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Legenda Major

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„Hallo Vater!", sage ich laut, damit es ja jeder im Saal hört.

„Was machst du hier?", erkundigt sich dieser kleinlaut.

„Du hast nach mir gerufen. Lass Hauptmann Samon auf der Stelle frei."

„Wer ist er?"

„Sigur hat mich begleitet. Er wollte eine Dame nicht alleine reisen lassen. Er ist eben ein Mann mit Bildung."

„Das ist aber edel von ihm. Weiß er, wer oder was du bist?"

„Lass ihn gehen. Er hat mit der Sache nichts zu tun."

„Aber er hat magische Kräfte."

„Das allein gibt dir nicht das Recht, ihn hier festzusetzen!", stelle ich klar.

„Oh doch, ich bin der König."

Ich blicke den Mann, den ich mein ganzes bisheriges Leben geachtet habe, weil er mein Vater war, entschlossen an. Ich muss feststellen, dass er mir fremd geworden ist. Ich vermisse die Liebe und die Zuneigung, die ich in den wenigen Momenten der Zweisamkeit gespürt habe. Er ist hart und unnahbar geworden.

„Lass nur, ich bleibe bei dir", sagt Sigur zu mir. Damit reißt er mich aus meinen Gedanken.

„Wie spricht dieser Mann mit dir?", braust mein Vater auf.

„Ich habe es ihm erlaubt. Außerdem tut sein Verhalten hier nichts zur Sache."

„Oh doch! Du bist die Prinzessin dieses Landes und er hat dich mit Respekt zu behandeln", faucht mein Vater.

„Die Prinzessin, die du jagen lässt und als Gefahr bezeichnest", halte ich genauso aggressiv dagegen. „Ich bin überzeugt davon, Sigur achtet mich mehr als du."

„Das ist etwas anderes."

„Ach ja, dass ich nicht lache!"

„Wo sind deine Manieren geblieben? Ich bin der König!"

„Ausgerechnet du willst über meine Manieren sprechen? Du, der meinen Tod will? Was kümmerts dich noch, wie ich spreche? Das kann dir doch scheißegal sein!"

Ich höre, wie alle im Saal hastig Luft holen und ein missbilligendes Raunen geht durch die Reihen. Erneut habe ich den Eindruck, als habe sich mein Gehör in den letzten Tagen deutlich verbessert. Aber das kann ja auch mit meinen magischen Kräften zusammenhängen.

„Aber ich denke, du suchst mich nicht, um mit mir über meine Manieren zu diskutieren. Kommen wir zur Sache", fahre ich fort. „Lass Hauptmann Samon ziehen! Dann ergeben wir uns."

„Das könnte dir so passen!", lacht er mich hämisch an.

„Du willst dich nicht an die Abmachung halten?"

„Warum sollte ich?"

Ich werfe einen Blick zurück zu den Zuschauern. Diese beobachten uns mit sichtlichem Interesse. Ich bin mir nicht sicher, ob sie auf meiner oder auf Vaters Seite stehen.

„Hast du keine Ehre mehr im Leib, Vater?"

„Das musst ausgerechnet du sagen!"

„Was habe ich denn getan? Ich habe magische Kräfte, so heißt es zumindest. Aber ich habe niemanden auch nur ein Haar gekrümmt."

„Das ist egal. Du bist eine Ausgestoßene!"

„Das gibt dir aber noch lange nicht das Recht, dein Wort zu brechen."

„Doch!", behauptet er.

„Ich greife meinen Vater an, halt mir eventuell den Rücken frei", informiere ich Sigur mit der Geistmagie.

Er nickt kaum merklich, als Zeichen, dass er mich verstanden hat. Ich konzentriere mich daraufhin und halte einen Moment inne. Dann springe ich auf den Thron zu, ziehe gleichzeitig mein Schwert, das ich immer noch am Gürtel trage und halte es meinem Vater an die Kehle.

Mein Angriff ist nur möglich, weil ich so nahe am Thron stehe, weil die Wachen mich immer noch als Prinzessin sehen. Doch jetzt ist es für sie zu spät, sie schaffen es nicht mehr rechtzeitig, zu reagieren.

„Wenn euch das Leben eures Königs auch nur ein klein wenig wert ist, solltet ihr keine falsche Bewegung machen", fordere ich.

Die Wachen haben ihre Waffen gezogen und sind sich eine Weile nicht sicher, ob sie auf uns zustürmen sollen. Sie stehen etwas hilflos herum. Allerdings ist ihre Lage aussichtslos. Noch bevor sie den Thron auch nur erreichen würden, hängt ihr König mit durchgeschnittener Kehle darin und haucht sein Leben aus. Mir ist es inzwischen egal, dass es sich dabei um meinen Vater handelt. Er hat mich herausgefordert.

Mein entschlossener Blick scheint die Wachleute zu überzeugen. Sie stecken ihre Waffen wieder weg und machen einige Schritte zurück.

„So, geliebter Vater", sage ich spöttisch. „Im Gegensatz zu dir, werde ich mein Wort halten. Hol Hauptmann Samon, gib ihm ein Pferd und lass ihn gehen. Sobald er in Sicherheit ist, werde ich mich ergeben."

„Wie willst du wissen, ob er in Sicherheit ist?", spottet er.

„Das werde ich wissen, verlass dich darauf. Und wehe, du lässt ihn verfolgen."

Um meinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, drücke ich mein Schwert stärker gegen die Haut meines Vaters. Am Hals zeigt sich ein dünnes rotes Rinnsal. Ich habe ihm die Haut etwas aufgeritzt.

„Na schön", gibt er nach. „Wachen, holt Samon."

Ein Wachmann entfernt sich, auch er ist Hauptmann, soweit ich weiß. Etwa zehn Minuten später erscheint er zusammen mit Ramon im Thronsaal. Als dieser mich sieht, hält er einen Augenblick überrascht inne.

„Was machst du hier?", meint er. Sein erschrockener Gesichtsausdruck ist nicht zu übersehen.

„Dich befreien, du Idiot. Warum musstest du auch zurück", gebe ich Kontra. „Halt jetzt den Mund und verschwinde!"

„Und du?"

„Ich werde mich stellen, wie mein Vater es gefordert hat."

„Aber ..."

„Nichts aber", unterbreche ich ihn. „Hier ist nicht die Zeit für lange Diskussionen. Ich habe es so entschieden."

Ich schalte um, auf meine Fähigkeit über Gedanken zu kommunizieren. Was wir besprechen, muss nicht jeder hier im Saal mitbekommen.

„Ramon, ich bin es, Aurora. Ich beherrsche inzwischen alle fünf Elemente und kann mit dir über Gedanken kommunizieren. Mach, was ich dir sage und verschwinde. Ich komme zurecht."

„Aber sie werden dich umbringen."

„Das werden sie nicht schaffen. Wir sehen uns zuhause wieder."

„Was ist bei dir zuhause?"

„Ich habe ein nettes kleines Häuschen in einem wunderschönen Land", sage ich lächelnd.

„Bist du dir sicher?"

„Ganz sicher!"

Er nickt ganz leicht mit dem Kopf. Offenbar beugt er sich meiner Entscheidung. Einen Moment beobachte ich ihn. Ramon sieht etwas mitgenommen aus, aber er ist immer noch halbwegs in Ordnung.

„Nehmt ihm die Ketten ab!", befehle ich.

Als sich niemand rührt, drücke ich das Schwert wieder fester an den Hals meines Vaters. Er reißt erschrocken die Augen auf.

„Macht schon, was sie sagt!", befiehlt er.

Ich kann die Angst in seiner Stimme deutlich hören und ich nehme seine Panik wahr, als ich mich in seinen Geist schleiche. Dabei aber wird mir bewusst, dass sich dort noch etwas anderes befindet. Verwirrung und Unsicherheit. Ich habe den Eindruck, er steht unter dem Einfluss einer mir noch unbekannten Macht. Mein Vater ist nicht er selbst.

Während die Wachen Ramon die Ketten abnehmen, blicke ich mich im Saal um und beobachte die Anwesenden. Ich muss herauskriegen, wer sich meines Vaters bedient, um seine Interessen zu verfolgen. Im Grunde kommen dafür nur einige Wenige in Frage.

Als Ramon frei ist, kommt der Kommandeur der Garde in den Saal gestürmt. Er schaut sich überrascht um.

„Was ist hier los?", will er wissen.

„Das geht dich gar nichts an, Börinor", fahre ich ihn an.

Als sein Blick nun auf mich und auf das Schwert an der Kehle meines Vaters fällt, hält er einen Moment inne. Dann geht er langsam hinüber zum Kämmerer.

„Was ist hier los?", flüstert er diesem ins Ohr. Ich kann es nur dank meines sensiblen Gehörs verstehen.

„Sie ist einfach hier hereinmarschiert und verlangt die Freilassung des Hauptmannes. Dann will sie sich ergeben."

„Glaubst du ihr?"

„Sonst wäre sie nicht hier erschienen."

„Was macht der König?"

„Das was wir von ihm erwarten."

„Das Mittel funktioniert immer noch?"

„Und wie!"

„Wir lassen den Hauptman also laufen?"

„Warum nicht? Er ist für uns jetzt wertlos."

„Ich stelle eine Truppe zusammen. Diese soll ihn jagen und erledigen. Das kriegt die Kleine gar nicht mit."

Die ganze Unterhaltung hat außer mir wohl niemand verstanden. Allerdings war sie für mich sehr aufschlussreich. Ich weiß nun, wer die Verräter sind und was ihre unmittelbaren Pläne sind.

„Lasst Hauptmann Samon gehen", befiehlt nun der Kommandeur.

„Nimm dir ein Pferd und verschwinde. Schau dich nicht um!", sage ich zu Ramon. „Ich danke dir für alles und grüß mir deine Mutter."

„Das werde ich", antwortet Ramon.

Dieser verneigt sich gespielt vor dem König und der Versammlung und verschwindet. Wenig später will auch der Kommandeur den Thronsaal verlassen.

„Börinor, mein Lieber, du bleibst gefälligst da. Niemand, ich habe gesagt niemand, verfolgt den Hauptmann. Erst, wenn er in Sicherheit ist, werde ich mich ergeben. Bis dahin verlässt keiner den Saal!"

„Wie willst du denn wissen, dass er in Sicherheit ist", lacht der Kommandeur.

„Mein lieber Börinor, du solltest mich immer noch mit dem nötigen Respekt behandeln, ich bin derzeit noch die Prinzessin dieses Landes. Was deine Frage betrifft, ich habe Informanten in diesem Land und werde wissen, wenn der Hauptmann sein Ziel erreicht hat."

„Dass ich nicht lache", meint der Angesprochene spöttisch.

„Hast du nicht die Anrede vergessen?"

„Meine Prinzessin", presst er voller Hass hervor.

„Du hast noch nie etwas von Brieftauben gehört", grinse ich.

„Seit wann haben wir Brieftauben?", höre ich, wie sich Sigur in Gedanken dies Frage stellt.

„Ich kann die Illusion erwecken, schon vergessen?"

„Spionierst du mich aus?

Da er aber grinst, weiß ich, dass er scherzt. Ich liebe es an ihm, dass er auch in ernsten Situationen nicht den Humor verliert.

„Aber jetzt im Ernst, wie willst du wissen, wenn Ramon in Sicherheit ist?"

„Ich frage ihn."

„Wie?

„Im Geist natürlich!"

Kapitel 8

Etwa drei Stunden später ist es soweit. Ich lasse meinen Geist suchen, bekomme die Bilder aus Ramons Kopf zu sehen und erkenne, wie er den Tunnel passiert. Niemand folgt ihm. Der erste Teil der Aktion ist damit erfolgreich abgeschlossen. Deshalb lasse in den Köpfen der Anwesenden das Bild einer Brieftaube erscheinen, die zu einem offenen Fenster hereinfliegt und gebe Sigur mit einem Kopfnicken Bescheid.

„Jetzt beginnt der unangenehme Teil unserer Mission", informiere ich ihn im Geist.

„Er ist in Sicherheit", sage ich.

Dann lasse ich mein Schwert sinken und übergebe es Börinor, der sofort auf mich zugeeilt kommt. Er packt mich grob am Arm und ruft nach den Wachen, damit mich diese gefangen nehmen. Mein Vater schaut dem Treiben zu, als würde ihn alles nichts angehen. Würde ich nicht genau wissen, dass er unter dem Einfluss des Kämmerers und des Kommandanten der Garde steht, würde mich sein Verhalten doch etwas verwundern. Er war zwar nie der liebevolle Vater, aber so etwas hätte ihn dann doch nicht kaltgelassen. Weil ich um seinen Zustand weiß, habe ich Mitleid mit ihm. Er hat die falschen Leute um sich geschart.

Sigur will im ersten Moment auf Börinor zueilen und ihn davon abhalten, mich festzunehmen. Ich blicke ihm jedoch eindringlich in die Augen und nicke mit dem Kopf. Er versteht, dass dies sein muss.

„Behandelt die Prinzessin mit Achtung, auch wenn sie eine Gefangene ist", fordert er.

Doch es hört niemand wirklich auf ihn. Auch er legt sein Schwert nieder. Ich kann an seinem Gesichtsausdruck sehen, dass ihm dieser Schritt widerstrebt, dass er es auch nur macht, weil ich es so haben möchte. Sofort wird auch er von Wachen umringt und festgehalten.

„Werft die beiden in den Kerker. Wir sprechen das Urteil morgen", bestimmt der Kommandeur der Wache.

„Siehst du Vater, ich habe noch Ehre im Leib. Ich halte meine Versprechen", sage ich. Ich kann mir diesen Kommentar nicht verkneifen. Dann werde ich zusammen mit Sigur abgeführt.

Wie wir den Saal verlassen, spüre ich die Angst der Wachen. Sie fürchten sich vor mir. Ein junger Mann zittert sogar vor Aufregung und Sorge. Dabei haben diese Männer meine Magie noch gar nicht bewusst mitbekommen. Mein Vater reagiert auch nicht, als wir aus dem Saal geführt werden. Ich kann nur die Erleichterung spüren, dass mein Schwert nicht mehr gegen seine Kehle drückt.

„Die Kleine ist hübsch. Was wird mit ihr passieren", erkundigt sich eine Wache bei einer anderen.

„Ich denke, sie wird hingerichtet."

„Irgendwie schade", meint der erste.

„Keine Sorge, mein Kleiner, so schnell wird eine Prinzessin nicht hingerichtet", sage ich lachend.

„Auch Prinzessinnen werden hingerichtet", versichert mir der zweite.

Er ist etwas älter und scheint erfahrener zu sein. Er ist mir gegenüber nicht feindselig und seine Äußerungen beruhen eher auf sachlichen Überlegungen als auf gehässigem Denken.

„Wollen wir wetten?", frage ich.

„Wenn du die Wette verloren hast, kannst du sie nicht mehr einlösen", lacht der Wachmann belustigt auf.

Ich nehme eine goldene Brosche ab, die ich an meinem Hemd trage und reiche sie dem jüngeren der Wachen. Dieser schaut mich mit großen Augen an.

„Diese Brosche gibst du deinem Freund, wenn ich tot bin. Sollte ich aber die Wette gewinnen, dann hole ich sie mir von dir zurück", sage ich belustigt.

„Wenn das so ist, dann nehme ich die Wette an", grinst der ältere Wachmann siegessicher. Er wirft einen gierigen Blick auf das Schmuckstück, das sicher eine Menge wert ist.

Doch der Jüngere will die Brosche nicht an sich nehmen. Er sträubt sich sichtlich. Ich nehme deshalb seine Hand und lege sie hinein.

„Das ist nicht fair", meint er.

„Du kannst sie ruhig nehmen. Ich weiß schon, worauf ich mich einlasse", fordere ich ihn auf.

„Nimm sie schon. So leicht habe ich noch nie eine Wette gewonnen. Ich gebe dir auch ein Bier aus, dann kannst du auf den Tod der Prinzessin anstoßen", meint der Ältere vergnügt.

Jetzt wird mir klar, dass es dem jüngeren Wachmann weniger darum geht, dass die Wette nicht fair sei. Er glaubt an mich als Prinzessin und will nicht erleben müssen, wie ich zum Tode verurteilt und hingerichtet werde.

„Ihr kommt sie bei mir holen, wenn Ihr die Wette gewinnt?", meint er ernst.

Mit diesen Worten schließt er seine Finger um die Brosche, schaut die Hand einen Moment lang an und steckt das Schmuckstück schließlich ein. Keine Ahnung, ob er es bewusst in die Tasche über seinem Herzen legt oder ob dies nur Zufall ist. Das Glitzern in seinen Augen ist echt, das sehe ich.

„Mach dich nicht lächerlich", verspottet ihn sein Kumpan.

„Ich komme die Brosche holen, verlass dich drauf!", versichere ich ihm.

Inzwischen haben wir den tiefsten Punkt des Kerkers erreicht. Es ist dunkel und riecht ausgesprochen muffig. In diesen Räumen möchte ich nicht ein Leben lang eingesperrt sein. Das wird aber nicht mein Schicksal sein. Für mich haben der Kämmerer und der Kommandant der Garde einen deutlich kürzeren Aufenthalt in diesem Loch eingeplant.

„Willkommen in Eurer neuen Bleibe, Prinzessin", grüßt mich der Kerkermeister spöttisch.

Diesen Mann konnte ich schon als kleines Kind nicht leiden und offenbar beruht die Abneigung auf Gegenseitigkeit. Er packt mich grob am Arm, führt mich auf eine der Zellen zu, öffnet die Gittertür und schiebt mich hinein. Dann schließt er die Tür und sperrt ab.

„Ich habe für Euch, meine Prinzessin, das beste Zimmer vorbereiten lassen", verhöhnt er mich.

Zimmer ist dabei mehr als übertrieben. Es handelt sich nur um Käfige, die aus massiven Gitterstäben voneinander und zur Vorderseite hin gesichert sind. Nur die Rückwand besteht aus massivem Felsen, in den die Fundamente der Burg seinerzeit geschlagen wurden.

„Das ist aber auch zu gütig", äffe ich seinen Tonfall nach.

Er aber lacht nur belustigt auf und sperrt Sigur in eine getrennte Zelle. Dabei lässt er zwischen uns gehässiger Weise eine Zelle aus. Damit bringt er Abstand zwischen uns und erschwert die Kommunikation. Das denkt er zumindest.

„So ein Idiot", lasse ich Sigur wissen. „Das wird noch lustig."

„Du hast einen Plan?"

„Sagen wir, ich habe eine Idee."

„Na meine beiden Turteltäubchen, dann lassen wir euch mal allein. Aber kommt mir nicht auf die Idee davonzulaufen", versucht uns der Kerkermeister zu ärgern. Dabei lacht er als einziger laut über den eigenen Witz. Der jüngere Wachmann schaut mich bedauernd an.

Die Wachen und der Kerkermeister ziehen dann auch ab. Sie verlassen den untersten Kerkerbereich durch eine massive Tür, die sie drei Mal absperren. Dann sind wir allein. Ich schaue mich ein wenig um. Ich war nur einmal ganz hier unten und auch das ist schon lange her. Ich kann mich erinnern, dass ich diese Räume schon damals grässlich fand.

Um ehrlich zu sein, bin ich froh, dass ich kein Kleid, sondern Hemd und Hose angezogen habe. Bei den Vorbereitungen unserer Mission hatte ich einen Moment daran gedacht, ein schönes Kleid mitzunehmen, um standesgemäß im Schloss zu erscheinen. Diesen Gedanken habe ich aber bald wieder verworfen und mich für praktische Kleidung entschieden. Gott sei Dank!

„Was machen wir jetzt?", erkundigt sich Sigur.

„Wir räumen zunächst auf", sage ich.

Bevor er fragen kann, wie ich das meine, greife ich nach meiner Luftmagie und fege damit Sigurs Zelle, meine und die zwischen uns. Im Nu ist alles sauber. Das war gar nicht so schwer, wie ich gedacht hatte. Der Schmutz liegt auf einem Haufen direkt neben der Tür.

Als zweites greife ich nach meiner Erdmagie. Damit kann ich, das hat mir Nina erklärt, auch die Materie verändern und verformen. Diese Fähigkeit nutze ich, um die Gitterstäbe zu verbiegen und einen Ein- oder Ausgang zu schaffen. Fasziniert schaue ich zu, wie sich die dicken Eisenstäbe verbiegen und damit einen Durchgang schaffen. Damit gelange ich in die Zelle zwischen uns und dann auch weiter in jene von Sigur. Auch meine Zellentür geht auf, weil ich das Schloss manipuliert habe.

Ich hole mir den Tisch und den Stuhl, der eigentlich für die Wache bestimmt ist und vor dem Zellenbereich steht, in meine Zelle. Zusammen mit Sigur schleppen wir auch noch Stühle in meine Zelle. In meine Zelle und in die daneben bringen wir je eine Liege, die zuvor in einer Ecke standen und ebenfalls für die Wachen gedacht waren.

„Das sieht jetzt ganz gemütlich aus. Es ist zwar keine Luxusbleibe, aber es sieht schon etwas besser aus als vorher", meint Sigur grinsend. „Fehlt nur noch ein Teppich."

„Jetzt übertreib mal nicht", lache ich auf. Der Witz war gut!

„Und jetzt?", erkundigt sich Sigur.

„Wir begeben uns in die beiden benachbarten Zellen und tun so, als wäre nie etwas gewesen."

„Aber merkt das der Kerkermeister nicht?"

„Normal schon, aber ich kann ihn ja etwas verwirren", kichere ich.

Wir gehen also in die beiden Zellen, die nebeneinander liegen und ich lasse die Gitterstäbe wieder an ihren ursprünglichen Platz zurückkehren. Nun sieht es so aus, als wären wir immer schon so eingesperrt gewesen.

Ich lege mich entspannt auf die Liege und Sigur macht es mir nach. Eine Zeit lang schaue ich nur zur Decke. Dann wird mir das zu langweilig.

„Der Vorsitzende ist also dein Vater", sage ich.

„Ist das eine Frage?"

„Nein, eigentlich nicht. Das weiß ich schon. Aber wer ist deine Mutter?"

„Mutter ist bei meiner Geburt gestorben."

„Das tut mir aber leid."

„Das muss es nicht. Ich habe mich schon lange damit abgefunden. Besser ausgedrückt, kenne ich es gar nicht anders. Wäre da nicht mein Vater, würde ich es einfach so hinnehmen."

„Was hat das mit deinem Vater zu tun?"

„Mein Vater gibt mir heute noch die Schuld am Tod meiner Mutter. Er hat es nie wirklich verkraftet, dass sie nicht mehr da ist."

„Das ist aber bitter", stelle ich fest.

„Das kannst du laut sagen. Er hat mich mein Leben lang diese Schuld spüren lassen."

„Auch als Kind?"

„Da ganz besonders."

„Warum mag ich ihn jetzt fast gar nicht mehr?", frage ich.

„Als Kind und als Teenager habe ich meinen Vater dafür gehasst, dass ich von ihm nicht einen kleinen Moment an Liebe bekommen habe. Ich hätte ihn umbringen können. Aber heute weiß ich, dass er mehr darunter leidet als ich."

„Aber er könnte etwas an der Situation ändern, du nicht und schon gar nicht als Kind", halte ich dagegen.

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