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Klassenfahrt

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"Wobei, nein! Ich glaube momentan ist er Single", korrigierte sie sich selbst.

"Wieso fragst du? Jetzt sag nicht du bist scharf auf meinen kleinen Bruder?"

Julia schaute ihre Freundin ungläubig an.

"Naja, er ist sehr attraktiv und nett. Wieso also nicht?", fragte Nadine und grinste über beide Ohren.

"Er ist nicht nett!", betonte Julia das letzte Wort mit Absicht sehr abfällig.

"Er ist unglaublich liebevoll und weiß immer sofort, wenn es einem nicht gut geht. Er denkt nie zuerst an sich und kann sich für so vieles begeistern, dass es nie langweilig ist mit ihm. Er macht aus jedem der ihm nahe kommt einen besseren Menschen und das auch noch ganz unbewusst!"

Ohne, dass sie genau wusste was sie formulierte, sprudelten die Worte einfach nur aus ihr heraus. Leicht aufgebracht strich sie ihm eine heruntergerutschte Strähne hinters Ohr.

Nadine starrte sie mit offenem Mund an. Julia erwiderte ihren Blick und der kleine Gefühlsausbruch wurde ihr peinlich. Leicht errötend fragte sie:

"Was denn? Ist so! Er ist der beste Bruder den man sich wünschen kann und ein ganz wundervoller Mensch."

Ein wenig trotzig und auch um dieser Thematik zu entkommen, griff sie ihr Handy und öffnete Instagram. Sie wischte wahllos durch ihren Feed, ohne auf den Inhalt zu achten.

„Was für ein peinlicher Auftritt war das denn?", dachte sie sich.

Ihre Sitznachbarin ging nicht weiter darauf ein und zückte ebenfalls ihr Handy. Sie wusste, wenn es Zeit war das Thema zu wechseln und war neidisch über so eine innige Geschwisterbeziehung. In solchen Momenten fand sie es sehr schade, dass sie nicht so ein Verhältnis zu ihrer großen Schwester hatte.

Irgendwann döste auch Julia ein. Ihr Kopf kippte sachte an den ihres Bruders. Und die Stunden vergingen...

Ankunft

Der Bus schwankte von links nach rechts, vor und zurück. Das schwere Gefährt kämpfte sich über die unebenen engen Straßen nahe des kleinen Ski-Ortes. Julia wachte unsanft auf und blinzelte verwirrt und desorientiert.

"Guten Morgen du Schlafmütze", begrüßte Ben sie fröhlich.

"Wir wollten dich eh gleich wecken", meldete sich Nadine von der anderen Seite.

"In wenigen Minuten sind wir da!"

Julia sah an Nadine vorbei aus dem Fenster und blickte auf eine Steilwand. Sie drehte ihren Kopf in die andere Richtung und wollte an Ben vorbei aus dem Fenster schauen. Dieser versperrte ihr aber etwas die Sicht, da er sie immer noch über beide Ohren anstrahlte.

"Nimm doch mal deinen hässlichen Gollumkopf beiseite", nölte sie ihn an. Sie griff mit ihrer linken Hand sein ganzes Gesicht und drückte es mit sanfter Gewalt an die Kopfstütze. Alle in Hörweite, einschließlich Nadine und Ben prusteten los vor Lachen. Nun hatte sie endlich freie Sicht auf ein unglaublich beeindruckendes Panorama. Unberührte Natur, steile Klippen, Berge und Täler - und Massen an Schnee, soweit das Auge reicht. Hier und da sah man ein paar kleinere Ansammlungen von Gebäuden, die das Bild aber in keinster Weise störten.

"Whoa ist das schön!", hauchte Julia.

Dass sie immer noch Bens Gesicht hielt, hatte sie ganz vergessen.

"Ähm, Julia?", meldete sich dieser jetzt zu Wort.

"Huch", erwiderte sie erschrocken und grinste ihn frech an, als sie ihn aus dem Griff entließ.

Wenige Minuten später fuhr der Bus vor einer hübschen, gemütlich aussehenden Pension im Stile eines Walderhauses vor. Herr Nagel meldete sich zu Wort.

"Einmal hergehört bitte! Jeder kontrolliert jetzt seinen Sitz und alles drum herum damit nichts vergessen wird! Schaut auch in der Gepäckablage, zwischen und unter den Sitzen nach."

Es entstand ein ziemliches Durcheinander als 23 Schülerinnen und Schüler ihre Plätze kontrollierten, ihre Hosentaschen und Handgepäcke. Kurz danach standen alle vor dem Bus. Koffer und Taschen waren bereits aus dem Bauch des Busses geholt worden und nun warteten alle frierend und zitternd darauf, dass Ihr Lehrer wieder aus der Pension herauskam. Er war kurz hineingelaufen, um sich und seine Schüler anzumelden.

"Oh man wo bleibt der Kerl?", jammerte Julia.

Sie trat von einem Fuß auf den Anderen, um in Bewegung zu bleiben. Ihre Zähne klapperten. Besorgt öffnete Ben seinen Mantel, trat hinter sie und umschloss sie mit diesem. Sie erkältete sich doch immer so schnell!

Dank des Größenunterschiedes der beiden, passte sie ziemlich gut mit in das Kleidungsstück hinein und es reichte sogar gerade so, um ihn wieder zuzuknöpfen.

"Mmmmh, mein Retter", bedankte sie sich bei Ben und schmiegte sich an ihn. Er war so schön warm. Und er duftete großartig. Irgendwie erinnerte sie der Geruch an Zedernholz. Hat er sich etwa heute Morgen einparfümiert? Ben nahm einen betörenden Duft wahr. Es erinnerte ihn an Erdbeeren mit Sahne. Eine Mischung aus tiefer innerer Ruhe und wahnsinniger Nervosität machte sich in ihm breit. Sie strahlte in diesem Moment eine solche Dankbarkeit aus, dass ihm ganz anders wurde. Oder vielleicht war es auch nur die zusätzliche kleine Heizung, die plötzlich mit ihm zusammen in seinem Wintermantel steckte. Er genoss diese Intimität mit ihr. Nadine, die fröstelnd neben ihnen stand beobachte die Situation ein wenig missgünstig. Wobei? Wieso missgünstig. Der Bruder hilft der Schwester. Das ist doch total süß und lieb von ihm. Für einen Bruchteil einer Sekunde hatte sie ein Bild vor Augen. In diesem stand sie nun an Ben gekuschelt und wärmte sich an seinem Körper, während Julia frierend danebenstand. Aber diesen Gedanken verwarf sie sofort wieder und schämte sich ein wenig. Nicht wegen Ben. Neidisch auf ihre beste Freundin? Das geht gar nicht.

In diesem Moment kam Herr Nagel mit einer älteren Dame wieder hinaus.

"Entschuldigt bitte, dass es so lange gedauert hat, euch ist sicher kalt. Ich beeile mich jetzt auch mit der Zimmeraufteilung und dann könnt ihr sofort rein und erstmal ankommen. Der nächste... Hey! Thomas! Zuhören!", die letzten Worte blaffte er an einen seiner Schüler, der gerade mit seinem Handy zugange war. Missmutig steckte dieser es weg. Ihr Lehrer überlegte kurz wo er den Faden verloren hatte.

"Der nächste Termin für euch ist das Abendessen um 18:00 Uhr! Der Speiseraum ist links neben der Rezeption. Da werden dann die Themen der nächsten Tage besprochen. Das sind jetzt noch...", er schaute auf seine Armbanduhr, "noch etwas über eine Stunde. Und jetzt zu den Zimmern! Lisa, Madeleine, Yasmina, Zimmer 201. Finya, Johanna, 202...".

Und so ging es weiter. Julia und Nadine kamen in ein Zweibettzimmer und freuten sich riesig darüber. Ben kam mit Ibrahim, Kevin und Thomas in ein Vierbettzimmer. Das war für ihn weder gut noch schlecht. Er mochte die Jungs alle. Auch wenn er sie nicht als Freunde betitelt hätte.

Wenige Minuten später waren alle in den zugeteilten Zimmern und packten ihre Sachen aus, inspizierten das Hotel, schrieben ihren Eltern und Freunden, dass sie angekommen seien, und so weiter und so weiter. Die Raucher unter ihnen vertraten sich die Beine und prüften, ob es in der näheren Umgebung etwas Interessantes gab. Sei es Einkaufsmöglichkeiten, Bars, Restaurants etc.

Nachdem Ben in seinem Zimmer angekommen war, ließ er es kurz auf sich wirken. Es war einfach eingerichtet. Aber sehr sauber und gepflegt. Ein kleiner Fernseher stand auf einer Kommode neben der Tür. Es gab zwei Doppelstockbetten auf je einer Seite des Raumes. dazwischen war die Tür zum Badezimmer. Ein kleiner Tisch mit zwei einfachen, schnörkellosen Holzstühlen stand am Fenster. Er schritt darauf zu und spähte hinaus. Der Ausblick war atemberaubend. Die Klasse hatte zwei Flure im zweiten und damit obersten Stockwerk. Er schaute direkt auf einen hohen Berg, hinter dem gerade die Sonne in einem tiefen Orange unterging. Rundherum war es dicht bewaldet und schneebedeckt. Unberührte Natur. Ihm gefiel es hier sehr. Er spürte geradezu, wie ihn die Umgebung bereits entschleunigte. Zuhause in Hamburg konnte er sich glücklich schätzen mal hier und da einen Stern zu sehen. Die Metropole war einfach zu grell. Alles war hektisch, laut und stinkig. Ganz anders als hier.

Er genoss den Ausblick noch für ein paar Momente bevor er sich umdrehte, um sich seinen Schlafplatz auszusuchen. Dies war jetzt sehr leicht, denn es war nur noch einer frei. Das untere Bett hinten links. Seine drei Zimmerkumpanen grinsten ihn amüsiert an.

"Meine Güte Ben, wo warst du denn? Du hast ja gar nichts mehr mitbekommen. Ich habe bestimmt eine halbe Minute mit dir gequatscht, bevor ich gemerkt habe, dass du kein Wort mitbekommen hast", lachte Kevin.

Ben war es ein klein wenig peinlich, doch er fing sich schnell.

"Ich habe die Aussicht bewundert! Sowas sieht man bei uns nicht. Und ich war noch nie in den Bergen", erklärte er sich und zuckte mit den Schultern.

Ibrahim nickte eifrig mit dem Kopf und signalisierte so, dass er das sehr gut nachvollziehen konnte. Die nächsten Minuten verbrachten die Jungs damit, ihre Sachen auszupacken und in die Schränke zu verteilen. Gegenüber den Betten gab es zwei kleine Doppeltürschränke. So konnte jeder alles gut verstauen. Währenddessen gab es den üblichen, dem Alter entsprechenden Smalltalk von Jugendlichen, bzw. jungen Männern, bei dem Ben sich kategorisch raushielt. Neben Themen wie, ob man hier lieber Ski, oder Snowboard fahren würde, ob man hier auch Alkohol bekäme, oder aber natürlich die weiblichen Klassenkameradinnen und was man nicht alles mit denen anstellen würde. Ben war einfach nicht gut im Smalltalk. Und gerade, wenn es um die pubertären Äußerungen gegenüber dem anderen Geschlecht ging, hielt er sich raus. Nicht, weil er glaubte über diesen Sachen zu stehen, aber er empfand es einfach als falsch. Um 17:50 Uhr machten die Jungs sich auf den Weg nach unten in den Speisesaal.

Als sie ihn betraten, war hier schon einiges an Trubel. Sie waren allem Anschein nach mit die Letzten die eintrafen. Der Speiseraum glich mehr einem Speisesaal. An der Stirnseite war ein großes Buffet aufgebaut. Und in der Mitte standen zwei lange Tafeln parallel zueinander. Sie boten Platz für je 20 Personen. Somit war es ein gemütliches Sitzen, da jeder mehr als ausreichend Platz zur Verfügung hatte. Die Tische waren einfach gedeckt. Weiße Tischtücher mit Blumenmuster. Das war's. Besteck, Geschirr, Servietten, Tassen und Gläser waren separat auf einem Tisch neben dem Buffet aufgebaut. An den Wänden hingen Unmengen an Tiertrophäen. Geweihe, Hirschschädel, ausgestopfte Vögel und bösartig aussehende Eichhörnchen. Ben fragte sich ernsthaft, wer auf die Idee kam Eichhörnchen zu fangen, zu töten, auszustopfen und möglichst fies aussehend an die Wand zu zimmern.

Er blickte sich um. Seine drei Zimmergenossen waren bereits verstreut. Er erblickte Julia, die ihm zuwinkte und signalisierte, dass sie ihm ein Platz zu ihrer Rechten freigehalten hatte. Links von ihr saß, wie sollte es anders sein, Nadine.

Wie konnte ein Wesen nur so zauberhaft sein? Klang es in seinem Geiste. Ein Kribbeln in seiner Magengegend. Er tat es als Hunger ab und verwarf diesen Gedanken. Was für ein absurdes Gedankenspiel soll das denn gewesen sein? Er musste Julia so liebhaben, dass er einfach nur im Guten von ihr denken konnte. Ja! Das musste es sein.

Schnell schritt er zu den beiden Damen und setzte sich neben sie. Julia lächelte ihn an und ihre tiefgrünen Augen strahlten regelrecht als er neben ihr auf den Stuhl sank.

"Da bist du ja endlich. Ich habe schon angefangen mir Sorgen zu machen! Ich dachte schon ich müsste dich suchen gehen. Oder du einen Asthmaanfall hast und es keiner mitbekommt", scherzte sie.

Es gelang ihr aber nicht gänzlich zu verstecken, dass sie das, was sie sagte, auch ernst meinte. Wie konnte ein Wesen nur so lieb sein? Klang es erneut in seinem Inneren. Erneut ein Kribbeln. Er schaute zu ihr und wollte gerade antworten, als Herr Nagel das Wort ergriff. Daraufhin lächelte er nur schnell und unsicher zurück und sah zu ihrem Klassenlehrer, der am Kopf der vorderen Tafel stand.

"So ihr Lieben", eröffnete er die Runde, "ich hoffe ihr konntet euch schon etwas akklimatisieren nach der langen Fahrt. Bevor wir uns jetzt alle an dem köstlichen Buffet bedienen, noch ein paar Punkte. Frau Wilhelm, die Eigentümerin des Hauses, möchte auf die Hausordnung hinweisen. Die liegt auch in jedem Zimmer aus! Grob zusammengefasst sind es Punkte, die eigentlich klar sein sollten. Es wird nicht geraucht, oder getrunken. Nicht randaliert und ab 22 Uhr ist es leise! Ich glaube aber kaum, dass es da von unserer Seite aus Probleme geben wird, richtig?"

Er lächelte in die Runde. Tatsächlich vertraute er seinen Schülern voll und ganz. Diese Klasse, von der er nun schon seit drei Jahren Klassenlehrer war, ist im Laufe der Zeit eine seiner Liebsten geworden. Nie hatte er so wenig Ärger mit Schützlingen gehabt wie mit diesem Jahrgang.

"Aber genug vorerst. Ich wette, wir sind alle fast ausgehungert. Nach dem Essen möchte ich nochmal ein paar Sätze zum Ablauf der nächsten Tage verlieren. Und vorab. Ich weiß, dass ihr fast alle schon volljährig seid. Das heißt aber nicht, dass ihr euch volllaufen lassen könnt. Als Kompromiss und da ich auch gerne zum Abendessen mal ein Bier trinke, schlage ich vor, dass die Volljährigen von euch sich mit einem großen und die Minderjährigen sich mit einem kleinen Bier am Abend begnügen. Aber jetzt erstmal: Guten Appetit alle zusammen!"

Er setzte sich und ließ die hungrige Meute ans Buffet.

Die Schüler sprangen auf. Lautes Stühlerücken und Gerede. Ben blieb sitzen. Das Essen wird in wenigen Minuten immer noch heiß und schmackhaft sein. Dieser Tumult behagte ihm gar nicht und er schweifte mit den Gedanken an die tolle Aussicht, die er vorhin sah, gepaart mit einem herrlichen Duft nach Erdbeeren, ab.

Er erschrak. Julia hatte seine Hand ergriffen.

"Hey du Träumer! Ob ich dir auch was zu trinken mitbringen soll?", wiederholte sie ihre Frage.

"Ähm," verwirrt blickte er zu ihrer Hand, die die Seine immer noch umschloss. Blut schoss ihm ins Gesicht und ihm wurde heiß. So unglaublich weiche Hände. Diese kleine, unbedeutende Berührung riss ihn kurzzeitig völlig aus der Bahn.

"Ein B-Bier bitte", stammelte er.

Sie schaute ihn eindringlich an. Ihre Augen schienen, als versuchten sie in seinen Kopf zu schauen und seine Gedanken zu ergründen. Diesen Augenkontakt hielt er nicht lange stand und er blickte zum Buffet.

"Manchmal wünschte ich mir, ich könnte in deine Gedanken und du nimmst mich mit auf die Reisen, auf die du dich begibst. Die müssen fantastisch sein! So oft wie du dich von dem Hier und Jetzt fortbegibst".

Sie drückte einmal fest seine Hand und war im Begriff aufzustehen.

"Das wünschte ich mir auch", dachte er sich.

Sie blieb mitten in Ihrer Bewegung verharren und starrte ihn an. Was hatte er da in sich hinein gemurmelt? Es war offensichtlich, dass er das nicht realisiert hat. Sie drehte sich zu Nadine um, welche mit offenem Mund abwechselnd Ben und Julia anstarrte.

Julia war der Blick ihrer Freundin unangenehm und zuckte mit den Schultern, als wüsste sie nicht was das war. Als sei es irrelevant und ging langsamen Schrittes zum Getränkebuffet.

Sie brauchte einen Moment, um sich zu ordnen. Sie hatte ihn lieb. Er war ein toller Bruder und ein noch besserer Mensch. Wieso fühlte sie sich in letzter Zeit so merkwürdig, wenn sie ihm Nahe war? Das ergab keinen Sinn. Es hatte sich doch nichts verändert, oder?

Sie öffnete drei Flaschen regionalen Weißbiers und nahm drei Gläser. Ihre Gedanken überschlugen sich.

In den letzten Wochen und Monaten hatte sie immer öfter seine Nähe gesucht. Sie fühlte sich einfach unwohl, wenn sie nicht bei ihm war. Aber das ist ja auch nicht schlimm! Sie waren halt Familie. Und beste Freunde. Natürlich ist man gerne mit Menschen zusammen, die man mag!

Vollgepackt ging sie zurück in Richtung ihres Platzes und blieb so abrupt stehen, dass Micha, ebenfalls ein Klassenkamerad, voll in sie reinlief. Glücklicherweise ging nichts zu Boden.

"Oh, 'tschuldigung", nuschelte er kleinlaut, als er ihren vernichtenden Blick sah.

Ihr Platz war jetzt besetzt. Nadine hatte es sich auf Julias Stuhl bequem gemacht und unterhielt sich, zumindest schien es so, angeregt mit Ben. Eine Hand auf seinem Knie abgelegt. Sie lachte. Er lachte. Julia hörte von irgendwoher ein bedrohliches Knurren und Fauchen. Sie beobachtete die Situation aus ihrer mehrere Meter entfernten Position. Wieso schwallt Nadine ihn denn jetzt so zu? Und wieso begrabbelt sie ihn? Erbost und ohne sich erklären zu können, wieso sie so wütend war, ging sie weiter und stellte die Getränke etwas zu hart auf den Tisch. Sie ließ sich auf den nun leeren Stuhl neben ihrer Freundin fallen. Zeitgleich lief eines der Biere aus und schäumte stark auf den Tisch. Erschrocken riss Nadine ihre Hand vom Knie ihres Sitznachbarn und drehte sich ruckartig um.

"Um Himmels Willen, Süße!", motzte sie, "du hast mich zu Tode erschreckt!"

"Sorry", erwiderte Julia ausdruckslos, "ich hol mir was zu Essen."

Und weg war sie. Das Bier, welches immer noch leicht aus dem Flaschenhals blubberte, würdigte sie keines Blickes. Verwirrt blickten beide ihr hinterher.

"Was hat sie denn plötzlich?", fragte Nadine Ben.

Er zog bloß die Schultern hoch um zu zeigen, dass er genauso Ahnungslos war wie sie selbst. Nadine erhob sich ebenfalls.

"Ich geh mal schnell hinterher und check das ab".

Eilig ging sie zum Buffet. Ihrer Freundin hinterher.

"Hey", fing sie an, als sie ihre Freundin eingeholt hatte.

Julia erwiderte nichts und tat sich etwas von den Kartoffeln auf.

"Julia..." Nadine zog ihren Namen genervt in die Länge. Sie mochte es nicht ignoriert zu werden. Egal ob jemand schlecht gelaunt war, oder nicht.

"Was ist?", giftete es scharf zurück.

Nadine zog die Brauen hoch. Was sollte das denn jetzt werden? Sie sah Julia einfach nur fragend an und wartete ab.

"Entschuldigung...", rechtfertigte sich Julia kleinlaut, "ich...keine Ahnung. Ich bin einfach gerade nicht gut drauf."

"Aber wieso denn? Du warst doch vor zwei Minuten noch in bester Stimmung! Ist was bei den Getränken vorgefallen?"

"Nein", kam nur knapp zurück.

"Ist für dich nicht das richtige Bier dabei?", bohrte sie weiter, auch wenn die Frage eher darauf ausgelegt war, ihre beste Freundin zum Lachen zu bewegen.

"Nein".

"Ist es, weil... ist es...", Nadine bekam große Augen.

Natürlich! Nein, das kann nicht sein. Oder doch? Es wäre möglich. Unwahrscheinlich. Aber dennoch... möglich! Doch das konnte sie nicht aussprechen. Viel zu riskant, dass das Ohren mitbekamen, die so etwas nicht hören sollten. Also alle. Und falls es nicht so war, hätte sie ein Gerücht gestreut, dass nicht mehr zu tilgen gewesen wäre.

"Nagut. Aber du kannst mit mir über alles reden. Das weißt du?", beendete sie ihren Satz.

Nadine fasste einen Entschluss. Es war gewagt. Und sie musste aufpassen.

"Ja, das weiß ich doch, danke. Aber es ist wirklich nichts. Ich bin bestimmt nur erschöpft von der langen Reise.", bedankte sich Julia bei ihr.

Nadine ist eine großartige Freundin. Ein Junge könnte froh sein sie als Partnerin zu haben. Wieso war sie bloß so wütend gewesen? Beide bedienten sich am reichhaltigen Buffet und gingen wenige Minuten später wieder zum Platz. Nadine, die absichtlich ein Ticken schneller ging, kam zuerst an und setzte sich wieder neben Ben. Freudig strahlte sie ihn an.

"So mein Lieber, da sind wir wieder. Du hast ja immer noch nichts zu essen! Hast du keinen Hunger?", erkundigte sie sich bei Ben.

Dabei strich sie genau einmal mit ihrer Hand über seinen Oberarm. Es sollte nach inniger Vertrautheit aussehen. Julias Nackenhaare stellten sich auf, als sie beim Setzen die Szene aus ihren Augenwinkeln mitbekam. Sie verkrampfte sich. Verbissen schaute sie auf ihr Abendessen. Ihr Appetit war verschwunden. Beinahe wurde ihr schlecht.

"Sag mal", setzte Nadine nach. Wohlwissend, dass es für sie jetzt ziemlich unangenehm werden würde, „was sagt eigentlich deine Freundin dazu, dass du jetzt ganze zwei Wochen von ihr getrennt bist?"

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