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Krieg und Liebe: Die Plantage

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Zwei Tage später geschah ein Wunder. Geführt von Tatum erschien ein junger britischer Leutnant im weithin sichtbaren roten Uniformrock der britischen Armee auf der Plantage, grüßte militärisch den immer noch am Flaggenmast hängenden Union Jack und marschierte direkt ins Farmhaus. Zunächst gestaltete sich die Unterhaltung zwischen dem nur Englisch sprechenden Offizier und dem nur Französisch sprechenden Unteroffizier sehr schwierig. Auf Tatums Hinweis hin wurden Rose und Gerhild aus ihren Arrestzimmern herausgeholt. „Lady Lochbird, würden Sie bitte meine Befehle dem Herrn Unteroffizier übersetzen, damit dieser sich umgehend an die Ausführung machen kann." Dann teilte er dem Belgier mit, dass er sich mit seiner Soldatengruppe unverzüglich Richtung Kigoma in Marsch zu setzen hätte, um sich dort mit seiner gesamten Kompagnie zusammenzuschließen und den abgezogenen deutschen Schutztruppeneinheiten weiter Richtung Süden zu folgen. Der Befehl wurde ausgesprochen missmutig entgegengenommen, aber dann doch zügig ausgeführt. Zwei Stunden später waren die Belgier und Kongolesen unter dem wachsamen Auge des britischen Leutnants abgerückt.

Erst dann stellte sich Leutnant Philip Cameron den Damen offiziell vor. „Ich habe den Befehl, diese Plantage unter meine Aufsicht zu nehmen, Lady Lochbird", führte er unmissverständlich aus. „Ihr Ehemann, Major Loch Lochbird, wird voraussichtlich in zwei Tagen hier eintreffen. Unser Kommandeur hat verfügt, dass die Westgruppe der alliierten Einheiten ihr Hauptquartier bis auf Weiteres hier aufschlagen wird. Damit ist der Schutz dieser Plantage und seiner Bewohner gesichert, zugleich haben wir für den Westen Tanganjikas einen perfekten Standort bis wir uns unter gesicherten politisch-militärischen Verhältnissen in Kigoma als Bezirkszentrum etablieren können."

Rose und Gerhild berichteten dem Leutnant nichts über die gewaltsamen Erfahrungen, die sie während der kurzen belgischen Besatzung gemacht hatten. Aber beide Schwestern hatten das Gefühl, dass die Gruppenvergewaltigung für sie seelisch wie körperlich extrem belastend war.

„Ich habe solche Angst um Dich und mich gehabt", gestand Gerhild, „dass ich von der eigentlichen Fickerei fast nichts mitbekommen habe. Außer, dass die Kerle ziemlich grob und primitiv waren. Einfach rein, abrammeln, abspritzen. Und dann der Nächste."

„Ging mir genauso. Wir sind ja beide eigentlich gut trainiert. Und das hat uns sicherlich geholfen. Aber ich hoffe, dass wir nicht mit irgendetwas infiziert worden sind. Diese afrikanischen Soldaten sollen ja häufig erkrankt sein. Oder gar jetzt schwanger werden." Rose atmete tief durch. „Bei mir ist das durchaus grenzwertig."

Gerhild nahm ihre jüngere Schwester in den Arm. „Das hoffe ich auch, auch wenn ich wenigstens dies Schwangerschaftsproblem nicht habe."

Die Schwestern erholten sich langsam von dem unter Mordandrohung erzwungenen Gruppen-Gangbang, körperlich erheblich schneller als seelisch. „Ich muss Dir gestehen", sprach Gerhild gegenüber Rose ihre Schlaflosigkeit und Alpträume am dritten Frühstück nach dem befehlsmäßigen Abmarsch der belgisch-kongolesischen Soldaten an, „ich habe bis auf Weiteres nicht das geringste Bedürfnis nach männlichem Sex. Ich weiß derzeit nicht, wie mein Liebesleben in Zukunft weitergehen soll."

„Kann ich nachempfinden", stimmte Rose zu. „Mir geht es ähnlich. Aber wir stehen ja jetzt nicht unter Druck. Der freundliche Leutnant spielt hier die Vorhut des Hauptquartiers und lässt uns vollkommen in Ruhe."

Diese Ruhe war am darauffolgenden Tag vorbei. Major Lord Lochbird erreichte mit dem Stab der Westgruppe seines britischen Regiments die Plantage und übernahm sofort das Kommando, erteilte seinen Soldaten präzise Anweisungen zum Aufbau des Kommandostützpunktes als auch

seiner Ehefrau und seiner Schwägerin zur Einquartierung der Offiziere.

Lord Lochbird war genauso wie Gerhild ihn kannte. Englisch-aristokratisch-steif und überkorrekt mit ausgesprochen wenig menschlicher Ausstrahlung. „Ich habe gehört, dass sich dieser belgische Unteroffizier mit seinen Soldaten wie eine saufende Horde Wildschweine benommen hat", stellte er beim ersten gemeinsamen Abendessen fest. „Leutnant Cameron hat mir Bericht erstattet."

„Ich habe das Erscheinen des Leutnants wie ein Gottesgeschenk empfunden", gestand ihm seine Ehefrau. „Ich weiß nicht, wie eine längere Besetzung der Plantage durch diese Belgier geendet wäre."

Lord Lochbird grinste zynisch. „Mit Sicherheit nicht gut. Das sind wilde Gesellen, die selbst wir kaum disziplinieren können. Dabei machen die Idioten viel zu viel kaputt, was wir später unbedingt benötigen, um aus dieser Kolonie etwas Erfolgreiches machen zu können."

„Glaubst Du, dass wir bei Kriegende ins Empire eingegliedert werden? Oder werden wir dem Kongo zugeschlagen?"

„Oder an das Deutsche Reich zurückgegeben?" ergänzte Gerhild.

„Das wird man sehen. Ich glaube an den Sieg der alliierten Armeen in dem großen europäischen Ringen. Und das wird dann mit Sicherheit seine Auswirkungen auf alle deutschen Kolonien haben. Aber, und dies ist ein großes ‚Aber', erst einmal müssen wir von Lettow-Vorbeck und seine gut kämpfende Schutztruppe besiegen. Seine Askaris sind verdammt gute Krieger."

Die Nacht verbrachten Lord und Lady Lochbird tatsächlich gemeinsam in Roses Schlafzimmer. Nach mehreren Jahren Unterbrechung gaben sie sich tatsächlich ihren ehelichen Pflichten hin, mit exakt der Leidenschaft und sexuellen Erfüllung, die der Begriff der ‚ehelichen Pflicht' beschreibt. Trotzdem sollte dieser einmalige eheliche Sex während des kurzen Aufenthaltes des Lords auf der Plantage erhebliche Konsequenzen haben, mit denen weder das Ehepaar noch ihre beiderseitigen Familien rechnen konnten.

Aufgrund des zügigen Rückzugs der deutschen Schutztruppe entlang des Ostufers des Tanganjikasee fühlte sich das britische Oberkommando unter Zugzwang, noch während der verbleibenden spätsommerlichen Trockenzeit nachzusetzen. Man wollte auch in diesem Teil der Kolonie das Heft des Handelns nicht den belgisch-kongolesischen Truppen überlassen, insbesondere weil die britischen Kolonialterritorien entlang des weiter südlich gelegenen Nyassasees nur unzureichend verteidigt waren. Der Marschbefehl zur weiteren Verfolgung erreichte Major Lord Lochbird nach nur einwöchigem Aufenthalt auf der Plantage.

„Hier weht jetzt der Union Jack", erklärte er seiner Ehefrau und seiner Schwägerin feierlich, als er sich zum Abmarsch rüstete, „und ich habe Euch eine Erklärung über den Schutz unserer Interessen mit Briefkopf und Unterschrift hinterlassen. Ihr könnt davon ausgehen, dass ihr hiermit in diesem Krieg in Sicherheit seid, denn dass die Deutschen zurückkehren, halte ich für ausgeschlossen." Er umarmte Rose und gab ihr einen seltenen öffentlichen Kuss, dann bestieg er sein Pferd und setzte sich an die Spitze des abrückenden Haupttrosses. Nicht ein englischer Soldat blieb zurück, Rose war als Teil-Inhaberin offiziell als britischer Treuhandverwalter eingesetzt.

„Haben wir in diesen zwei gefährlichen Wochen tatsächlich diesen Krieg überstanden?" fragte Gerhild ihre Schwester. „Ohne das wir unser Leben oder unsere Heimat verloren haben?"

„Sieht so aus. Aber ich habe das Gefühl, dass sich unser Leben in den kommenden Monaten, vielleicht auch Jahren grundlegend ändern wird. Bis wir die Freiheiten zu leben zurückgewonnen haben, werden möglicherweise Jahre vergehen. Zunächst stehen wir offiziell unter britischer Militärverwaltung. Aber unser Schachzug, uns den Besitz der Plantage quasi zu teilen, um nicht beschlagnahmt zu werden, ist bisher erfolgreich gewesen. Mal sehen, wie das weiter geht."

„Ist ohnehin alles von Vaters Geld bezahlt", zuckte Gerhild mit den Schultern. „Mir gehört lieber die Hälfte von etwas Blühendem und Erfolgreichen als ein ganzes Nichts." Von dem sicher eingegrabenen Goldschatz erzählte sie ihrer Schwester jedoch nichts.

„Wir müssen jetzt schauen, dass wir möglichst schnell mit unseren Holzlieferungen an die nun unter britischer Militärverwaltung stehende Eisenbahn beginnen können. Dann verdienen wir auch wieder gutes Geld."

Bei aller Erleichterung über die glimpflich verlaufende Kriegsperiode ging es beiden Schwestern gesundheitlich nicht besonders gut. Gerhild begann zwei Wochen nach der groben Gruppenvergewaltigung unangenehm brennende Unterleibsschmerzen zu entwickeln. Angesichts ihrer durch die Zwillingsgeburt nicht mehr funktionsfähigen beziehungsweise existierenden weiblichen Organe kam ihr das sehr merkwürdig vor. Immerhin verschlechterte sich ihr Zustand nicht weiter, aber er blieb unangenehm. Rose hingegen klagte nun jeden Morgen über eine zunehmende Übelkeit, ganz gegen ihre sonstige Verhaltensweise gab sie das Frühstück jetzt nahezu komplett auf und beschränkte sich nur auf zwei Tassen Tee. Sie war erstmittags in der Lage, feste Nahrung bei sich zu halten.

Nachdem dieser Zustand bei beiden Schwestern auch noch nach zwei Monaten anhielt, beschlossen sie, die Missionsstation mit Dr. van der Merwe aufzusuchen, um sich medizinischen Rat zu holen. „Die Missionsstation soll die Besetzung unbeschadet überstanden haben", erklärte Gerhild vor der Abfahrt. „Die Belgier haben anscheinend den holländischen Missionar in Ruhe gelassen."

Dr. van der Merwe freute sich, Gerhild und Rose in seiner Station begrüßen zu können. „Wir haben den Durchzug der belgischen Kongolesen als auch der Engländer weitgehend unbeschädigt überstanden", bestätigte er die Nachrichten, die die Plantage erreicht hatten. „Aber meinen ärztlichen Bereich haben sie zur Eigenversorgung weitestgehend ausgeplündert. Wir besitzen eigentlich nur noch, was wir aus einheimischen Ressourcen wieder selbst produzieren können. Was kann ich denn für Sie tun?"

In der folgenden Stunde untersuchte der Doktor unter Nutzung der gut ausgebildeten afrikanischen Missionsschwester sowohl Gerhild als auch Rose. Seine Diagnose hätte nicht unterschiedlicher ausfallen können.

„Sie, liebe Gräfin von Cleve", sagte er Gerhild im Vier-Augen-Gespräch, „sind leider bei den wilden Szenen, von denen Sie mir berichtet haben, irgendwie infiziert worden. Einer oder mehrere Soldaten waren erkrankt, jedoch nach unseren derzeitigen Erkenntnissen nichtan Syphilis oder Gonorrhoe. Jedenfalls haben sie sie damit angesteckt. Ist nicht direkt gefährlich, aber kann lästig sein. Unsere Missionsschwester bereitet Ihnen eine Salbe zu, die Sie an und in ihrer Scheide verteilen müssen. Hilft bei infizierten afrikanischen Frauen erstaunlich gut, die darin verarbeiteten Kräuter und Pflanzen haben anscheinend desinfizierende Wirkung."

„Ist meine Schwester auch daran erkrankt?" Gerhild war neugierig. Dr. van der Merwe schüttelte seinen Kopf. „Haben wir nicht feststellen können. Unseren Befund sollte sie Ihnen vielleicht selber mitteilen."

Entsprechend neugierig befragte Gerhild ihre Schwester sofort, nachdem sie die Rückfahrt angetreten hatten. Rose zuckte zunächst mit den Schultern, dann sah sie ihre ältere Schwester mi einem ganz ungewöhnlichen Gesichtsausdruck an. „Die Missionsschwester meint, dass ich schwanger sein könnte. Alle Anzeichen deuten darauf hin, aber sicher ist sie frühestens in einem Monat." Rose holte tief Luft. „Könnte aber stimmen, denn als mein Mann hier war, war ich im Bereich meiner fruchtbaren Tage. Und seither ist meine Monatsblutung ausgeblieben."

„Schwanger?" Jetzt holte Gerhild tief Luft. „Ihr habt Euch miteinander vergnügt, so unmittelbar nach unser Vergewaltigung?"

„Ich war selbst erstaunt, aber wir haben es immerhin einmal bis zum spritzigen Ende geschafft. Eher ungewöhnlich für meinen Göttergatten, aber tatsächlich wahr."

„Das hätte ich nicht erwartet", gestand Gerhild. „Aber wenn es so ist, ist es gut. Dann bekommen Lord und Lady Lochbird immerhin einen ehelichen Erben und wir müssen nur aufpassen, dass Dein Kind gesund aufwächst."

„Danke für Deine Glückwünsche", grinste Rose mit zynischen Mundwinkeln. „Aber Du hast die Erfahrung mit Deinen Zwillingen schon mehr als ein Jahrzehnt hinter Dir. Da kannst Du mir sicherlich helfen, wie das mit Geburt und Kindern im afrikanischen Busch geht."

Die Schwestern umarmten sich schließlich und versicherten sich ihrer gegenseitigen Solidarität und Unterstützung.

Zwei Monate später war klar, dass der Missionarsarzt und die Missionsschwester richtig diagnostiziert hatten. Lady Rose Lochbird war mit ihrem ersten Kind schwanger. Die lästige Morgenübelkeit hatte aufgehört, im Gegenteil, Rose hatte jetzt mehr oder weniger den ganzen Tag Hunger.

Auch Gerhilds Unterleibsprobleme hatten sich spürbar vermindert. Trotzdem hatten beide Ereignisse eine unmittelbare Konsequenz. Beide Schwestern durchlebten für viele Monate in eine nonnenähnliche Enthaltsamkeitsperiode.

Die einzige Belebung ihres Alltaglebens auf der Plantage war die Rückkehr von Elisabeth Bräunlingen, Jomo und ihren Begleitern aus ihrer hoch im Dschungelwald gelegenen Hütte, in die sie vor den anrückenden Soldaten geflohen waren. Elisabeth wirkte von ihrem achtwöchigen Aufenthalt in ihrem Fluchtdomizil spürbar verändert. „Wenn man dort oben auf dem Berg die Gorillas und Schimpansen in ihrem Familien- und Stammesleben beobachtet, bekommt man eine innere Hochachtung vor diesen Tieren. Wie bei Menschen gibt es Streit und Zank, gibt es kleine Rebellionen gegen die Rangordnung", berichtete Elisabeth von ihren Beobachtungen, „aber nie würden diese Tiere untereinander in den Krieg ziehen. Sie haben genug damit zu tun, ihre Horde gegen natürliche Feinde wie Raubtiere zu schützen." Sie zuckte nachdenklich mit ihren Schultern. „Vielleicht sind die Affen intelligenter als wir. Jedenfalls habe ich keinen einzigen Uniformspopanz gesehen, der seine eigenen Soldaten in den Tod schickt."

Elisabeth blieb ein Dauergast auf der Plantage, besonders nachdem sie von ihrem Ehemann für mehr als zwei Jahre kein Lebenszeichen erhielt. Erst nach Kriegsende erfuhr sie, dass er wie so viele andere Deutsche im Gefolge der Schutztruppe den Krieg nicht überlebt hatte. Anders als bei Lord Lochbird war jedoch nicht eine Tropenkrankheit, sondern der unachtsame Umgang mit Munition in seiner improvisierten Werkstatt die Ursache seines Ablebens gewesen. Eine Spontanexplosion tötete ihn und zwei Munitionsmitarbeiter auf der Stelle. Seine Stelle als Quasi-Ehemann hatte da schon längst Jomo eingenommen.

Die folgenden zwei Kriegsjahre vergingen auf der Plantage in täglicher Routine und weitgehender Langeweile. Im späteren Alter sollte Gerhild die Jahre 1917 und 1918 als „meine verlorenen Jahre", ihre Schwester Rose jedoch als „meine glücklichsten Privatjahre" bezeichnen.

Die Gründe hierfür waren vergleichsweise einfach: Gerhild führte die Plantage und insbesondere den forstwirtschaftlichen und holzverarbeitenden Betrieb in der Routine der Vorjahre, der einzige Unterschied bestand darin, dass ihre Kunden bei der Eisenbahn und im Hafen jetzt Englisch und nicht mehr Deutsch sprachen. Zudem hatte die familiäre Patronatschaft von Lord und Lady Lochbird sie davor bewahrt, verhaftet und interniert zu werden. Die englische Militärverwaltung hatte sogar die seit 1906 geltende Rupie unverändert als Landeswährung belassen, was das kaufmännische Alltagsleben durchaus vereinfachte. Lediglich die Münzen mit dem Bild Kaiser Wilhelms wurden aussortiert und 1:1 durch die in British East Africa geltenden Rupie-Münzen ersetzt. Hinter dieser pragmatischen Lösung stand die Macht der indischen und arabischen Händler Ostafrikas, die eine Entwertung ihres Geldvermögens mit Sicherheit nicht akzeptiert hätten. Dieser glückliche Umstand half der Plantage finanziell so schnell wieder auf die Füße, dass Gerhild ihren versteckten Goldschatz nicht anrühren musste.

Rose brachte am 18. Mai 1917 ihr erstes Kind zu Welt, assistiert von der Schwester der holländischen Missionsstation und einer erfahrenen, afrikanischen Geburtshelferin, die auf der Plantage lebte. Arthur Oscar George Lochbird war als ältester (und einziger) ehelicher Sohn von Lord und Lady Lochbird zugleich Erbe von Titel und Besitz des traditionsreichen englischen Adelsgeschlechts. Aber der kleine Arthur war bei seiner Geburt dunkelhäutiger als ein weißes, englisches Kind normalerweise sein würde. Die Missionsschwester hatte im ersten Augenblick mit einem „Oh!" reagiert als der cremeverschmierte, aber ansonsten rosige und kerngesunde Junge das Licht der Welt erblickte, aber sogleich „ein properer Junge" hinzu gefügt. Obwohl erkennbar gemischt-rassig, hatte die Missionsschwester die Geburtsurkunde offiziell als „ehelicher Sohn von Lord und Lady Lochbird" ausgefüllt.

Rose schrieb ihrem Ehemann schon am darauffolgenden Tag einen Brief an seine Feldpostadresse, in dem sie ihm die erfolgreiche Geburt seines Sohnes mitteilte. Lord Lochbird reagierte in seinem Antwortbrief mit großer Freude auf die Nachricht; er hatte anscheinend aufgrund seines Lebensstils und seiner männerorientierten sexuellen Vorlieben nicht mit diesem ‚Erfolg' gerechnet. Aber er veranlasste mit mehreren Briefen in seine englische Heimat, die er aus seinem aktuellen Regimentsstandort im Südwesten Tanganjikas absandte, alle notwendigen rechtlichen und bürokratischen Schritte, um die Rechtsposition seines Sohnes und Erben abzusichern.

Der Krieg im feucht-tropischen Süden Ostafrikas mit seinen zahlreichen großen wie kleinen Seen und riesigen Ufer- und Sumpfgebieten sollte jedoch für die Familie Lochbird weitere Schicksalsschläge bereit halten. Mitten in der winterlichen Regenzeit erkrankte Lord Lochbird erneut an Malaria, diesmal jedoch half die chininhaltige Medizin nicht mehr. Der Körper des Lords reagierte diesmal mit einer Abwehrreaktion, die allgemein als ‚Schwarzwasserfieber' bekannt war. Kurz vor Weihnachten 1917, ein halbes Jahr nach der Geburt seines Sohnes, den er nie gesehen hatte, starb Major Lord Lochbird wie so viele ostafrikanische Kriegsteilnehmer beider Seiten nicht im Gefecht, sondern an einer Tropenkrankheit.

Die britische Besetzung hatte aber einen erfreulichen Nebeneffekt; Postverkehr zwischen Ostafrika und der neutralen Schweiz war mit britischen Schiffen via Genua wieder möglich. Und so erreichte Gerhild nach über zweieinhalb Jahren totalem Schweigen ein erster Brief der unverändert in der Schweiz ins Internat gehenden Zwillinge, ergänzt um einen Begleitbrief ihrer ältesten Schwester Brünhild. Die Briefe waren anstandslos durch die Zensur gegangen, wie man an den Stempeln auf dem Kuvert sehen konnte.

„Die Schweiz ist inmitten des um uns herum tobenden Krieges ein Ort disziplinierter Ruhe", schrieb die älteste Schwester. „Deine Kinder konzentrieren sich in wunderbarer Weise auf ihren schulischen Fortschritt und werden mit Sicherheit ihren gymnasialen Abschluss mit Bravour hinlegen. Ich hoffe, wir sind bis dahin dann wieder im Frieden angekommen, so dass wir nach so unendlich langer Zeit wieder zusammenkommen können."

Gerhild las ihrer Schwester Rose sowohl Brünhilds Brief als auch die wesentlich emotionaleren Briefe der beiden jetzt siebzehnjährigen Zwillinge vor.

„Wäre wirklich schön, wenn die Familie nach so langer Zeit wieder einmal zusammenkommen könnte", antwortete die junge Mutter. „Was meinst Du, besser in der Schweiz oder hier?"

„Auf alle Fälle hier." Gerhild lachte sarkastisch. „Mit meinem reichsdeutschen Pass, der sowieso schon lange abgelaufen ist, komme ich hier weder raus noch wieder rein. Und ich habe nicht den ganzen Irrsinn und die Gefahren des Sommers 1916 durchgestanden, um dann mein Heim auf diese Weise zu verlieren."

„Da hast Du vollständig recht. Wie sollen dann aber die Zwillinge hierher reisen?"

„Brünhild soll zusehen, dass die beiden nach so langer Zeit Schweizer Reisedokumente bekommen. Aus meiner Sicht die einzige Chance, sie in den kommenden Jahren wiederzusehen, wenn nicht irgendein Wunder geschieht."

„Dann sollten wir den Dreien dies so schreiben." Roses Vorhaben forderte die Schwestern unter den Zensurbestimmungen aufs Äußerste, aber es gelang ihnen anscheinend.