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Realität

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Sein Vortrag war sehr technisch. Es ging um die genaue Funktionsweise von Paralanin-5-Zyklin, einem recht verbreiteten Designer-Halluzinogen, das sehr spezifische Vorstellungen hervorrufen konnte. Professor Simon hatte den Mechanismus, mit dem das Paralanin die Synapsen bestimmter Regionen des Gehirn beeinflusste, aufgeklärt. Es ging weiter mit den strukturchemischen Eigenschaften, die ein Gegenmittel haben müsste, und Simon beschrieb in allen Einzelheiten, wie ein solcher Stoff herzustellen sei.

Es war ein langer und ermüdender Vortrag, und gegen halb 11 brauchte Tobias eine kurze Pause. Er ging kurz nach draußen, wo bereits ein Erfrischungsbuffet für die Pause danach aufgebaut war. Er dachte an Kay. Hatte sie bereits alle ihre Sachen aus ihrem Zimmer geholt, und sich bei ihm eingerichtet? Was machte sie jetzt, bevor sie zur Arbeit musste. Er beschloss, schnell nach ihr zu sehen und nahm, obwohl das Buffet noch nicht eröffnet war, zwei große Gläser von dem Traubensaft, der ihm so appetitlichen rot ins Augen leuchtete. Eines trank er sofort, das andere nahm er mit.

Kay hatte offenbar gerade ihre hübsche Hostessenuniform angezogen. Jedenfalls stand sie, als er hineinkam, vor dem Spiegel und zupfte ihren Rock und ihre Jacke zurecht. Sie wirkte etwas überrascht und verwirrt, als er hineinkam. Vermutlich, so dachte er sich, war sie bereits auf ihre Arbeit konzentriert.

Er wollte schnell wieder zu Professor Simons Vortrag zurück. Als er sich selbst noch einen weiteren Saft nehmen wollte, wurde er allerdings von einem Mitarbeiter des Hotels mit dem Hinweis, das das Buffet noch nicht eröffnet sei, davon abgehalten.

Professor Simon war immer noch mit Details der Herstellung des Antihalluzinogens beschäftigt. Es war eine hervorragende, ja fast geniale Arbeit, die er und sein Team geleistet hatten, und Tobias fragte sich, warum er seinen Vortrag so technisch hielt, dass nur ausgewiesenen Experten klar wurde, worum es eigentlich ging, und das auch nur mit Mühe.

Immer wieder schweiften nun seine Gedanken ab zu Kay, da auch er Mühe hatte, den Gedankengängen zu folgen. Aber mit einem mal wurde seine Aufmerksamkeit von etwas ganz anderem gefangen. Ihm fiel plötzlich auf, dass das Podest, eine moderne, glänzende Konstruktion aus Stahl und einem marmorähnlich gemusterten Verbundstoff, Risse hatte. Zuerst hatte er nur einen einzigen gesehen, der sich von direkt unter den Füßen des Professors bis zum tiefer gelegenen Boden, in dem die Stühle des Publikums standen, zog. Aber bei genauem Hinsehen, bemerkte er weitere. Und sie waren nicht klein, sondern breit und gezackt. Langsam wurde ihm bewusst, dass das Podium keineswegs eine edle und moderne Konstruktion war, sondern aus billigstem, altem und inzwischen verfallenem Putz auf Gipswänden bestand. Konnte es wirklich sein, dass ein solch nobles Hotel ein Kongresszentrum baute, das nicht einmal den Standards in den Sozialwohnungen der Ghettos rund um die Städte herum genügte?

Tobias schloss ungläubig die Augen und schüttelte den Kopf, wie um ein böses Gespenst abzuschütteln. Er versuchte, sich wieder auf die Worte des Professors zu konzentrieren. Dieser war jetzt fast am Ende seines Vortrags. Gerade erklärte er, dass das Anti-Paralanin, der Stoff, den er 3,7-Metaamino-5-Zyklo-Parahydrase, oder kurz MZP, nannte, in der Praxis getestet worden sei und unerwartete Ergebnisse zu Tage befördert hatte.

Was für Ergebnisse, fragte sich Tobias und öffnete die Augen wieder. Sein Mund klappte herunter. Die Welt hatte sich verändert. Er saß nicht mehr in einem modernen Ledersessel in einem sauberen Sitzungsaal, sondern auf einem nackten Holzstuhl in einem heruntergekommenen, kahlen Raum. Die anderen Teilnehmer des Symposiums waren nicht in Anzüge gekleidet, sondern in kaum mehr als Lumpen gehüllt. Dasselbe galt auch für die Angestellten des Hotels, unter denen sich, wie ihm jetzt auffiel, bewaffnete und wenig vertrauenerweckend aussehende Schlägertypen befanden.

"Diejenigen von Ihnen," schloss der Professor seinen Vortrag, "die die Auswirkungen von MZP am eigenen Leib erfahren möchten, haben im Anschluss an diesen Vortrag Gelegenheit dazu. Meine Mitarbeiter haben eine wässrige Lösung des Stoffes in einem Auszug von Vitis vinifera hergestellt. Ich möchte sie deshalb dazu ermutigen, sich am Buffet daran gütlich zu tun. Vielen Dank für ihre Geduld und ihre Aufmerksamkeit." Er deutete mit seinem Kopf eine Verneigung vor seinem Publikum an, dann verließ er die Bühne. Tobias fiel jetzt auf, dass er leicht humpelte, als ob er am rechten Fuß verletzt sei.

Es dauerte zwei Sekunden, bis Tobias verstand, was Simon meinte. Vitis vinifera - die Gemeine Weinrebe. Auszug davon - der Traubensaft. Offenbar hatten die Mitarbeiter des Professors das Anti-Halluzinogen MZP in den Traubensaft gemischt. Er hatte verbotenerweise bereits vor Ende des Vortrags davon getrunken. Simon hatte in seinem Vortrag erklärt, dass es einige Zeit dauerte, bis der Stoff wirkte. Konnte es sein, dass die ganze Hochglanzfassade des Hotels, die teure Kleidung der Symposiumsteilnehmer, die freundlichen Mitarbeiter des Hotels, dass das alles nur Fassade war? Ein Trugbild, das durch das Paralanin-5-Zyklin hervorgerufen wurde?

Zuerst war er empört über einen solchen Betrug und dachte daran, die Polizei zu verständigen. Dann fiel ihm Kay ein. Er hatte ihr den Traubensaft hochgebracht, und sie hatte ebenfalls getrunken. Aber sie hatte den Vortrag nicht gehört. Es musste für sie einen ungeheuren Schock bedeuten, die Realität zu sehen.

Die Zuhörer strömten, ermattet von Simons Vortrag, aus dem Saal. Schwätzend, und wie Tobias jetzt sah, argwöhnisch beobachtet von den primitiv aussehenden Gorillas in schwarzen Uniformen, machten sie sich über das Buffet her: Auf alten und schartigen Plastiktellern waren lieblos unappetitlich aussehende Bröckchen aufgehäuft. Obwohl es sich bei manchen Sachen offensichtlich um aus Algen hergestellten Fleischersatz handelte, surrten Fliegen darum herum. Tobias widerstand dem Drang, eine Kakerlake, die, als die Menge aus dem Saal strömte, schnell unter den Tischen zu verschwinden versuchte, zu zertreten. Ihm war inzwischen klargeworden, dass die Gorillas keineswegs zu seinem Schutz da waren, sondern zu seiner Bewachung.

Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, schlenderte er langsam in Richtung Treppe. Er sah sich nicht um, und vermied Blickkontakt mit den Wachleuten, da er nicht wusste, welche der Mitarbeiter des Hotels durch das Paralanin eigentlich vor ihm hätten verborgen sein sollen, und welche für alle Symposiumsteilnehmer sichtbar waren.

-

Kay lag mit geschlossenen Augen friedlich auf dem Bett. Als er eintrat und die Tür mit einem vernehmlichen Geräusch schloss, schlug sie die Augen auf.

Tobias starrte sie überrascht an. Sie war keineswegs die jugendlich aussehende Studentin, als die er sie bisher gesehen hatte, sondern man sah ihr ihre 27 Jahre an den kleinen Fältchen an den Seiten ihrer Augen und dem bereits etwas kantigen Gesicht an. Ihre Hostessenuniform war aus billigem Stoff fabriziert und an einigen Stellen grob ausgebessert worden. Die feinen schwarzen Strümpfe gab es tatsächlich, sahen aber angesichts der maroden Uniform etwas deplatziert aus. Tobias Suite war keine Suite. Es war ein Kabuff. Er fragte sich jetzt, wie er letzte Nacht zusammen mit einer weiteren Person ohne Problem in dem kleinen Bett hatte schlafen können. Die Wände waren aus kahlem Putz, der Vorhang zerrissen, und der weiße Lack auf den Türen rissig. Beleuchtet wurde das ganze von einer leicht flackernden Neonröhre.

Doch seine Überraschung war nichts gegen das, was Kay erleben musste. Nachdem sie ihre Augen geöffnet hatte, schweifte ihr Blick einige Zeit ungläubig durch den Raum. Ihr Mund stand weit geöffnet. Dann begann sie plötzlich zu schreien. Tobias war zuerst wie versteinert, dann wurde ihm klar, dass sie mit ihrem Geschrei auf sich aufmerksam machen würde. Er lief zu ihr und presste seine Hand auf ihren Mund. Sie versuchte sich zu wehren.

"Sei still! Hör mir zu!" beschwor er sie und schüttelte heftig ihren Kopf. Sie versuchte weiterhin zu brüllen und ein unterdrücktes "Nggg" kam aus ihre Kehle. "Ich will dir nichts tun, aber wir müssen weg." Langsam verebbte ihre Gegenwehr. "Es ist wichtig, dass du mir zuhörst. Hast du verstanden?"

Ein von seiner Hand unterdrücktes "Hmmm" kam aus ihrer Kehle.

"Wenn wir hier raus wollen," sagte er, "darfst du nicht schreien. Ich erkläre dir alles. Ja?" Sie nickte heftig mit dem Kopf. Langsam ließ er sie frei.

"Was... was hast du mit mir gemacht?" fragte sie, ja schrie sie fast, und sah ihn an wie ein Gespenst. Der Grund wurde ihm schnell klar, als er in dem gesprungenen Spiegel, der an der Wand lehnte, sein Konterfei sah - auch er war alles andere als jugendlich. Seine Schläfen waren bereits leicht ergraut, und auch in seinem viel zu kantigen Gesicht hatten sich bereits kleine Runzeln gebildet.

"Ich habe gar nichts mit dir gemacht, und ich habe auch nicht vor, dir etwas zu tun. Sagt dir Paralanin etwas?"

"Paralanin-5-Zyklin?" fragte sie, und in dem Moment wurde ihr bewusst, dass sie sich verraten hatte, dass ihre Tarnung als ahnungslose Germanistik-Studentin Makulatur war.

"Genau!" Er schien es zuerst nicht zu bemerken. Dann stutzte er, schaute sie für eine Sekunde scharf an, sprach dann aber weiter: "In dem Traubensaft, den ich dir vorhin gebracht habe - hast du ihn getrunken?"

Sie nickte.

"...war - du musst mir glauben, dass ich nichts davon wusste - ein Gegenmittel."

'Es gibt kein Gegenmittel.' wollte sie noch sagen, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig zurückhalten. "Ein Gegenmittel?" fragte sie dann und versuchte ein ahnungsloses Gesicht zu machen.

"Ja, Professor Simon von der Universität Bonn hat es entwickelt, und seine Mitarbeiter haben es dem Traubensaft beigefügt." Tobias wartete, bis seine Worte in ihr Bewusstsein gesickert waren.

Dann dämmerte es ihr. "Das... das bedeutet..." sie sah ihn fragend an. "Das hier..." mit einer vagen Handbewegung deutet sie auf das Ambiente, "das hier ist die Realität? Das wirkliche Hotel?"

Er nickte.

"Wir sollten das den Behörden sagen."

"Ja", stimmte er zu, "aber zuerst müssen wir hier raus."

-

Bevor sie gingen, gab es noch einen weiteren Schock für Kay, nämlich als sie sich selbst im Spiegel sah, doch Tobias zog sie an ihrem Arm aus dem Zimmer heraus, die Treppen hinunter in Richtung der Eingangshalle.

Dort sahen sie beide sofort, dass sie auf diesem Weg nicht hinaus konnten. Die große Eingangspforte des Hotels wurde von Bodyguards abgeriegelt. Einige Leute wurden gerade zeternd in Handschellen und unter brutalen Schlägen abgeführt. Tobias erkannte zwei Symposiumsteilnehmer darunter. Einer, der alte Professor Gerlinghaus aus München, hatte eine aufgeplatzte Schläfe und machte überhaupt einen sehr mitgenommenen Eindruck. Ohne etwas zu sagen, nahm Tobias Kay bei der Hand und zog sie wieder zurück in Richtung der Treppe.

"Wir haben ein kleines Problem." meinte er trocken.

"Wir probieren es mit dem Angestellteneingang." sagte Kay. "Ich habe die Berechtigungskarte in der Innentasche meines Blazers. Vielleicht ist der nicht bewacht."

Der Angestellteneingang war an einer anderen, weit abgelegenen Stelle des Gebäudes. Es ging durch dunkle Gänge, in denen lecke Rohre an den Wänden entlangliefen. Ungeziefer huschte auf ihrem Weg davon. Aber sie erreichten ihn ungehindert. Der Eingang schien menschenverlassen zu sein, und es waren keine Wachen zu sehen. Der altmodische, vollkommen versiffte Chipkartenleser akzeptierte Kays Karte und mit einem lauten Klacken öffnete sich das Schloss der schmucklosen Stahltür. Sie standen auf der Straße.

-

Ungläubig starrten die beiden auf die Straßenschlucht, die sich vor ihnen öffnete. Es war zweifellos dieselbe Straße wie vorher. Gegenüber des Hotels stand das riesige Gebäude einer Bank, daneben das Einkaufszentrum mit den Damenmoden in der Auslage. Am Rand verlief ein Grünstreifen, auf den ein Bistro seine Tische und Stühle gestellt hatte.

Und doch war alles anders als vorher. Der Glas-und-Marmor-Palast der Bank war jetzt ein schäbig wirkender Plattenbau aus den 30er Jahren, mit kleinen Fenstern, rußbeschmiert von den stinkenden Abgasen der veralteten Autos, die die Straße entlangrasten. Auch das Einkaufszentrum war in einem ähnlich schlechten Zustand. Ärmlich wirkende Menschen schleppten weiße oder durchsichtige Plastiktüten heraus, was vor der spärlichen Auslage des Damenmodegeschäfts wiederum passend erschien. Die kleinen Balkonstühle und -tische aus Metallrohren und Plastikteilen des Bistros standen etwas verloren unter den kahl und krank wirkenden Bäumen. Hunde wetteiferten an den Mülleimern mit offen herumlaufenden Ratten um die Essensreste.

"Es... es ist..." stotterte Kay, die sich als erste wieder gefasst hatte, schließlich. "Alles, was wir sahen, war nur eine Halluzination? Unser ganzes Leben?"

"Welche Organisation ist in der Lage, die Luft ganzer Städte mit Paralanin anzureichen?" sagte Tobias, aber in dem Moment wurde ihm auch schon klar, dass es nur eine solche Organisation geben konnte: Den Staat selber. Auch Kay schien das im selben Moment begriffen zu haben, und die beiden schauten sich entsetzt an. Das ganze Volk wurde betrogen.

"Ich schätze," sagte Tobias "wir haben ein noch viel größeres Problem als nur ein betrügerisches Hotel."

"Vielleicht," sagte Kay, und sie lächelte ein wenig dabei, "ist es doch nicht so schlau, zur Polizei zu gehen. Was sollen wir jetzt machen?"

Er überlegte einen Moment. "Ich glaube nicht, dass bisher jemand weiß, dass wir die Wahrheit kennen. Deswegen glaube ich, dass uns im Augenblick keine große Gefahr droht." Er machte eine Pause. "Aber etwas anderes würde mich interessieren, bevor ich entscheide, was ich jetzt mache."

Kay nickte. Ihr Herz pochte. Sollte das kommen, was sie befürchtete?

"Und zwar würde ich gerne wissen, woher du Paralanin-5-Zyklin kennst. Außerhalb der Fachpresse ist es, soweit ich weiß, fast unbekannt."

Kay antwortete nicht sofort. Sollte sie ihre Tarnung aufgeben, und ihm die Wahrheit sagen? Aber wie würde er dann reagieren?

"Du bist die Spionin, vor der ich gewarnt worden bin," stellte er nüchtern fest und drehte sich von ihr weg. "Ich hätte es mir denken können. Es war einfach zu perfekt."

Kay senkte den Blick auf den Boden. "Ich wurde erpresst, das zu tun." sagte sie leise.

"Du hurst herum, um Forschung auszuspionieren? Und behauptest dann, du würdest erpresst werden? Du bist... bist..." Er schüttelte den Kopf vor Abscheu, aber es fiel ihm kein passendes Wort ein.

"Wenn ich mich richtig erinnere," sagte Kay nun etwas fester und selbst etwas wütend geworden, "warst du, wo wir gerade von rumhuren sprechen, auch nicht gerade abgeneigt, mal eben mit einer kleinen Hostess ins Bett zu springen. Und eure Forschungsergebnisse sind ja wohl von uns geklaut!"

"Phhh. Absurd!" entfuhrt es Tobias.

"So ist es aber."

Ohne eine Antwort zu geben, drehte sich Tobias um und ging davon. Kay blieb einige Sekunden verdutzt auf der Straße stehen. Dann drehte sich sich in die andere Richtung und machte sich entschlossenen Schrittes auf den Weg zum Bahnhof. Sollte dieser eingebildete Heini ihr doch gestohlen bleiben.

3. Eine neue Aufgabe

Tobias Auto, das er sich erst letztes Jahr neu gekauft hatte, war auch in Wirklichkeit noch neu. Es waren keine Roststellen und nur wenige Kratzer zu sehen. Aber die Größe, Ausstattung und die Qualität der Materialien waren offenbar nur eine Halluzination gewesen. Die Tür schepperte laut, als er sie wütend hinter sich zuwarf. Er ärgerte sich über sich selbst, dass er wieder mal so naiv gewesen war, auf eine Frau hereinzufallen. Er hatte sich doch tatsächlich eingebildet, dass sie ihn mochte. Und dann das! Zu Hause würde er sich erst einmal betrinken.

Doch so weit kam es nicht. An der Ausfahrt, an der er an seinem Wohnort die Autobahn verließ, wurde er von der Polizei herausgewunken. Man verlangte seinen Führerschein und seine Ausweise, welche er dem Polizisten in seiner mittelblauen Uniform aushändigte. Dieser verschwand in seinem Streifenwagen. Alles machte einen so geruhsamen Eindruck, dass Tobias schon sicher war, dass es sich um eine Routinekontrolle handelte. Nach einigen Minuten kam der Polizist wieder zurück, Tobias Papiere in der Hand.

"Es tut mir leid! Sie müssen leider mit uns kommen." sagte er.

"Warum?"

"Dazu kann ich nichts sagen."

Tobias schaute nach vorne. Die Straße war frei. Für einen Moment überlegte er, ob er einfach Gas geben sollte. Aber da sah er, dass der Kollege des Polizisten aus dem Streifenwagen ausgestiegen war, und gerade seine Waffe entsicherte.

-

Vier Stunden später saß er im grellen Schein einer Verhörlampe an einem leeren Tisch. Der Raum war kahl, aber sauber. Er wusste weder, in welches Gebäude er gebracht worden war, noch wer ihn verhörte. Eine Art Sondertruppe des Nachrichtendienstes?

"So!" sagte der schwarz uniformierte Mann auf der anderen Seite des Tisches und lehnte sich behaglich in seinen Polsterstuhl zurück. Er war jung und hatte auffallend strohblondes, kurzes Haar. Tobias fragte sich, ob er es sich färbte. "Jetzt erzählen Sie mir mal, was genau sie bei diesem... diesem...."

"Symposium?"

"...genau, was sie da erlebt haben!"

"Das habe ich ihnen doch schon fünfmal erzählt." Tobias saß bereits seit Stunden hier, hatte weder etwas zu essen noch zu trinken bekommen. Seine Blase drückte. Der Mann schnellte nach vorne.

"Dann erzählen Sie es mir eben nochmal!" schnappte er in drohendem Tonfall.

Tobias seufzte innerlich. "Ich bin von meinem Chef auf das Symposium geschickt worden," fing er erneut an, "um neuere Entwicklungen in der Forschung der...."

"Das interessiert mich nicht!" unterbrach ihn der Blonde. "Was haben Sie gesehen, mit wem haben Sie gesprochen?"

Tobias berichtete es ihm wahrheitsgemäß, nur dass er sein intimes Zusammensein mit Kay nicht erwähnte, sondern erzählte, eine freundliche Kongressangestellte habe ihm den Bediensteten-Eingang geöffnet. Als er gerade an der Stelle war, wo er in sein Auto stieg, öffnete sich die schmucklose dunkelbraune Stahltür des Raums und ein hagerer, glatzköpfiger Mann kam herein.

Der Mann am Tisch stand auf. "Und? Haben Sie das kleine Flittchen gefunden?"

Der Glatzköpfige nickte. "27 Jahre. Studiert Germanistik. Wir haben ihre Adresse. Was sollen wir mit ihr machen?"

Der Blonde machte sich, ohne Tobias auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, daran, den Raum zu verlassen. "Wir haben keine Verwendung für die Kleine. Aber sie weiß zu viel." Die Tür ging zu. "Eliminieren!" hörte Tobias noch, dann fiel sie mit einem lauten Krachen ins Schloss.

-

Es schien Ewigkeiten zu dauern, die Tobias warten musste. Er hatte einige male an die Tür und die Wände geklopft, da er dringend auf die Toilette musste. Doch schließlich öffnete sich die Tür wieder. Ein mittelalter Herr mit einem offensichtlich schwarz gefärbten Scheitel trat herein. Er hatte einen Zwicker auf der Nase, wodurch ein wirkte, als sei er durch eine Zeitreise aus dem 19. Jahrhundert hierhin gekommen. Er nickte Tobias freundlich zu, setzte sich in den Polsterstuhl, legte seine Hände auf seinen Bauch und verschränkte die Finger.

"Tja." sagte er lächelnd. "Was sollen wir bloß mit Ihnen machen?"

Tobias antwortete nicht auf diese rein rhetorische Frage. Der Mann schaute versonnen in die Luft. Dann schüttelte er den Kopf.

"Sie wissen einfach viel zu viel." Er reckte die Arme nach oben und streckte sich. "Es gibt jetzt eigentlich nur zwei Möglichkeiten."

Tobias sah in fragend an.

"Wir, äh... lassen Sie verschwinden." Er lehnte sich auf seine Ellbogen und schaute Tobias scharf mit seinen hellblauen Augen an.

"Oder?" traute der sich trotzdem zu sagen.

"Oder Sie erklären sich bereit, Ihre Kenntnisse der Materie in unseren Dienst zu stellen."

"Ich habe nicht wirklich eine Wahl, oder?"

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