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Legenda Major

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„Das hilft uns auch nicht weiter."

„Du hast gesagt, dass du ihn als Kind und Teenager gehasst hast. Was war danach?"

„Ich bin ihm aus dem Weg gegangen. Kaum hatte ich meine Ausbildung abgeschlossen, habe ich mir ein Pferd gesattelt und bin losgezogen. Ich habe unser Land und dein Reich durchstreift, bin oft Monate lang einfach nur von einem Ort zum anderen gezogen. Später habe ich auch die anderen Reiche bereist."

„Wovon hast du gelebt?"

„Wenn es mir an einem Ort gefallen hat, habe ich mir eine Arbeit gesucht und bin ein paar Wochen oder auch nur ein paar Tage an diesem Ort geblieben, so wie ich Lust hatte."

„Damit hast du deinen Vater nicht mehr so oft gesehen", mutmaße ich.

„Das war das Ziel. Ein netter Nebeneffekt war, dass er sich tatsächlich angefangen hat zu freuen, wenn ich nach Monaten dann doch einmal kurz nach Hause kam. In solchen Momenten war er dann sogar erträglich. Allerdings hielt dieser Effekt nicht lange an und es zog mich dann auch schon wieder hinaus in die Welt."

„Deshalb kennen dich die Leute kaum und halten dich für einen Eigenbrötler", stelle ich fest.

„Tun sie das?"

„So hat man dich mir zumindest beschrieben."

„Die Leute mögen mich nicht?", stellt er fest.

„Das würde ich so nicht sagen. Sie konnten sich bisher keine Meinung von dir bilden. Nina zum Beispiel hat gemeint, sie könne nichts Positives aber auch nichts Negatives über dich berichten. Das ist doch schon einmal etwas."

„Das ist sogar nett von ihr, denn wirklich kennen tut mich tatsächlich niemand. Durch das viele Herumreisen bin ich einsam geworden, habe mich daran gewöhnt, allein zu sein und meide inzwischen sogar die Gesellschaft anderer Menschen."

„Mir wäre das noch gar nicht aufgefallen", stelle ich ein wenig überrascht fest.

„Mit dir ist es auch anders. Ich glaube ich habe mit keinem anderen Menschen in Summe so viel geredet wie mit dir."

„Mit deinem Vater?"

„Auch nicht mit ihm."

Ich bin überrascht. Sigur ist nun zwar kein Plappermaul, aber er ist auch nicht der schweigsame Typ. Zumindest hätte ich es bisher nicht so empfunden.

„Bei mir bist du anders? Warum?"

Ich sage das, ohne lange nachzudenken. Aber mich würde schon interessieren, warum dem so ist.

„Mit dir ist es eben anders. Ich mag dich."

Hoppala, diese Antwort hätte ich nun nicht erwartet. Warum soll es mit mir anders sein. Und bevor ich mir richtig dessen bewusstwerde, sage ich etwas, das ich zu einem anderen wohl nicht so schnell gesagt hätte. Upps!

„Ich mag dich auch!"

Da wir die Liegen an die Stäbe zwischen unsere Zellen gestellt haben, liegen wir praktisch nebeneinander da. Als Sigur mir sagt, dass er mich mag, sucht sich meine Hand wie von alleine den Weg zwischen den Gitterstäben hindurch und ich suche nach seiner Hand. Als ich sie ertaste, nehme ich sie fest in meine und drücke sie.

„Ich mag dich auch!", gestehe ich erneut.

Weiter kommen wir aber nicht, denn in diesem Moment wird ein Schlüssel ins Schloss der Tür gesteckt und dreimal umgedreht. Vor uns steht der Kerkermeister mit einem Stück schimmeligen Brot und einem Krug mit Wasser, das ich bis in meine Zelle rieche und feststellen kann, dass es modrig duftet. Das ist bestimmt kein frisches Wasser.

„Na, ihr Turteltäubchen", lacht er spöttisch.

Sofort greife ich nach meiner Geistmagie und beeinflusse den Kerkermeister so, dass er die Unterschiede zu vorhin nicht sieht. Ihm fällt nicht auf, dass wir uns die Zellen halbwegs bequem und sauber hergerichtet haben und er bemerkt auch nicht, dass Sigur eine Zelle näher an der meinigen ist, als es eigentlich sein sollte.

„Und nun bring uns etwas Anständiges zu essen", gebe ich ihm einen Befehl.

„Oh, verzeiht. Ich bringe gleich etwas Vernünftiges zu essen", meint er.

Dabei dreht er sich um und verschwindet schnell. Die Tür sperrt er nicht einmal zu. Ich grinse breit, Sigur hingegen schaut ihm etwas verwundert hinterher.

„Was hat der denn?", will er wissen.

„Ich habe ihn etwas beeinflusst", grinse ich immer noch.

„Und was macht er jetzt?"

„Er organisiert unser Abendessen. Schließlich wollen wir in meinen Geburtstag hineinfeiern."

„Wie, in deinen Geburtstag hineinfeiern?"

„Ich habe morgen Geburtstag und werde 18 Jahre alt", sage ich ganz stolz.

„Du verbringst deinen Geburtstag im Gefängnis?"

„Es ging sich zeitlich nicht anders aus", grinse ich.

„Du bist eine echte Freundin."

„Wegen Ramon? Er hat mir schließlich das Leben gerettet."

„Aber jetzt bist du wieder in Gefahr."

„Jetzt weiß ich, was gespielt wird und ich kenne meine Fähigkeiten. Vor ein paar Tagen war ich noch ein hilfloses Mädchen. Heute bin ich ein ernst zu nehmender Feind."

„Das klingt gefährlich", lacht er.

„Für meine Feinde auf jeden Fall."

„Würdest du das auch für mich machen?", erkundigt er sich. Seine Stimme klingt unglaublich unsicher und schüchtern.

„Für dich würde ich noch einiges mehr machen", versichere ich ihm.

Bei diesen Worten schaue ich ihm tief in die Augen. Ich könnte in ihnen versinken. Doch lange kann ich das nicht genießen. Der Kerkermeister kehrt zurück und balanciert zwei üppig beladene Tabletts. Eines stellt er in meine Zelle, das zweite zu Sigur. Dann entschuldigt er sich und lässt uns wieder allein. Diesmal sperrt er die Tür ab.

„Ein solches Festmahl hätte ich mir in eurem Kerker nicht erwartet", lacht Sigur.

„Das ist auch nur für besondere Gäste", grinse ich schelmisch.

Erneut greife ich meine Magie, um die Gitterstäbe zu verformen. Zwischen unseren Zellen entsteht ein Durchgang.

„Komm herüber, stell dein Essen auf den Tisch und wir machen es uns gemütlich, soweit das hier möglich ist", fordere ich ihn auf.

Sigur kommt sofort meiner Bitte nach und sitzt mir auch schon wenig später gegenüber. Ich habe Hunger und mache mich über das Essen her. Sogar einen Krug mit Wein hat uns der Kerkermeister gebracht. Ich schenke ein und erhebe meinen Becher.

„Prost, Sigur! Wenn wir beschwipst sind, macht das nichts. Wir haben es nicht weit zum Bett", grinse ich.

Auch er muss lachen, erhebt seinen Becher und wir prosten uns zu. Der Wein schmeckt köstlich. Er muss aus den Beständen des Königs stammen. Dieser hält sich immer ein paar ganz besondere Fässer zurück, die sonst niemand trinken darf. Offenbar jedoch haben auch andere Zugang zu diesen edlen Tropfen.

Sigur und ich plaudern nach dem Essen noch eine ganze Weile. Er erzählt mir von seinen Reisen und ich höre interessiert zu.

„Du hast viel erlebt", stelle ich fest.

„Es war schön, aber zu zweit wäre es viel schöner gewesen."

„Wenn wir hier raus sind, könnten wir uns auf den Weg machen. Wir müssen ja nicht alle Gebiete besuchen, die du bereist hast, aber die schönsten würde ich mir gerne anschauen."

Sigur schaut mich ungläubig an. Im ersten Moment verstehe ich nicht, was ihn so geschockt haben könnte, dass er seine Augen so weit aufreißt.

„Das möchtest du?"

„Ja, mit dir zusammen. Warum nicht?"

Nun überzieht ein Strahlen sein Gesicht, wie ich es nur selten bei einem Menschen gesehen habe. Ich habe keine Ahnung, was ihn dermaßen glücklich macht.

„Nur wir zwei?"

„Ja, warum nicht?"

„Das hätte ich nie zu hoffen gewagt", meint er.

Ich lächle ihn an. Er ist anders als die Menschen, die ich kenne. Ich finde Sigur süß und ich mag ihn. Was mir besonders auffällt ist, dass ich mich in seiner Nähe unglaublich wohlfühle. Im Kerker zu sitzen, macht mir nichts aus, weil er bei mir ist. Natürlich spielen auch meine magischen Kräfte eine Rolle, mit denen ich es uns etwas angenehmer machen kann. Mir ist aber dennoch klar, dass ich mich nicht so wohlfühlen würde, wäre ich mit einem anderen Mann hier eingesperrt.

„Ich denke, wir sollten langsam schlafen gehen. Morgen wird sicher ein interessanter Tag und da sollten wir ausgeschlafen sein."

„Was ist an morgen so interessant?"

„Morgen werden wir zum Tode verurteilt."

„Morgen schon?"

„Der Kämmerer und der Kommandeur der Garde haben es eilig. Die werden versuchen, uns so schnell wie möglich aus dem Weg zu räumen."

„Sie sehen in uns eine Gefahr", meint er feststellend.

„In dir weniger, in mir schon. Ich bin die Prinzessin und ich besitze magische Kräfte. In ihren Augen ist das eine ganz gefährliche Mischung."

„Für sie gefährlich, nehme ich an."

„Du sagst es. Gefährlich für sie und ihre Pläne."

„Dann gute Nacht!", meint er.

In seinen Augen liegen Wehmut und Sehnsucht. Ich möchte mich ja auch nicht von ihm trennen. Aber es muss sein. Allerdings kann ich es mir nicht verkneifen, ihm einen schüchternen Kuss auf die Wange zu geben. Ein wenig benommen davon, macht er sich auf den Weg in seine Zelle und ich biege die Stäbe wieder zurecht.

Ich liege noch eine ganze Zeit lang wach und denke darüber nach, was ich für Sigur empfinde. Wenn ich an ihn denke, dann habe ich ein Kribbeln im Bauch und ein Lächeln schleicht sich in mein Gesicht. Das geht ganz automatisch.

Ich drifte mit der Zeit dann doch ab in einen ruhigen Schlaf. Ich träume davon, wie ein Drache über das Land segelt und Sigur sitzt im Nacken dieses Drachen. Es ist ein wunderschönes Tier und strahlt eine unglaubliche Macht aus. Was würde ich darum geben, diesen Drachen eines Tages sehen zu dürfen.

„Aufstehen!", ruft eine durchdringende Stimme. „Ihr seid schließlich nicht zum Faulenzen hier!"

Als ich verschlafen die Augen öffne, steht der Kerkermeister in der Tür und in seinen Augen funkelt purer Hass. Ich habe keine Ahnung, was ich ihm getan hätte, dass er mich so verabscheut. Ja, ich habe ihn noch nie gemocht, aber das habe ich ihm nie gezeigt. Ich bin ihm, so gut es ging, aus dem Weg gegangen.

„Was ist denn hier los?", brüllt er.

„Was meint Ihr?", frage ich gespielt überrascht.

„Warum sind die Möbel in den Zellen und warum ist dein Typ in der falschen Zelle?"

Da fällt mir auf, dass offenbar mein Einfluss nicht mehr anhält. Doch im Moment ist mir das egal. Ich finde es sogar lustig, wie er herumsucht, wie es möglich sein kann, dass plötzlich alles anders ist. Er kontrolliert die Gitter, die Türen und versucht auf allen erdenklichen Arten, herauszukriegen, wie das sein kann. Frustriert gibt er dann aber auf. Mir ist das aber nicht genug.

„Ihr habt uns doch die Möbel in die Zellen gestellt", necke ich ihn.

„Ich? Daran kann ich mich aber nicht erinnern."

„Habt Ihr einen Schlag auf den Kopf bekommen, in letzter Zeit meine ich?"

„Nein, nicht dass ich wüsste."

„Aber anders kann ich mir das nicht erklären."

„Ihr habt damit nichts zu tun?"

„Wie denn? Die Zellen sind doch fest verschlossen. Wie sollten wir denn einfach so herumspazieren?"

Ich muss mir ein Lachen verkneifen. Der Mann schaut dermaßen betreten drein, dass er mir fast schon wieder leidtut. Aber nur fast!

„Ihr sollt in den Thronsaal gebracht werden", ändert er plötzlich das Thema.

„Zur Gerichtsverhandlung, nehme ich an."

„Genau, mein Täubchen."

„Ich bin nicht dein Täubchen. Ich bin Prinzessin Aurora von Simons."

„Bald bist du eine tote Prinzessin", grinst er hinterhältig. „Du scheinst einigen Leuten im Weg zu stehen."

„Den Eindruck habe ich allerdings auch."

Kapitel 9

Wir werden in Ketten gelegt und unter strenger Bewachung in den Thronsaal geführt. Auch heute sind alle wichtigen Persönlichkeiten des Reiches anwesend. Natürlich sind alle da, wenn es darum geht, die Prinzessin zu verurteilen.

Als ich eintrete und sehe, dass der Kämmerer neben dem Thron steht, ist mir klar, dass er auf Nummer sicher gehen will. Obwohl es äußerst ungewöhnlich ist, dass jemand, der nicht zur königlichen Familie gehört, neben dem Thron steht, scheint sich keiner im Saal darüber zu wundern.

„Warum ist der zweite Thron leer. Wo ist deine Mutter?", flüstert mir Sigur zu.

„Meine Mutter ist an einer schweren Krankheit gestorben, als ich noch ganz klein war."

„Das tut mir leid."

„Du kannst ja nichts dafür und außerdem ist es lange her."

„Wie hat es dein Vater aufgenommen?"

„Er hat sich sehr in sich zurückgezogen. Aber er war immer für mich da. Er war zwar nie der überschwänglich liebevolle Vater, aber sein derzeitiges Verhalten ist schon noch kälter. Es hat wohl damit zu tun, dass ihm der Kämmerer und der Kommandant der Garde Drogen oder sonst ein Medikament verabreichen."

„Ruhe!", brüllt der Kämmerer.

Er scheint der Rädelsführer der Bande zu sein, welche ganz offensichtlich die Macht im Reich an sich reißen will. Börinor greift sich meine Kette und schleift mich vor den Thron.

„Da unser geschätzter König heute heißer ist, werde ich als sein Sprachrohr dienen", beginnt der Kämmerer. „Wir sind hier versammelt, um über das Schicksal von Prinzessin Aurora und ihres Begleiters zu befinden. Sie werden beschuldigt Magier zu sein."

Ein Raunen geht durch den Saal. Immer dann, wenn die Rede von Magie ist, fürchten sich die Leute. Ich greife nach meiner Geistmagie und versuche herauszufinden, was die Zuschauer denken. Sie sind ein wenig unsicher, aber sie sind nicht gänzlich gegen mich. Sie wollen erst schauen, was gegen uns vorgebracht wird.

„Wie kommt Ihr auf den Gedanken, ich könnte eine Magierin sein?" frage ich deshalb.

„Ich weiß es", fährt mich der Kämmerer an.

„Dann wisst ihr mehr als ich."

„Gebt es doch zu. Es hat keinen Sinn zu leugnen. Es steht in den Büchern, dass eine Prinzessin kommen wird, die über große, magische Kräfte verfügen wird."

„Das kann durchaus stimmen, was in den Büchern steht. Aber muss das genau ich sein?"

„Es gab schon lange keine Prinzessin mehr, es gab in den letzten Jahrzehnten nur noch Prinzen."

„Na und? Was sagen die Bücher dazu? Gibt es genaue zeitliche Angaben."

„Das nicht ...", gibt der Kämmerer zu.

„Aber ihr wollt einfach den sicheren Weg gehen und die Prinzessin aus dem Weg räumen, ganz egal ob sie nun eine Magierin ist oder nicht", halte ich dagegen.

„Die Weissagung kann nur auf Euch zutreffen", beharrt er.

„Das ist doch nur Eure Vermutung. Habt ihr einen Beleg dafür? Habe ich etwas getan, das vermuten ließe, dass ich über magische Kräfte verfüge?"

„Nicht direkt."

„Indirekt?"

„Auch nicht."

„Na, seht Ihr, ich verfüge über keine magischen Kräfte."

„Woher wusstet Ihr, dass Hauptmann Samon in Sicherheit ist. War das nicht Magie?", fällt ihm plötzlich ein.

Ein Raunen geht durch die Zuschauer. Zum ersten Mal hat er sie verunsichert. Bisher war es mir gelungen, sie immer weiter auf meine Seite zu ziehen.

„Ihr habt doch die Brieftaube gesehen?"

„Das überzeugt mich nicht. Ihr seid eine Gefahr und ich beantrage, Euch und Euren Begleiter zum Tod durch den Strang zu verurteilen", beharrt er.

„Ohne jeglichen Beweis?", frage ich. Theatralisch ziehe ich eine Augenbraue nach oben und lasse meinen Blick über die Zuschauer schweifen.

Mir ist klar, dass sein Urteil bereits feststeht, weil ich eine Gefahr für seine Pläne und nicht für das Reich bin. Aber ich will ihm sein perfides Spiel so schwer wie möglich machen.

„Die alten Schriften sind für mich Beweis genug!", entgegnet er aufbrausend.

„Ihr seid aber nicht der König. Lassen wir das Volk abstimmen", schlage ich vor.

„Das Volk? Wie käme ich dazu? Ein Urteil zu fällen ist einzig und allein Aufgabe des Königs. Ich habe bereits eine Schriftrolle vorbereitet. Wenn der König sie unterschreibt, werden morgen die Prinzessin und ihr Begleiter hingerichtet."

Er zieht eine Schriftrolle hervor und hält sie meinem Vater zur Unterschrift hin. Ohne Zögern nimmt dieser die Feder und setzt seine Unterschrift darunter, der Kämmerer vollendet das Werk mit dem Siegel.

Mir fällt auf, dass mein Vater kein Wort sagt und wie ferngesteuert wirkt. Er ist ganz sicher nicht Herr seines Willens. Das wird mir in diesem Moment erneut bewusst. Sein Zustand ist noch etwas schlimmer als er es gestern noch war. Offenbar haben der Kämmerer und seine Strolche die Dosis nochmals erhöht, um ganz sicher zu sein, dass er das tut, was sie wollen.

Ich versuche nicht in seinen Geist einzudringen. Mir ist nicht klar, über welche Fähigkeiten der Kämmerer und seine Leute verfügen und halte mich deshalb zurück. Sie sollen mich unterschätzen.

„Damit ist es besiegelt. Das Urteil gegen die Prinzessin und ihren Begleiter wird morgen im Morgengrauen am Hügel für die Hinrichtungen vollstreckt."

„Ausgerechnet im Morgengrauen?", frage ich. „Kann ich nicht noch am letzten Tag meines jungen Lebens etwas länger schlafen? Ich würde gerne ausgeruht aus diesem Leben scheiden."

Im Saal vernehme ich Gelächter. Die meisten sind auf meiner Seite, trauen sich aber nicht, zu widersprechen.

„Dir wird das Lachen schon noch vergehen!", faucht mich der Kämmerer an.

„Mein Gott, das Leben ist so schon traurig genug. Ich muss nur deine Gestalt anschauen und mir kommt es zum Weinen", halte ich dagegen.

Erneut höre ich Lachen aus dem Zuschauerraum. Ich kann fühlen, wie mir Respekt entgegengebracht wird, weil ich mich nicht unterkriegen lasse.

„Du kannst mich beschimpfen, wie du willst, es ändert nichts daran, dass du morgen hängen wirst."

„Du hattest das Urteil schon von Anfang an getroffen. Du widerst mich an", entgegne ich.

Ich sehe, wie der Kämmerer einen zunehmend roten Kopf bekommt. Ihm scheint nicht zu gefallen, dass ich ihn lächerlich mache und er es nicht schafft, mich unterzukriegen.

„Führt sie ab!", befiehlt er sichtlich verärgert.

„Wir sehen uns", sage ich lachend zu den Zuschauern gewandt. „Morgen im Morgengrauen. Die Frage ist nur, für wen es ein Grauen wird."

Alle lachen. Allerdings sehe ich auch einige mitleidige Blicke. Doch dann packen mich und Sigur die Wachen und führen uns zurück in den Kerker. Dort finden wir alles wieder vor, wie bei unserem Eintreffen gestern. Die Möbel sind aus den Zellen geräumt und zwischen Sigur und mir liegt erneut eine leere Zelle. Diesmal bleibt auch eine Wache im Raum zurück, um uns zu überwachen. Was nicht verändert wurde ist nur, dass die Zellen immer noch sauber sind.

„Das war eine Farce", sage ich in Gedanken zu Sigur.

„Das kannst du laut sagen. Der Kämmerer hatte sein Urteil bereits gefällt."

„Mein Vater stand heute noch stärker unter Drogen als gestern. Er hat mir fast schon leidgetan."

„Wann willst du fliehen?"

„Wir werden morgen den ganz großen Auftritt bei der Vollstreckung des Urteils hinlegen. Ich weiß noch nicht wie, aber ich denke, ich werde mit einer Illusion arbeiten."

„Du hast eine Idee?"

„Ich könnte statt einer Brieftaube einen großen, gefährlichen Drachen landen lassen und während alle mit der Erscheinung beschäftigt sind, nehmen wir Reißaus."

„Das könnte klappen."

„Wenn nicht, dann werden sie meine Macht wirklich zu spüren bekommen", sage ich entschlossen. „Und jetzt räumen wir hier wieder auf."

Ich greife erneut nach meiner Geistmagie und diesmal lasse ich die Möbel von der Wache in unsere Zellen schleppen. Sigur grinst mir zu, wie ich belustigt und mit verschränkten Armen in einer Ecke stehe und überwache, wie alles wieder so hergerichtet wird, wie es heute früh war. Außerdem lasse ich uns wieder ein Mittagessen auftischen, wie es einer Prinzessin gebührt. Auch das Abendessen fällt üppig aus und ich liege die meiste Zeit mit geblähtem Bauch auf der Liege und ruhe mich aus.

Zwischendurch plaudere ich mit Sigur. Wir erzählen uns Geschichten aus unserer Kindheit, wir überlegen, was wir nach unserer Flucht unternehmen werden und wir sprechen über meine Fähigkeiten und meine Bestimmung.

„Du wirst so schnell wie möglich zu uns zurückkehren müssen und deine Fähigkeiten ausbauen. Du musst deine Kräfte perfekt beherrschen können."

„Warum so dringend. Ich wäre gerne mit dir durch die Welt gezogen."

„Das muss warten. Ich traue dem Kämmerer und dem Kommandanten der Garde nicht. Die führen etwas im Schilde."

„Was vermutest du?"

„Keine Ahnung, aber diese Menschen sind skrupellos."

„Da könntest du tatsächlich richtig liegen. Sie setzen einen König unter Drogen und sie schrecken auch nicht davor zurück, eine Prinzessin hinrichten zu lassen. Sie sind Macht besessen."

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