Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

No-LIMIT-Rooms 01

Geschichte Info
BDSM Thriller. (warning - contains cover image)
24.7k Wörter
4.65
59.6k
18

Teil 1 der 8 teiligen Serie

Aktualisiert 06/10/2023
Erstellt 03/12/2021
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

No-LIMIT-Rooms 01

Kumiho

von

Jepasch

I n h a l t

Prolog

1 Das Apartmenthaus

2 Der Keller

3 Der Sturz

4 Einstand

5 Kumiho

6. Blick in die Zukunft

7 Willkommen in der Hölle

8 Kätzchen

Prolog

Mein Handy klingelte. Auf dem Display sah ich, dass es Nadine war.

„Hallo Nadine, wie geht es dir?", meldete ich mich.

„Hey Laura." Ihre Stimme klang gepresst, es ging ihr nicht gut, das spürte ich sofort. „Ich brauche deine Hilfe."

Das klang ernst. Alarmiert fragte ich nach. „Was ist los, gibt es Ärger, haben sie dich gefunden, wirst du verfolgt?"

„Nein, nichts dergleichen. Warum sollten sie? Ich habe doch nichts getan. Du bist es, die sie wollen. Es ist was anderes, ich glaube, ich bin schwanger."

In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. „Von wem? Kevin?"

„Natürlich von Kevin, wem denn sonst?" Ihre Stimme überschlug sich fast.

„Tut mir leid, so meinte ich das nicht. Es ist nur schon fast drei Monate her, dass er...", ich beendete den Satz nicht. Schlagartig hatte ich wieder die Szene vor Augen: Kevin und ich an dem Pokertisch mit den Bossen, die vermummten und bewaffneten Männer welche den Raum stürmten und die Schüsse. Und Kevin, der plötzlich blutüberströmt am Boden lag. Ich hatte schon beinahe eine Woche geschafft, nicht mehr daran zu denken oder davon zu träumen.

„Ja, aber zunächst habe ich überhaupt nicht daran gedacht. Es muss in der Nacht passiert sein, bevor er starb. Dann überstürzte sich alles. Das Begräbnis, die Befragungen ...., ich habe überhaupt nicht registriert, dass ich überfällig war."

„Das warst du auch früher schon mal", erinnerte ich sie. Als Zwillingsschwestern hatten wir die Regel meist gleichzeitig gehabt. „Wenn du wieder hungerst, kann das die Ursache sein. Hast du einen Test gemacht?"

„Nein, noch nicht. Ich wollte erst mit dir reden. Ich habe Angst."

„Natürlich hast du Angst. Aber du brauchst doch Gewissheit. Es bringt doch nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Falls du tatsächlich schwanger bist, ist der Zeitraum sehr knapp, noch eine Entscheidung zu treffen."

„Eine Entscheidung?" Sie klang verwirrt. Dann verstand sie, was ich meinte. „Das kann nicht dein Ernst sein! Kevin ist tot und sein Kind wäre alles, was mir von ihm bleibt."

Dass ich Kevin immer schon für ein Arschloch gehalten hatte, wusste sie selbstverständlich, er hatte uns in die ganze Sache ja erst hineingeritten, aber an seinem Tod war ich mitschuldig. Meine blöde Idee, die Polizei hinzuzuziehen, hatte in der Katastrophe geendet. Ich musste die Uni verlassen und stand seit dem unter Polizeischutz. Wer sich mit der Russenmafia anlegt, spielt mit seinem Leben.

Ich antwortete ihr möglichst sanft: „Hey kleine Schwester, so meinte ich das nicht. Aber bevor du irgendwelche Pläne für die Zukunft machen kannst, benötigst du Gewissheit. Hol dir einen Test, ja?"

Sie sniefte. „Ja, ich fahre gleich los."

Nach unserem Gespräch warf ich mich nachdenklich auf mein Bett. Nadine hatte einen festen Job, nicht sehr gut bezahlt, aber ausreichend. Sie hatte eine Wohnung und viele Freunde. Doch konnte sie ein Kind alleine groß ziehen? Ich betrachtete sie immer als meine kleine Schwester und das nicht nur, weil ich vier Minuten älter als sie war. Sie war immer schon unselbstständiger als ich gewesen, ging den Weg des geringsten Widerstandes, ergriff eine Lehre und fügte sich. Ich dagegen hatte immer Widerstand geleistet. Im Heim konnten sie mich kaum bändigen. Trotzdem, oder gerade deswegen schaffte ich mein Abitur, bekam die Zulassung zur Uni und war kurz vor meinem Examen. Inzwischen verdiente ich allerdings mit meinem Nebenjob schon mehr Geld, als ich als Akademikerin im Lehrbetrieb jemals verdienen könnte. Hatte verdient, berichtigte ich mich. Seit ich in dieser Staatswohnung lebte, war auch das vorbei. Kein Einkommen, kein Studium, kein Abschluss. Verdammte Bullen und Bürokratie. Die hatten alles versprochen, nur nicht, dass mir anschließend schnell und unbürokratisch geholfen würde. Das hatten sie nicht gesagt, aus gutem Grund. Ich saß hier fest und kam nicht weiter. Fern von meiner Uni, fern von meiner Schwester und meinen wenigen Freunden, fern von meiner Szene.

Es dauerte nicht allzu lange, bis mein Telefon wieder klingelte. Sie hatte sich wohl beeilt.

„Schon fertig?", meldete ich mich.

Ein lautes Atmen in der Leitung.

„Nadine, alles in Ordnung?"

„Hallo Laura", meldete sich eine unbekannte männliche Stimme, mit überdeutlichem russischem Akzent.

Mir fuhr der Schreck in die Glieder, mein Bauch knotete sich zusammen.

„Wer spricht da, wo ist Nadine?" Ich beherrschte mich mühsam ruhig zu sprechen und meine aufsteigende Panik mir nicht anmerken zu lassen.

„Die haben wir jetzt. Sie wird deine Schulden begleichen, das wird für sie nicht angenehm."

Wer mit „Wir" gemeint war, war mir sofort klar.

„Sie hat damit nicht das Geringste zu tun, lasst sie frei. Ich ziehe meine Aussage auch zurück." Meine Panik brach durch.

„Dafür ist es zu spät. Blut muss durch Blut bezahlt werden. Aber wenn du dich uns auslieferst, lassen wir deine Schwester laufen."

So naiv war ich nicht. Trotzdem: „Gut, ich mach das, ich komme. Gebt sie mir aber vorher, ich will wissen, ob es ihr gut geht."

Es dauerte nur Sekunden, bis ich Nadines panische Stimme vernahm: Sie sprach Englisch, hoffte wohl, dass die Entführer sie nicht verstanden. „Laura, nicht, die werden uns beide töten, ich habe es gehört. Die wussten nicht, dass ich Russisch verstehe."

Ihre Stimme verstummte abrupt, jemand hielt ihr anscheinend den Mund zu.

„Wir erwarten dich in Berlin, morgen Abend. Zehn Uhr." Unvermittelt beendete er das Gespräch.

Mir musste nicht gesagt werden wo in Berlin. Der illegale Pokerklub existierte noch immer und gehörte ihnen mit Sicherheit auch noch, selbst wenn ein Boss tot und der andere im Gefängnis war. Selbstverständlich würden sie Nadine nicht dort verstecken.

Ich besaß kein Auto. In Berlin hatte ich keines benötigt, hier hatte ich mir keines leisten können. Die Zugfahrt zum Wohnort von Nadine dauerte etwas. Unterwegs rief ich meinen Kontakt an und schilderte ihm, was vorgefallen war.

Als ich an ihrer Wohnung eintraf, war eine Polizeistreife schon vor Ort.

Ein Polizist begann mich zu verhören und fragte, warum ich ein Verbrechen vermutete. Dann fragte er nach der Mafia und meiner Schwester. Ich war nur genervt, die ganze Geschichte schildern zu müssen, statt das sich der Polizist auf die Suche begab.

Zum Glück nahte Erlösung in Form meines Kontaktmannes beim BKA.

Er hielt seinen Ausweis hoch: „Walter Schmitt, BKA. Wir übernehmen ab jetzt, Danke!"

Dann wandte er sich an mich und erkundigte sich ebenfalls, was genau vorgefallen war.

„Herr Schmidt", unterbrach kurze Zeit später einer der Polizisten unser Gespräch. „Wir haben etwas gefunden."

Er führte uns zu einem Gebüsch. Dort lagen Nadines zerstörtes Handy, ihre Handtasche und ein herausgefallener, ungeöffneter Schwangerschaftstest.

Überpünktlich um 21:50 Uhr war ich am Klub. Es war mir nicht möglich gewesen, mich wieder so herzurichten, wie zu dem Abend, als alles schiefgelaufen war. Meine Perücke und die falschen Kontaktlinsen hatte ich zu Hause vergessen. Nun mussten Kopftuch und Sonnenbrille es auch tun. Natürlich beschattete mich das BKA. Als mich auch nach 15 Minuten Herumlungerns vor der Tür niemand angesprochen hatte, beschloss ich hineinzugehen.

Natürlich hatte mir das Walter strikt untersagt, denn drinnen konnten sie mich nicht mehr unauffällig beschatten. Trotzdem riskierte ich es. Ich vertraute völlig auf das Funkgerät unter meiner Jacke, mit denen das BKA jedes Wort mithören konnte.

Der Klub war privat. Man musste an der Tür klingeln, dann wurde man abgecheckt. Nur wenn man sauber erschien oder bekannt war, wurde die Tür überhaupt geöffnet.

Niemand öffnete auf mein Klingeln. Ungeduldig klopfte ich mit der Faust gegen die schwarze Stahltür. Doch nichts tat sich. Mit meinen Winterstiefeln begann ich gegen die Tür zu treten, immer wieder, abwechselnd mit Faustschlägen dagegen trommelnd.

„Ich bin's, Laura! Ich will meine Schwester! Aufmachen!"

„Sie sind weg!", erklang eine Stimme hinter mir.

Erschöpft sah ich nach hinten und versuchte, durch meine tränenüberströmten Augen zu erkennen, wer mich angesprochen hatte. Es war Walter gewesen.

„Was?"

„Sie sind getürmt, als wir anrückten. Ich habe gerade die Bestätigung erhalten. In dem Moment, als Sie in diese Gasse gegangen sind, hat hinten ein schwarzer Transporter das Gelände verlassen."

Ich drehte mich zu ihm um.

„Wurde die Verfolgung aufgenommen? Woher wissen sie das?"

Walter schüttelte nur traurig seinen Kopf.

„Nein, das hat mir eben ein Informant berichtet. Der Laden ist leer! In diesem Moment läuft ein Antrag auf Hausdurchsuchung, sobald der genehmigt ist, werden meine Männer und ich den Klub nach Hinweisen durchsuchen. Ich fahre sie jetzt zurück."

„Nein! NADINE! NADINE! ..."

Ich schrie, minutenlang, bis ich nicht mehr konnte und zusammenbrach.

Walter umfasste meine Schulter und geleitete mich zum Wagen zurück. Die Fahrt in meine Unterkunft verlief schweigsam, denn ich hatte nur einen Gedanken: Ich hatte es erneut versaut, und meine Schwester zahlte jetzt dafür.

Wenige Wochen später traf ich Walter in seinem Büro. Gleich zu Beginn unseres Gespräches schob er mir einen Umschlag herüber.

„Was ist das?", fragte ich.

„Ihre neue Identität! Sie sind jetzt offiziell im Zeugenschutzprogramm! Bis die Sache abgeschlossen ist, werden sie untertauchen."

„Die Sache? Ich dachte, ich sei hier, weil sie eine Spur meiner Schwester haben? Und jetzt bekomme ich die neue Identität? Monatelang hänge ich in der Luft, aber als Nadine entführt wird, geht alles ganz schnell? Hätte Nadine eine gehabt, wäre sie nicht entführt worden!"

„Wir hatten ihre Schwester nicht als hoch gefährdet eingestuft, da sie niemals kontakt zur Mafia hatte, so wie sie! Außerdem hatte sie sich geweigert umzuziehen."

„Nachdem sie gesehen hatte, wie das Leben nach so einem ‚Umzug' aussah, ist das ja wohl verständlich, oder? Ich war mehr eine Gefangene als alles andere! Was ist jetzt mit meiner Schwester? Haben sie eine Spur?"

Walter nickte.

„Wir haben Anhaltspunkte, dass sie nicht mehr in Deutschland ist. Sie wurde ins Ausland verschleppt."

„Ins Ausland? Sie meinen nach Russland? Und was unternehmen sie jetzt?"

An seinem ausweichenden Blick erkannte ich die Antwort.

„Sie können da nichts unternehmen, stimmts?"

„Sie müssen verstehen: Die politische Lage macht es uns nicht einfacher, dort zu ermitteln. Und die angeforderte Amtshilfe kann einige Zeit dauern."

Ich verstand nur zu gut.

Um an etwas anderes zu denken, als an das, was jetzt meiner Schwester geschah, öffnete ich meinen Umschlag und entnahm die Papiere.

Ein Stapel Formulare, Belehrungen und Dokumente: Eine Geburtsurkunde, Abschlusszeugnis eines Gymnasiums, Personalausweis, ein Reisepass und eine Krankenversicherungskarte.

Zusammen mit Walter ging ich die Formulare und Belehrungen durch und bestätigte den Empfang mit meinen Unterschriften. Alle sechs Monate hatte ich mich von nun an beim BKA zu melden, solange ich diese Identität besaß.

Ich öffnete den Reisepass. Neben meinem Foto stand mein neuer Name: Johanna Blauert.

„Wie lange werde ich Johanna bleiben?"

Er zuckte mit den Schultern.

„Ich kann es nicht sagen. Ihre neue Identität ist auf längere Zeit ausgelegt. Mindestens so lange, bis die Entführung ihrer Schwester juristisch geklärt ist."

„Juristisch geklärt? Was bedeutet das? Und was ist mit meinem bisherigen Leben? Ich habe nur noch zwei Semester bis zu meinem Abschluss. Kann ich das Studium zu Ende führen?"

Walter schüttelte den Kopf.

„Juristisch geklärt bedeutet: Bis die Entführung aufgeklärt wurde und die Täter verurteilt sind. Ihr ganzes Studium umzuschreiben, ihre Prüfungen, das übersteigt unsere Möglichkeiten. Aber sie können sich unter ihrem neuen Namen neu einschreiben!"

„Nicht ihr Ernst, oder? Das sind Jahre meines Lebens! Bekomme ich wenigstens finanzielle Unterstützung?"

„Hören sie, Laura, ihr Fall ist sehr einzigartig. Unsere Gesetze sind dafür nicht gemacht. Und beim Zeugenschutzprogramm ist vieles noch nicht abschließend geregelt."

„Also kurz gesagt: Nein? Ich bin auf mich allein gestellt? Fickt euch! Wozu dann das Ganze?"

Er überging meine Beleidigung.

„Ich werde zunächst ihr Betreuer sein. Bei Behördenproblemen kann ich mich einschalten. Mit ihrem neuen Lebenslauf können sie sich problemlos auf jede Arbeit bewerben."

„Welche Arbeit? Putzfrau, oder was? Ich habe keine abgeschlossene Ausbildung! Und mein Studium ist weg. Also, wovon lebe ich jetzt?"

Sein hilfloser Blick verriet mir, dass auch er keine Lösung hatte.

„Dann werde ich wohl wieder als Camgirl arbeiten müssen."

„Sind sie wahnsinnig? Im Internet präsentieren, wo die Mafia sie sucht?"

„Wenn der Staat mir nicht helfen kann, werde ich mir selbst helfen müssen. Oder ist es mir verboten, als Camgirl zu arbeiten?"

Zögernd schüttelte er den Kopf.

„Nicht direkt. Aber wenn sie vorsätzlich ihre neue Identität gefährden, kann sie ihnen entzogen werden."

„Also darf ich nun, oder darf ich nicht?"

„Sie dürfen, ja. Aber ich rate ab!"

Nickend blätterte ich noch mal durch meinen Reisepass. Plötzlich kam mir eine Idee.

„Der Pass, ist der echt?"

Verwirrt blickte Walter mich an.

„Natürlich, was sonst?"

„Ich meine: Kann ich damit problemlos in jedes Land der Welt reisen?"

„Das ist jetzt ihre offizielle Identität. Ja! Aber wenn sie ins Ausland reisen, müssen sie mich vorher informieren!"

„Gut, dann informiere ich sie hiermit, dass ich einige Zeit ins Ausland reise!"

„Wohin?", fragte er erstaunt.

Ich würde ihm nicht auf die Nase binden, dass ich nach Russland wollte.„Ägypten. Kann eine längere Reise werden! Ich melde mich, wenn ich zurück bin!"

Sein Blick wurde misstrauisch.

„Was wollen sie in Ägypten?"

„Ich brauche Urlaub, von allem. Und da wollte ich schon immer einmal hin. Das Rote Meer soll traumhaft zum Tauchen sein!"

Walter glaubte mir offensichtlich kein Wort, aber hielt sich aber dankenswerterweise mit weiteren Fragen zurück.

„Sechs Monate! Sie haben sich alle sechs Monate bei mir zu melden! Und bis zum Prozess im September müssen sie zurück sein!"

„Gut, ganz so lange wollte ich sowieso nicht Urlaub machen. Ich melde mich also dann in spätestens sechs Monaten! Leben sie wohl, Walter!"

Ich packte die Papiere, stand auf und wandte mich zur Tür. Da hielt er mich noch einmal auf.

„Laura: Ich meine es Ernst! Machen sie keine Dummheiten! Gönnen sie sich wirklich diesen Urlaub und schalten sie ab. Wir werden inzwischen tun, was immer in unserer Macht steht, ihre Schwester zu finden."

„Ja, Herr Schmitt!", antwortete ich nickend, drehte mich zur Tür und verließ sein Büro.

Auf dem Flur hatte ich ihn bereits völlig aus meinen Gedanken verdrängt. Ich würde Geld benötigen. Viel Geld. Wer konnte mir das leihen? Irgendwer würde wissen, wo meine Schwester jetzt ist. Und ich würde sie finden und nach Hause holen, koste es, was es wolle.

1 Das Apartmenthaus

Schon als ich kurz nach acht Uhr aus dem Zug stieg, klebte mir meine Bluse am Rücken. Es waren über dreißig Grad, und auch der Zug war nicht wirklich klimatisiert. Bis zum Termin hatte ich noch beinahe zwei Stunden. Ich beschloss zu Fuß zu gehen, und mir das Gebäude von außen vorher noch einmal anzusehen. Selbstverständlich war ich nervös, denn hiervon hing ab, ob ich meine Schwester je wiedersehen könnte. Und ja, ich hatte auch ein flaues Gefühl im Magen.

Diese Stadt war völlig anders als Berlin, nicht nur, weil es hier Hügel gab, die sie einengte. Bei einer Bäckerei hielt ich an und gönnte mir ein kleines Frühstück. Zum Glück verstand die Verkäuferin Hochdeutsch, so viel zur Werbung. Mit Schrippen hatte sie zunächst nichts anfangen können, doch Brötchen waren ihr geläufig.

Mit dem Kaffeebecher in der einen Hand, und dem belegten Brötchen in der anderen, umrundete ich langsam den Block des Apartmenthauses. Da er in der Innenstadt lag, wälzte sich der Verkehr laut an ihm vorbei. Eine ruhige Lage war es nicht. An der Vorderseite befand sich nur ein Eingang, mit einer verspiegelten Doppeltür. Kein Firmenname wies auf den Zweck des Gebäudes hin. Eine Einfahrt führte zu einer Tiefgarage, die aber offensichtlich nur Besuchern und Bewohnern zugänglich war. Ein Gittertor versperrte die Zufahrt. Während ich das Brötchen aß, sah ich ein Fahrzeug dort hineinfahren. Es hielt vor dem Tor, und ohne ersichtlichen Grund hob sich das Gitter und gab die Zufahrt frei. Sobald das Auto durchgefahren war, schloss sich das Gittertor gleich wieder. Eine gelbe Warnleuchte zeigte an, dass man sich nicht mehr hindurchbewegen sollte. Man kam also nicht so ohne Weiteres in das Gebäude, oder aus ihm heraus. Abgesehen davon war es völlig unscheinbar. Über eine Seitenstraße gelangte ich zur Rückseite an der Parallelstraße. Doch dort schien ein völlig anderes Gebäude zu stehen, was offensichtlich nichts mit dem Apartmenthaus zu tun hatte. Ein Bistro, eine Bäckerei, Arztpraxen sowie kleine Boutiquen waren in dieser Häuserzeile untergebracht. Wo und ob das Apartmenthaus einen weiteren Zugang, oder Ausgang hatte, konnte ich nicht erkennen. Allerdings wusste ich durch Holger, dass sich hier einer befinden musste. Zum weiteren Suchen blieb mir jedoch keine Zeit. Ich warf meinen Abfall in einen Papierkorb und begab mich wieder zum Vordereingang.

Am Eingang befanden sich weder Briefkästen noch eine Reihe von Türklingeln. Stattdessen nur ein einzelner Klingelknopf, ohne Namensschild. An der Tür war ein elektronisches Türschloss, welches offensichtlich mit Magnetkarte zu öffnen war. Nach einem Blick auf die Uhr meines Handys, nahm ich meinen Mut zusammen und schritt die zwei Stufen zum Eingang hinauf. In der Tür begrüßte mich mein Spiegelbild: eine ganz normale junge Frau von 26 Jahren, nicht unattraktiv, mit hellbraunen, mittellangen Haaren und blauen Augen. Und einer vor Schweiß klebenden Bluse, über Bluejeans und mit Stöckelschuhen. Noch bevor ich die Klingel betätigen konnte, vernahm ich ein elektrisches Summen, und die Tür schwang nach Außen auf. Ein Schwall kühler Luft strömte mir entgegen, das Haus war klimatisiert. Als auch nach drei Sekunden niemand herauskam, beschloss ich, dass die Tür wohl mir geöffnet worden war. Ich hatte jedoch nirgends am Gebäude eine Überwachungskamera entdecken können. Außer natürlich an der Einfahrt zur Tiefgarage. Entschlossen schritt ich durch die Tür, welche sich lautlos wieder hinter mir schloss.

Hinter der Eingangstür erwartete mich eine großzügige Lobby mit einem Empfangsschalter auf der linken Seite. Ein Portier lächelte mich freundlich und mit fragendem Gesichtsausdruck an.

„Guten Morgen! Sie müssen Frau Blauert sein, oder?"

Einen Moment lang war ich verblüfft, nickte dann jedoch freundlich zurück.

„Äh, ja. Guten Morgen! Woher wissen sie das?"

„Sie stehen auf meiner Liste. Moment, ich werde die Chefin informieren, dass sie da sind. Sie möchte sie persönlich herumführen. Wenn sie sich bitte einen Moment gedulden möchten?"

„Ja, Danke! -- Ach, Verzeihung, wo kann ich mich denn mal schnell etwas frisch machen? Ich bin erst eben angekommen, und der Zug war nicht wirklich klimatisiert."

Verständnisvoll nickte der relativ junge Mann. Er mochte kaum älter als ich sein und sah recht sportlich aus, absolut nicht der übliche Pförtnertyp. Auch sein Anzug saß perfekt, kein Billigkram, was Wachleute sonst so trugen. Als er seinen Arm hob, um in eine Richtung zu deuten, bemerkte ich, dass sein Oberarm die Anzugsjacke gut ausfüllte. Er schien Kraftsport zu betreiben.

123456...9