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Realität

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Wie ein Sack rutschte er von ihr und ließ sich aufs Bett fallen. Kay zog die große Bettdecke des Ehebetts über sie beide und kuschelte sich an ihn. Sie küsste ihn auf den Mund. Er erwiderte den Kuss und schloss seine Augen, und nach wenigen Minuten bereits zeigte ihr sein regelmäßiger, lauter Atem, dass er in tiefen Schlaf gefallen war, obwohl es gerade mal 6 Uhr war.

Kay dagegen lag mit pochendem Herzen neben ihm und überlegte, was sie machen sollte. Nach Hause zurück konnte sie nicht. Ihren Freunden und Freundinnen konnte sie nicht mehr vertrauen, wie ihr Abenteuer bei Rebecca es ihr gezeigt hatte. Ihre Familie würde vermutlich observiert werden. Wie war sie nur in diese Lage geraten? Sie dachte zurück.

Auf diesem Symposium, auf dem sie eigentlich ihre Arbeit in der Universität hatte retten wollen, hatten sie und Tobias durch Zufall erfahren, dass staatliche Stellen ihr eigenen Volk hintergangen hatten, dass die Menschen in ärmlichen Verhältnissen lebten, synthetisches Essen bekamen und über diese Tatsachen belogen wurden. Und dadurch waren sie zum Staatsfeind geworden.

Auch Tobias war geschnappt worden. Er hatte am Telefon gesagt, dass er verhört worden sei. Aber dann hatte er bei ihr angerufen. Also lebte er noch. Hatte er sich irgendwie befreien können? Hatte er einen Deal mit den staatlichen Stellen geschlossen? Aber er hatte sie gewarnt, und ihr so das Leben gerettet. Offenbar genoss er bestimmte Freiheiten. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam sie zum dem Schluss, dass Tobias jetzt die einzige Person war, der sie vertrauen konnte, und vielleicht konnte er ihr sogar helfen. Vielleicht.

Mit zitternden Knien stand sie auf. Malte drehte sich um, aber sein Atem ging unverändert weiter. Er war nicht aufgewacht. In ihren Kleidern müsste Tobias Telefonnummer zu finden sein....

10. Eliminierung

Das MZP verfehlte seine Wirkung bei Tobias nicht. Die Fahrt nach Hause war trostlos. In seinem klapprigen Wagen fuhr er durch monotone, graue Viertel aus billig gebauten Wohnsilos. Die Auslagen in dem großen Supermarkt, in dem die Leute seines Viertels sich mit Vorräten eindeckten, bewirkten bei ihm einen leichten Würgereiz. Dennoch musste er einkaufen.

Mit einem isotonischen, mit Vitaminen angereicherten, aber schrecklich schmeckenden Getränk spülte er, als er wieder auf den Parkplatz trat, den Meta-5-Blocker hinunter. Auf der anderen Seite der vielbefahrenen Straße sah er Irene. Sie hatte ihn noch nicht bemerkt, sondern schaute gerade nach links, ob Autos kamen.

Doch just in dem Moment, als sie begann, die Straße zu überqueren, vermutlich um ebenfalls zum Supermarkt zu gelangen, schoss ein silberner Mittelklassewagen mit abgedunkelten Scheiben heran. Sie beschleunigte ihren Schritt, um schnell von der Straße zu kommen, doch der Wagen wechselte die Spur, fuhr ihr nach, und prallte ungebremst in sie. Tobias sah wie in Zeitlupe, wie ihr Körper Dutzende Meter weit geschleudert wurde und auf der Gegenspur liegenblieb, wo ein weiteres Auto trotz einer Vollbremsung mit quietschenden Reifen in sie fuhr, bevor die nächsten anhielten. Der Fahrer stieg aus und lief zu ihr. Doch Tobias bemerkte, dass der silberne Wagen, der den Unfall verursacht hatte, trotz seiner Beschädigung an der Front langsam anfuhr und sich im Schleichtempo entfernte. Sein Herz pochte, denn ihm war klar, dass er gerade durch Zufall eine sauber durchgeführte Exekution beobachtet hatte. Und er wusste jetzt schon, was er morgen hören würde: Irene sei bei einem tragischen Autounfall verstorben. Sollte das auch sein Schicksal werden? Sein Herz krampfte sich vor Angst zusammen.

Der Meta-5-Blocker fing langsam an zu wirken. Die Luft schien irgendwie klarer zu werden. Der Dreck und die ärmliche Bauweise der Gebäude, der Autos und der Straßen blieb, aber das Unkraut, das überall zwischen den Pflaster- und Mauerritzen sprießte, die gesündere Gesichtsfarbe der Menschen, und die Stille, die sich über alles legte, ließen die Szenerie idyllischer erscheinen. War das nun die Realität? Oder gab es weitere Schichten der Täuschung, von denen er nichts ahnte?

Er fuhr nach Hause. Das Viertel, in dem er wohnte, versprühte jetzt den Charme eines alten, etwas in die Jahre gekommen Bürgerviertels. Die Häuser sahen solide aus, nur der Putz blätterte ab und einige Risse zogen sich durch die Wände. Mayerhoffs Worte "Ich kann einiges für Sie erreichen" klangen ihm noch ihm Ohr, als er seine Wohnung betrat und die abgetretenen alten Dielen unter ihm knarrten. Er fragte sich, wie Herr Mayerhoff wohl reagieren würde, wenn Tobias ihm vorhalten würde, was er heute gesehen hatte, und sich weigern würde, zu kooperieren.

Entschlossen griff er zum Telefon, einem wie ihm vorkam, geradezu antiken Gerät aus Kunststoff mit Metallverzierungen. Doch just in dem Moment, als er den Hörer berührte, klingelte es.

Das vergilbte LCD-Display des Telefons zeigte nicht etwa den Schriftzug "unbekannt", sondern ließ drei Fragezeichen aufregt blinken. Er schob dies auf die Wirkung des Meta-5-Blockers und hob ab.

"Freund? Hallo?" meldete er sich.

Einen Augenblick herrschte Stille am anderen Ende, und er hätte beinahe schon wieder aufgelegt, als er Kays nervöse Stimme flüstern hörte. "Bist du es, Tobias?"

"Ja." sagte er. Er hatte ein komisches Gefühl im Bauch. Die Frau, die ihm so viel Freude geschenkt hatte, ihn aber auch so schamlos benutzt hatte, und die er, so wie es aussah, durch seine Warnung gerettet hatte, war am anderen Ende, und er wusste nicht, was er davon halten sollte.

"Ich weiß nicht, was ich machen soll...." sagte sie. Er hörte einige komische Geräusche, als ob sie Schwierigkeiten hätte, ihr Stimme unter Kontrolle zu halten. "Sie sind hinter mir her." Er hörte ein Rascheln, dann ein "Schhhh..."

Er wartete.

"Du bist der einzige, dem ich noch vertrauen kann."

"Was ich von dir nicht gerade sagen könnte," entfuhr es ihm, und sofort bereute er seine Worte.

An der anderen Seite herrscht lange Zeit Stille.

"Tut mir leid. Es war nicht so gemeint." sagte er schließlich. "Es ist nur..."

"Schon gut, du hast ja recht." Sie schien zu überlegen. "Ich kann nicht rückgängig machen, was ich getan habe. Und ich kann verstehen, wenn du nein sagst. Aber ich brauche unbedingt ein neues Versteck."

Jetzt war es also heraus. Sie war immer noch auf der Flucht und brauchte seine Wohnung als Versteck. 'Wieder einmal will sie dich nur für ihre Zwecke benutzen.' ging es ihm durch den Kopf.

"Nein, das geht nicht." sagte er dann. "Meine Wohnung wird überwacht. Sie würden dich sofort finden. Überhaupt... ich vermute, dass sie deinen Anruf schon zurückverfolgen."

Auf der anderen Seite herrschte entsetztes Schweigen. "Dann... dann..." Mehr brachte Kay nicht heraus.

Doch in Tobias Kopf spukte eine Idee herum.

"Vielleicht kann ich etwas arrangieren. Kannst du mich in ein paar Stunden wieder anrufen?"

"Ja. Im Augenblick bin ich sicher. Glaube ich. Aber wenn der Anruf zurückverfolgt wurde, kann ich nicht mehr lange hierbleiben."

"Bis dann!" Er legte auf, und kaum, dass die Leitung wieder frei war, wählte er Mayerhoffs Nummer. Wie er gehofft und vermutet hatte, befand sich sein Chef noch in seinem Büro.

"Hören Sie, Mayerhoff!" sagte Tobias mit entschlossener Stimme, kaum dass der sich gemeldet hatte. "Ich habe gesehen, wie Frau Kaszinsky exekutiert worden ist. Ich möchte mit Leuten, die so etwas machen, nichts zu tun haben. Ich werde nicht mehr kooperieren."

Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Tobias konnte regelrecht hören, wie es in Mayerhoffs Gehirn arbeitete. Als er schließlich sprach, tat er es langsam und unsicher.

"Kaszinsky? Nie gehört," sagte er, und Tobias meinte die Lüge in seiner Stimme geradezu spüren zu können. Er wartete.

"Könnte es nicht sein, dass Sie das nur halluziniert haben? Die ganzen Substanzen haben manchmal seltsame Nebenwirkungen."

"Sie haben mich gestern vor Feierabend noch gefragt, ob sie, also Irene Kaszinsky, irgendwelche Bemerkungen gemacht hat."

"Ich habe Sie gefragt, ob Sie noch irgendwelche Bemerkungen zu Ihrer Arbeit haben. Sie sagten, wenn ich mich noch recht erinnere: 'Welche Art von Bemerkungen?' und ich sagte, Bemerkungen zu den Informationen, die Sie in unserem Aktenschrank vorfanden."

Tobias glaubte ihm kein Wort. Was er erlebt hatte, hatte er erlebt. Andererseits, so wurde ihm nun bewusst, war vieles von dem, von dem er geglaubt hatte, dass es Realität war, nur Einbildung gewesen. Das gab ihm zu denken. Mayerhoff könnte recht haben. Vielleicht war das ganze in Wirklichkeit nicht, oder nicht so passiert, wie er es gesehen hatte. Andererseits könnte es auch sein, dass Mayerhoff versuchte, ihn mit Worten zu manipulieren.

Mayerhoff fuhr fort: "Wie wäre es, wenn Sie morgen in mein Büro kommen, und dann besprechen wir das ganze nochmal?"

"Nein. Ich glaube Ihnen kein Wort, wenn Sie sagen, dass Sie nichts davon wussten," versuchte Tobias sicher und entschlossen zu wirken, auch wenn er es inzwischen gar nicht mehr war. "Ich werde nicht kooperieren."

"Dann..."

"Sie werden mir nichts antun." Jetzt zog er seinen Trumpf aus dem Ärmel. "Sie brauchen mich. Ich habe es heute im Labor gesehen."

"Hmmm. Sie sind ein sehr selbstbewusster, junger Mann, aber ja, ich muss zugeben, dass ich es sehr gerne sehen würde, wenn Sie weiter für uns arbeiten würden. Und zwar engagiert. Für die Arbeit, die Sie heute geleistet haben, hätten meine Mitarbeiter normalerweise mehrere Tage benötigt. Vielleicht gibt es etwas, das Ihnen anbieten kann..."

"Ich möchte am Leben bleiben." sagte Tobias spontan.

"Das lässt sich arrangieren." antwortete Mayerhoff gönnerhaft.

"Und ich möchte, dass Sie Kay Lehmann in Ruhe lassen."

"Kay Lehmann?"

"Die Frau, die mit mir auf dem Symposium war. Sie soll exekutiert werden. Fragen Sie Ihre Vorgesetzten."

Es dauerte eine Sekunde, bis Mayerhoff antwortete. "Ich werde das klären, und Sie in einer Stunde wieder kontakten."

-

Es dauerte länger als eine Stunde. Tobias ging während dieser Zeit nervös in seiner Wohnung auf und ab und biss sich wie ein Teenager auf die Finger. Bedeutete ihm Kay so viel? Nach fast zwei Stunden rief Mayerhoff wieder an.

"Ich habe gute Nachrichten für Sie." sagte er, "Der Abteilung, die die Elimination von Frau Lehmann angeordnet hat, ist ein Fehler unterlaufen. Ich habe das geklärt. Frau Lehmann ist durchaus kein unbeschriebenes Blatt, sondern sie steht kurz vor dem Abschluss ihrer Promotion über neue Psychopharmaka, und war - ich glaube, ich darf Ihnen das verraten, da sie ja nun beide auf derselben Seite stehen - auf Sie angesetzt, um ein Informationleck in den universitären Laboren aufzudecken. Sie, hmmm, arbeitet also auf unserer Seite. Sie ist viel zu wertvoll, um sie verlieren. Die ganze Operation ist jetzt abgebrochen worden. Und zwar, wenn ich das sagen darf, gerade noch rechtzeitig."

Tobias schwieg. Mayerhoffs Bemerkung hatte ihn wieder an Kays Verrat erinnert und er fragte sich jetzt wieder, warum er ihr überhaupt half.

Doch Mayerhoff missverstand sein Schweigen. "Sie können ganz beruhigt sein", fuhr er fort, "ihr droht jetzt keine Gefahr mehr. Ich gebe Ihnen mein Wort. Es war nichts als ein kleines... Missverständnis."

"Gut, ich verstehe." sagte Tobias schließlich etwas kurz angebunden. An ein kleines Missverständnis glaubte er nie und nimmer.

Mayerhoff räusperte sich. "Ich rechne morgen mit Ihrem Erscheinen! Ich nämlich betrachte meinen Teil unserer Vereinbarung als erfüllt. Und auch wenn ich nicht weiß, wer Frau Kaszinsky sein soll, versichere ich Ihnen, dass die staatlichen Stellen..." er machte eine kleine Pause, "... sehr unangenehm werden können. Fordern Sie also nicht zu viel!"

"Nein nein," beschwichtigte ihn Tobias schnell, "ich musste nur gerade an etwas anderes denken. Selbstverständlich werde ich mich morgen früh wieder zum Dienst melden."

"Na also, das freut mich." sagte er, aber es klang wie eine Drohung. "Ich sehe Sie morgen!"

"Ja, bis morgen."

-

Eine knappe halbe Stunde später klingelte abermals das Telefon, und Tobias konnte Kay die guten Neuigkeiten verkünden.

"Du braucht gar nicht mehr zu mir zu kommen," sagte er, "Mein Vorgesetzter versicherte mir, dass du nicht mehr getötet werden sollst, und dass du ganz beruhigt wieder nach Hause kannst."

"Wirklich? Kann man ihm glauben? Oder ist das vielleicht nur ein Trick?" In Kays Stimme schwang noch die Skepsis ob dieser plötzlichen Wendung mit.

"Ehrlich gesagt, kann man ihm nicht glauben, nicht ein Wort," antwortete Tobias. "Wirklich trauen kann man ja heutzutage sowie keinem, nicht wahr? Aber ich denke, in diesem Fall sprechen die Indizien dafür, dass es die Wahrheit ist. Soweit ich das verstanden habe, war der Befehl ein Missverständnis. Denjenigen, die ihn gegeben haben, war nicht klar, wer du bist, dass du eine promovierte Biochemikerin und damit viel zu wertvoll bist, und dass du für den Staat arbeitest und..." Er stutzte kurz. "und... hmm... mich ausspionieren solltest."

Am anderen Ende der Leitung wurde es still.

-

Kay schien, als würde ihr Herz stehenbleiben, als Tobias sie daran erinnerte, wie sie den Mann, der ihr später das Leben gerettet hatte, verraten hatte. Was konnte sie sagen, was konnte sie machen, um das wieder gutzumachen? Sie wusste es nicht.

"Es tut mir leid..." flüsterte sie. "Ich kann das nicht wieder gutmachen...." Aber genau in diesem Moment, war ihr klar, dass sie nocheinmal zu ihm gehen musste.

"Schon ok." sagte Tobias, "Man hat dich unter Druck gesetzt. Ich weiß jetzt, wie das ist." Aber Kay spürte, dass er jetzt kurz angebunden war und seine Worte alles andere als seine Gefühle wiedergaben.

-

Ohne die Wirkung des TPL-Fluids, das durch den Meta-5-Blocker neutralisiert wurde versprühte das Labor, in dem sich Tobias am nächsten Tag pünktlich einfand, den Charme längst vergangener Zeiten, wenn man von der modernen Ausstattung absah.

Tobias nächster Arbeitstag verlief ohne besondere Vorkommnisse. Er konnte die Strukturformel des Stoffes, an dem er arbeiten sollte, so modifizieren, dass er besser an die Synapsen des Sehcortex andockte. Mayerhoff war beeindruckt.

"Haben Sie," fragte er, "Frau Lehmann gefragt, ob sie bereit wäre, nach Vollendung ihrer Promotion bei uns zu arbeiten?"

Tobias schüttelte den Kopf. "Die Gelegenheit ergab sich nicht." sagte er schließlich. "Frau Lehmann war verständlicherweise noch etwas durcheinander. Außerdem stehen Frau Lehmann und ich uns nicht sehr nahe. Sie hat mich hintergangen. Ich will mit ihr nichts zu tun haben."

Mayerhoff zog die Augenbrauen hoch, als würde er nicht wirklich glauben, was Tobias da sagten. "Sie sind mit Ihrem Anruf durchaus ein Risiko eingegangen. Und, wenn ich das sagen darf, ohne Ihren Anruf wäre Frau Lehmann jetzt im Gefängnis, vielleicht auch tot. Wenn Sie Ihnen nichts bedeutet, wozu dann er der ganze Aufwand?" Er schüttelte verständnislos den Kopf. "Nun gut, sei's drum."

Doch Tobias hatte die letzten Worte gar nicht mehr gehört. 'Wenn sie mir nichts bedeutet, wozu dann der ganze Aufwand' fragte er sich nun auch. Und die Antwort wurde ihm mit einem Schlag klar: Sie bedeutete ihm etwas. So einfach war es.

11. Vereinigung

Tobias ging abends mit einem empfindlichen EM-Peilempfänger, den er im Nachbarlabor ausgeliehen hatte, durch seine Räume und versuchte die versteckten Sender, die der staatliche Geheimdienst zweifellos installiert hatte, zu orten, als es klingelte.

Er überlegt kurz, ob er an die Tür gehen sollte. Auf ein Gespräch mit einem der immer lästiger und penetranter werdenden Hausierer oder Vertreter hatte keine Lust. Aber dann ging er doch zur Tür. Es war eine Unverschämtheit, dass sie inzwischen schon so spät kamen. Verärgert riss er die Tür auf.

Kay stand da. Er hatte sie bis jetzt in zweierlei Gestalt gesehen: Die Wirkung des Paralanin-5-Zyklin machte aus ihr eine gut zwanzigjährige, sexy Studentin. Ohne diesen Stoff sah sie deutlich älter aus, mit Fältchen neben den Augen. Jetzt, nachdem auch die Wirkung des TPL-Fluids ausgeschaltet war, schienen die Fältchen, die zweifellos noch immer anwesend waren, etwas geglättet. Und sie rundeten ihre Gesicht mit den scharf geschnittenen Augen zu einem harmonischen Ganzen ab. Ihr blondes Haar glänzte in den letzten Strahlen der Sonne, die sich gerade in den gesprungenen Glasscheiben des Mietshauses gegenüber spiegelten, und umrahmte ihr Gesicht wie mit der Aura eines Engels. Ihr Lippen glänzten in einem hellen Rosa. Und ihr hellgrünes Top, das die Ränder eines schwarzen Spitzenhemdes in ihrem Ausschnitt erkennen ließ, hielt seinen Blick gefangen.

"Ich...." Sie sah ihn unsicher an. "Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Und mich bedanken" brachte sie schließlich heraus. Ihr Stimme klang etwas piepsig, doch Tobias hatte das Gefühl, dass es die erotischste Stimme sei, die er je gehört hatte. "Auch wenn sich alles nur als Missverständnis herausgestellt hat. Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich jetzt wahrscheinlich tot." Er konnte ihr nicht böse sein, so, wie sie da stand. Sie war genauso ein Opfer wie er selber. Nein, sie hatte sogar noch viel mehr durchgemacht.

Statt einer Antwort packte er sie an ihrer Hüfte, die sich jetzt viel fraulicher unter ihrem engen dunkelgrünen Rock abhob, als er sie in Erinnerung hatte. Er zog sie zu sich und küsste sie auf den Mund.

Sie entzog sich ihm nicht, sondern erwiderte seinen Kuss. Jetzt, nachdem alles vorbei war, wurde ihr klar, wie sehr auch sie ihn vermisst hatte, und sie ließ ihre Zunge in seinen Mund gleiten.

Tobias zog sie in seine Wohnung, ohne sie aus seinen Armen zu lassen, und stieß hinter sich die Wohnungstür zu. Die Überwachungskameras, die angezapfte Telefonleitung und die Wanzen, die in seiner Wohnung waren - all das war vergessen. Es gab nur noch die Wärme und Weichheit dieser Frau, die Schlüpfrigkeit ihrer Lippen, der Tonus ihrer von rauem Nylon bedeckten Beine, die er jetzt anfing abzutasten.

Kay hatte ihre teuerste Strumpfhose angezogen, eine aus feinstem hautfarbenen Stoff, sie auf der Hinterseite Nähte hatte, und deren Sohlen verstärkt waren. Und mit leichter Belustigung stellte sie fest, dass sie ihre Wirkung nicht verfehlte. Nachdem Tobias erst einmal ihre Oberschenkel erfühlt hatte, war er wie von Sinnen. Er packte sie an ihren Hüften und schob sie zur der Kommode, die in der Diele stand. Instinktiv stützte sie ihre Hände darauf und beugte sich etwas nach vorne, so dass er ihr ihren Rock hochschieben konnte. Es dauerte nur Sekunden, dann hatte er ihre inzwischen vollkommen durchnässte Strumpfhose ein Stück nach unten geschoben. Sie spreizte die Beine und dann fühlte sie auch schon, wie er mit seinem erlösenden Glied, das dadurch, dass sie ihre hochhackigsten Pumps angezogen hatte, genau in der richtigen Höhe war, von hinten in sie eindrang.

Tobias stieß schnell und heftig zu. Und wie in einem Chor kamen aus ihrer beiden Münder Stöhnen und kurze Schreie. Es dauerte keine Minute, bis er in ihr kam, und sie gleichzeitig ihren Höhepunkt erreichte. Sie hatte nicht gewusst, dass sie überhaupt in der Lage war, so schnell einen Orgasmus zu erreichen, aber seine Wucht war so unbeschreiblich, dass ihre Knie nachgaben, und Tobias sie festhalten musste. "Ich liebe dich." sagte er. "Ich liebe dich." sagte sie.

"Komm, lass uns etwas trinken." sagte Tobias.

Doch sie kamen nicht bis in die Küche. Statt dessen landeten sie in Tobias Schlafzimmer, wo sie bis in den frühen Morgen keinen Schlaf fanden.

12. Alltag

Tobias war etwas irritiert, dass morgens eine andere Frau neben ihm aufwachte: Die Kay, die er in Hamburg als junge Germanistik-Studentin kennengelernt hatte. Und aus seiner Wohnung war wieder die weiträumig geschnittene, moderne Wohnung geworden, die er gemietet hatte. Er brauchte einige Sekunden, bis er verstanden hatte, dass die Wirkung des Meta-5-Blockers und des MZP beide nachgelassen hatten. Ihn irritierte auch, dass Kay, die neben ihm aufwachte, keinerlei Anzeichen von Überraschung zeigte. Aber dann wurde ihm klar, dass sie den gestrigen Abend vollkommen anders erlebt haben musste, als er.

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