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Legenda Major

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„Das macht doch nichts. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen", lacht nun auch Nina. „Also, wenn du die Augen schließt und dich auf dein Inneres konzentrierst, dann müsstest du eine Kraft wahrnehmen können."

„Auch, wenn ich noch nicht 18 bin?"

„Ganz leicht müsste eine Magierin ihre Kräfte schon ab der Geburt spüren. Sie sind dann nur ganz schwach ausgeprägt und man kann sie nicht greifen, aber sie müssten auf jeden Fall schon da sein und fließen."

„Ich hätte nie etwas bemerkt, aber um ehrlich zu sein, habe ich auch nie darauf geachtet. Bis gestern wusste ich nicht einmal, dass es Menschen mit magischen Kräften gibt."

„Dann versuche, in dich zu gehen."

Ich schließe die Augen, höre die Vögel zwitschern und den Wind durch die Zweige der alten Weide streichen. Ich bin etwas verwundert, wie gut ich hören kann, mache mir darüber aber nicht weiter Gedanken. Das wird schon daran liegen, dass ich die Augen geschlossen habe und mich konzentriere.

„Du musst dich auf dein Inneres konzentrieren und nicht durch Äußerlichkeiten ablenken lassen", ermahnt mich Nina.

Woher weiß sie, dass ich mich habe ablenken lassen? Kann dieses Mädchen Gedanken lesen und besitzt sie demnach das fünfte Element?

„Ich bin keine Hellseherin. Das geht jedem so, wenn er das erste Mal versucht, seine Kräfte bewusst zu spüren", kichert sie.

Schon wieder hat sie mir eine Antwort auf eine unausgesprochene Frage gegeben. Aber ich belasse es bei der Erklärung, die sie mir gegeben hat. Vermutlich stimmt es wirklich, dass sich jeder zunächst ablenken lässt.

Damit konzentriere ich meine Aufmerksamkeit von den Äußerlichkeiten auf mein Inneres und es fühlt sich an, als würden sich zahlreiche Scheinwerfer, die zunächst nur die Umgebung beleuchten, plötzlich bündeln und nun mich voll anstrahlen. Aber mehr, als meinen Körper wahrzunehmen, passiert im ersten Moment trotzdem nicht. Es fühlt sich ähnlich an, wie autogenes Training. Da ich aber nicht gleich aufgeben will, versuche ich mich stärker zu konzentrieren und alle Ecken meines Körpers auszuleuchten.

Und tatsächlich, recht bald schaffe ich es, in mir drinnen in neue Bereiche vorzudringen und dort spüre ich tatsächlich ein Band, eine Energie, eine Macht! Wahnsinn! Je mehr ich mich darauf konzentriere, umso deutlicher nehme ich es wahr und umso größer scheint die zunächst kleine Menge anzuschwellen, um mich schließlich fast ganz auszufüllen.

Einen Moment lang bin ich besorgt, was das ist. Schließlich kommt es mir fremd und ungewohnt vor. Aber je mehr ich mich darauf konzentriere, umso vertrauter erscheint mir dieser Strom. Die Angst verliert sich und weicht Faszination.

„Ich habe etwas", sage ich zu Nina. Ich halte die Augen aber immer noch geschlossen.

„Dann versuch die Kraft zu greifen."

„Wie denn? Mit den Händen?"

„Mit deinem Geist, du Dummerchen", grinst sie.

„Du hast gut reden", antworte ich leicht genervt.

Aber ich konzentriere mich, versuche die Kraft tatsächlich mit meinen Gedanken zu greifen und habe dabei etwas Mühe. Immer wieder entschlüpft sie mir und ich stöhne genervt auf.

„Keine Sorge, das kann oft Tage dauern, bis es klappt und du sie zu greifen bekommst. Es braucht viel Übung, vor allem am Anfang. Vor dem Geburtstag ist es sowieso unwahrscheinlich."

Doch ich will nicht aufgeben. Ich spüre, dass ich ganz nahe dran bin. Immer und immer wieder versuche ich es, wende schließlich eine andere Taktik an oder versuche mich zu entspannen und es gelassen anzugehen. Verbissenheit dürfte hier fehl am Platz sein.

„Du bist ehrgeizig", meint Nina.

„Ich spüre, ich bin knapp dran."

Und da, in diesem Moment bekomme ich die Kraft zum ersten Mal zu greifen. Sie flackert in mehreren bunten Farben. Es ist wie ein großer, dicker Strang mit feinen unterschiedlichen Strängen in fünf Nuancen. Ich sehe rot, gelb, blau, grün und eine goldene Farbe. Sie ziehen sich wie Fäden durch den Strang der Magie und verbinden und verlaufen sich immer wieder untereinander, wie ein Geflecht.

„Ich hab´s!", rufe ich begeistert. „Ich habe sie!"

„Ehrlich?"

„Ja, wenn ich es dir sage!", antworte ich ein wenig beleidigt. Wie kann sie an meinen Worten zweifeln.

„Welche Farbe siehst du?"

„Mehrere, da ist nicht nur eine Farbe."

„Du siehst mehrere Farben?", erkundigt sie sich ungläubig.

„Ja, es sind feine Stränge, die sich durch den Fluss an Magie ziehen."

„Der Strang hat nicht nur eine Farbe, einheitlich?"

„Wenn ich es dir sage!"

„Ok, ich glaube dir ja. Es ist nur ungewöhnlich. Ich beherrsche das Element Luft und sehe alles gelb, hellgelb."

„Bei mir sind es kräftige Töne. Ein sattes Blau, ein dunkles Grün, ein strahlendes Gelb, ein flackerndes Rot und ein schimmerndes Gold."

„Gold? Das gibt es doch gar nicht."

„Keine Ahnung, aber ich sehe das so."

„Wird wohl daran liegen, dass du noch nicht ganz 18 Jahre alt bist. Ich habe da zwar nur den Strang an Magie gespürt, Farben waren da noch keine, aber ich habe es auch nie geschafft, die Kraft vor meinem Geburtstag zu greifen."

„Das wird es wohl sein", stimme ich notgedrungen zu. Was soll ich denn sonst auch dazu sagen. Ich kenne mich mit diesen Dingen ja nicht aus. „Und jetzt?", frage ich.

„Jetzt entspannen wir uns erst einmal und werden nach deinem Geburtstag weitermachen oder - sollte der Fall eintreten - sobald du nur noch eine Farbe erkennen kannst."

Ich will mich aber noch nicht entspannen. So schnell will ich mich noch nicht zurückziehen. Für mich ist das alles so neu und unglaublich faszinierend. Deshalb konzentriere ich mich auf das blaue Band im Strom der Magie. Ich stelle mir vor, wie sich eine Wasserkugel formt.

„Aurora, bist du das?", meint plötzlich Nina ganz aufgeregt.

„Was soll ich sein?", frage ich.

Dabei öffne ich die Augen und sehe wie meine Mentorin wie gebannt auf eine in der Luft schwebende Wasserkugel blickt. Die sieht doch genau so aus, wie die Kugel, die ich mir vorgestellt habe. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen und ich mache begeistert weiter. Ich konzentriere mich, lasse die Kugel allein mit der Kraft meiner Gedanken über Nina schweben, die ihr fasziniert mit den Augen folgt.

Als sich das Wasser genau über Nina befindet, stelle ich mir vor, dass sich ein Tropfen daraus löst und auf meine Freundin herabfällt.

„Aua, genau ins Auge! Was soll das denn?", schreit sie auf. „Bist du das?"

„Ich bin mir nicht sicher", gestehe ich.

„Stellst du dir Dinge vor, welche mit dem Wasser passieren?"

„Ja, eigentlich genau das, was die Kugel auch macht."

„Das gibt es nicht!", meint Nina. Dann kreischt sie los.

Es soll Begeisterung sein, mich jedoch bringt das Quietschen völlig aus dem Konzept, ich verliere die Konzentration, weil ich abgelenkt bin und offenbar entkommt mir die Wasserkugel. Diese fällt zu Boden und trifft auf ihrem Weg nach unten genau Ninas Kopf und zerplatzt darauf. Das Mädchen ist klitschnass und funkelt mich aus weit aufgerissenen Augen wütend an.

„Was soll das denn?", schimpft sie. „Hast du nur Dummheiten im Kopf?"

„Entschuldige bitte! Du hast geschrien und mich drausgebracht", verteidige ich mich.

„Jetzt wäre ich schuld, na super!"

„Ehrlich, es tut mir leid, aber ich habe die Kontrolle verloren."

Einen Moment atmet Nina durch, dann scheint sie sich zu beruhigen. Sie kommt auf mich zu und nimmt mich in den Arm.

„Entschuldige, ich habe vergessen, dass du Anfängerin bist. Aber dafür war das schon ganz ordentlich", meint sie.

„War das etwa ein Lob?", frage ich schüchtern.

Nina lacht laut. Sie wischt sich das Wasser aus den Haaren und schaut mich nachdenklich an.

„Aber warum sieht du so viele Farben? Mehr, als es überhaupt Elemente gibt", meint sie.

Ich höre nicht wirklich auf sie. Ich bin zu euphorisch. Ich habe das erste Mal in meinem Leben Wasser allein mit meinen Gedanken gelenkt und geleitet. Ich will es noch einmal versuchen, schließe die Augen und dieses Mal bekomme ich das blaue Band auf Anhieb zu fassen. Ich forme eine kleine Wassersäule, versuche sie so zu gestalten, dass sie aussieht, wie ein Denkmal für den Vorsitzenden und öffne neugierig die Augen.

Vor mir steht tatsächlich ein Denkmal aus Wasser. Auch Nina schaut es gebannt an, dann wandert ihr Blick zu mir.

„Wie hast du das denn gemacht?"

„Ich habe es mir vorgestellt."

„Ich kann das nicht glauben. Wasser so zu beeinflussen, dass es einen Menschen darstellt und man den auch noch eindeutig als unseren Vorsitzenden erkennen kann, schaffen nur die Wenigsten und das erst, nach jahrelangem Training. Das macht man nicht eben mal so und als Anfängerin schon gar nicht."

Ich schaue sie etwas hilflos an. Aber ich habe es gemacht, einfach so. Es hat mich keine besonders große Anstrengung gekostet. Was für Nina daran so außergewöhnlich sein soll, kann ich beim besten Willen nicht verstehen.

„Wir sollten uns auf den Weg zu unserer Arbeit machen", meint Nina.

Ich habe den Eindruck, sie ist froh, nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, was ich da gerade erschaffen habe. Sie will von meinen Fähigkeiten ablenken, weil sie keine Erklärung dafür hat.

Ich aber widerspreche nicht. Ich muss das Ganze ja auch erst verarbeiten. Deshalb machen wir uns wenig später auf den Weg zur Essensausgabe. Wir haben uns vorher noch schnell etwas Passendes und vor allem Trockenes angezogen. Den Vorsitzenden aus Wasser habe ich einfach stehen lassen.

Als wir an unserer Wirkungsstätte ankommen, schaue ich entgeistert auf einen riesigen Berg an Geschirr, das ganz offensichtlich auf uns wartet. Nina schaut mich mit einem Blick an, als wollte sie mich fressen.

„Warum hast du nur darauf bestanden, dass wir doch arbeiten?", murrt sie. „Das alles wäre uns erspart geblieben."

Bei diesem Anblick muss ich ihr sogar zustimmen. So klug war die Entscheidung dann wohl doch nicht. Aber ich wusste doch nicht, dass ein so riesiger Berg auf uns wartet. Es ist allerdings nicht meine Art, mich über etwas zu ärgern, das ich eh nicht mehr ändern kann. Also überlege ich und da kommt mir doch tatsächlich eine Idee. Warum sollten wir nicht unsere Magie einsetzen, um diese Arbeit zu erledigen. Der Vorsitzende hat es uns ja erlaubt.

„Du beherrschst die Luft, ich das Wasser. Könnten wir nicht versuchen, den Abwasch damit zu erledigen?", frage ich.

„Du willst Magie anwenden?"

„Der Vorsitzende hat es uns erlaubt. Es ist also nicht verboten?"

„Nein, genau genommen ist es das nicht. Es macht nur keiner."

„Selber schuld", lache ich.

Zielstrebig gehe ich auf den Geschirrberg zu, staple so viel in eines der beiden Waschbecken, wie gerade so hineinpasst. Dann konzentriere ich mich auf meine Kräfte. Ich erschaffe eine Kugel aus Wasser, die ich in Bewegung setze, sie zur Schlange werden lasse und als ich sie bei mir vorbeifliegen lasse, gebe ich etwas Abspülmittel an den Kopf des länglichen Gebildes. Dann lasse ich die ungewöhnliche Wasserschlange durch das Geschirr hindurch gleiten.

Sie nimmt systematisch alle Hohlräume, streift über das Geschirr und reinigt es dabei. Der Kopf mit dem Spülmittel schrubbt und seift ein, der zweite Teil sorgt dafür, dass es von Schaum und Schmutz befreit wird.

Schon nach kurzer Zeit strahlt das Geschirr im Waschbecken und ich lasse die Wasserschlange verschwinden. Eine zweite erscheint und ich spüle das Geschirr noch einmal nach, damit es ja ordentlich sauber ist. Nina, die den etwas ungewöhnlichen Waschvorgang staunend beobachtet, schaut mich fragend an.

„Und jetzt?"

„Du beherrschst die Luft. Jag sie durch das Geschirr und trockne es damit im Becken."

„Du meinst ich soll ..."

„Einen riesigen Föhn erschaffen. Ist doch nicht viel anders als bei deinen Haaren."

Das Beispiel scheint Nina zu überzeugen. Sie versucht, meinen Vorschlag in die Tat umzusetzen und macht es auf Anhieb richtig gut.

„Kannst du auch warme Luft?", frage ich.

„Na logo!"

„Dann probiere das, geht schneller."

Ich spüre, wie die Luft deutlich wärmer wird und schon kurze Zeit später ist das Geschirr trocken. Nina lächelt mich an. Sie ist begeistert.

„Was nun?", will sie wissen.

„Du räumst das saubere Geschirr weg und ich staple in das zweite Waschbecken da drüben schon mal dreckiges hinein. Dann beginne ich mit dem Waschgang", lache ich.

Mit einem Augenzwinkern wende ich mich dem zweiten Waschbecken zu. Die Küche ist nämlich so ausgelegt, dass zwei Personen gleichzeitig Geschirr spülen können. Jede hat dafür ihr eigenes Waschbecken. Dass man es auch etwas anders machen könnte, hat wohl noch niemand bedacht. Aber es klappt hervorragend.

Während ich das Geschirr ins Waschbecken staple und wasche, ist Nina damit beschäftigt im anderen Becken das von mir zuvor gewaschene Geschirr zu trocknen und es dann sauber und trocken an den richtigen Platz zu räumen. Dann tauschen wir und ich fülle das von ihr zuvor leergeräumte Becken wieder mit schmutzigem Geschirr und starte dann einen neuen Waschgang, während sich Nina dem sauberen im anderen Becken widmet.

Nach nur einer Stunde sind wir mit unserer Arbeit fertig. Dafür, dass es ein so riesiger Berg war, hatten wir gar nicht so lange Arbeit. Außerdem hat es Spaß gemacht und war nicht wirklich anstrengend.

„Das kann ich jetzt nicht glauben!", meint die Frau, welche die Küche leitet.

Nina und ich haben sie nicht kommen gehört und drehen uns überrascht um. Die Frau geht zu den Schränken und kontrolliert das Geschirr, das Nina gerade weggeräumt hat, ganz penibel.

„Wie habt ihr das gemacht. Das Geschirr ist so sauber wie noch nie und das alles in einer unglaublich kurzen Zeit."

„Wie sind eben fleißige Bienchen", antworte ich schelmisch.

Nina lächelt mir nur zu. Offenbar ist sie von uns beiden das artige Mädchen, während ich der Schelm bin. Auch im Schloss habe ich ab und zu ganz gern einen Spaß gemacht.

„Na dann, bis morgen", meint die Frau.

Ihr Blick sagt mir, dass sie nicht versteht, wie wir das geschafft haben, ist aber mit uns zufrieden.

Nina und ich gehen nach Hause, machen uns noch einen Tee und quatschen ein wenig. Meine neue Freundin freut sich riesig darüber, wie wir es geschafft haben, unsere sonst recht kräftezehrende und langwierige Aufgabe in einer unglaublichen Geschwindigkeit ganz bequem zu erledigen. Ja, Nina ist schon eine Art Freundin für mich. Dann gehen wir schlafen und ich falle sofort in einen tiefen und erholsamen Schlaf.

Kapitel 5

Ich wache noch vor Sonnenaufgang auf. Da ich noch nicht aufstehen will, bleibe ich im Bett, ziehe die Decke bis zum Kinn und denke über die Ereignisse von gestern nach. Dabei bleiben meine Gedanken an den Farben in meinem Magiefluss hängen. Immer und immer wieder frage ich mich, warum ich fünf Farben sehe und dies Nina so überrascht.

Da fällt mir ein, dass Ramon doch davon gesprochen hat, dass es Magier geben soll, die auch zwei Elemente beherrschen. Das würde die verschiedenen Farben erklären. Sonderbar wäre es aber dann doch, weil es fünf Farben sind, die ich erkennen kann und nicht nur zwei. Für mich ist das Ganze mit der Magie und den Kräften sowieso noch ein riesengroßes Rätsel.

Mehr aus einer Laune heraus als aus bewusster Überlegung, greife ich nach dem roten Band in meiner Magie. Ich schließe wieder die Augen und stelle mir eine kleine Flamme vor, die auf meiner Hand tänzelt. Ich halte dabei die Augen geschlossen, um mich besser konzentrieren zu können. Die Hand halte ich flach mit der Handfläche nach oben in die Luft. Ich kann aber absolut nichts spüren und bin darüber ein wenig enttäuscht. Es wäre doch zu schön gewesen, wenn ausgerechnet ich, der Neuankömmling, zwei Elemente beherrschen würde.

Ein wenig frustriert öffne ich die Augen und schaue dann äußerst dumm aus der Wäsche. Auf meiner Hand tanzt tatsächlich eine süße, kleine Flamme. Zu meiner großen Verwunderung verbrennt sie nicht meine Haut und es fühlt sich auch in keiner Weise warm oder gar heiß an.

Ich bin begeistert, lasse sie etwas größer werden und fühle immer noch nichts. Ich stelle mir vor, wie das Feuer um meine Hand lodert, was auch gleich geschieht, ohne irgendwelche Folgen für mich zu haben. Als ich meinen gesamten Unterarm in Flammen stehen habe und mir das nichts ausmacht, lasse ich das Feuer wieder verschwinden.

Ich bin fasziniert. Ich beherrsche zwei Elemente und bin damit eine absolute Ausnahme. Doch noch während ich mich freue, kommt mir ein weiterer Gedanke, der etwas hochnäsig sein könnte. Was ist mit den anderen Farben? Beherrsche ich fünf Elemente? Auch den Geist? Etwas das seit Generationen keiner mehr konnte und man deshalb nicht so viel darüber weiß?

Ich ermahne mich zu etwas mehr Bescheidenheit. Ausgerechnet ich soll die große Magierin sein? Das kann auch nur einem unbescheidenen Geist entspringen. Ist doch kindisch! Trotzdem lässt mich der Gedanke nicht ganz los.

Ich greife nach dem gelben Strang, stelle mir eine leichte Brise vor und schon kommt in meinem Zimmer ein sanfter Wind auf. Tatsächlich! Ich kann drei Elemente beherrschen. Das ist doch der absolute Wahnsinn! Was mich aber besonders stolz macht ist, dass ich dieses Mal nicht einmal mehr die Augen schließen muss. Es hat auch so funktioniert. Ganz einfach, ganz locker konnte ich nach der Magie greifen und sie hat mir auf Anhieb gehorcht.

Nun ist der ultimative Versuch dran. Ich stelle mir einfach nur vor, das Band mit der grünen Farbe zu greifen, eile zum Fenster und lasse in jenem Teil der Weide, unter der wir uns gestern niedergelassen hatten, der abgestorben zu sein scheint, Blätter wachsen. Zu meiner Verwunderung funktioniert auch das und dazu auch noch auf Distanz. Ich belasse die neuen frischen Triebe am Baum und kehre zu meinem Bett zurück.

Gedankenverloren sitze ich da. Mich wieder hinzulegen bin ich viel zu aufgeregt. Was hat gestern Ramon gesagt? Es gibt ein fünftes Element, den Geist. Damit soll man die Gedanken der anderen Menschen hören und sogar beeinflussen können. Das wäre unglaublich, einfach faszinierend. In meinem Übermut greife ich nach dem goldenen Band.

Zu meiner Überraschung habe ich dieses Mal größere Schwierigkeiten es zu fassen zu bekommen. Ich muss mich deutlich stärker konzentrieren, die Augen schließen und ganz bewusst danach greifen. Offenbar ist dies die schwierigste Aufgabe, zumindest für mich.

Nach einigen Fehlversuchen habe ich es schließlich doch geschafft, auch das goldene Band mit meinen Gedanken aufzunehmen und versuche mich nun auf etwas in meiner Nähe zu konzentrieren. Ich weiß ja selber nicht, wie ich das anstellen soll. Wie man eines der anderen Elemente beherrschen kann, konnte ich mir irgendwie noch vorstellen und es hat am Ende ja auch ganz gut funktioniert. Aber wie soll ich in die Gedanken anderer Menschen kriechen? So etwas kann ich mir bei aller Fantasie nicht vorstellen.

Doch plötzlich spüre ich etwas. Keine Ahnung, warum mir das auffällt, aber es ist etwas da. Verwirrt versuche ich mich zu orientieren. Es sind flüchtige Gedanken, die ganz leise sind, unverständlich zunächst und kaum präsent. Aber je mehr ich mich konzentriere, umso klarer werden sie.

„Ich habe zu kleine Brüste", höre ich plötzlich klar und deutlich.

Verwirrt schaue ich mich um, kann aber niemanden sehen. Wer hat da gesprochen? Ich versuche die Stimme zu lokalisieren und mir kommt es so vor, als käme sie von der Wand. Wie ist das möglich? Ich bin noch ganz verwirrt, da kommt mir der Gedanke, dass es von Nina kommen könnte, die hinter dieser Wand ihr Zimmer hat.

Ich fokussiere mich noch stärker, versuche die Stimme hinter der Wand zu finden und spüre einen menschlichen Geist. Keine Ahnung, wie ich so sicher sein kann, dass es ein menschlicher Geist ist, aber ich weiß es einfach. Und plötzlich habe ich Bilder vor Augen. Ich sehe, wie sich Nina im Spiegel betrachtet. Sie steht nackt davor und spielt mit ihren Brüsten. Sie versucht sie anzuheben, um sie fülliger wirken zu lassen. Ich kann die Unzufriedenheit in ihrem Gesicht spüren. Ich kann also auch Gefühle wahrnehmen.