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Gatopia

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Keran betritt eine fremde Stadt. Dort ist alles anders.
41.8k Wörter
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*** Schleuse und Eintritt

Kerans Herz raste, als er die Schleuse betrat. Er ging ein paar Schritte vorwärts und hinter ihm fiel das erste Tor krachend ins Schloss. Anschließend umhüllte ihn Stille. Er ging geradeaus, direkt auf das zweite Schleusentor zu. Als er angekommen war, zischten die Türflügel und öffneten sich langsam.

Keran biss nervös auf seiner Lippe herum, während sich die beiden Flügel im Zeitlupentempo öffneten.

Es gab keine wirklich belastbaren Aussagen über die Stadt, die sie nur Gatopia nannten. Sie war abgeriegelt durch riesige Mauern, mysteriös und sagenumwoben war sie, diese "verbotene Stadt".

Keran war regelmäßig an den Stadtmauern vorbeigelaufen und hatte sich immer wieder gefragt, wie das Leben dahinter wohl so wäre. Die Mauern waren zu hoch, als dass man mit Leitern hoch kam und daüber schauen konnte. Mauern so riesig und endlos, dass niemand eine Ahnung hatte, wie man in dieses Gebilde rein oder raus kam. Es gab nur eine einzige Ausnahme: diese eine kleine Tür, durch die er nun selbst gegangen war. Warum die Tür durch eine Schleuse führte, verstand Keran trotzdem nicht.

Jetzt war er im Begriff diese Stadt zum ersten Mal in seinem Leben zu betreten. Unwissend, nervös, voller Erwartungen und Befürchtungen.

Es gab nur Geschichten. Gerüchte und Legenden, die man hier und da aufschnappte, die von Leuten handelten, die hineingegangen waren. Da war ein Cousin seines Arbeitskollegen, der war irgendwann nach Gatopia gegangen, das wusste Keran mit Sicherheit. Und angeblich auch der Bruder eines Bekannten, mit dem Keran im Fitnessstudio trainierte.

Nur raus kam keiner, nicht der Cousin seines Arbeitskollegen und vom Bruder des Bekannten hatte Keran nie wieder gehört.

Es kursierten Gerüchte, hinter den Stadtmauern lebe eine sektenähnliche Gesellschaft. Aber Sekten sind kleine Gemeinschaften, sie haben nicht hunderttausende Mitglieder beziehungsweise Bewohner. Aus Sekten brechen auch immer wieder mal vereinzelt Leute aus.

Nicht so Gatopia. Jeder wusste wo es war. Es war unmöglich, es nicht zu wissen. Die schiere Größe der Stadtmauern machte ein Ignorieren unmöglich. Es war diese dauerhafte, mysteriöse Präsenz, die es so merkwürdig machte. Ein befremdlicher Ort, der Menschen verschlang und niemanden mehr hinaus ließ.

So weit zumindest die Theorie.

Kerans Herz raste schneller. Er bereute seine Entscheidung, während er aus dem zweiten Schleusentor hinaustrat und durch durch eine weitere Schiebetür ging.

Plötzlich stand er an einem Empfangsschalter.

Verwirrt sah sich Keran um. Es sah aus wie bei einer Autovermietung. Hinterm Tresen stand ein Mann in seinem Alter und lächelte ihn freundlich an. Keran hörte, wie sich hinter ihm die Schiebetür summend schloss.

"Hallo" der junge Mann ende Zwanzig nickte ihm freundlich zu.

Verunsichert trat Keran näher und sah sich um. Er hatte erwartet unter freiem Himmel zu sein. Er hatte das Panorama einer Stadt erwartet oder... er wusste selbst nicht genau, was er erwartet hatte, aber gewiss nicht, dass ihn am Ende einer Hochsicherheitsschleuse ein schmuckloser Tresen wie bei einer Autovermieting erwarten würde.

"Keran?" fragte ihn der junge Mann hinter dem Tresen.

"Ja..." Keran sah ihn irritiert an "woher..." der junge Mann trug an der rechten Hand einen Handschuh aus Kunstleder. Keran sah sich erneut um. Dieses winzig kleine Kabuff, der Tresen, die gesamte Szenerie war so bizarr, dass er keine Kapazitäten frei hatte, sich auch noch Gedanken darüber zu machen wieso der Typ einen Kunstlederhandschuh trug. Alles war grotesk und Keran hatte keine Zeit es zu verarbeiten.

"Willkommen" der Mann unterbrach das Durcheinander in Kerans Kopf mit einem freundlichen Lächeln und griff nach Kerans linker Hand "darf ich?"

"Sicher..." Keran sah ihn ratlos an, die Kunstlederfinger legten sich um seinen Unterarm und zogen ihn etwas heran. Keran wollte erst seine Hand zurück ziehen, ließ es dann aber geschehen. Der Mann legte ihm eine Smartwatch um das Handgelenk und Keran fühlte kurz ein leichtes Stechen unter dem Armband.

"Au!..." Keran rieb sich das Handgelenk.

"Entschulidge... es kann am Anfang etwas eng sein aber das gibt sich gleich" der junge Mann lächelte "...und Herzlich Willkommen" er nickte Keran an.

Keran nickte ratlos und stumm. Er hatte ein 'Willkommen in ...' erwartet. Gatopia? Nannten sie es überhaupt so? Und was war das eigentlich ein bescheuerter Name für eine Stadt?

Der junge Mann blickte Keran musternd von oben bis unten an. Ein merkwürder Anflug von Grinsen flog dabei über sein Gesicht, dann wandte er sich wieder von Keran ab und dem Bildschirm zu.

Keran fühlte sich wie im falschen Film. Nebel legte sich um seinen Verstand. Alles war bizarr. Er roch Rosen, sein Handgelenk tat weh und dann fühlte es sich taub an. Gerade eben hatte er vor einer massiven Stahltür gestanden, aber tatsächliche war der Eingang zur verbotenen Stadt nichts weiter als ein einfacher ...Autovermietungsschalter... bei dem man dazu noch eine Smartwatch bekam. Wozu überhaupt?

"Die Züge in die Stadt fahren alle zwanzig Minuten" nickte ihm der Mann hinter dem Tresen zu und zeigte mit der Hand auf eine weitere Tür am anderen Ende des Tresens.

"Ooh... okay" Keran stotterte und griff nach seinem Gepäck. Also war er gar nicht in der Stadt? Verwirrt folgte er dem ausgestreckten Arm des jungen Mannes und ging auf die andere Tür zu. Sie öffnete sich automatisch und Keran trat ins heraus ins Freie.

Nebel. Nichts als Nebel. Keran stand vor einer weißen Wand und begriff nach wie vor gar nichts.

Der Nebel vor um ihn herum war so unglaublich dicht, dass Keran kaum seine eigene Hand vor Augen erkennen konnte. Vorsichtig ging er vorwärts, unfähig zu sehen wohin. Der Duft von Rosen waberte durch den Nebel und stieg ihm in die Nase. Er irrlichterte durch die Gegend, bis er durch Zufall direkt vor einem Verkehrsschild stand. Das Schild zeigte das Symbol eines Bahnsteiges und einen Richtungspfeil.

Keran folgte vorsichtig der angezeigten Richtung, bis er ein paar Umrisse erkannte. Als er begriff, dass er bereits auf dem Bahnsteig war, blieb er einfach stehen und wartete auf den nächsten Zug.

*** Zugfahrt mit einem Fremden

Der Nebel lichtete sich leicht. Keran konnte jetzt vielleicht zwanzig Meter weit sehen. Er erkannte den Bahnsteig klar und konnte wenigstens ein Bisschen von dem sehen, was sich um ihn herum abspielte. Sie hatten wohl eine vollständige Infrastruktur in Gatopia. Keran hatte hinter den Stadtmauern so etwas wie eine Hippiekommune erwartet, oder Baumhäuser, oder wenigstens Chaos. Nichts dergleichen gab es hier, stattdessen wirkte alles sauber, leise und freundlich.

Futuristisch sauber und gepflegt. Gatopia war eine Hightech Stadt.

Zumindest, so weit er es durch den Nebel beobachten konnte. Wie durch Watte betrachtete Keran die Putzroboter auf der Straße. Sie waren deutlich moderner als draußen. Hier drinnen hatten sie Modelle die Keran nicht kannte. Die Roboter gingen auf zwei Beinen und hatten sozusagen auf der Hüfte einen würfelfürmigen, klobigen Aufsatz, der aussah wie ein Sammelbehälter.

Draußen hatten sie auf der Straße nur selbstfahrende Kehrmaschinen.

Eine Bahn fuhr ein, mehr Straßenbahn als Zug. Reflexartig wollte Keran nachsehen, wie viel Uhr es war. Mit verschwommenem Blick sah er erstmalig auf die neue Smartwatch. Sie zeigte lediglich einen Statusbalken an, der so gut wie leer war, sonst nichts. Es gab keine Uhrzeit, keine Nachrichten, gar nichts. Der Akku musste leer sein.

Taumelnd und nicht vollständig bei Sinnen betrat Keran den Zugwagen und sah sich um. An der Tür saß ein Mann im mittleren Alter und nickte ihm freundlich zu. Keran nickte höflich zurück und ging an dem Mann vorbei. Auf einem Doppelsitzplatz saß ein kräftiger Mann um die Vierzig und daneben ein Asiate, etwa halb so alt. Der Asiate kicherte, während ihm der kräftige Mann etwas ins Ohr sagte. Sie blickten sich in die Augen und flüsterten. Keran ging an ihnen vorbei und bemerkte, wie sie ihn im Vorbeigehen musterten.

Auf einem Viererplatz saß ein Mann mitte Dreißig. Er war alleine, die anderen drei Plätze waren noch frei. Schwankend stellte Keran sein Gepäck auf den Boden und zeigte auf einen der Sitze.

"Ist da noch..."

"Ja sicher!" der Mittdreißiger lächelte und wies ihn mit einer Geste an, sich zu setzen. Keran ließ sich in den Sitz fallen und atmete tief durch. Ihm war unendlich schwindelig. Alles drehte sich vor seinen Augen, während der Zug geräuschlos anfuhr.

Er blickte schweigend aus dem Fenster und versuchte krampfhaft, seinen verschwommenen Blick zu kontrollieren. Erst sah er draußen nur Nebel. Dann erkannte er vereinzelt die Lichter von Häusern. Er entdeckte fast ausschließlich große Wohnblöcke mit vielen Wohneinheiten, gelegentlich unterbrochen durch Grünflächen und Parks. Es war als konnte er im Nebel Dinge erkennen, wenn er nur konzentriert genug hinsah, aber das ergab absolut keinen Sinn.

Keran war schwindelig, er schloss kurz die Augen und versuchte das Drehen in seinem Kopf anzuhalten. Es gelang nicht. Neugierig öffnete er wieder die Augen und sah aus dem Fenster. Insgesamt war es eine pulsierende große Stadt, urban und lebendig. Die Szenerie hatte etwas beruhigendes, auch wenn Keran keine so große Stadt erwartet hatte. Von wegen Hippie Kommune, die Stadt war riesig und trotz aller Fremdheit machte sich bei Keran ein wohltuendes Gefühl breit. Er war aufgeregt und freute sich. Er bereute nicht, hierher gekommen zu sein.

Aber ihm war schwinderlig und dieses merkwürdige Gefühl von Taubheit bedrückte ihn.

"Du bist neu."

Es war keine Frage sondern eine Feststellung, die Keran aus seinen unzusammenhängenden Gedanken riss.

"Bist du gerade hier angekommen?" fragte der Sitznachbar mitte Dreißig mit weicher Stimme.

"Ja" Keran nickte "ich... war noch nie hier. Sieht man mir das etwa an?" Er versuchte den Mittdreißiger anzusehen, erfasste aber nur verschwommene Konturen, wie wenn man den Fokus einer Kamera verstellt. Es war Kerans Kamera, die jemand anders verstellt hatte.

Keran kniff die Augen zusammen und schüttelte den Wirren Gedanken ab.

Der Mittdreißiger nickte lächelnd und ignorierte Kerans Frage "irgendwann ist es immer das erste Mal."

Einen kurzen Augenblick schwieg der Mann, dann beugte er sich leicht nach vorne "du läufst weg".

Keran blinzelte irritiert, die Konturen des Mannes wurden schärfer.

"Das ist nicht ungewöhnlich. Viele Menschen laufen weg. Entweder vor etwas oder vor jemandem." Der Fremde machte eine kurze Pause und sah aus dem Fenster. Dann blickte er Keran in die Augen "du läufst vor jemandem weg". Er betonte dabei 'jemandem'.

Keran schluckte. Er fühlte sich als folgten in dieser Stadt alle einem Verhaltenscode, den er nicht kannte. Es überforderte ihn. Er hatte eine Hippiekommune erwartet. Er hatte gehofft, in Ruhe gelassen zu werden. Er hatte auf Leute gehofft, die ihm keine Fragen stellten und sich nicht für ihn interessierten. Stattdessen wirkten bislang alle höflich und nett. Sie wirkten hilfsbereit und interessiert. Es war, als wolle jeder mit ihm Kontakt haben und das passte so überhaupt gar nicht zu den bedrohlichen Mythen, die sich um Gatopia rankten. Er schloss erneut die Augen und versuchte das Schwindelgefühl zu bekämpfen.

Keran schluckte erneut. Es war egal, niemand kannte ihn, irgendwann fängt man immer neu an, er gab sich einen Ruck und öffnete wieder die Augen.

Er konnte die Konturen des Mannes scharf erkennen.

"Ja..." Keran nickte den Fremden an "...unglückliche Beziehung". Der Mittdreißiger nickte wissend. Keran spürte dessen Hand auf seinem Knie.

Ein Fremder legte ihm einfach so die Hand auf das Knie, Keran war irritiert, die Hand ging wieder weg.

"Es wird" der Fremde nickte ihm zu.

Gedankenfetzen schwirrten Keran durch den vernebelten Kopf. Die Beziehung, die in den letzten zwei Jahren einfach nur noch furchtbar geworden war. Gedanken an seine Ex-Freundin waberten durch sein vernebeltes Hirn. Sie, die permanent versucht hatte ihn an sich zu binden und gleichzeitig nie Intimität mit ihm wollte. Sie hatte sich krankhaft an ihn geklammert und ihn gleichzeitig verstoßen. Erst war ihm kein Grund mehr eingefallen warum sie noch zusammen bleiben sollten. Dann, irgendwann später, wusste er dann nicht einmal mehr, ob eine Trennung von ihr noch Sinn machte, oder ob das schon Normalität war. Irgendwann hatte er dann die Kurve gekriegt und war gegangen. Er hatte in vier Jahren Beziehung mit dieser Frau jegliches Maß für Normalität verloren. Jetzt war sein Leben nur noch ein Scherbenhaufen. Noch immer konnte er keinen einzigen klaren Gedanken fassen, während er vor dem Fenster verschwommen Konturen einer fremden Stadt vorbeiziehen sah. Rosenduft und Nebel umhüllten seine Gedanken.

Dann, nach ein paar Minuten, lichtete sich der Nebel draußen.

Der in seinem Kopf blieb.

"Sind Sie von hier?" fragte Keran sein Gegenüber.

"Wir sagen alle 'du'... ja ich bin von hier, wenn man das so sagen kann" er schmunzelte.

"Ich meine, bist du hier geboren und aufgewachsen?" hakte Keran nach.

Der Fremde lächelte still und schwieg einen Augenblick "diese Stadt... ist ein Organismus" begann er schließlich.

Keran räusperte sich leise und sah ihn skeptisch an, Esoterik war nicht sein Ding.

"Und wir sind ein Teil davon..." fuhr der Fremde fort, während er Keran ansah. Seine Konturen verschwammen wieder.

"Okay..." Keran nickte und hielt den Mann für einen freundlichen Spinner. Sein Blick schweifte zur Seite. Er schaffte es, zu fokussieren. Schräg gegenüber, auf einem Doppelsitzplatz, saß ein Mann Mitte Zwanzig. Er war schwarz, athletisch und lächelte Keran freundlich an. Keran nickte höflich und sah zur Seite. Wo waren die Frauen?

"Die Stadt heilt" setzte der Fremde wieder an.

Keran sah ihn an und beschloss, ihm eine Chance zu geben. "Was meinst du damit?" fragte er zurück.

"Sie verbessert ihre Menschen" fuhr der Fremde fort und legte die Hand wieder auf Kerans Knie. Dieses Mal fühlte es sich nicht mehr so falsch an, trotzdem ging die Hand schnell wieder weg.

Kerans Blick wanderte wieder zu dem Schwarzen gegenüber, der mittlerweile aus dem Fenster sah. Keran strengte sich an, er fokussierte. Sein Blick wanderte unwillkürlich den Oberkörper des schwarzen Mannes hinunter, er sah ihm in den Schritt und entdeckte eine ausgebeulte Hose.

Der Typ hatte mitten im Zug eine Erektion!

Hastig sah Keran wieder weg und atmete durch.

Irgendetwas an diesem Ort war seltsam. Warum gab es hier keine Frauen?

Eine Glocke ertönte und der Zug hielt an.

Irgendwo hinter ihm stand jemand auf. Keran drehte sich um und sah, wie ein weiterer junger Mann aufstand und den Zug verließ. Ein Mann um die vierzig trat ein und kam in ihre Richtung. Er nickte Keran und seinem Sitznachbar freundlich zu und ging an ihnen vorbei. Vor dem Schwarzen blieb er stehen und fragte diesen, ob der Platz neben ihm noch frei wäre. Der Schwarze lächelte und nickte. Kurz darauf saßen der Mittvierziger und der junge Schwarze nebeneinander und begannen ein Gespräch.

"Ehrlich gesagt..." setzte Keran an "...mein Leben ist zur Zeit etwas durcheinander." Ihm war nicht danach, einem Fremden sein Herz auszuschütten aber irgendetwas in ihm erzeugte das Gefühl, dass es hier und jetzt Okay war, darüber zu sprechen.

Sein Sitznachbar nickte ihn verständnisvoll an. Kerans verschwommener Blick wanderte zur Decke, er dachte an seine toxische Beziehung. Vielleicht war das hier ja der Ort, an dem er jetzt sein musste. Die Menschen wirkten auf jeden Fall freundlich und unterstützend. Genau das, was er mehrere Jahre nicht gehabt hatte. Sein Blick wanderte wieder rüber zu dem Schwarzen und dem Mittvierziger.

Keran musste sich erneut anstrengen, um scharf sehen zu können. Der Mittvierziger hatte seine Hand in den Schritt des Schwarzen gelegt. Ohne jegliche Hemmungen knetete er einfach so durch die Hose dessen Schwanz, während sie völlig ungezwungen und frei plauderten, als wäre das die normalste Sache der Welt.

Kerans Augen weiteten sich vor Entsetzen. Er blinzelte. Dann kniff er die Augen zum fokussieren zusammen.

Die beiden unterhielten sich unbekümmert, der Schwarze kicherte und spreizte die Beine leicht, während der weiße Mittvierziger mit seiner Hand über dessen Genitalien fuhr.

"Manches ist anfangs ungewohnt" riss ihn der Fremde aus seiner entsetzten Beobachtung.

"Allerdings..." gab Keran irritiert zurück. Er beugte sich zu dem Fremden nach vorne und sprach leise "irgendwie habe ich das Gefühl... dass es hier echt viele Schwule gibt."

Der Fremde sah ihn skeptisch an.

"Naja..." Keran beugte sich noch weiter vor und flüsterte "hinter uns, der Weiße und der Asiate zum Beispiel" er machte eine kurze Pause, in der der Fremde nach dem schwulen Pärchen Ausschau hielt "dann die beiden da" er nickte in Richtung des Mittvierzigers, der dem Schwarzen unverblümt den Schwanz massierte.

Sein Sitznachbar lächelte irritiert und sah Keran an, als hätte der wirres Zeug geredet.

Keran verstand die Reaktion seines Sitznachbarn nicht. War der etwa blind? Keran lehnte sich wieder zurück.

"Ich meine..." setzte Keran an "also ich will nur sagen, dass ich das auffallend finde und..." Keran lehnte sich erneut nach vorne und senkte die Stimme "gibt es hier denn keine Frauen?"

Sein Sitznachbar sah ihn noch irritierter an und wollte etwas sagen. Dannn ertönte wieder die Glocke und der Zug bremste ab.

"Oh..." er sah auf "hier muss ich raus". Er lächelte Keran an und stand auf.

Im Vorbeigehen legte er Keran die Hand auf die Schulter, wobei ihm sein Hemdsärmel etwas hoch rutschte. Keran sah die gleiche Smartwatch, wie an seinem eigenen Handgelenk. "Du wirst dich gut einleben und ein Teil werden."

Der seltsame Sitznachbar ging zur Tür. Keran sah ihm mit zusammengekniffenen Augen nach und bemerkte, dass er eine Erektion hatte. Hastig legte Keran die Hände in den Schritt und sah sich um, ob es irgendwer bemerkt hatte. Der Sitznachbar blickte zurück über die Schulter und sah zu Keran. Ihre Blicke trafen sich. Der Sitznachbar lächelte und zwinkerte Keran zu. Dann stieg er aus.

Keran versuchte seine Gedanken zu sortieren. Es war verwirrend, regelrecht bizarr. Seine Erektion war urplötzlich wieder verschwunden.

Er war nicht homophob aber er konnte mit Schwulen nichts anfangen. Sein Blick wanderte zu dem jungen Schwarzen und dem Mittvierziger. Sie waren deutlich aneinander gerutscht, ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Der Mittvierziger sagte etwas, der Schwarze kicherte und legte seine Hand auf die kräftige Brust des Weißen. Keran beobachtete die beiden eine Weile. Dann ertönte die Glocke erneut und er musste aussteigen. Hinaus, zurück in den Nebel.

*** Benini zeigt ihm das Appartment

Keran betrat das Appartmentgebäude und ging an den Empfangsschalter im Foyer. Es wirkte mehr wie ein Hotel als wie ein Wohngebäude. Der Rezeptionist am Check-in grüßte ihn freundlich. Fast unmerklich sah ihm der Rezeptionist dabei für einen Sekundenbruchteil in den Schritt, dann nannte er Keran ungefragt eine Zimmernummer.

Keran kniff kurz die Augen zusammen, mittlerweile konnte er einigermaßen scharf sehen.

"Du kannst die Tür mit deinem Armband öffnen und verschließen". Schob der Rezeptionist hinterher.

Keran sah auf die Smartwatch, die immer noch nur den fast leeren Ladebalken anzeigte. Er blickte zum Rezeptionisten hoch "ich glaube mein Akku ist leer" er zeigte ihm den Statusbalken.

Der Rezeptionist sah ihn verwirrt an "...ich bin sicher es wird funktionieren. Benini wird dir den Weg zeigen". Er nickte Keran lächelnd an.

Als Keran gerade fragen wollte wer Benini war, trat ein junger Mann aus dem Backoffice. Er war Anfang zwanzig und trug eine rote Pagenuniform.

An der Brust trug er ein Namensschild: "Benini".

Keran nickte ihm zu. Benini lächelte ihn freundlich an. Für einen Sekundenbruchteil sprang Beninis Blick in Kerans Schritt. Dann griff er nach Kerans Gepäck und bat ihn, ihm zu folgen. Benini betrat den Aufzug als erstes, Keran folgte. Als Benini den Knopf drückte, rutschte sein Hemdsärmel ein wenig hoch.