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Magische Welten 03

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71.3k Wörter
4.68
18.8k
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Teil 3 der 4 teiligen Serie

Aktualisiert 06/11/2023
Erstellt 05/27/2022
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Magische Welten 3

Viele Jahre später

Kapitel 1 -- Geräusche im Garten

„Amy, bringst du bitte den Müll raus?"

„Ja, Mama, ich geh gleich!"

Wenn Mutter etwas sagt, dann ist es besser es sofort zu tun. Sie ist da immer sehr genau und kann dann echt nervig werden. Ich schnappe mir also den Müll und mache mich auf den Weg. Wir wohnen in einem Vorort von München. Hier stehen die Häuser etwas weiter auseinander und ich muss mit dem Müll durch den Vorgarten, vor zur Straße gehen. Es ist schon früher Abend und die Sonne will sich für diesen Tag gerade verabschieden. Ich kann sie zwischen zwei Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite sehen, wie sie knapp über dem Horizont steht. Der Himmel ist in ein wunderschönes Hellrot getaucht. Die dünnen Wolken, die über den Himmel jagen, haben sich gefärbt und sehen aus, als würden sie in Flammen stehen. Es ist ein wunderschönes Bild.

Ich bleibe fasziniert stehen, um dieses Naturschauspiel zu bewundern. Ich bin froh, dass wir nicht in der Innenstadt wohnen. Mir würde die Natur fehlen. Ich finde unser Haus einen Traum. Meine Mutter hat es von meiner Großmutter geerbt. Soweit ich weiß, hatte auch sie es von ihrer Mutter bekommen. Auf jeden Fall ist dieses Haus schon länger im Besitz unserer Familie.

Ungewöhnlich für diese Gegend ist der Name: „Drachenheim". Anfangs dachte ich, dass jemand diesen Namen einfach so, aus einer Laune heraus, erfunden hat. Dann aber ist mir das Wappen an der Rückseite des Hauses aufgefallen. Es stellt einen riesigen, schwarz-grauen Drachen dar. Als Kind hatte ich mächtig Respekt vor dieser Darstellung. Der Drache strahlt noch heute eine starke Macht aus, zumindest habe ich es schon als kleines Mädchen so wahrgenommen und dieser erste Eindruck ist mir bis heute geblieben. Die Zeichnung ist zudem so realistisch, dass ich als Kind manchmal Angst hatte, die Echse würde tatsächlich herabsteigen und mich fressen.

Was mir auch immer auffällt ist, dass das Wappen in all diesen Jahren nie verblasst ist. Während das Haus an sich deutlich an Farbe und Ansehnlichkeit eingebüßt hat, ist die Darstellung des Drachens immer noch kräftig, so als könnte ihr der sogenannte Zahn der Zeit nichts anhaben.

Was ich an diesem Haus so liebe, ist die riesengroße Wiese, die sich dahinter erstreckt. Im Laufe der Jahre haben sich darauf kleine Wäldchen gebildet, da mein Vater Grüppchen von Bäumen gepflanzt hat. Es war sein Steckenpferd, unterschiedliche Baumarten anzusiedeln. Anfangs, soweit ich mich erinnern kann, standen auf dem Grundstück nur etwa ein Dutzend Buchen, die ein Wäldchen bildeten, in dessen Schatten ich oft gespielt habe. Sie sind heute riesig und haben mir immer ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt.

Mein Vater hat dann nach und nach Nadelbäume, Obstbäume, aber auch Sträucher angepflanzt, die besonders schön blühen oder Früchte tragen. Einige, wie zum Beispiel ein paar Linden, sind dazu da, dass man Blüten, Blätter oder Früchte für Tees gewinnen kann, die heilend wirken oder einfach nur gut schmecken. Meine Mutter kennt sich mit solchen Dingen recht gut aus.

Diese Wiese, ich glaube, sie ist so etwa fünf Hektar groß, bietet aber auch Platz für allerlei Tiere. Da sich hinter der Wiese ländliches Gebiet anschließt und alles offen ist, verirren sich ab und zu auch Rehe oder gar Hirsche zu uns. Einmal habe ich auch einen Fuchs beobachten können. Igel, Eichhörnchen und andere Kleintiere sind bei uns sowieso heimisch. Im Herbst sammeln sich auf diesem Gelände oft auch Zugvögel, bevor sie in den Süden starten. Für mich war diese Wiese immer schon ein kleines Paradies und etwas ganz Besonderes.

Ich werfe den Müllsack in den Sammelbehälter auf der Straße und mache mich gleich wieder auf den Rückweg. Ich denke dabei darüber nach, was ich wohl als nächstes tun sollte. Ich könnte meiner Mutter zur Hand gehen und ihr helfen, das Abendessen vorzubereiten. Ich könnte aber auch noch etwas im Internet surfen.

Ich werde allerdings jäh aus meinen Gedanken gerissen, als ein Wagen vorbeirast. Mensch! Dieser bescheuerte Nachbar, der mit seinem Sportwagen wohl nur versucht, seine Potenz zu ersetzen. Anders kann ich mir nicht vorstellen, warum er so angeben muss. Alle beschweren sich über ihn und keiner mag ihn. Kein Wunder, er bildet sich sicher ein, etwas Besseres zu sein. Er grüßt auch nur in Ausnahmefällen und dann auch nur widerwillig. Dafür hupt er wie ein Irrer, wenn jemand auf dem Weg dahingeht und nicht gleich zur Seite springt, um sich in Sicherheit zu bringen.

Aber da war heute nicht nur das Röhren dieses blöden Sportwagens, da war noch ein anderes, ein ungewohntes Geräusch. Es hat sich beinahe so angehört wie ein Knurren. Aber wer sollte in dieser Gegend knurren? Wir haben doch keine Löwen oder andere Großraubtiere in der Nähe. Trotzdem bin ich mir sicher, dass ich mich nicht verhört oder es mir nur eingebildet habe. Es hat sich definitiv wie ein Knurren angehört. Einen Moment bleibe ich sogar stehen und lausche, aber ich kann nichts Ungewohntes sehen und das Geräusch auch nicht noch einmal wahrzunehmen. Deshalb gehe ich weiter.

Erst als ich wieder am Haus bin, höre ich erneut ein Knurren. Diesmal ist es lauter und eindeutiger. Das Geräusch kommt von der Rückseite. Für einen Moment verharre ich ganz still und kann nun auch ein Schnauben vernehmen. Ich habe keine Ahnung, was das sein könnte. Da ich noch nie ein Angsthase war, gehe ich nachschauen.

Entschlossenen Schrittes gehe ich am Haus vorbei und werfe einen Blick über die Wiese. Ich versuche, ganz genau zu schauen. Es beginnt jedoch bereits zu dämmern und ich kann nur mehr Umrisse erkennen. Auf Anhieb fällt mir nichts ins Auge, was ungewöhnlich wäre. Doch dann habe ich den Eindruck, als hätte sich hinten bei den Buchen etwas bewegt.

Ich atme einmal tief durch. Soll ich wirklich so weit gehen, um dann womöglich festzustellen, dass da gar nichts ist? Und wenn dort doch etwas ist? Die Neugier hat mich gepackt und so mache ich mich auf den Weg. Bis zu den Buchen ist es doch ein ganz schönes Stück. Wenn da nichts ist, dann bin ich sauer auf mich, denke ich noch bei mir.

Mein Blick ist fest auf die Buchen gerichtet. Es ist dort auffallend dunkel, aber das kann auch an der Dämmerung liegen. Je näher ich komme, umso mulmiger wird mir zumute. Ich spüre ein Kribbeln in der Magengegend. Es ist auffallend still. Nicht ein Vogel ist zu hören, der sein Abendlied pfeift. Sonst gibt es doch immer einen, der frech durch die Gegend piepst. Langsam wird auch mir die Sache ein wenig unheimlich. Vor allem diese absolute Stille ist mehr als ungewöhnlich. Aber jetzt bin ich schon einmal hier, also schaue ich auch nach!

Ich habe die Baumgruppe erreicht und es ist inzwischen bereits weitgehend Nacht. Ich schaue mich um, kann aber nichts erkennen. Wenn ich mich vorhin nicht getäuscht habe, müsste die Bewegung allerdings hinter der Baumgruppe gewesen sein. Deshalb durchquere ich den kleinen Buchenwald. Wenn ich schon hier bin, dann kann ich diese wenigen Schritte auch noch gehen.

„Du -- heilige -- Scheiße!", entfährt es mir.

Ich bin soeben zwischen den letzten Bäumen hervorgekommen, da sehe ich etwas Riesiges vor mir. Es sieht aus wie ein Hügel, ein etwas großer sogar. Aber da war kein Hügel, da war noch nie ein Hügel. Das wüsste ich. Im Dunkeln kann ich nur Umrisse erkennen. Trotzdem kommt mir die Form des Hügels ungewöhnlich vor.

Mutig, wie ich bin, gehe ich darauf zu. Als ich davorstehe, ragt dieser auffallend steil vor mir auf. Ich lege eine Hand auf die Oberfläche und spüre, dass sie warm ist. Auch fühlt sich das ganze wie eine glatte Oberfläche und nicht wie ein Erdhaufen an. Ich habe keine Erklärung, was das sein soll.

Plötzlich gehen weiter oben zwei Augen auf, zwei riesige Augen. Mir entkommt ein leiser Schrei. Es sind nämlich Augen mit einer länglichen Pupille. So wie man sie von Schlangen kennt. Die Sache ist mir nicht geheuer. Ich drehe mich um und laufe los. Ich will nur noch zurück zum Haus. Ich will dieses unheimliche Etwas einfach nur hinter mir lassen.

Ich glaube, ich bin noch nie in meinem Leben so schnell gerannt. Ich bin zwar immer schon sportlich gewesen, aber nun fliege ich förmlich über die Wiese. Ich will mich nur noch in Sicherheit bringen.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und mit der Zeit setzt Seitenstechen ein. Doch ich beiße die Zähne zusammen und laufe weiter, als ginge es um mein Leben. Womöglich geht es sogar um mein Leben. Ich habe schließlich keine Ahnung, was da hinter den Buchen liegt. Es muss ein Lebewesen sein, ein gewaltiges sogar. Warum sonst hat es Augen?

Als ich mich auf halber Strecke zwischen der Baumgruppe und dem Haus im Laufen umdrehe und zurückschaue, sehe ich, dass der Hügel noch größer geworden ist. Er ist gewaltig! Was kann das nur sein? Einen Moment habe ich den Eindruck, als könnte ich einen Kopf ausmachen, einen Drachenkopf. Was? Wie? Allmählich zweifle ich an meiner Zurechnungsfähigkeit.

Aber egal, was es ist, da ist definitiv etwas. Ich habe es schließlich berührt. Ich nehme nur noch meine Beine in die Hand und laufe auf das Haus zu, ich stürme zur Hintertür hinein, bleibe gleich dahinter an die Wand gelehnt im Flur stehen und lass mich an ihr auf den Boden rutschen. Ich bin außer Atem, aber ich bin auch völlig verwirrt. Ich brauche Zeit, um mich zu erholen, körperlich wie auch mental.

„Was war das denn?", frage ich halblaut, eher an mich gewandt als an andere.

„Was war was?", will meine Mutter wissen. Sie hat mich offenbar gehört.

„Auf unserer Wiese ist ein Drache."

„Ein was?", meint Mutter laut lachend. „Kind, ich dachte, du wärst erwachsen?"

„Das bin ich doch auch. Aber das was ich vorhin gesehen habe, war ... Was soll ich sagen? ... Es war ..."

Meine Mutter kommt auf mich zu und legt eine Hand flach auf meine Stirn. Dann schaut sie mich an und scheint zu überlegen.

„Fieber hast du keines. Ich denke, du solltest dich hinlegen."

„Natürlich habe ich kein Fieber!", protestiere ich.

„Wenn du von Drachen redest, dann muss ich doch kontrollieren, ob du nicht im Fieberwahn fantasierst."

„Mutter, ich bin Ärztin in der Notaufnahme. Ich weiß, was ein Fieberwahn ist."

„Du musst aber auch zugeben, dass es sonderbar anmutet, wenn eine Notärztin von Drachen spricht", grinst meine Mutter mich frech an.

„Ich glaube, ich gehe und lege mich doch etwas hin", antworte ich.

Eigentlich will ich nur weg, aus dieser Situation halbwegs unbeschadet herauskommen. Mir ist doch selbst bewusst, dass es völlig bescheuert klingen muss, wenn ich mit meinen 25 Jahren von einem Drachen berichte, den ich im Garten gesehen habe.

„Mach das", meint Mutter. „Soll ich dir einen Tee machen?"

„Nein, danke, Mutter. Das brauchst du nicht."

Dankbar, endlich von hier wegzukommen, wende ich mich um, gehe die Treppe hoch und in mein Zimmer. Bekleidet wie ich bin, werfe ich mich auf mein Bett.

„Was war das?", wiederhole ich die Frage halblaut.

„Ich war das", höre ich eine Stimme im Kopf.

„Ich wer?"

„Ich bin Divina, dein Drache."

„Mein Drache, ach so."

„Ich verstehe, wenn alles etwas viel für dich ist im Moment, aber ich muss dich sprechen."

„Etwas viel für mich? Hast du sie noch alle? Ich habe etwas gesehen, das es gar nicht gibt und nun rede ich auch noch in Gedanken damit. Das ist doch nicht normal!"

„In deiner Welt vermutlich nicht, bei uns dagegen schon."

„In deiner? Ja, ja!"

„Komm morgen um diese Zeit zu den Buchen, dann reden wir."

„He, komm doch einfach vorbei, wir sind alte Freunde", spotte ich. „Glaubst du ich treffe mich mit jedem?"

„Ich bin ein Drachenmädchen, also keine Angst um deinen Ruf", kicherte die Stimme.

„Willst du mich auf den Arm nehmen? Das ist nicht witzig!"

„Nein, eigentlich nicht, aber der Scherz hat sich angeboten. Ich muss etwas sehr Ernstes und Wichtiges mit dir besprechen."

„Was glaubst du, sagt mein Chef, wenn ich ihm erzähle, dass ich mich am Abend mit einer Drachendame treffe?"

„Menschen würden das vermutlich nicht verstehen, das gebe ich zu."

„Ach so und ich bin kein Mensch? Warum soll ich es dann verstehen?"

„Du hast das Blut von Drachenreitern. So gesehen bist du kein normaler Mensch."

„Ganz normal kann ich tatsächlich nicht sein, wenn ich mich in Gedanken mit einem Drachen unterhalte."

„Jetzt sei nicht albern und komm morgen, damit wir sprechen können."

„Und wer sagt mir, dass du mich nicht entführst oder gleich an Ort und Stelle auffrisst?"

„Hätte ich das gewollt, dann würden wir jetzt nicht mehr miteinander kommunizieren. Dann hättest du das Haus gar nicht mehr erreicht."

Einen Moment sage ich gar nichts. Ich muss erst ihre Antwort verdauen. Hat dieses Wesen gerade gesagt, wenn es gewollt hätte, dann hätte es mich heute schon gefressen? Das ist ja echt vertrauenserweckend.

„Beruhige dich! Ich fresse doch keine Menschen."

„Und warum nicht?"

„Weil ihr Fleisch so komisch süßlich schmeckt."

„Du hast also schon probiert?"

„Ich habe einmal einen gebissen. Aber das war im Kampf, ich schwöre!"

„Ich bin also ungenießbar, sozusagen."

„Wenn du es so ausdrücken willst, dann ja", kichert sie.

„Du tust mir sicher nichts?", erkundige ich mich nach kurzem Nachdenken.

„Natürlich nicht. Jetzt sei kein Angsthase!"

„Das musstest du jetzt auf jeden Fall sagen."

„Ehrlich, du bist meine Seelenverwandte. Wenn ich dir etwas antue, dann füge ich mir selber auch Schmerz zu."

„Das soll ich dir glauben? Was für Seelenverwandte sollten wir denn sein?"

„Ich bin dein Drache und du meine Reiterin."

„Ich kann nicht einmal auf einem Pferd reiten. Auf einem Drachen gar nicht daran zu denken."

„Du wirst es lernen, da sehe ich kein Problem."

Ich überlege fieberhaft hin und her. Einerseits klingt alles so verdammt unglaubwürdig, dass ich mich am liebsten selbst auslachen möchte, weil ich mit dem komischen Wesen in meinem Kopf überhaupt kommuniziere. Andererseits kann man so etwas doch gar nicht erfinden. Und da ist noch etwas. Ich bin neugierig.

„Na gut, ich komme morgen. Dann reden wir", lenke ich ein. „Aber wehe, du frisst mich doch, dann schwöre ich dir, liege ich dir so schwer im Magen, dass du mich dein ganzes Leben lang nie mehr vergessen wirst."

„Oh, das wäre eine verdammt harte Strafe. Ich lebe vermutlich noch einige 100 Jahre", grinst das Wesen in meinem Kopf. „Ich lasse dir zwei Bücher hier bei den Bäumen liegen. Dann kannst du dich schon mal in die Materie einlesen."

„Einlesen? In die Materie?"

„Du wirst schon sehen."

„Du bist weg, wenn ich die Bücher hole?"

„Was soll ich noch hier? Wir sehen uns morgen."

„Wo gehst du hin?"

„Ich kehre zurück in die magische Welt."

„In die magische Welt? Wo soll das denn sein?"

„Das wirst du alles noch sehen, wenn du möchtest."

„Ich denke ich werde das wollen. Gute Nacht, Drache."

„Ich heiße Divina. Dir auch eine gute Nacht."

Kapitel 2 -- Die Erkenntnis

Ich bleibe noch einige Zeit auf meinem Bett liegen. Ich weiß noch immer nicht ganz, wie ich das Erlebte einordnen soll. Dann aber raffe ich mich auf, gehe die Treppe hinunter und ziehe mir im Flur die Schuhe wieder an.

„Was machst du denn jetzt schon wieder?", erkundigt sich Mutter.

„Ich muss noch einmal an die frische Luft."

„Hast du Sehnsucht nach deinem Drachen?"

„Neck jemand anderen", brummle ich nur.

Dann bin ich auch schon zur Hintertür wieder raus und gehe langsam auf die Buchen zu. Erst jetzt wird mir bewusst, wie schnell ich vorhin gelaufen sein muss. Dieses Mal kommt es mir wie eine Ewigkeit vor, bis ich die Bäume erreiche.

Während ich über die Wiese spaziere, kommt mir die Frage in den Sinn, wie ich die Bücher im Dunkeln überhaupt finden soll. Es ist inzwischen stockfinstere Nacht. Trotzdem sehe ich besser als noch vorhin in der Dämmerung. Meine Augen sind anders und auch mein Gehör scheint sich wesentlich verbessert zu haben. Ich kann einen Igel hören, der über die Wiese tapst und ich nehme ein Reh wahr, das nicht weit von mir entfernt im Schutz eines Baumes liegt und ruhig atmet.

Ich frage mich, was mit mir geschehen ist. Meine Sinne sind unglaublich geschärft. Ich kann mir aber nicht lange Gedanken darüber machen, denn schon bald fällt mein Blick auf etwas, das zwischen den Bäumen schimmert. Bei genauerem Hinschauen fällt mir ein Streifen auf, der im Dunkeln leuchtet. An einen der letzten Bäume des Wäldchens gelehnt, liegt etwas.

Als ich mich hinabbeuge, entdecke ich zwei Bücher. Beide sind mit einem goldenen Streifen versehen, der den Einband ziert und in der Dunkelheit gut sichtbar ist. Ich hebe die Bücher hoch, nehme sie auf den Arm und mache mich gleich wieder auf den Rückweg. Da Divina gesagt hat, dass sie nicht mehr da sein wird, suche ich auch nicht herum.

Im Gehen betrachte ich den Umschlag des ersten Buches. „Magische Welten" steht dort in derselben goldenen Schicht, die leuchtet. Außerdem ziert ein großer goldener Drache die Vorderseite des Umschlages. Das zweite Buch sieht in der Dunkelheit identisch aus. Nur trägt es den Titel „Magische Welten 2".

Dass ich die Bücher bei den Bäumen gefunden habe, legt die Vermutung nahe, dass ich mir den Drachen und die Stimme in meinem Kopf doch nicht nur eingebildet habe. Wo sonst sollten die Bücher sonst herkommen? Auch der Titel scheint nicht von ungefähr, hat nicht Divina davon gesprochen, dass sie in die magische Welt zurückkehrt? Das alles können definitiv keine Zufälle sein.

Natürlich fängt mich meine Mutter an der Hintertür ab. Ich hätte es wissen müssen, dass sie die Neugier treibt.

„Was hast du da?", will sie wissen. Sie tut so, als würde sie das nur am Rande interessieren. Dabei weiß ich genau, dass sie es kaum noch aushält, zu erfahren, was es damit auf sich hat.

„Zwei Bücher", sage ich aber nur.

„Das sehe ich, ich bin ja nicht blöd. Aber wo kommen die her?"

„Jemand hat sie mir unter die Buchen gelegt", antworte ich wahrheitsgetreu.

„Dein Drache?"

„Kann sein."

Sie versucht einen Blick auf die Bücher zu erhaschen. Da ich sie aber mit den Armen gegen meine Brust drücke, hat sie keine Chance. Das nervt sie sichtlich.

„Ich wollte dir sagen, dass das Essen fertig ist", wechselt sie abrupt das Thema.

„Das trifft sich gut, ich habe einen Bärenhunger."

„Oder einen Drachenhunger?", neckt mich Mutter.

Ich schnaube etwas verärgert, weil sie mich schon wieder auf den Arm nimmt. Aber ich antworte nicht, ich gehe an ihr vorbei ins Haus und ziehe meine Schuhe aus. Dabei lege ich die Bücher auf die Kommode, die dort steht und diesmal schafft sie es, den Titel des ersten Buches zu lesen.

„Magische Welten."

Ich bemerke, wie meine Mutter nachdenklich wird. Vorbei ist ihr belustigter Blick, sie macht keine dumme Bemerkung. Auch während des Essens ist sie wortkarg und hängt ihren Gedanken nach. So kenne ich sie gar nicht.

„Mutter, was ist?", erkundige ich mich schließlich.

„Ich habe nur so ein Gefühl."

„Was für ein Gefühl?", bohre ich nach.

„Ich kann es dir auch nicht sagen. Meine Mutter hat nie wirklich viel darüber erzählt. Ich glaube, sie hat selbst auch nur Wortfetzen im Gespräch ihrer Eltern aufgeschnappt. Aber da war definitiv von einer magischen Welt die Rede und von magischen Wesen."

„Du glaubst allmählich auch daran, dass ich Divina gesehen habe?"

„Langsam gibt das alles einen Sinn."

„Einen Sinn?", frage ich.

„Nun ja, was nun genau dahintersteckt, dass nach so vielen Jahren ein Drache ausgerechnet zu dir Kontakt aufnimmt, das kann ich auch nicht sagen."

„Ach so, ausgerechnet zu mir. Wie soll ich das verstehen?"

„Amy, versteh mich nicht falsch. Ich wollte damit ganz bestimmt nicht sagen, dass du es nicht wert wärst. Ich meinte damit, dass da einige Generationen dazwischen liegen."

„Ich habe dich schon verstanden", beruhige ich sie. „Ich denke, ich gehe nach dem Essen hoch in mein Zimmer und beginne zu lesen. Es muss einen Grund geben, warum ausgerechnet ich diese Bücher bekommen habe."