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Marion: Roxys Geheimnis 18

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„Ja danke, sehr gern" bedankte sich Marion höflich. „Obwohl, das mit der Verlobung ist ganz und gar nicht offiziell." Sie schaute Roxy tadelnd an. „Mein kleiner Engel überrascht mich heute Abend wohl am laufenden Band."

„Tut mir leid, Mari-Schatz. Klar sind wir noch nicht offiziell verlobt. Aber ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass dein Antrag bald noch kommt" grinste sie verschmitzt.

Zwischenzeitlich kam Lotta mit einer Flasche Prosecco und drei Sektgläsern. Die recht sexy gekleidete, hübsche junge Frau schenkte geschickt ein, während sie Roxy einen flüchtigen Kussmund zuwarf. Diese erwiderte ihn kurz, nahm Marion die Jacke ab und schob ihr einen Barhocker hin, um sich dann selbst einen zu suchen.

„Du musst Marion sein. Freut mich" lächelte Lotta ihr zu, als sie die vollen Gläser verteilte.

„Ja, richtig. Und dein Name ist Lotta? Ich hoffe, ich kann's mir merken. Ich habe heute Abend schon so viele neue Gesichter und Namen kennengelernt, wie in den letzten beiden Jahren zusammen nicht."

„Mach dir keinen Kopf, ich kann mir Namen auch schlecht merken, Manuela." Sie grinste schelmisch.

Marion lachte auf. „Geht klar, Lisa." Sie grinste zurück.

„Gut gekontert, Margit!"

„Danke, äh... Lotta?"

„Lotta?" Die Angesprochene legte sich nachdenklich den Zeigefinger auf die Lippen und schaute nach oben. „Wer war jetzt noch mal Lotta? Egal. Zum Wohl, ihr Drei!"

Lotta lachte Marion noch mal fröhlich an und sprach Rosie dann etwas direkt ins Ohr. Diese nickte kurz und meinte, dass sie gleich komme, aber noch mit den beiden anstoßen wolle. Lotta ging daraufhin zurück zum anderen Ende der Theke.

„Also, dann -- auf unser neues Traumpaar!" Roselie hob ihr Sektglas, schaute zuerst Marion in die Augen, um dann mit ihr anzustoßen. „Stößchen!"

Nachdem sie die Prozedur mit Roxy wiederholt hatte, und alle am kühlen Sekt genippt hatten, meinte Rosi:

„Ihr zwei Turteltäubchen müsst mir unbedingt erzählen, wie ihr euch kennengelernt habt. Und du Marion, von dir will ich genau wissen, was du so machst. Also beruflich meine ich." Bevor Marion etwas sagen konnte, flötete sie aber auch schon „...aber alles ein andermal, meine Lieben, ich muss mich da um ein kleines Problemchen kümmern."

„Du Rosi..." hakte Roxy schnell ein, bevor die bunte Transe davon stöckelte. „... wir würden gern was essen. Kannst du bitte Jean-Luc ausrichten, wir hätten gern zweimal sein Baguette Special und zwei Salatteller? Das wär lieb!"

„Okey Dokey, meine Süße. Dann geht schon mal hoch. Viel Spaß und wir sehen uns." Mit einer als Winken zu beschreibenden Handbewegung verschwand sie durch eine Tür, die wohl in die Küche führte.

Marion beugte sich jetzt zu Roxy. „Du sag mal, das ist doch ein Kerl, oder?"

„Das kommt jetzt ganz drauf an, was du unter Kerl verstehst. Hier fühlt sie sich auf jeden Fall als eine Sie."

„Na, mit Kerlen meine ich halt welche, die ein Dings da unten... na du weißt schon..."

„Du meinst, wer einen Schwanz in der Hose hat, ist auch ein Kerl? Rosie hat einen, aber sie ist trotzdem kein Kerl. Ich weiß nur nicht, ob Transgender oder Transvestit."

Marion stutzte. „Was ist denn da der Unterschied?"

„Na, das..." Roxy stockte und setzte sich zurück um wieder offen zu reden. „Wie wär's, wenn wir schon mal hoch gehen, da können wir uns besser unterhalten."

„Gern. Du hast mir ja so einiges zu erklären!"

Roxy machte eine fragende Grimasse. „Hä, was denn alles?"

„Na, warum du fließend norwegisch sprichst. Wovor dieser Alex mich beschützen soll. Warum du behauptest, wir seien verlobt. Und vor allem: wann hattest du vor, mir zu sagen, dass das hier eine Lesbenbar ist?"

Roxy grinste in ihrer unnachahmlichen Art. „Gar nicht. Ich wusste, dass du da selbst drauf kommen würdest. Bist ja 'n kluges Köpfchen!"

„Ach, du Luder, du..." Roxy lächelte wieder einmal ganz unschuldig, dass Marion den kurz aufkommenden Ärger gleich wieder vergaß. „...süßes Luder" Sie musste einfach ihr hübsches Gesicht umfassen und ihr einen Schmatz geben.

Roxy fasste ihr sogleich ins Haar, um ihren Kopf zu halten und schob ihr völlig ungeniert die Zunge in den Mund. Marion war überrascht, aber auf angenehme Art, und ließ es mit sich geschehen. Sie konnte einfach immer und überall mit Roxy knutschen...

Die Enddreißigerin war tatsächlich so versunken in das gemeinsame Zungenspiel, dass sie völlig vergaß, wo sie waren. Ein aufkommendes Beifallklatschen, begleitet von einem Johlen und Pfeifen, holte sie wieder zurück in die Realität.

Die zwei beendeten das Knutschen und Marion schaute sich zu dem Fernseher an der Wand um, weil sie davon ausging, dass die Anwesenden ein gefallenes Tor bejubelten.

Geschockt nahm sie zur Kenntnis, dass niemand zum Fernseher, sondern alle zu ihnen schauten! Ihr Herz begann zu rasen, und sie lief knallrot an. Hilflos suchte sie Roxys Blick, die jedoch nur überglücklich in dir Runde lachte, und sich dann wieder Marion zuwandte. Ihr Blick glitt langsam auf Marions Mund. Diese konnte jetzt nicht anders, als sich Roxys süßes Gesicht zu schnappen, um der kleinen Hexe jetzt ihrerseits die Zunge in den Hals zu stecken.

Der Beifall brandete noch mal auf, bevor er dann langsam abebbte. Solange knutschten die beiden gefühlvoll und genossen die Aufmerksamkeit. Dann löste sich Marion und lachte ihre verrückte kleine Freundin glücklich an.

„Ja ich will!" lachte Roxy zurück.

Marion war maximal verwirrt. „Hä? Was willst du?"

„Na, ich nehme deinen Heiratsantrag an. Die Mädels sind alle Zeugen!"

Sofort wurde es wieder eng in Marions Brust. „Oh Gott, ... Roxy... das... äh... das geht mir jetzt zu schnell..."

Aus Roxys erfreutem Lachen wurde wieder dieses schelmische Grinsen.

„Reingelegt. War nur Spaß. Du musst mich nicht heiraten. Alles gut, Liebling!"

Marion fiel ein Stein vom Herzen. Trotzdem, oder gerade deshalb formte sich in ihrem Kopf der Impuls, laut ‚ich will aber!' zu rufen. Sie konnte diesen aber gerade noch unterdrücken. Gott sei Dank behielt ihre Vernunft diesmal wieder die Oberhand.

„Hey ihr zwei, ich hab euch doch nach oben geschickt!" Rosi war wieder zurück und leerte ihr Prosecco-Glas. Sie lachte beide belustigt an. „Da habt ihr weniger Publikum. Oder ihr nimmt euch besser gleich n Zimmer. Die Drei ist noch frei." Sie zwinkerte Marion zu. Offensichtlich war diese Geste hier so etwas wie ein Gemeinschaftskulturgut.

„Ja ja, ich weiß..." maulte Roxy gespielt zurück, „... das ist ein anständiges Lokal. Thekenschlampen haben hier nichts verloren."

Während Marion peinlich berührt die Hand vor den Mund hielt, lachte Rosi laut auf. Roxy wiederum schaute Marion entschuldigend an. „Sorry, ich zitiere sie nur..."

Mit Blicken verständigte sich Marion mit Rosi, dass es schon okay sei. Sie liebte Roxy ja auch wegen ihrer direkten Art.

„Rosi-Schatz, sag mal, ist Susi schon da, beziehungsweise hat sie sich für heute angesagt?"

„Also da ist sie noch nicht. Sie kommt jetzt ja auch immer etwas später. Ihre Anja hat doch Abendschicht."

„Ach so. Ist sie tatsächlich noch mit ihr unterwegs?"

„Aber klar, na hör mal! Die zwei sind doch das aktuelle Traumpaar hier. Na ja, bis ihr ihnen Abend den Rang abgelaufen habt." Rosi lachte Marion fröhlich an.

„Oh je, dann sag ihr besser erst mal nix davon. Nicht dass sie uns noch die Köpfe abreißt." Jetzt zwinkerte Roxy.

„Nö, da tust du ihr unrecht. Sie ist doch zurzeit äußerst umgänglich. Anja hat sie voll im Griff. Gut, sie ist ja auch eine ganz Liebe. So ruhig. Tut unserer Zappelsuse richtig gut." Sagte die Person, die man gut und gerne auch Zappelrose nennen konnte, dachte sich Marion belustigt.

„Na, das ist doch schon zu hören. Freut mich. Vielleicht kommen die beiden ja noch vorbei." Roxy wandte sich an Marion. „Dann kannst du sie mal kennen lernen."

„Ist so gut wie erledigt" kam es von Rosi, die ihr Smartphone gezückt hatte, und schon darauf herumtippte. „Ich schreib ihr, dass ihr da seid."

„Och, danke. Mal schau'n, ob's klappt."

„Sicher klappt das." Plötzlich wirkte die sonst so übertriebene Rosi recht nachdenklich. „Also wenn selbst du sie nicht mehr herlocken kannst, dann seh' ich schwarz."

„Na jetzt übertreib mal nicht gleich, Rosi-Schatz. Läuft doch alles prima, hm?" Sie streichelte liebevoll Rosis Wange.

„Und jetzt auf ins Bistro. Unser Essen ist sicher gleich schon fertig" meine Roxy und schnappte sich ihre Freundin, die sich aus dem Gespräch über Susanne gänzlich rausgehalten hatte, und von der Achterbahn der Gefühle noch leicht mitgenommen war.

Als sie Hand in Hand an den anderen Gästen vorbei gingen, lächelten diese Marion freundlich an. Allmählich begann sie, sich wohlzufühlen an diesem ungewöhnlichen Ort. Von der Treppe aus erhaschte sie noch einen Blick auf die lange Theke. Dahinter stand Rosi, die ihr lachend zuwinkte. Und daneben die vorhin noch so freundliche Lotta, die jetzt jedoch verärgert wirkte und Marion zu ignorieren schien.

Im ersten Stock angekommen, hörte man die Musik und die Gespräche nur noch gedämpft, und beide konnten wieder normal miteinander reden. Marion war aber damit beschäftigt, die neuen Eindrücke in sich aufzunehmen.

Hier sah es aus wie in einem altmodischen, aber guten und sauberen Hotel. Der Art Frühstücksraum, der gut doppelt so groß war wie unten die Bar, war wohl das Bistro, von dem Roxy immer sprach. Nach oben führte die Treppe weiter. Wahrscheinlich gab es dort die Zimmer, die wiederum Rosie erwähnt hatte.

Das Bistro hatte tatsächlich eine wunderschöne Atmosphäre. Helle, freundlich dekorierte Holztische standen neben Eckbänken und bequem aussehenden Stühlen. In der Mitte ein großes Büffet, auf dem Geschirr, Gläser und Saftflaschen aufgereiht waren.

An der Wand Holzvertäfelung, Spiegel, antike Werbetafeln sowie Titelseiten von Zeitschriften der Nachkriegsära bis in die Siebziger. Mit Marylin Monroe, Brigitte Bardot, Jimi Hendrix, den Beatles. Irgendwie erinnerte es sie ein wenig an das Hardrock Cafe in Florenz, das Marion damals besuchte.

In dem recht großen Saal saßen - etwas verloren wirkend - an verschiedenen Tischen drei Paare, die sich Händchen haltend miteinander unterhielten oder gerade am Essen waren. Die brennenden Kerzen und die Blumen trugen zu einem romantischen Flair bei. Auch die Musik, die gedämpft aus versteckten Deckenlautsprechern kam, war zurückhaltend und klang nach Kuschelrock.

Natürlich grüßte Roxy alle sechs, die im Raum waren, welche erfreut zurück grüßten. Die Kleine war tatsächlich bekannt wie ein bunter Hund. Roxy schien auf ihren Lieblingsplatz zuzusteuern und klopfte im Vorbeigehen auf den Tisch eines der Paare.

„Na ihr Süßen, schmeckt's."

„Klar, wie immer Rox."

Die zwei hatten Kurzhaarfrisuren, waren recht langweilig gekleidet und ungeschminkt. Kein Schmuck, kein Nagellack, nur kleine Ohrstecker. Sie sahen aus, wie sich Marion bislang „typische Lesben" vorgestellt hatte. Schreckliches Klischee. Sie schämte sich für ihre Gedanken.

Am Tisch angekommen rückte Roxy ihr den Stuhl zurecht.

„Setzt dich schon mal, Liebes. Ich hol uns was zu trinken. Was hättest du gern?"

„Och, egal. Was du auch trinkst. Danke dir, Roxy-Schatz."

Bis Roxy mit zwei Gläsern Kirschsaft-Schorle zurückkam, musterte Marion die Tischdekoration. Die Blumen waren unecht, aber wirklich schön. Auch das Tischdeckchen war sauber und gebügelt. Alles war perfekt. Von außen hätte man das niemals so erwartet.

„Na, gefällt's dir, oder hab ich dir Zuviel versprochen?" fragte Roxy auf selbstsichere Weise.

„Auf jeden Fall. Du hast nicht übertrieben. Obwohl mir anfangs wirklich unangenehm zu Mute war. Aber du hattest recht, das Publikum ist echt nett."

„Ja, wir passen aufeinander auf und respektieren uns. Für viele ist das „Chez Roselie" ein Rückzugsort vor dem Leben draußen, das sie eben nicht akzeptiert."

„Verstehe..." nickte Marion und dachte an die vielen konservativen Menschen, die mit Homosexualität und Transsexuellen nichts anfangen konnten. „... und deshalb die Türsteher? Dass man hier ungestört sein kann?"

„Ja, auch. Hier in der Altstadt sind oft frustrierte Typen unterwegs, die keine Frau abbekommen. Und da sind Lesben die gefundenen Sündenböcke. Rosie hatte wohl gerade erst neu eröffnet, da kamen zwei Besoffene rein und randalierten. Da war nicht nur die neue Einrichtung hinüber, sondern die Gäste hatten auch Angst, wiederzukommen. Susi hatte die Idee, das Vertrauen mit den Security-Leuten wieder aufzubauen. Hat gut geklappt."

„Schön. Die zwei sind echt nett. Aber auch furchteinflößend. Ich wollte nicht in der Nähe sein, wenn sie mal eingreifen müssen."

„Soweit ich weiß, gab es seitdem nichts Weltbewegendes mehr. Manchmal müssen sie halt Typen aufhalten, die nicht begreifen wollen, dass das hier ein LBTG-Club ist, und kein Puff mehr."

„LBTG-Club?"

„Ja, steht für Lesbian, Bisexual, Transgender, Gay. Noch nichts von der Szene gehört?"

Marion musste kurz nachdenken. „Doch, kann sein. Aber sag mal, wenn das auch für..." sie schaute sich kurz um und fuhr mit gedämpfter Stimme fort „... schwule und bisexuelle Männer ist, warum bezeichnest du es dann als Lesbenbar?"

„Das hat sich so ergeben. Es sind schon hin und wieder auch Männer da. Aber die schwulen Jungs sind halt eher gern unter sich. Da geht es oft, sagen wir mal, etwas rüder zu, das mag Rosi nicht. Darkroom und so, verstehst du. Rosi meint es schon ernst mit dem anständigen Lokal."

Marion lachte kurz auf. „Ja, deshalb vermietet sie auch stundenweise ihre Zimmer, hm? Die Drei wäre ja noch frei..."

„Oh, Liebes, das darfst du nicht falsch verstehen. Das ist wirklich kein Puff mehr. Da kämen wir echt in Teufels Küche. Nee, hier geht es vollkommen legal und gesittet zu. Keine Drogen, keine laute Musik, Sperrstunde wird strikt eingehalten, Jugendschutz sowieso. Du kannst alles rum liegen lassen, hier kommt nichts weg. Wer dagegen verstößt fliegt für immer."

„Da hört sich für mich fast zu schön an, um wahr zu sein. Diesen schwarz gekleideten Typen draußen würde ich ungern allein im Dunkeln begegnen."

„Ist aber so." Roxy hielt kurz inne. „Äh, sprichst du von Tony und seiner Gang?"

„Ach, Tony ist doch ein Kerl?"

„Nö, nach deiner Definition nicht. Er heißt in Wirklichkeit Antonia. Macht auf harte Schale. Hat aber einen weichen Kern. Gut, er gehört sicher zu denen, die sich draußen auf der Straße wehren müssen, um respektiert zu werden. Und vielleicht gehst du nicht unbedingt allein auf die Herrentoilette oder in den Hinterhof. Was da passiert, bekommen Rosi und Torpedo nicht immer so mit. Und die Mädels halten dicht, solange es nichts Schlimmes ist."

„Okay, was passiert denn da zum Beispiel, was nichts Schlimmes ist?"

„Och, da wird mal ein Joint geraucht, n Bisschen Gras vertickt, oder einfach nur wild rumgevögelt."

„Ach, ich dachte für Letzteres gibt es den zweiten Stock..." grinste Marion und nickte nach oben.

„Eben nicht. Die Zimmer stehen für Notübernachtungen bereit."

„Verstehe. Das finde ich echt sozial von Rosi." Marion schämte sich fast, mit ihrem Geld fast nichts in diese Richtung zu tun. „Hat das mit dem Obdachlosenprojekt zu tun, für das du dich engagierst?"

„Auch. Hier kommen manchmal vorübergehend Frauen unter, die am Bahnhof stranden. Oder das Frauenhaus meldet sich, wenn es voll ist. Vor allem ist es aber für Mädchen aus dem Viertel gedacht. Chez Roselie hat sich zu einem Sozialprojekt entwickelt. Das ist nicht mehr nur ein Rückzugsort für sexuell diverse Menschen. Sondern auch für ausstiegswillige Prostituierte."

„Oh je, ist das so schlimm hier im Viertel? Und ist das dann nicht gefährlich, sich mit den Zuhältern anzulegen?"

„Im Großen und Ganzen nicht. Mädchenhandel, wie man ihn aus Krimis kennt, ist eher die Ausnahme. Aber jenseits davon sind die Grenzen, inwieweit die Frauen sich freiwillig prostituieren, fließend. Letztlich machen es alle aus finanziellen Zwängen. Entweder weil sie Schulden haben, oder eine Sucht finanzieren. Für die wenigsten erfüllt sich der Traum vom schnellen, leicht verdienten Geld. Das landet meist bei ihren sogenannten Vermietern und Aufpassern."

„Ja, und die müssen doch Rosi mächtig auf die Füße stehen, wenn sie ihre Geschäfte stört, oder nicht?"

„Das trauen die sich nicht mehr."

Ehe Marion nachfragen konnte, wieso, wurden die Beiden von einem Klingeln unterbrochen. Roxy wies darauf hin, dass ihr Essen da sei und stand auf. Marion war irritiert. Gab es hier keine Bedienung?

Roxy ging zur Wand, in der sich offensichtlich ein Speiseaufzug befand. Darin stand ein Tablett, das sie rausnahm und herüber trug. Es waren besagte Baguettes und die beiden Salatteller drauf. Besteck fehlte. Marion reagierte sofort und holte Messer, Gabeln und Servietten vom Buffet in der Raummitte.

„Supi, Marion. Du bist echt auf Zack, danke. Aber ich wär auch noch kurz gegangen, um das Besteck zu holen."

„Hey, das kann ich doch selbst. Du schleppst ja schon unser Essen."

„Ja, das mach ich öfter hier. Ich helfe manchmal aus, wenn viel los ist. Nur Stammgäste wissen das mit dem Speiseaufzug."

Jetzt schämte sich Marion erneut. Roxy studierte, modelte, arbeitete als Hostess, engagierte sich im Obdachlosenprojekt und bediente hier auch noch. Was tat sie womöglich noch alles, um sich finanziell über Wasser zu halten?

„Du Schatz, das... du weißt, du musst das nicht machen. Also ich meine, wenn du knapp bei Kasse bist..."

„Mari-Baby, du bist lieb. Aber ich mach das gern. Und ehrenamtlich. Das Trinkgeld spende ich Rosi gleich wieder."

Jetzt kamen Marion die Tränen vor Rührung und Scham. „Das ist so toll von dir! Meinst du, ich könnte hier auch mal aushelfen, wenn Not am Mann, bzw. an der Frau ist?"

Roxy strahlte übers ganze Gesicht und gab Marion einen dankbaren Schmatz. „Klaro. Du brauchst bloß was zu Rosi sagen und ihr deine Nummer geben. Hey, das ist echt groß von dir!"

Das Baguette und der Salat schmeckten einfach hervorragend. Unter anderen Umständen wäre dieses Bistro sicherlich zum Restaurant ausbaufähig, dachte sich Marion. Doch dann wurde ihr klar, dass sie schon wieder rein betriebswirtschaftlich dachte. Berufskrankheit. Schnell suchte sie wieder den Punkt, an dem ihr Gespräch durch die Essensklingel unterbrochen wurde. Wo waren sie noch mal stehen geblieben? Ach ja...

„Roxy, du sagtest, die Zuhälter würden sich nicht trauen, Rosi auf die Füße zu stehen. Warum denn nicht?"

„Ach so, ja..." sprach Roxy mit halbvollem Mund. „... der Club, dem Torben und Alex angehören, hat Gewicht. Und wer unter deren Schutz steht, mit demjenigen legt sich niemand so schnell an."

„Okay, wie ist das zu verstehen? Sind die aus der Rockerszene und selbst schwere Jungs?"

Roxy lachte kurz auf. „Gewissermaßen ja. Aber das sind die Guten. Also nicht die Hells Angels, sondern quasi die Heavens Devils. In ihren Revieren werden die kriminellen Banden verdrängt."

Marion fragte sich, wie die das machten, und wie sie sich finanzierten. Aber beschloss, es dann doch lieber nicht wissen zu wollen. Stattdessen interessierte sie in diesem Zusammenhang eine ganz andere Frage:

„Und warum glaubst du, dass ich auch deren Schutz benötigen würde? Wegen den Typen, die dich suchen, vielleicht?"

„Du meinst Alex? Also das ist wirklich nur für den Fall gedacht, dass du mal Unterstützung brauchst. Vielleicht sogar beruflich. Er ist auch ein guter Privatdetektiv."

„Na ja, mal ganz ehrlich. Finanziell scheint er sich nicht so recht im Griff zu haben, oder?"

„Ja, er hatte mal ein Problem mit der Spielsucht. Das Leben meinte es aber auch wirklich böse mit ihm. Afghanistanveteran. Hat als einziger einen Talibanhinterhalt überlebt, musste dafür aber alle Angreifer töten. Wurde von der Bundeswehr ausgeflogen, wieder zusammengeflickt und dann in den Schreibdienst gesteckt, wo er versauert ist. Posttraumatisches Belastungssyndrom. Frau und Kind sind ihm weggelaufen. Er hat die Krise überstanden und will jetzt seine Schulden abarbeiten. Und da kann er Aufträge und gute Referenzen dringend gebrauchen."

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