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Legenda Major

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Am Abend wünschen wir uns wieder eine gute Nacht und während Sigur schon wenig später leicht zu schnarchen beginnt, liege ich noch etwas länger wach. Mich stört dabei nicht das Geräusch meines Begleiters, ich hänge noch Gedanken nach, vor allem Fragen, auf die ich bisher keine Antwort habe.

Ganz besonders quält mich der Gedanke, was der Kämmerer wohl plant. Er wird die Macht im Reich an sich reißen. Allerdings zweifle ich daran, ob er sich damit zufriedengeben wird.

Über diese Gedanken schlafe ich dann doch ein. Es ist ein überraschend ruhiger Schlaf. Erneut erscheint mir in einem Traum ein Drache. Diesmal allerdings träume ich davon, wie ich und Sigur auf einem Hügel stehen und jeder eine Schlinge um den Hals trägt.

Plötzlich verwandle ich mich in den Drachen und alle weichen erschrocken zurück. Ich lasse Sigur auf meinen Rücken klettern und erhebe mich mit ihm in die Lüfte. Die Wachen versuchen Speere nach uns zu werfen. Diese prallen aber wie Zahnstocher wirkungslos an meinen Schuppen ab.

Als ich aufwache, bin ich im ersten Moment ein wenig orientierungslos. Erst nach einiger Zeit wird mir bewusst, dass ich in der Zelle bin und geträumt haben muss. Sigur schläft in der Zelle neben mir und gibt immer noch ein leises Schnarchen von sich. Als ich aus einer Eingebung heraus auf meine Hand schaue, erkenne ich drei schwarze Schuppen, die sich aber unter meinem Blick bald wieder in Haut verwandeln und schließlich verschwunden sind.

Ich bin hin und her gerissen und weiß nicht, ob ich mir das nur eingebildet habe oder ob ich die Schuppen tatsächlich gesehen habe. Doch so etwas ist doch gänzlich unmöglich. Deshalb komme ich zum Schluss, dass ich mich wohl getäuscht haben muss. Wenig später bin ich wieder eingeschlafen.

Kapitel 10

„Aufstehen!", ruft eine durchdringende Stimme. „Ihr Schlafmützen!"

Wie bereits gestern, schrecke ich aus dem Schlaf hoch und muss mich für einen Moment orientieren. Als ich sehe, dass der Kommandeur der Garde persönlich vor der Zelle steht, wir mir klar, was nun ansteht.

„Das Grauen persönlich!", sage ich.

Sein missbilligendes Prusten zeigt mir, dass es ihm nicht passt, dass ich ihn beleidige. Aber mehr scheint ihn zu ärgern, dass wir schon wieder Möbel in unseren Zellen haben und Sigur sich auch heute in der Zelle neben mir befindet.

„Wie macht ihr das?", faucht er. „Das kann doch nur Magie sein. Aber jetzt ist das auch egal. Damit ist bald Schluss! In gut einer Stunde werdet ihr hängen und dann ist das Problem endgültig gelöst."

Sein gehässiger Unterton zeigt mir, dass er sich fürchterlich über uns ärgert. Er ist auch froh, dass wir bald hingerichtet werden und er sich danach nicht mehr mit uns herumschlagen muss.

Während uns wieder Ketten angelegt werden, kommt mir wieder mein Traum in den Sinn. Dabei fällt mir auf, wie real sich dieser angefühlt hat und erneut kommen mir die Schuppen in den Sinn. So etwas kann doch nicht möglich sein?

Gestern war mein Geburtstag! Was ist, wenn sich mit der Vollendung meines 18.Lebensjahres alle meine Kräfte zeigen? Ist es zu anmaßend, zu glauben, ich könnte nicht nur alle fünf Elemente beherrschen, sondern mich auch in einen Drachen verwandeln? Vermutlich schon.

Unter starker Bewachung werden wir aus dem Kerker, aus dem Schloss und hinaus aus der Stadt geführt. Vor dem Eingang zum Kerker warten der Kämmerer und mein Vater, der König. Er scheint auch heute massiv unter Drogen gesetzt worden zu sein. Sie reihen sich zusammen mit weiteren Zuschauern hinter uns in eine Art Prozession ein. Vor dem Schlosstor warten weitere Würdenträger des Reiches und ziehen ebenfalls mit uns mit in Richtung des Platzes, an dem die Hinrichtung stattfinden wird.

Ich kenne den Ort. Es ist ein Hügel, etwas außerhalb der Stadt. Er ist eigentlich recht idyllisch gelegen und ich habe mich schon als Kind immer gefragt, warum ausgerechnet dieser malerische Platz gewählt wurde, um die Hinrichtungen zu vollstrecken.

Vor dem Schlosstor erwarten uns die normalen Bürger. Eine Hinrichtung ist immer ein großes Spektakel, das sich keiner entgehen lassen will. Auch sie reihen sich am Ende des Zuges ein, der damit immer länger wird.

Auf dem Weg zum Hügel, an dem ich schon aus der Ferne eine kleine Bühne entdecke, auf der der Galgen steht, an dem zwei Schlingen baumeln, versuche ich noch einmal in mich zu gehen. Ich will versuchen herauszukriegen, ob sich meine Magie verändert hat.

Ich kann noch immer den mehrfarbigen Strang erkennen. Er scheint noch dicker und noch energiegeladener zu sein als zuvor. Ich erkenne die einzelnen Fäden, aus denen er sich zusammensetzt. Ich sehe die Farben rot, gelb, blau, grün, golden und schwarz.

Moment! Was? Schwarz? Was ist das denn bitte? Ich betrachte diesen Faden genauer. Er ist dicker und offenbar mächtiger als alle anderen. Zudem ist er auch nicht so einheitlich in der Färbung. Mir kommt es so vor, als wäre dieser Faden geschuppt.

Mein Gott! Kann es sein, dass dies meine Fähigkeit zur Gestaltenwandlung ist? Aufgeregt schaue ich mich um und überlege hektisch, wie ich mich verhalten soll. Mir fällt wieder der Traum ein. Es wäre doch eine gewaltige Demonstration von Macht, wenn unsere Flucht tatsächlich so ablaufen würde, wie ich sie geträumt habe.

Eine riesige Unbekannte bleibt jedoch. Kann ich wirklich schon beim ersten Verwandlungsversuch aufs Ganze gehen? Was, wenn es nicht klappt, wenn ich kein Drache, sondern eine mickrige Eidechse bin?

Ich greife nach dem schwarzen Faden in meiner Magie und versuche ihn zu ergründen. Als ich ihn mit meinem Geist zu fassen kriege, bildet sich vor meinem inneren Auge das Bild eines mächtigen, schwarzen Drachen. Ich erschrecke beinahe vor mir selbst. Abrupt lasse ich den Faden los und versuche zur Ruhe zu kommen.

„Was ist los?", raunt mir Sigur zu.

„Ruhe in den billigen Reihen!", brüllt der Kommandeur der Garde. Er lacht dabei donnernd und ist wohl der Einzige, der über seinen Witz lachen kann.

„Wir ändern den Plan", übermittle ich Sigur im Geist.

„So kurz vor der Hinrichtung?"

„Ja, ich kann mich in einen Drachen verwandeln."

„Seit wann?"

„Mir ist es jetzt aufgefallen. Ich habe aber letzte Nacht davon geträumt."

„Geträumt?"

„Ja, ich habe von unserer Flucht geträumt."

„Dabei hast du dich selbst in einen Drachen verwandelt?"

„Ja, in einen großen Drachen."

„Bist du dir sicher?"

„Ich habe soeben meine Magie kontrolliert und die Veränderung gespürt."

„Bist du sicher, dass es ein Drache ist?"

„Ja, ich habe ihn zu greifen bekommen und gesehen."

„Wie ist es möglich, dass du dich jetzt plötzlich auch in einen Drachen verwandeln kannst?"

„Ich hatte gestern Geburtstag."

Sigur schaut mich mit großen Augen an. Er scheint hektisch zu überlegen. Dabei nähern wir uns immer mehr der Hinrichtungsstelle.

„Gut, das ist eine plausible Erklärung. Wie ist der neue Plan?"

„Kurz vor dem Hängen verwandle ich mich, du versuchst nicht zu sehr zu erschrecken und kletterst in meinen Nacken. Dann fliegen wir davon."

„Wir fliegen davon?"

„Das wird ein Spektakel."

„Du liebst tatsächlich die großen Auftritte", meint er und lacht.

Damit scheint unser Fluchtplan beschlossene Sache zu sein. Ich allerdings werde nun zunehmend nervös. Ich habe mich noch nie in einen Drachen verwandelt und frage mich, ob ich es auf Anhieb fertigbringe, einfach so davonzufliegen. Ich habe so etwas schließlich noch nie gemacht. Ich weiß nicht einmal, wie ich mit den Flügeln schlagen kann. Was ist, wenn wir abstürzen und uns dabei verletzten?

Ich rede mir aber auch ein, dass allein schon die Verwandlung, die Zuschauer, die Wachen und alle anderen, die dabei sind, in Panik davonlaufen lassen dürfte. Auch wenn ich nicht fliegen kann, werde ich als Drache die Wachen problemlos in Schach halten können. Ich schließe die Augen, spreche mir Mut zu und als ich sie wieder aufmache, bin ich fest entschlossen. Ich werde es durchziehen!

Wir haben inzwischen die kleine Bühne mit dem Galgen, an dem zwei Stricke mit einer Schlinge daran leicht in der morgendlichen Brise baumeln, erreicht. Würde ich mir nicht sicher sein, problemlos fliehen zu können, hätte ich vermutlich ein sehr mulmiges Gefühl. Wie ich unter schwerer Bewachung die Treppen emporsteige, stelle ich mir vor, wie sich ein normaler Gefangener fühlen muss. Wüsste ich nicht, dass ich besonders mächtige Kräfte besitze, würde auch ich die Lage als ausweglos empfinden und verzweifeln.

So aber schreite ich mit hoch erhobenem Haupt und einem Lächeln auf den Lippen die Treppe empor und stelle mich direkt an den Rand der Bühne. Direkt davor stehen ein bequemer Sessel und zwei Stühle. Mein Vater nimmt im Sessel Platz, der Kämmerer und der Kommandeur der Garde lassen sich links und rechts von ihm auf einem Stuhl nieder. Während mein Vater völlig unbeteiligt dreinschaut, erkenne ich die Überheblichkeit im Blick der beiden anderen. Sie wollen das Spektakel genießen und ihren teuflischen Plan in die Tat umzusetzen.

„Was gibt es da noch zu lachen?", meint der Kämmerer spöttisch.

„Wer zuletzt lacht, lacht am besten", halte ich dagegen.

„Zuletzt lachen wir!", sagt er mit felsenfester Überzeugung in der Stimme.

„Das werden wir sehen. Noch ist die Entscheidung Gott sei Dank nicht gefallen. Das Blatt kann sich noch ändern."

„Die Hoffnung stirbt tatsächlich zuletzt", grinst der Kämmerer überheblich.

Ich schaue in die Runde und erblicke die beiden Wachen, die uns nach unserer Festnahme in den Kerker gebracht haben. Der Ältere schaut erfreut zur Bühne hoch, während der Jüngere einen Gegenstand fest in seiner rechten Hand zu halten scheint. Mir ist sofort klar, um was es sich dabei handelt. In seinem Blick kann ich Schmerz und Verzweiflung erkennen. Ich bin gerührt. Er leidet, weil ich hingerichtet werden soll. Ihm gefällt die Situation ganz und gar nicht.

Als er bemerkt, dass ich in seine Richtung schaue, da hebt er seine rechte Hand etwas an und drückt sie dann an sein Herz. Ich lächle ihm zu und nicke leicht mit dem Kopf. Als er merkt, dass ich ihm meine Aufmerksamkeit schenke, überzieht für eine ganz kurze Zeit ein Strahlen sein Gesicht, das aber rasch wieder dem Kummer weicht.

„Prinzessin Aurora, Ihr kennt das Urteil. Habt Ihr noch etwas zu sagen?", reißt mich der Kämmerer aus meiner Ablenkung.

„Dein falsches Spiel wird nicht aufgehen!", sage ich laut, damit es alle hören.

Er wird einen Augenblick ganz rot vor Zorn, dann aber schleicht sich ein schadenfrohes Lächeln auf seine Lippen. Vermutlich als ihm bewusstwird, dass ich bereits bald im Reich der Toten sein werde und dies seinen Sieg bedeutet.

„Henker, walte deines Amtes!", ruft er.

Der Mann mit der schwarzen, spitzen Kapuze über dem Kopf, betritt nun die Bühne. Ich weiß nicht, wer darunter steckt und vermutlich ist das auch der Zweck der Maskerade.

„Stellt euch hier auf!", ruft er Sigur und mir zu.

Ich nicke meinem Begleiter zu und wir stellen uns unter die Schlingen. Ich werfe dem Kämmerer einen letzten Blick zu und kann sein gehässiges Grinsen sehen. Dann aber werde ich aktiv. Ich greife nach dem schwarzen Faden in meiner Magie und lasse ihn frei.

Einen Moment lang passiert nichts. Sigur schaut erwartungsvoll in meine Richtung. Ich spüre ein Kribbeln am ganzen Körper und von einem Moment auf den anderen kommt es mir vor, als würde ich explodieren. Dabei verändert sich mein Körper radikal und wird natürlich ungemein größer. Geistesgegenwärtig packe ich Sigur und hebe ihn in meinen Nacken, der plötzlich massiv ist und in die Höhe schießt.

Auch mein Gesichtsfeld verändert sich. Innerhalb weniger Sekunden schaue ich von weit oben auf die Menschenmenge herab. Ich habe keine Zeit, lange nachzudenken, was sich alles verändert hat. Ich bekomme nur mit, dass die Bühne unter meinem Gewicht zusammenbricht. Der Henker wird von meinem sich bildenden Schwanz erfasst und in hohem Bogen zur Seite geschleudert.

Als ich einen Schritt nach vorne mache, um das Gleichgewicht zu halten, stapfe ich mit meiner gewaltigen Pranke beinahe den Kämmerer nieder, der nur in letzter Sekunde schreiend zur Seite springen kann. Dabei war das keine Absicht.

Ich kann die pure Panik in seinen Augen erkennen. Rund herum höre ich ängstliche Schreie und alle Zuschauer laufen von Furcht getrieben in alle Himmelsrichtungen davon. Auch die Wachen sind nicht mehr zu halten und fliehen. Der Kommandeur der Garde versucht sie zwar zurückzuhalten, versagt mit seinem Versuch aber kläglich. Er schafft es gerade noch, einem Wachmann den Speer zu entreißen, den er gegen meinen massigen Körper schleudert. Er hofft wohl, mich damit töten zu können.

Aber der Speer prallt nur an meinen Schuppen ab, ohne auch nur einen kleinen Kratzer zu verursachen. Es ist tatsächlich so, wie ich es geträumt habe.

Nun breite ich meine gewaltigen Flügel aus und schwinge sie auf und ab. Dadurch entsteht ein gewaltiger Wind, der Schmutz und Gegenstände durcheinanderwirbelt. Ich spüre aber auch den Auftrieb, springe aus einer Eingebung heraus in die Luft und schon tragen mich meine Flügel. Wenige Schläge später bin ich weit oben in der Luft, verschwinde in den Wolken und beginne mich langsam zu entspannen.

Kapitel 11

Mit weit ausgebreiteten Flügeln und nur leichten Bewegungen gleite ich durch die Luft. Einmal weit oben am Himmel, ist das Fliegen völlig entspannt und überhaupt nicht anstrengend. Es ist ein berauschendes Gefühl. Die Welt liegt weit unten und ich komme mir vor, als wäre ich absolut frei. Der Wind streicht sanft über meinen Körper, die Sonne wärmt ihn und ich fühle mich wohl, wie nur selten in meinem Leben. Ich genieße es in vollen Zügen, ein Drache zu sein.

Erst nach einer halben Ewigkeit wird mir bewusst, dass ich Sigur immer noch auf dem Nacken haben sollte. Deshalb drehe ich den Kopf und schaue mich um. Tatsächlich, er sitzt zwischen zwei Stacheln, die sich vom Kopf meinen gesamten Rücken bis zur Schwanzspitze hinziehen. Er hält sich etwas verkrampft daran fest.

„Wie fühlst du dich?", frage ich ihn im Geist.

Ich nutze bewusst die lautlose Kommunikation, da ich nicht davon ausgehe, dass er mich verstehen würde. Zum einen bin ich mir nicht sicher, welche Laute ich als Drache von mir gebe und zum anderen würde er mich in dieser Situation auch rein akustisch nicht hören können.

„Du bist ein gewaltiger Drache. Mein Vater ist gegen dich ein Zwerg", antwortet er mit deutlicher Ehrfurcht in der Stimme.

„Echt? Ich habe mich selbst ja nicht wirklich gesehen."

„Du bist sicher doppelt so groß, wie er."

„Die Flucht ist uns auf jeden Fall geglückt", sage ich kichernd.

„Dafür kennen sie nun dein Geheimnis."

„Wenn ich das richtig verstanden habe, dann bin ich so gut wie unbesiegbar."

„Nur ein anderer Drache könnte dir gefährlich werden."

„Ich kenne nur deinen Vater."

„Ich auch. Aber auch der wäre für einen so gewaltigen Drachen wie dich keine Gefahr."

„So wie du auf mir sitzt, bist du noch nie geflogen", wechsle ich kichernd das Thema.

„Mein Vater hätte mich nie aufsitzen lassen. In seinen Augen wäre das vermutlich ein Frevel. Für ihn ist Fliegen nur den Drachen vorbehalten."

„Das ist doch Quatsch! Wie fühlt es sich an?"

„Es ist wunderbar. Ich habe nur noch etwas Angst, herunterzufallen."

„Dann würde ich dich schon wieder auffangen", grinse ich.

Er lacht und glaubt es mir wohl nicht. Ich kann den Zweifel in seiner Stimme hören. Deshalb erlaube ich mir einen Scherz. Ich drehe mich abrupt zur Seite und bewirke damit, dass er den Halt verliert und in die Tiefe stürzt. Ich kann einen langgezogenen Schrei hören und dabei die Panik erkennen, die von ihm Besitz ergreift.

Blitzschnell schieße ich nach unten, tauche unter Sigur und lasse ihn sanft auf meinem rechten Flügel landen.

„Siehst du!", kommuniziere ich mit ihm.

„Spinnst du? Ich bin beinahe vor Angst gestorben."

„Angsthase, ich wollte dir nur zeigen, dass du dich auf mich verlassen kannst."

„Das soll mich beruhigen?"

„So war es gedacht."

Ich muss lächeln, weil ich Sigur nicht für so ängstlich gehalten habe. Allerdings wird mir auch bewusst, dass das Fliegen nicht sein Element ist und er wohl deshalb mehr Angst hat als ich. Zudem weiß ich, was ich kann, während er sich auf mich verlassen muss und selbst keinen Einfluss auf das Geschehen hat.

Sigur klettert wieder an seinen Platz und ich schlage erneut ein paar Mal mit den Flügeln, um erneut an Höhe zu gewinnen. Wir durchbrechen wieder die Wolkendecke und ich nehme Kurs auf den Zugang, durch den wir aufgebrochen sind. Ich vermeide bewusst den Haupteingang.

Ich wundere mich ja selbst über meinen Orientierungssinn. Aber ich weiß einfach instinktiv, wohin ich fliegen muss. Erst kurz vor dem Ziel lasse ich mich wieder unter die Wolkendecke fallen und lande direkt vor dem Portal. Dort warte ich, bis Sigur von mir abgestiegen ist und verwandle mich zurück.

Im ersten Moment ist es ungewohnt, wieder klein zu sein. Mir fehlt der Überblick, den ich als Drache habe. Doch es dauert nicht lange, bis ich mich wieder an mein normales Dasein gewöhnt habe. Ich schaue an mir besorgt herunter und stelle erleichtert fest, dass ich wieder meine Kleider anhabe. Auch, wenn ich mit Sigur schon nackt im See geplantscht habe, wäre es mir doch ein wenig peinlich, würde ich nach meiner Rückverwandlung nackt vor ihm stehen.

„Da bist du ja wieder", grinst Sigur.

„Ich war die ganze Zeit bei dir", kichere auch ich.

„In menschlicher Gestalt bist du mir lieber, da siehst du hübscher aus."

„Danke, genau das wollte ich hören. Ich bin nur knapp schöner als ein Drache, na super!", spiele ich die Beleidigte.

„Äh, nein, so war das nicht gemeint", stottert er herum.

Erst mein vermeintlicher Ärger über seinen Vergleich, lässt ihm bewusstwerden, was er gesagt hat. Aber ich schaffe es nicht, mir das Lachen zu verkneifen. Deshalb wechselt sein Gesichtsausdruck von entschuldigend zu belustigt.

„Nun pfeif schon endlich. Ich will hinein und in Sicherheit sein", fordere ich ihn auf.

Er macht, um was ich ihn gebeten habe, aber es passiert nichts. Niemand erscheint oben in den Felsen, um uns das Tor zu öffnen. Erneut pfeift er, aber das Ergebnis bleibt dasselbe.

„Ach Gott, seit ein paar Wochen ist dieser Posten nicht mehr besetzt", fällt Sigur ein.

„Kein Posten mehr", sage ich überlegend.

„Na super und jetzt?"

Da kommt mir eine Idee. Ich greife nach meiner grünen Magie und versuche selbst die Steinplatte zur Seite zu schieben. Sie bewegt sich zunächst nur ein kleines Stück. Aber schon beim zweiten Versuch gleitet sie zumindest so weit zur Seite, dass wir durchschlüpfen können und auch das Wiederverschließen klappt perfekt. Wir sind drinnen!

Zu Fuß gehen wir durch den Tunnel. Auf der anderen Seite schaffe ich es mühelos, die Steinplatte wegzuschieben und sie nachdem wir durch sind, wieder an ihren Platz zu rücken.

„Du bekommst das schon ganz gut hin", grinst er. „Aber wie kommen wir jetzt heim? Wir haben keine Pferde."

„Ich denke, wir müssen fliegen oder hast du Lust drei Tage zu Fuß unterwegs zu sein?"

„Drei Tage ist etwas übertrieben. Wenn wir uns ranhalten, könnten wir es in zweieinhalb schaffen", lacht er.

„Das sind aber zweieinhalb Tage zu viel", halte ich dagegen.

„Das würde ich auch sagen."

„Traust du dich, noch einmal aufzusteigen?", necke ich ihn.

„Wenn ich nicht zu Fuß gehen will, habe ich wohl keine andere Möglichkeit", grinst nun auch er.

Ich weise ihn an, sich an meinem Rücken festzuhalten und verwandle mich. Mein Plan geht auf und er wird automatisch mit nach oben gehoben und muss damit nicht mühevoll in die Höhe klettern. Als er sich an die richtige Stelle gesetzt hat, breite ich die Flügel aus und schwinge mich erneut in die Lüfte.

Dieses Mal fliege ich nicht besonders hoch. Einerseits wissen die Menschen in diesem Land von der Existenz der Drachen und andererseits ist die Strecke nicht sonderlich weit. Was mit Pferden einen halben Tag dauert, ist mit ein paar kräftigen Flügelschlägen in nicht einmal einer halben Stunde geschafft.

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