufen. Die ersten Tage nach meiner Rückkehr joggte ich halbherzig zu der Bank, auf der ich Dieter/Daniel getroffen hatte, rauchte eine Zigarette und wartete einige Minuten in der Hoffnung, dass er wieder auf der Ausschau nach talentierten Models mit seiner Nikon vorbeikam. Dann ging ich den kurzen Weg nach Hause.

Nach zwei Wochen hatte ich die ganze Stange Camels geraucht. Ich was längst eine regelmäßige Raucherin und kaufe mir seitdem meine eigenen Zigaretten, getreu der Marke, die Dieter/Daniel für mich ausgewählt hatte. Die Sucht, die mich inzwischen viel mehr als die 6000 Euro gekostet hat, die ich als rauchendes Model auf Sylt verdient hatte, bin ich nicht mehr losgeworden.

Ich habe ein Jahr gearbeitet und habe dann die Ausbildung zur Krankenpflegerin angefangen. Obwohl es keine Spur des Fotografen gab, tauchten die Fotos irgendwann im Internet auf. Eine Kommilitonin zeigte mir eine Bildersammlung auf einer auf Bodypainting spezialisierten Website.

"Bist du das etwa?" fragte sie.

Doch. Das war ich. Zum Glück fand sie Bodypainting cool.

Ab und zu habe ich die Website des Casinos in Westerland gecheckt. Aber dort erschienen die Bilder nie. Vielleicht hat Dieter/Daniel seinen Teil der Vereinbarung nicht eingehalten und die Bilder nicht geliefert? Vielleicht fanden sie heraus, dass nackte Frauen am Roulette die falschen Kunden anziehen würden?

Später erfuhr ich, dass einige der Bilder auf Websites mit Bildern von rauchenden Frauen erschienen. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich herausgefunden habe, dass es sowas überhaupt gibt: Internetforen für Männer, die einen sexuellen Kick davon haben, Frauen beim Rauchen anzuglotzen.

Ohne dass ich es sicher wissen kann, müssen sich wohl eine Anzahl von Männern auf der ganzen Welt Bilder von mir angesehen haben, während sie ihre Schwänze rieben und darauf achteten, dass sie nicht auf ihren Computerschirm und ihre Tastatur ejakulierten. Aufgrund der streng persönlichen Natur des Rauchfetischismus als Neigung (oder Hobby?) hat mich nie jemand über meine Bilder auf diesen Raucherfetischseiten gesprochen. Hin und wieder kam es jedoch vor, dass ein Freund oder Kollege erwähnte, mich auf einer Seite gefunden zu haben, die sich auf das gesellschaftlich akzeptablere Phänomen Bodypainting fokussierte.

Ich weiß also nicht, ob zufällig einige meiner männlichen -- oder weiblichen -- Freunde oder Bekannte die Bilder der 19-jährigen, kettenrauchenden Sara Cremers mit nackten Titten als Wichsvorlage benutzen.

Wenn ja, haben sie es mir jedenfalls nicht gesagt. Und vielleicht ist es besser so. Das Gespräch könnte irgendwie peinlich für den einen oder anderen werden, wenn es jemand zur Sprache bringen würde.

Mittwoch 14. August 2019, Hamburg-Eppendorf, Deutschland.

Daniel Hartwig war nirgendwo zu finden, als ich wieder ins Tumorzentrum kam. Ich schaffte es innerhalb der nächsten Stunden in den verschiedenen Wartebereichen nach ihm Ausschau zu halten, konnte mich aber nicht hundertprozentig der Suche widmen, da ich ja auch noch Patienten hatte.

Als ich um halb drei meine Schicht beendete, vermutete ich, dass Daniel Hartwig längst weg war. Aus Neugier ging ich aber am Parkplatz vorbei. Und zu meiner Überraschung stand sein gelber BMW noch da.

Mein Ex holte an diesem Tag unsere Tochter vom Kindergarten ab. Also hatte ich Zeit und beschloss, mich auf eine Bank mit gutem Blick auf Daniel Hartwigs Auto zu setzen. Ich rauchte und checkte, E-Mails, WhatsApp, Facebook und Instagram auf meinem Handy.

Um vier war er immer noch nicht zurückgekehrt und ich wurde langsam ungeduldig. Ich beschloss aber, ihm etwas Zeit zu geben. Immerhin hatte ich ein paar Fragen an Daniel Hartwig. Ich rief eine Freundin an und war seit einer Viertelstunde in einem lebhaften Gespräch mit ihr verwickelt, als ich plötzlich Daniel Hartwig entdeckte. Er ging langsam über den Parkplatz, anscheinend in seinen eigenen Gedanken versunken.

Ich stand auf und beendete schnell mein Telefonat. Langsam näherte ich mich den BMW. Daniel Hartwig schien mich nicht zu bemerken. Ich war etwa fünf Meter hinter ihm, als ich laut seinen Namen rief:

"Daniel Hartwig!"

Das holte ihn aus seiner Blase. Er drehte sich um, sah mich an und sagte:

"Sara!"

"Weißt du noch, wer ich bin?"

"Natürlich. Ich denke jeden Tag an dich. Ich hab die Fotos von dir. Und du bist immer noch wunderschön, Sara."

"Ich hab ein paar Fragen an dich. Ich habe versucht, dich anzurufen. Ich war an der erfundenen Adresse auf deiner Visitenkarte. Warum hast du mich angelogen? Und wofür waren die Bilder? Wer war dieser Kunde? Und warum wollte er Tausende von Fotos von mir, wie ich mit einer Zigarette halbnackt rumlaufe? Und wie sind die Fotos von mir als Wichsmaterial im Internet gelandet?"

Mir gingen erstmal die Fragen aus, und ich nahm einen Zug aus meiner Zigarette.

"Es ist schön, dich wiederzusehen, Sara. Darf ich dich auf einen Drink einladen? Lass uns irgendwo hingehen."

"Ich steige nicht mit dir ins Auto," sagte ich und stieß, mit jedem Wort eine kleine Rauchwolke aus. Ich redete weiter:

"Und ich trinke nichts mit dir. Das letzte Mal bin ich mit deinen Händen an meinen Brüsten in deinem Bett aufgewacht. Weißt du noch? Ich möchte hier und jetzt Antworten von dir. Wir können uns auf die Bank setzen."

Ich zeigte auf die Bank, wo ich gewartet hatte.

"Okay, Sara. Wie du möchtest."

Resigniert folgte er mir zur Bank. Meine Zigarette war bis zum Filter geraucht, also zündete ich damit eine Neue an. Daniel Hartwig beobachtete den Vorgang genau.

"Du rauchst immer noch die gleiche Marke," bemerkte er verträumt.

Ich pustete schweigend Rauch aus, und er redete weiter:

"Erstens, Sara, gab es keinen Kunden. Ich habe einfach das Geld meines Vaters ausgegeben."

"Warum?"

"Ich war fasziniert von dir, als ich dich zum ersten Mal um die Außenalster joggen sah. Ich wusste, dass ich dich kennenlernen wollte. Also habe ich dir diese Fake-Visitenkarte gegeben, mit der ich damals versuchte, Frauen zu beeindrucken. Ich hatte die Nummer eines Telefons mit Prepaid-Karte draufgedruckt."

"Du bist also gar kein Werbefotograf?"

"Nein. Nie. Ich war ein verwöhnter Junge, der es gewohnt war, zu bekommen, was ich wollte."

"Aber deine Fotos waren in Ordnung."

"Ich interessiere mich für Fotografie. Aber ich bin Amateur, Sara."

"Du hast mich betrogen."

"Ja. Das war der Sinn der Sache."

"Was ist mit den Zigaretten." Ich hielt meine Camel-Schachtel hoch. "Warum musste ich dauernd rauchen?"

"Wie schön, dass du bei den blauen Camels geblieben bist, Sara. Sie stehen dir gut."

Die Bemerkung, die wohl als Kompliment gemeint war, ignorierte ich und beobachtete ihn stattdessen neugierig durch die Rauchwolke aus meinem Mund. Er plapperte weiter:

"Ich habe diese Schwäche für schöne Frauen, die rauchen. Es macht mich total an."

"Du hast einen Raucherfetisch?"

"Ja. Das ist wohl der Fachbegriff. Jedenfalls habe ich, als ich dich das erste Mal sah, darauf gesetzt, dass du Raucherin warst. Ich habe dich nach Sylt eingeladen..."

"Du hast gesagt, es sei rein professionell... "

"Ja. Sonst wärst du nicht gekommen, oder?"

"Nein."

"Auf dem Weg aus Hamburg am Montagmorgen habe ich gehofft, dass du dir eine Zigarette anzünden würdest. Nach einer Stunde hab ich dich dann gefragt, ob du rauchst. Weißt du noch?"

"Nein. Das weiß ich nicht mehr."

"Aber ich hab dich gefragt. Und als du nein sagtest, wusste ich, dass ich mir etwas einfallen lassen musste. Sonst wär die ganze Tour nach Sylt ein Misserfolg."

"Ich hatte also nur dein Interesse, wenn ich rauchen würde."

"Ja."

"Aber selber hast du nicht geraucht?"

"Nein. Ich habe nie geraucht."

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Was für ein Idiot. Er redete weiter:

"Also hab ich mir die Geschichte über den mysteriösen Kunden ausgedacht, der nur Bilder von dir wollte, wenn du rauchen würdest..."

"Und das Bodypainting?"

"Oh. Das war eine spontane Idee, als ich diesen Bodypainting-Typen an der Promenade entdeckte."

"Dirk," warf ich ein und nahm einen tiefen Zug von meiner Zigarette.

"Richtig... Dirk. Du erinnerst dich. Ehrlich gesagt... hat es mich angemacht, dich so rauchend und oben ohne rumlaufen zu sehen, und wie du von all den Männern angeglotzt wurdest. Und zu wissen, dass ich derjenige war, der dich dafür bezahlte, und dessen Anweisungen du gefolgt bist."

"Du bist krank im Kopf, Daniel Hartwig. Weißt du das?" sagte ich, ohne aus Höflichkeit zu vermeiden, dass mein Zigarettenqualm sich direkt in sein Gesicht trieb. Egal. Er schien es ja zu mögen.

"Vielleicht bin ich das... krank im Kopf," gab er zu.

"Und dann hast du Geld damit verdient, meine Bilder auf Porno-Websites hochzuladen."

"Ich habe nie einen Cent damit verdient, Sara. Aber ich gebe zu, dass ich ein paar der besten Bilder mit anderen geteilt habe."

"Und Videos..."

"Ja. Ein paar Videos auch. Aber ich habe es kostenlos gemacht."

"Wie großzügig von dir!"

"Glaub mir. Ich habe genug Geld. Ich brauche die Fotos nicht zu verkaufen. Die einzige Person, die hier Geld verdient hat, das bist du, Sara. Übrigens, hast du dem Finanzamt jemals von den 6000 Euro erzählt?"

"Nun, nein. Eigentlich nicht. Aber das geht dich nichts an."

Es entstand eine kurze Stille. Ich nahm einen letzten Zug aus meiner Zigarette und redete weiter:

"Was denkst du, wie ich mich fühle? Im Bewusstsein, dass geile Männer überall auf der Welt Fotos von meinen Titten online finden und sie beim Wichsen benutzen?"

"Ich hoffe, du fühlst dich geschmeichelt. Deine Brüste sind sehr schön. Und es sind gute Fotos. Die schlechten hab ich ja aussortiert."

"Geschmeichelt??? Stell dir vor, ich gehe zu... sagen wir zu einem Bewerbungsgespräch. Und der Arbeitgeber hat diese Bilder von mir gefunden und kennt schon meinen nackten Oberkörper aus dem Internet."

Ich pustete den letzten Rauch aus und drückte meine Zigarette auf den Fliesen aus.

"Ich würde dich sofort einstellen, Sara!"

"Oh, das würdest du bestimmt. Ich werde das nicht weiter mit dir besprechen."

"Wie hast du mich überhaupt gefunden, Sara?"

"Hab ich nicht. Ich hab dich heut zufällig hier auf dem Parkplatz gesehen."

"Was machst du hier? Ich hoffe, du bist nicht krank, Sara?"

"Nein. Warum? Oh nein. Ich arbeite hier. Ich bin Krankenpflegerin."

"Oh. Eine Krankenpflegerin. Das ist nett!"

Daniel Hartwig grinste.

"Erzähl mir nicht, dass du auch noch eine Schwäche für sexy Krankenschwestern mit ganz kurzen Kitteln hast."

"Jetzt wo du das so sagst... aber egal."

"Tut mir furchtbar leid, dass ich dich dann in T-Shirt und Jeans enttäuschen muss. Vorhin in meiner Uniform hast du mich leider nicht gesehen," sagte ich sarkastisch.

"Du siehst immer noch sehr... anregend aus, Sara."

Wieder legte ich Wert darauf, nicht auf seine lächerlichen Komplimente zu reagieren.

"Was ist mit dir? Warum bist du hier?"

"Nun... ich bin krank. Ich habe Krebs. In meinen Hoden. Ich könnte sterben."

"Oh."

Die Information hat mich für einen Moment zum Schweigen gebracht. Die Krankenpflegerin kam in mir hoch.

"Es wird dich beruhigen zu wissen, dass Hodenkrebs eine der am wenigsten tödlichen Krebsarten ist. Und das weiß ich aus Erfahrung. Ich arbeite hier im Tumorzentrum."

"Ich muss morgen in die OP."

"Ja? Sie nehmen also einen Hoden heraus? Oder nur ein paar Lymphknoten?"

"Sie nehmen mir beide Hoden weg, Sara."

"Ich verstehe. Wer macht die Operation?"

"Es ist ein Doktor Meinhardt. Ist er gut?"

"Einer der Besten. Du bist hier in guten Händen."

"Das dachte ich mir. Er sagte, meine Chancen stehen gut."

"Das freut mich."

Es trat eine peinliche Stille ein, als sich der Fokus unseres Gesprächs plötzlich verändert hatte. Ich bin es gewohnt, mit Menschen über ihre sehr ernsten Krankheiten zu sprechen. Aber in diesem Zusammenhang kam es mir eher komisch vor. Also nicht lachhaft-komisch, sondern irgendwie peinlich. Ich schaute auf das Display meines Telefons, um der Situation zu entkommen:

"Oh. Halb vier. Ich muss los," log ich.

Ich packte fieberhaft meine Zigaretten und mein Handy in die Tasche.

"Kann ich dich mitnehmen?" fragte Daniel Hartwig und stand auf.

"Nein danke. Ich habe mein Fahrrad drüben. Viel Glück bei deiner OP!"

"Danke!"

"Es war gut... endlich mit dir zu reden," sagte ich und streckte meine rechte Hand aus.

"Das Vergnügen ist ganz meinerseits, Sara!"

Er nahm meine Hand, hielt sie etwas zu lange und näherte langsam sein Gesicht zu meinem:

"Kann ich vielleicht kurz deinen Raucheratem riechen, Sara?"

"Nein! Kannst du nicht!"

Ich zog überrascht meine Hand aus seinem verschwitzten Griff und machte einen Schritt rückwärts.

"Okay. War ja nur so'ne Frage. Würdest du... Könnte ich... dann einfach mal ein paar Fotos von dir mit meinem Handy machen, während du noch eine rauchst?"

Ich war für ein paar Sekunden sprachlos, was ihm die Chance gab, fortzufahren:

"Weißt du... Morgen nehmen sie mir die Hoden raus. Und ich weiß nicht, wozu ich nach der Operation noch im Stande bin. Rein sexuell, meine ich. Also hätte ich gerne ein paar Bilder von dir für heute Abend. Ich kann dich bezahlen."

"Mich bezahlen? Du hast noch gar nichts verstanden, oder? Warum denkst du, dass ich dir erlauben würde, auch bloß ein Passfoto von mir zu machen?"

"1000 Euro?" bot er.

"Sag mal, wofür hältst du mich? Fick dich, Daniel Hartwig!"

"Das klingt wie ein Nein?" sagte er enttäuscht.

"Darauf kannst du dir in den Arsch beißen! Und weißt du was? Als Krankenpflegerin wünsche ich dir eine schnelle Genesung von deiner Krankheit. Aber ich möchte hinzufügen, dass ich persönlich und als Frau es begrüße, dass Doktor Meinhardt dir morgen die Eier abschneidet. Dann produzierst du nämlich kein Testosteron und verlierst wahrscheinlich dein krankes Interesse an Fotos von mir oder anderen rauchenden Frauen. Bitte lösche alle meine Bilder und konzentriere dich auf Wichtigeres. Get a life, Mann!"

Mit diesen Worten drehte ich mich um und ging auf den Fahrradständer zu.

Mittwoch 13. Mai 2020, HafenCity, Hamburg.

Mein Ex hatte unseren VW Fox in den Wochen, in denen unsere Tochter bei ihm wohnte. Also musste ich keinen Parkplatz suchen, sondern stellte ich mein Fahrrad vor dem renovierten Speicher ab, setzte meinen Mundschutz auf und fand den richtigen Knopf an der großen Türsprechanlage.

Ich nahm den Aufzug in die 7. Etage. An der Rezeption der Kanzlei Schulz & Hoffmann begrüßte mich eine chic aussehende Sekretärin. Im Vergleich zu ihr sah ich in T-Shirt, Jeans und Birkenstocks eher wie eine Obdachlose aus. Sogar ihr Mundschutz war eleganter als meiner.

"Frau Cremers? Bitte folgen Sie mir. Frau Doktor Hoffmann erwartet Sie."

In sicherem Abstand von zwei Metern folgte ich der Sekretärin in einen großen Konferenzraum mit einem langen Tisch aus dunklem Tropenholz. Auf dem Tisch befand sich ein großer Umzugskarton. Und am anderen Ende des Tisches stand eine elegante Dame mittleren Alters auf und winkte mir aus sicherer Entfernung zu, als die Sekretärin die Tür hinter mir schloss.

"Frau Cremers?" sagte sie. "Ich bin Doktor Sigrid Hoffmann. Bitte setzen Sie sich."

Sie zeigte auf einen Stuhl an meinem Tischende.

"Schön Sie kennenzulernen," sagte ich höflich und setzte mich vor ein paar Dokumenten, einer Flasche Gerolsteiner und einer Flasche Handdesinfektionsmittel.

"Ich bin die Testamentsvollstreckerin des Nachlasses von Daniel Hartwig."

"Ja. Das stand im Brief."

"Standen Sie Herrn Hartwig nahe?"

"Ich? Nein. Wir kannten uns kaum. Ich habe vor Jahren für ihn gearbeitet. Aber wir standen uns überhaupt nicht nahe."

Sigrid Hoffmann schien überrascht. Ich fuhr fort:

"Ich habe ihn letzten Sommer zufällig wieder getroffen. Es tat mir leid zu hören, dass er Krebs hatte. Aber ich hatte den Eindruck, dass er gute Überlebenschancen hatte."

"Sie arbeiten im Gesundheitswesen, nicht wahr?"

"Doch. Ich bin Krankenpflegerin am UKE."

"Sie müssen in diesen Tagen zu tun haben."