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Magische Welten

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Ein etwa 20 Meter langer Tunnel führte in eine wunderbare Höhle. Sie war bis auf den Boden mit Bergkristallen ausgekleidet. Diese funkelten und brachen das Licht und warfen die vielen bunten Strahlen. Damit war erklärt, woher die Farben kamen, aber das Licht hatte ganz offensichtlich einen magischen Ursprung. Es war draußen stockdunkle Nacht und nur ein schwacher Mond schien vom Himmel.

„Wunderschön", hauchte Aurora.

Obwohl sie immer noch nicht wusste, woher das Licht kam, bewunderte sie dieses fantastische Spiel aus Licht und Farben. Sie fühlte sich, als stünde sie mitten in einem Panoptikum. Sie hatte selten so etwas Schönes gesehen. Langsam drehte sie sich im Kreis und ließ die Pracht auf sich wirken.

„Willkommen Eure Hoheit"

Aurora blickte sich erschrocken um. Sie hatte nicht erwartet, dass sie angesprochen würde. Sie hatte bisher niemanden entdecken können und deshalb angenommen, allein zu sein. Als sie nun in die Richtung blickte, aus der sie die Stimme vernommen hatte, stand dort ein alter, etwas schmächtiger Mann. Er hatte eine spitz zulaufende Mütze auf dem Kopf. Sie war blau und hatte weiße Sterne drauf. Sein Bart war schneeweiß, lang und lief ebenfalls spitz zu. Seine Kleidung glich einem purpurroten Pyjama aus einem etwas festeren Stoff und statt der Schuhe trug er etwas ähnliches wie Pantoffeln.

„Ich sehe aus, wie ein Magier aus deinem Buch mit den Kindergeschichten", stellte er schmunzelnd fest.

„Wenn ich ehrlich bin, ja", gestand Aurora. Dabei musste sie unwillkürlich lächeln. Er erinnerte sie tatsächlich an ihre Kindheit.

Um ihn herum schwebte eine Art Dunst, als sei er in eine zarte Wolke gehüllt. Die Prinzessin konnte nicht glauben, was sie da sah. Schon die anderen magischen Wesen waren, als seien sie einem Kinderbuch entsprungen. Fehlte eigentlich nur noch, dass ihr ein Einhorn über den Weg lief. Als Kind hatte sie sich immer wieder Geschichten von diesen Wesen vorlesen lassen. Sie hatte die Feen und die Elfen geliebt, hatte sich vor den Vampiren und Werwölfen gefürchtet und fand den Magier immer lustig. Aber dieser lustige Kauz überstieg alles. Er entsprach voll und ganz ihrer kindlichen Vorstellung, die sie geglaubt hatte, abgelegt zu haben. Als Jugendliche hatte sie natürlich nicht mehr an diese Wesen geglaubt. Die letzten Tage hatte sie jedoch einsehen müssen, dass es Elfen, Vampire und die anderen doch gab. Warum sollte es nicht auch einen Magier geben.

„Warte, bis du einen Drachen gesehen hast. Dann erst bist du überfordert", grinste der Mann.

„Nicht du auch noch", stöhne Aurora.

„Ja, auch ich kann Gedanken lesen, wie Gordin. Seine Mutter hatte Magierblut in sich und hat ihm diese Fähigkeit weitervererbt."

„Wer bist du?"

„Ich bin Horx, der mächtigste Magier des Landes."

„Leara hat zwar irgendwann die Magier erwähnt, glaube ich. Aber sie hat dich mir nicht vorgestellt", überlegte Aurora laut. Bei Horx hatte es ohnehin keinen Sinn, es nicht auszusprechen.

„Du musst wissen, dass Magier und Feen sich nicht sonderlich gut verstehen."

„Aha, und warum das?"

„Oh, das ist eine alte und lange Geschichte um verschmähte Liebe und zickige Frauen."

„Hüte deine Zunge", grinste Aurora. „Ich bin auch eine Frau."

„Du bist eine Königin", versuchte er zu retten, was zu retten war.

„Ich bin eine Prinzessin und manchmal sehr zickig", stellte Aurora klar. „Zumindest in meinem früheren Leben."

Nun musste Horx laut lachen. Der alte Mann schüttelte, sein gesamter Körper bebte und er musste sich den Bauch halten. Tränen rannen über seine Wangen.

„Du bist lustig."

„Ich bin ehrlich", stellte Aurora klar.

Der Magier war ulkig, aber er gefiel ihr. Sie erschrak jedoch, als sie sich umblickte und der Ausgang wie durch Zauberhand verschwunden war. Sie saß hier fest und keiner wusste, wo sie war.

„Hast du mich entführt?"

„Weil der Ausgang verschwunden ist? Nein, ich wollte nur sicher gehen, dass du nicht schreiend vor mir davonläufst."

„Sollte ich?"

„Du hast es selbst gesagt, ich bin lustig. Manche hingegen finden mich komisch und andere sogar durchgeknallt."

„Ich finde dich liebenswert", stellte sie fest.

„Das klingt süß."

„Warum aber hast du mich hierhergelockt?"

„Ich wollte dir zeigen, dass wir Magier nicht nur Spinner sind, sondern nützlich."

„Ich habe dich nie für einen Spinner gehalten", stellte Aurora klar.

„Das weiß ich. Ich sehe ja, was du denkst. Aber vorher kannte ich dich noch nicht so gut. Aber lassen wir das. Du hast sicher viele Fragen an deine Eltern."

„Oh ja, das habe ich. Die müssen aber wohl noch warten, bis ich tot bin und sie wiedersehe."

„Nicht unbedingt. Ich kann es möglich machen, dass du mit ihnen sprichst."

„Das kannst du?"

„Ich bin ein mächtiger Magier", antwortete er etwas bissiger als er wollte. Wenn man seine Fähigkeiten anzweifelte, konnte er durchaus beleidigt reagieren.

„Jetzt bist du zickig", grinste Aurora. „Aber so war das nicht gemeint. Ich habe nicht an dir gezweifelt, ich war erstaunt."

„Na gut, diesmal hast du dich im letzten Moment noch gerettet", lächelte er schon wieder. „Folge mir. Wir sollten euer Zusammentreffen in einer weniger kühlen Umgebung stattfinden lassen."

Horx drehte sich um und als er auf die Wand zuging, erschien dort wie aus dem Nichts eine Tür, die sich auch noch von alleine öffnete. Zuerst ging Horx hindurch, Aurora folgte ihm, ohne zu zögern. Hinter ihr schloss sich die Tür wieder und verschwand.

„Ohne dich bin ich hier drinnen wohl verloren", stellte die Prinzessin fest.

„Wegen der Türen?", meinte der Magier. Dabei zog er eine Augenbraue nach oben. „Man muss nur wissen, wo sie sind, dann erscheinen sie auch dir."

„Aber wo sind sie?", antwortete Aurora.

Aus Horx Kehle kam nur ein amüsiertes Kichern. Er war ein Schelm, das war der Prinzessin bewusst und als sie das dachte, kicherte er erneut.

„Wirst du jemals erwachsen", grinste sie.

„Man soll sich einen Teil seines kindlichen Wesens behalten. Warum glaubst du, dass ich mich so kleide?"

„Kleidest du dich, wie die Magier in den Kinderbüchern dargestellt werden oder sind die so dargestellt, weil du dich so kleidest?", wollte Aurora wissen.

„Wer war zuerst da, die Henne oder das Ei", lachte Horx laut auf.

Da wusste die Prinzessin, dass sie auf diese Frage wohl nie eine Antwort bekommen würde. Aber das war im Grunde ja auch nicht wichtig. Sie folgte dem komischen Kautz in ein Kaminzimmer.

„Das mit dem komischen Kautz habe ich mitbekommen", grummelte Horx und brachte Aurora damit zu lachen.

„Immer ist es auch nicht gut, wenn man die Gedanken der anderen lesen kann", grinste sie breit.

„Mpf", machte Horx nur.

Er bot ihr mit einer Handbewegung an, in einem der Sessel Platz zu nehmen. Dann ging er, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Natürlich hatten auch hier die Türen die Angewohnheit zu erscheinen und zu verschwinden. Damit war Aurora allein in einem Raum ohne Ausgang. Das war am Anfang etwas mulmig, aber sie sagte sich, dass sie wusste, wo die Tür sein sollte und, wenn das stimmte, was Horx zum Erscheinen der Tür gesagt hatte, dann würde sie den Raum problemlos verlassen können.

Die Tür war allerdings ihr kleinstes Problem. Sie beschäftigte vielmehr das Angebot des alten Mannes, ein Treffen mit ihren Eltern arrangieren zu können. Sie überlegte, wie so etwas möglich sein sollte. Ihre Eltern waren tot und damit in einer anderen Welt.

„Hallo Liebes!", hörte sie die Stimme ihrer Mutter.

Ein kalter Schauer und ein wohliges Gefühl menschlicher Wärme liefen ihr zugleich über den Rücken. Sie schaute sich um und tatsächlich. In zwei der anderen Sessel saßen ihre Eltern. Aurora sprang sofort auf und lief auf die beiden zu. Auch ihre Mutter erhob sich und schloss sie in eine herzliche Umarmung.

„Mutter!", hauchte Aurora gegen den Hals der Frau. Sie musste die Tränen wegblinzeln, die sich zu bilden drohten. Ihre Augen mussten ganz feucht sein.

„Mein Schatz, wie geht es dir?", wollte ihr Vater wissen. Auch er war aufgestanden und Aurora zog nun ihn in eine feste Umarmung.

„Wie soll es mir schon gehen? Mein ganzes Leben steht Kopf."

„Aber du hast viele mächtige Freunde gefunden", gab ihre Mutter zu bedenken. Stolz klang in ihrer Stimme mit. „Du bist eine Kämpferin geworden."

„Du machst es richtig und gehst mit offenem Herzen durch die Welt", ergänzte ihr Vater.

„Wollen wir uns setzen?", meinte ihre Mutter. „Du hast sicher einige Fragen an uns."

„Das habe ich. Viele sogar!"

Die drei setzten sich wieder und Aurora überlegte, was sie zuerst fragen sollte. Doch eigentlich hatte sie nur eine Frage.

„Habt ihr von meinen magischen Fähigkeiten gewusst und, dass ich auserwählt bin?"

Die beiden blickten sich an. Sie verstand, dass ihre Mutter es ihrem Vater überlassen wollte, zu antworten. Dieser nickte und begann zu sprechen.

„Wir wussten, dass du magische Kräfte haben würdest. Das war klar, da du unsere Tochter bist und damit aus einer der mächtigsten Familien stammst. Wir wussten allerdings nicht, wie mächtig du bist und wir hatten keine Ahnung, dass du für Großes bestimmt bist."

„Ich soll das Reich retten."

„Nicht nur das Reich. Du sollst das Böse besiegen oder zumindest zurückdrängen", sagte ihre Mutter. „Es tut mir im Herz weh, dass uns nicht mehr die Zeit geblieben ist, dich auf diese schwierige Aufgabe vorzubereiten. Wir haben von der Legende gewusst, das ja. Wir hatten aber keine Ahnung, dass sich diese auf dich beziehen würde."

Aurora blickte ihre Eltern nachdenklich an. Sie glaubte ihnen, dass sie nichts von ihrer Bestimmung gewusst hatten.

„Aber warum habt Ihr mir die magischen Kräfte verheimlicht. Ihr habt mir nie gesagt, dass ich welche besitze."

„Wir wollten es dir an deinem 18. Geburtstag sagen. Aber dazu sind wir leider nicht mehr gekommen", erklärte ihr Vater.

„Aber warum erst dann?"

„Weil es vorher sowieso keinen Sinn gehabt hätte, da sich die Kräfte erst dann zeigen."

„Was wäre gewesen, wenn wir dir als kleines Mädchen gesagt hätten, dass du irgendwelche Kräfte erhalten würdest. Wir wussten ja nicht welche. Du wärst vermutlich vor Neugier ausgeflippt und hättest und keine Ruhe mehr gelassen", ergänzte ihre Mutter.

„Vermutlich schon", lächelte Aurora. „Das hätte mich vermutlich wahnsinnig gemacht."

„Wir wollten dir eine unbeschwerte Kindheit ermöglichen", versicherte die Mutter.

„Das habt ihr", antwortete Aurora gerührt. „Und dafür bin ich Euch sehr, sehr dankbar."

„Vor dem war kommt, können wir dich leider nicht beschützen, aber wir sind immer da und haben ein wachsames Auge auf dich", versicherte die Mutter.

Die Prinzessin stand auf, setzte sich auf die Lehne des Sessels, in dem ihre Mutter saß und lehnte ihren Kopf gegen ihre Schulter.

„Ich bin so froh, dass ich Euch noch einmal sehen darf. Wir hatten an jenem Tag keine Zeit, uns zu verabschieden und das lag mir bisher sehr auf der Seele."

Tränen rannen über ihre Wangen und auch von ihrer Mutter waren Geräusche zu hören, als würde sie ein Schluchzen unterdrücken.

„Wir müssen jetzt gehen. Horx hat seine Kräfte beinahe aufgebraucht. Wir sind ihm unendlich dankbar, dass er uns den Weg in deine Welt noch einmal gezeigt hat und dieses Zusammentreffen möglich gemacht hat", sagte die Mutter.

Sie stand auf, der Vater tat es ihr gleich. Aurora umarmte noch einmal ihre Eltern ganz fest und gab ihnen einen Kuss auf die Wangen. Dann verblassten die beiden und waren schließlich ganz verschwunden. Zurück blieb Aurora, die Tränen in den Augen und ein Lächeln auf den Lippen hatte.

„Ich lieb Euch von ganzem Herzen!", flüsterte sie.

Aurora war sich sicher, dass ihre Eltern sie noch hören konnten. Gedankenverloren und in Erinnerungen schwelgend ließ sie sich in den Sessel fallen, in dem sich noch bis vor wenigen Minuten ihre Mutter befunden hatte. Sie hatte das Gefühl, noch immer deutlich die Wärme zu spüren, welche ihre Mutter hinterlassen hat.

Einige Zeit später erschien die Tür und Horx betrat wieder den Raum. Er wirkte älter, müde und ausgelaugt. Spätestens jetzt wurde Aurora klar, welche Anstrengung es ihn gekostet haben muss, dieses Treffen zu arrangieren.

„Du bist ein echter Freund", sagte sie. „Du hast mir etwas gegeben, das ich nie für möglich gehalten hätte und dafür danke ich dir aus ganzem Herzen."

„Dazu sind doch Freunde da", meinte er bescheiden.

Aurora ging auf ihn zu und umarmte ihn. Dieser alte Mann war für sie nicht mehr nur schrullig und ein wenig eigen. Er war ein echter Freund, der ihr ein unglaublich wertvolles Geschenk gemacht hat.

„Es freut mich, dass ich dir damit so viel geben konnte."

„Das hast du", versicherte die Prinzessin.

Sie standen noch einige Zeit in der Umarmung da. Dann löste sich Aurora und blickte dem schrulligen Mann tief in die Augen. Die ihren waren so voller Dankbarkeit, dass dem alten Mann eine Träne der Rührung die Wange hinunterrann. Dann räusperte er sich.

„Ich sollte dich nun zurückbringen. Sei dir aber dessen bewusst, dass ich auf deiner Seite bin und du mich immer rufen kannst, wenn du mich brauchst."

„Aber wo finde ich dich?"

„Ich bin dort, wo du mich brauchst. Ein Gedanke genügt und ich komme."

Erneut umarmte die Prinzessin den Magier. „Danke", hauchte sie ihm ins Ohr. Dann lösten sie sich und die Stimmung veränderte sich. Sie war nicht mehr so gefühlsbetont, eher sachlich. Horz brachte sie zurück in die große Halle, verabschiedete sich mit einem Händedruck und gleich darauf erschien der Tunnel. Nur, als sie dabei war, den Tunnel zu betreten, drehte sie sich noch einmal um und warf Horx einen liebevollen Blick zu. Er schenkte ihr ein warmes Lächeln, in dem sie Zuneigung und Respekt erkennen konnte.

Wie von selbst fand Aurora zurück. Sie musste sich gar keine Gedanken machen, wie sie gehen müsste. Ihre Füße schritten voran, wie von allein setzten sie sich einer vor dem anderen und wenig später kam sie aus dem Wald und sah auch schon die Hütte. Sie kehrte zurück in ihr Zimmer und legte sich wieder ins Bett.

Kapitel 9 -- Horus der Drache

Als Aurora am Morgen aus dem Schlaf erwachte, war die Sonne kurz davor, sich über den Horizont zu schieben. Es war also noch zeitig in der Früh, aber der Tag war am Erwachen. Sie beschloss deshalb, aufzustehen. Es zog sie hinaus an die frische Luft. Sie musste und wollte den Kopf wieder klarkriegen, bevor sie das Training mit Gerivin fortsetzte. Heute standen wieder Schwertkampf und Bogenschließen auf dem Programm. Beides beherrschte sie schon ganz passabel, wollte sich aber noch weiter verbessern.

Nach einer kurzen Morgentoilette ging sie vors Haus. Auf der Wiese, etwa 100 Meter von ihr entfernt stand Gerivin, der dort irgendwelche Kräuter zu sammeln schien. Er hatte ihr den Rücken zugewandt und noch gar nicht bemerkt, dass sie hinter ihm langsam die Wiese hinunterschlenderte.

„Was ist das?", hörte sie Gerivin plötzlich sagen. Er sprach mit sich selbst.

Da bemerkte auch Aurora einen Schatten, der über die Wiese strich. Er wurde schnell größer und als sie nach oben blickte, glaubte sie, ihren Augen nicht trauen zu können. Weit oben kreiste ein riesiges Tier, das von der Silhouette her einem Drachen glich. Aber Drachen gab es doch keine mehr!

Die Prinzessin versuchte sich einzureden, dass es eine Täuschung sei. Dass da oben ein großer Vogel kreist und nur das Licht so ungünstig fällt, dass es aussieht, als sei es ein Drache. Es könnte ja auch sein, dass ihr Geist etwas verwirrt war. Nach den Gesprächen gestern mit Leara, den Treffen mit Horx und ihren Eltern sowie dem Traum in der Nacht zuvor, wäre es nicht ungewöhnlich, wenn sie sich einbilden würde, etwas zu sehen, was es gar nicht geben konnte.

In dem Moment drehte sich Gerivin um und bemerkte sie. Aurora konnte deutlich sehen, dass er die Augen weit aufriss. Panik lag darin.

„Lauf, lauf ins Haus!", brüllte er.

Doch die Prinzessin war viel zu fasziniert, um zu gehen. Der Schatten kam immer näher und näher, er wurde immer größer und imposanter. Schon bald war ihr klar, es konnte definitiv kein Vogel sein. So einen großen Vogel gab es einfach nicht. Immer mehr reifte in ihr die Gewissheit, dass es nur ein Drache sein konnte. So absurd dies auch sein mochte, Aurora hatte einfach keine andere Erklärung für das, was sie dort am Himmel sah.

Gerivin, der sich offenbar dessen bewusstwurde, dass Aurora wie gebannt in den Himmel blickte und sich nicht in Sicherheit bringen würde, setzte sich in Bewegung und wollte auf sie zu rennen. Von oben kam jedoch ein fürchterliches Brüllen und der Drache stürzte beinahe im freien Fall herab auf die Erde. Er setzte gekonnt zwischen der Prinzessin und Gerivin auf und drehte sich dem jungen Mann zu.

Aurora war fasziniert von diesem Wesen. Es war gewaltig. Der Drache überragte das zweistöckige Haus und war doch ausgesprochen grazil gelandet. Er strotzte sichtlich vor Kraft. Sie war einfach hin und weg. Auch, wenn sie eigentlich Angst haben müsste, spürte sie eine unglaubliche Anziehung und hatte einen unbändigen Drang, die Nähe dieses majestätischen Tieres zu suchen.

Der Drache jedoch stellte sich auf die Hinterbeine und fauchte den völlig eingeschüchterten Gerivin hasserfüllt an. Der junge Mann zitterte am ganzen Körper und warf sich zu Boden. Er schlang die Arme um seinen Kopf und blieb reglos liegen. Er schien nur darauf zu warten, dass seine letzte Stunde schlug. Er hatte sich aufgegeben. Dichter Rausch quoll bereits aus dem weit aufgerissenen Maul des Monsters und er wusste instinktiv, dass ihn gleich ein gewaltiger Feuerstrahl treffen und töten würde.

„Aurora, bring dich in Sicherheit", rief er ihr noch schnell zu. Dann schloss er die Augen und wartete voller Angst auf den Tod.

„Drache, lass den Blödsinn!", brüllte hingegen Aurora. „Gerivin ist ein Freund und wird dir nichts tun."

Sie konnte selbst nicht sagen, warum sie dies dem Drachen zurief. Sie wollte vermutlich einfach etwas unternehmen und versuchen, ihn zu besänftigen. Angst vor dem wunderschönen Tier hatte sie trotz dessen Drohgebärden nicht. Diese galten ja auch Gerivin. Sie hatte aber auch nicht das Bedürfnis, fliehen zu wollen. Sie nahm in seiner Nähe sogar ein sehr angenehmes Gefühl wahr. Das war für sie unerklärlich, aber es war einfach so.

Mit Bedacht ließ sich der Drache wieder auf die Vorderbeine sinken und drehte sich zu Aurora um. Er blickte ihr in die Augen und die Prinzessin erkannte, dass es der Drache aus dem Traum war. Er hatte exakt denselben roten Streifen im Gesicht. Für Minuten blickten sie sich einfach nur in die Augen und Aurora spürte, wie sich eine Verbindung zum Drachen aufbaute. Sie fühlte, was er fühlte. Er war glücklich und hätte sie am liebsten umarmt. Das konnte sie deutlich spüren. Er fühlte sich auch irgendwie schuldig, weil er Gerivin angreifen wollte und Aurora ihn hatte zurückpfeifen müssen. Sie wusste nicht warum, aber sie spürte, was der Drache fühlte.

„Meine Königin. Ich hatte nicht Angst um mich, ich hatte Angst um Euch", hörte sie eine Stimme in ihren Gedanken.

Diese war dunkel und strahlte Macht aus, unbändige Macht. Gleichzeitig war sie aber auch äußerst angenehm. Ihr kam es so vor, als würde sie ihre Seele streicheln. Ein Gefühl, wie sie es noch nie zuvor gespürt hatte.

„Bist du das, Drache?", versuchte auch sie in Gedanken zu sprechen. Sie hatte ja keinen blassen Schimmer, dass so etwas möglich sei und vor allem auch nicht, wie es funktionieren sollte. Doch es gelang.

„Ja, meine Königin, das bin ich. Es freut mich, dass ich endlich meine Seelenverwandte gefunden habe und sich die Prophezeiung erfüllt."

„Ich bin deine Seelenverwandte? Wie kann das sein?"

„Ihr seid die junge und mutige Frau, der die Aufgabe zukommt, die Verbindung zwischen den Menschen und den Drachen wieder zu festigen."

„Ich? Wie komme ich dazu?"

„Diese Aufgabe war Euch schon von Anbeginn der Zeit zugedacht worden."

„Lass das mit dem Euch und so. Ich bin Aurora und du?"

„Ich bin Horus, das bedeutet `einer Königin würdig`"

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