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Magische Welten 03

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Meine Mutter stimmt mir gedankenverloren zu und als ich mich verabschiede, wünscht sie mir nur eine gute Nacht. Es kommt keine Bemerkung mehr, kein Necken und auch kein Scherz. Ich gehe auf sie zu, drücke ihr einen Kuss auf die Stirn und mache mich dann auf den Weg nach oben.

Ich schlüpfe schnell aus meinen Klamotten, springe unter die Dusche und mache mich bettfertig. Kaum bin ich unter der Decke, ziehe ich auch gleich das erste Buch zu mir heran und beginne zu lesen. Es ist die Geschichte von Aurora, einer Prinzessin. Was ich über sie lese, ist fesselnd und lässt mich in eine völlig neue Welt eintauchen, die mir magisch vorkommt. So gesehen ist der Titel des Buches schon einmal richtig gewählt.

Etwas nach Mitternacht habe ich den ersten Band verschlungen und mache mich gleich über das zweite Buch her. Mir kommt es so vor, als wäre ich süchtig. Ich verschlinge auch dieses, das von Auroras Tochter Siena erzählt. Erneut verliere ich mich in dieser fantastischen Welt und ich ertappe mich mehrfach dabei, mir zu wünschen, ich könnte diese Welt tatsächlich besuchen.

Ich habe kaum das Ende des zweiten Buches erreicht, da fallen mir auch schon die Augen zu. Es ist ein überraschend tiefer und ausgesprochen erholsamer Schlaf. Als ich am Morgen erwache, liege ich immer noch quer über dem Buch und habe vermutlich die Abdrücke des Umschlages auf meiner Wange. Der Wecker hat mich viel zu früh aus meinem Schlaf gerissen, der in dieser Nacht ausgesprochen kurz ausgefallen ist. Trotzdem bin ich herrlich ausgeschlafen, als wäre ich gestern frühzeitig zu Bett gegangen. Ich habe immer wieder von einem Drachen geträumt. Einem Drachen mit dem Namen Divina.

Ich raffe mich auf, klettere aus dem Bett und mache mich im Bad frisch. Ich muss ins Krankenhaus und bin auch schon wenig später auf den Weg zu meiner Schicht. Den ganzen Tag über verspüre ich eine erwartungsvolle Spannung. Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob ich zum Treffpunkt bei den Buchen komme, sondern was mich dort erwartet. Es muss einen Grund geben, warum ein Drache plötzlich mit mir Kontakt aufnimmt.

Der Tag zieht sich in die Länge. Gleich vier Patienten klagen heute über Atemnot. Die Luftverschmutzung wird immer schlimmer. Ich versuche ihnen zu helfen, so gut ich kann. Aber viel kann ich für sie auch nicht tun. Wenn es mit der Umweltverschmutzung und der Klimaerwärmung so weitergeht, dann wird das mit Sicherheit kein gutes Ende nehmen.

Mir fällt aber auf, dass ich heute beim Erstellen der Diagnosen super bin. Dabei kommen mir besonders meine geschärften Sinne zugute. Ich höre aus dem Herzschlag Details heraus, die ich noch gestern nie bemerkt hätte. Mir fallen Veränderungen auf der Haut oder in den Augen der Patienten auf, die ich bisher nie entdeckt hätte. Das macht meine Arbeit deutlich leichter. Ich frage mich zwar die ganze Zeit, wie es möglich ist, dass meine Sinne plötzlich so geschärft sein können. Da es aber ein Vorteil ist, bin ich froh darüber und denke nicht weiter darüber nach.

Zu Dienstschluss treffe ich mich mit meiner Freundin Gerda. Ich überlege kurz, ob ich ihr erzählen soll, was mir gestern passiert ist. Eigentlich sollte man mit seiner besten Freundin wirklich alles besprechen können. Eigentlich! Aber kann ich ihr wirklich erzählen, dass mich ein Drache besucht hat? Selbst Gerda, die von mir schon einiges gewohnt ist und sich schon lange nicht mehr wundert, was ich alles anstellen kann, würde so etwas dann doch nicht verstehen. Alles Verständnis hat irgendwann seine Grenzen. Wie kann ich von ihr verlangen, mir zu glauben, wenn ich selbst noch unsicher bin, ob das schon alles der Wahrheit entspricht und nicht doch nur eine Einbildung ist.

„Was machst du heute Abend?", erkundigt sie sich. „Gehen wir ins Kino?"

„Sei mir bitte nicht böse, aber heute habe ich keine Zeit."

„Hast du ein Date?", will sie wissen.

Ihre rechte Augenbraue schießt nach oben und ich habe ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Doch genau das möchte ich im Augenblick nicht. Wie soll ich ihr bitte erklären, dass ich mich mit einem Tier aus der Urzeit treffe? Doch was soll ich ihr sonst antworten?

„Nein, kein Date! Du weißt genau, dass ich seit Berni vorerst die Schnauze voll von Männern habe."

„Was ist es dann?"

„Es ist eine familiäre Sache, genaueres weiß ich auch noch nicht."

„Was gibt es bei euch Familiäres? Da sind doch nur noch du und deine Mutter."

„Da bin ich mir nicht mehr ganz so sicher."

„Was denn sonst noch?"

„Gerda, ich weiß doch auch noch nichts Konkretes." antworte ich etwas genervt. „Du wirst die Erste sein, der ich´s erzähle, wenn es etwas Neues gibt."

Damit gibt sie sich zum Glück zufrieden. Ich will sie nicht anlügen, aber ich könnte ihr andererseits auch nie im Leben die Wahrheit sagen. Es ist eine blöde Situation.

Wir plaudern noch etwas über Gott und die Welt, tauschen Krankenhaustratsch aus und so vergeht die Zeit. Wir machen uns schließlich auf den Weg. Als ich nach Hause komme, ist die Sonne bereits wieder kurz vor dem Untergehen. Ich eile ins Haus, grüße meine Mutter und verschwinde im Zimmer, um mich nur noch schnell umzuziehen. Ich will mir etwas Bequemes und auch etwas Wärmeres anziehen, es ist am Abend noch immer etwas kühler, auch wenn der Frühling schon lange Einzug gehalten hat.

„Ich gehe dann zum Treffpunkt", sage ich zu Mutter.

„Bist du dir sicher? Und wenn dir etwas passiert?"

„Mir passiert schon nichts."

„Du triffst dich mit einem Drachen, ist dir das klar?"

„Wenn sie gewollt hätte, dann wäre ich schon nicht mehr hier."

„Ich habe ein mulmiges Gefühl", gesteht meine Mutter.

„Mach dir keine Sorgen!", versuche ich sie zu beruhigen.

Ich habe keine Ahnung, auf was ich zugehe und natürlich bin auch ich angespannt und mache mir ein wenig Sorgen. Ist auch kein Wunder, ich treffe mich mit einem Drachen.

„Mit einem Drachenmädchen", höre ich plötzlich in meinem Kopf.

„Kannst du Gedanken lesen?"

„Deine schon", kichert sie. „Besser gesagt, ich kann sie fühlen."

„Dann kann ich nicht flunkern?"

„Nein, kannst du nicht", kichert sie.

„Und ich kann deine Gedanken nicht fühlen. Das ist unfair."

„Du wirst es sehr schnell lernen, wenn wir erst einmal verbunden sind."

„Wenn wir was sind?"

„Komm endlich her, dann erkläre ich es dir", antwortet Divina leicht genervt.

Na super, ein Drache ist von mir genervt. Das fängt ja super an. Aber ich mache mich nun definitiv auf den Weg und komme nach einiger Zeit bei den Buchen an. Lange Zeit kann ich keinen Drachen bemerken. Obwohl ich angestrengt die Gegend absuche, fällt mir nichts Ungewöhnliches auf. Erst als ich zwischen den letzten Bäumen hervortrete, erhebt sich vor mir wieder dieser Hügel.

Heute trete ich entschlossener darauf zu und blicke nach oben. Erneut öffnet Divina die Augen und ich kann sie im Halbdunkel sehen. Auch heute fällt mir wieder auf, dass es keine normalen Augen sind. Die Pupille ist oval, wie bei einem Reptil. Ist doch klar, tadle ich mich selbst. Ein Drache ist ein Reptil.

Plötzlich kommen aus zwei Löchern, die ich bis dahin gar nicht bemerkt habe, kleine, süße, weiße Wölkchen. Es müssen die Nasenlöcher sein.

„Süß", entkommt mir.

„Ich bin nicht süß", grinst Divina.

„Ich meine auch nicht dich, ich meine die Wölkchen."

„Die sind ein Zeichen dafür, dass ich mich freue, dich zu sehen."

„Genau, das tue ich auch."

„Setz dich doch dort gegen den Baum, ich muss dir einiges erklären und das könnte etwas länger dauern."

Leicht irritiert, dass mir ein Drache sagt, was ich machen soll, drehe ich mich um und blicke zum Baum. Dann entscheide ich mich jedoch anders und setze mich so, dass ich mich gegen ihre Wange lehnen kann. Ich suche unwillkürlich die Nähe zu Divina.

Sie protestiert nicht, dass ich ihrer Anweisung nicht Folge leiste. Sie lächelt sogar und verzieht dabei leicht das Gesicht.

„Was musst du mir erklären?", frage ich. Ich bin neugierig.

„Ich weiß nicht, wie ich am besten anfangen soll, damit du mir auch glaubst, was ich dir erzähle", beginnt Divina. Sie ist unsicher, wie süß.

„Ich bin nicht süß, ich weiß nur nicht, ob du mir auch glaubst, was ich zu sagen habe."

„Ich verspreche dir, ich versuche es zumindest. Schon allein die Tatsache, dass ich einem Drachen zuhöre, was er mir zu erzählen hat, ist doch ein gutes Zeichen für meine Bereitschaft", versuche ich sie zu beruhigen.

„Das ist in der Tat schon viel mehr, als ich für den ersten Tag erwartet hatte", gesteht sie. „Aber nun erst einmal zu deiner Person."

„Du willst mir erklären, wer ich bin?!", frage ich überrascht. Meine linke Augenbraue schießt in die Höhe.

„Es ist in der Tat nicht alles so, wie es scheint. Es gibt außer dieser Welt noch drei weitere. Halt! Bevor du dazwischenredest! Ich erkläre dir ja schon alles", bremst sie mich aus. Ich wollte tatsächlich fragen, was für Welten das sind und lasse die Luft nun wieder raus, die ich gerade eingesogen habe, um zu sprechen.

„Über ein Portal erreicht man ein Land, das in drei Reiche aufgeteilt ist. Bevor du jetzt etwas über dieses Portal wissen willst, ich kann das nicht erklären, aber wir können gerne hindurchfliegen."

„Hindurchfliegen?"

„Du sollst mich nicht andauernd unterbrechen! Ich bin ein Drache und du bist eine Drachenreiterin. Die logische Folge daraus ist, dass du auf mir durch dieses Tor fliegen kannst. Aber jetzt lass mich weitermachen. Es gibt in dieser anderen Welt drei Reiche. Es gibt das Schattenreich, das Drachenland und das Land der wilden Drachen", erklärt sie etwas genervt von meinen Unterbrechungen.

„Und was hat das alles mit mir zu tun?"

„Wenn du mich endlich ausreden lässt, erkläre ich es dir. Vor einigen Generationen, genau gesagt, die Ururgroßmutter deiner Mutter hieß Yara und ist Sienas Kind, das am Ende des zweiten Buches erwähnt wird."

„Diese Personen hat es tatsächlich gegeben? Das sind keine erfundenen Geschichten?"

„Das hat sich alles so zugetragen, wie es aufgeschrieben wurde. Allerdings in der Welt hinter dem Portal. Aber wie ich sehe, du hast die Bücher aufmerksam durchgelesen."

„Das habe ich."

„Dann kennst du die Geschichten und ich muss nicht alles erzählen."

„Dann ist Yara meine Urururgroßmutter, Siena ist meine Ururururgroßmutter und Aurora wäre meine ... du weißt schon."

„Genau, du bist mit den Königinnen des Schattenreiches verwandt."

„Aber warum lebe ich dann hier?"

„Yara hatte zwei Töchter. Eine davon war deine Ururgroßmutter, sie war die Erstgeborene und damit die Kronprinzessin. Allerdings wollte sie nicht den Thron besteigen und überließ ihn ihrer Schwester."

„Das klingt vernünftig. Hatte sie, wie schon Siena, die Wahl?"

„Dummerweise war Yara in diesem Punkt nicht so großzügig und offen wie ihre Mutter und Großmutter. Sie nahm es deiner Ururgroßmutter sehr übel und hat sie verbannt. Dieses Anwesen war das Einzige, was sie von ihrer Mutter erhalten hat. Yara hatte einige Jahre vorher diesen Besitz erworben, um auch in diese Welt kommen zu können. Man hatte das Portal kurz vorher entdeckt, das sich hier bei den Buchen befindet. Deshalb waren das Haus und das Gelände dahinter ideal."

„Sie wurde enterbt?"

„So könnte man es nennen. Auf jeden Fall folgte ihre Schwester Yara als Königin nach und deren Tochter dann auf sie."

„Aber warum erzählst du mir das alles?"

„Mann Amy, bist du als Notärztin auch so ungeduldig?"

„Nein, das nicht. Doch das, was du mir gerade erzählst, hat doch nichts mehr mit mir zu tun?"

„Wenn du ein wenig Geduld hättest, dann wären wir schon lang dort, wo es dich direkt betrifft", stöhnt mein Drachenmädchen. Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass ich von mir auch genervt wäre.

„Die letzte Königin hat eine Tochter, die etwa so alt ist wie du. Sie folgte ihrer Mutter auf den Thron und alles schien zu passen. Doch kurz nach der Krönung lernte sie einen Mann kennen, heiratete diesen überstürzt und hat es bereits wenig später schrecklich bereut. Dieser Mann hat versucht sie zu vergiften."

„Versucht?"

„Es ist ihm nicht ganz geglückt. Serina hat den Anschlag zwar überlebt, ist aber in einer äußerst schlechten körperlichen Verfassung. Der Tod ist leider nur noch eine Frage der Zeit. Sie ist kaum noch in der Lage, ihr Amt auszuführen und sucht nun nach einer Nachfolgerin."

„Warum hat ihr Mann versucht sie zu vergiften und was ist aus ihm geworden?"

„Er hatte es einzig und allein auf den Thron abgesehen. Er wollte Serina aus dem Weg räumen, selbst König werden und eventuell eine neue Frau zur Königin machen, eine Frau, die ihm untertan gewesen wäre und nicht eine Frau, die über ihm stand. Aber er war bei der Ausführung seiner Tat doch nicht so klug. Sein Frevel wurde aufgedeckt."

„Lebt er noch?"

„Das Volk hat ihn übel zugerichtet, als er fliehen wollte. Er hat aber überlebt und wartet im Kerker auf das Urteil."

„Wer soll dieses Urteil fällen? Die Königin?"

„Nein, du!"

„Ich? Warum ich?"

„Weil du die neue Königin wirst."

„Ich? Wie kommst du auf so einen Blödsinn? Ich bin doch keine Königin."

„Serina ist Einzelkind und auch aus den anderen Zweigen ihrer Familie gibt es niemand, der ihr nachfolgen könnte. Du stammst zwar aus einer Seitenlinie ab, bist aber eine direkte Nachfahrin von Königin Yara und damit nicht nur die Erste in der Erbfolge, sondern auch die Einzigste."

„Was ist mit meiner Mutter? Sie ist doch vor mir in der Erbfolge?"

„Yara hat damals nicht nur ihre Erstgeborene, sondern auch ihre Nachkommen bis in die vierte Generation vom Thron ausgeschlossen. Du bist die erste, die von diesem Verbot nicht betroffen ist. Deshalb kannst nur du Anspruch auf den Thron erheben."

„Anspruch auf den Thron erheben? Als ob ich Anspruch erheben würde. Wenn ich dies mit dem, was ich über Aurora gelesen habe, vergleiche, dann kann es nie und nimmer ein Anspruch sein."

„Wow, die Prophezeiung scheint zuzutreffen."

„Was für eine Prophezeiung?"

„Die Gelehrten haben in den Büchern geforscht und eine Prophezeiung gefunden. Ihr zufolge wird es zu einem Moment kommen, wo eine junge Frau Königin wird, die nicht in der direkten Erbfolge liegt, die aber in einer unglaublich schwierigen Zeit das Reich und das Volk durch den Sturm der Ereignisse führen wird. Sie wird große persönliche Opfer bringen, sie wird aber auch klug und bescheiden den Auftrag übernehmen."

„Und wieso kommt ihr auf mich?"

„Du bist die einzige in der Erbfolge, sollte ich vergessen haben, dies zu erwähnen."

„Ja, das habe ich verstanden. Aber warum soll ich die junge Frau aus der Prophezeiung sein?"

„Weil die Situation stimmt und weil ich sehe, dass du sehr bescheiden bist."

„Darf ich mir die Sache erst einmal überlegen?"

„Natürlich, es wird dich niemand zu etwas zwingen. Sei dir aber dessen bewusst, dass es von dir abhängt, ob die Welt bestehen bleibt."

„Übertreibst du da nicht ein wenig?"

„Nein, ganz bestimmt nicht. Unsere Gelehrten sind sich sicher, dass die Prophezeiung in Erfüllung gehen wird."

„Wenn dem so ist, dann habe ich doch keine Wahl. Die Prophezeiung sagt es ja schon, dass ich den Thron besteigen werde."

„So gesehen hast du auch wieder recht. Aber trotzdem wird dich niemand zwingen."

Kapitel 3 -- Der Besuch

Ich schlendere über die Wiese zurück zum Haus. Ich habe mich noch sehr herzlich von Divina verabschiedet. Sie ist mir wichtig geworden. Wobei! Ehrlich jetzt? Mir ist ein Drache an Herz gewachsen. Ich bin 25 Jahre alt, Ärztin und glaube an Drachen, wieder an Drachen? Das kann ich doch niemandem erzählen.

Sie hat mir berichtet, ich könne sie über Gedanken jederzeit rufen, sobald ich eine Entscheidung getroffen oder noch Fragen hätte. Es ist für mich beruhigend, dass ich offenbar jederzeit Kontakt zu ihr aufnehmen kann und damit mit meinen Fragen nicht allein bin, aber bei der Entscheidung selbst hilft es mir nicht.

„Mutter, bist du noch wach?", rufe ich ins Haus.

„Ja, mein Kind. Ich bin im Wohnzimmer."

Ich gehe zu ihr, bleibe in der Tür stehen und überlege, wie ich ihr schonend beibringen kann, was ich gerade erfahren habe. Dann entscheide ich mich, ihr einfach die Wahrheit zu erzählen und mache mich auf zur Couch, auf die ich mich setze.

Dann lege ich los. Mutter hört mir aufmerksam zu und unterbricht mich nicht ein einziges Mal. Als mir das bewusst wird, schäme ich mich, weil ich Divina so oft dazwischen gequatscht habe.

Als ich schließlich geendet habe, sagt sie erst einmal gar nichts. Sie schaut nachdenklich in meine Richtung. Ich habe jedoch den Eindruck, sie schaut durch mich hindurch.

„Mutter, sag doch etwas!", ersuche ich sie.

„Was soll ich da sagen? Das klingt alles fürchterlich unglaublich. Aber du hast mit einem Drachen darüber gesprochen und das allein schon übersteigt jede Vorstellungskraft. Daraus schließe ich, dass das, was dir Divina erzählt hat, auch stimmt."

„Das ist wohl wahr. Ich glaube ihr auch. Ich mag sie jetzt schon sehr. Aber was soll ich tun?"

„Lass dich doch von Divina ins Schattenreich bringen, schau dir die Sache an, sprich mit Serina und triff dann in aller Ruhe eine Entscheidung. So wie du erzählst, wäre es einerseits eine wichtige Aufgabe, aber andererseits auch eine große Last für dich. Da würde ich gut abwägen, wie ich mich entscheide."

„Es wäre für mich eine tolle Herausforderung."

„Du bist Notärztin geworden, um Menschen zu helfen. Auch da nimmst du einiges auf dich. Aber du hättest hier ein überschaubares Leben. Du kannst dir in etwa vorstellen, was dich erwartet. Was jedoch dort auf dich zukommt, kann keiner sagen."

Ich schaue meine Mutter einige Zeit lang überlegend an. Sie hat wie immer den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich sollte mir die Sache vor Ort anschauen und erst danach alles gegeneinander abwägen. Ich stehe auf, umarme meine Mutter, bedanke mich und wünsche ihr eine gute Nacht.

Noch während ich im Bett liege und grüble, fasse ich den Entschluss, dass ich es genau so machen werde. Ich werde ins Schattenreich reisen. Ein wenig Angst habe ich vor allem vor der Art, wie ich diese Reise antreten soll. Doch das werde ich schaffen.

„Divina, hörst du mich?"

„Natürlich höre ich dich."

„Kann ich mit dir ins Schattenreich reisen und mir die Sache erst einmal anschauen, mit Serina sprechen und andere Leute treffen, die wichtig sind?"

„Natürlich kannst du. Wollen wir morgen fliegen?"

„Ich muss morgen ins Krankenhaus und Urlaub beantragen. Ich hoffe, dass dies so kurzfristig möglich ist."

„Gib mir einfach Bescheid!"

„Gute Nacht, mein Drachenmädchen."

„Gute Nacht, mein Menschenmädchen."

Divina kichert sogar. Sie scheint ein Scherzkeks zu sein. Aber ich finde sie unglaublich sympathisch und bin froh, dass sie mein Drache ist.

In dieser Nacht schlafe ich herrlich. Ich träume von der magischen Welt und von Gordin. Ich frage mich, ob er noch lebt. Seit den Zeiten, über die die Bücher berichten, sind nun doch etliche Jahre ins Land gezogen. Dennoch scheint er alt werden zu können. Ich glaube mich zu erinnern, irgendwo gelesen zu haben, dass Magierblut in seinen Blutbahnen fließt. Das könnte der Grund dafür sein, dass er sehr alt werden kann, älter als Menschen.

Am nächsten Morgen mache ich mich gleich auf den Weg in die Personalabteilung. Zum Glück befindet sich im Augenblick kein anderer Arzt in Urlaub und so kann ich eine Woche freinehmen. Gleich morgen werde ich also in eine neue Welt vorstoßen. Oder womöglich bereits heute Abend, wer weiß.

„Du warst in der Personalabteilung?", empfängt mich meine Freundin Gerda.

„Ich muss mir eine Woche frei nehmen", erkläre ich geradeheraus.

„Urlaub? So kurzfristig?", erkundigt sie sich etwas skeptisch.

„Familiäre Gründe."

„Was denn für familiäre Gründe?", bohrt sie nach.

„Ich habe gestern erfahren, dass ich eine entfernte Verwandte habe, die meine Hilfe braucht und nun möchte ich zu ihr fahren, um mir ein Bild von ihrer Lage zu machen."

„Sie braucht deine Hilfe? Ist sie krank?"

„Das auch."

„Und was sonst noch?"