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Thao 27

Geschichte Info
Ende!!! Danke fürs durchhalten.
22.3k Wörter
4.7
12.5k
1

Teil 27 der 48 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 09/23/2019
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51. Amelie soll helfen

Thao hatte lange darüber nachgedacht, mit wem sie sprechen wollte, wer ihr vielleicht etwas von ihrem Schmerz nehmen könnte. In den letzten zwei Tagen hatte sie sich in ihrem Zimmer eingeschlossen, regelrecht verbarrikadiert, wollte niemanden hören oder gar sehen. Aber wer hätte sie auch vermissen sollen? Abgesehen von ihrer Mutter gab es nicht mehr viele Menschen, die Interesse an ihr hatten. Die Gefühle des Mädchens wechselten zwischen Selbstmitleid und -hass.

Immer wieder hatte sie die Gedanken an Karl aus ihrem Kopf zu drängen versucht, doch vergeblich, sie kehrten mit aller Macht jedes Mal aufs Neue zurück.

Ununterbrochen verspürte sie den Drang, seine Nummer zu wählen, um noch einen letzten Erklärungsversuch zu wagen. Doch die Angst überwog, dass sie in absehbarer Zeit wieder am gegenwärtigen Punkt angelangt wären und die Prophezeiung ihrer Mutter sich bewahrheiten würde. Karl würde ihre Neigung nicht akzeptieren können und es auch nicht wollen.

Thao starrte auf ihr Handy, sie hatte es auf lautlos gestellt und nicht mehr aufgeladen, wollte dies auch nicht, damit sie erst gar nicht in Versuchung geraten würde. Die Batterieanzeige bezeugte den beinahe leeren Akkuzustand.

Das Punkermädchen starrte lethargisch vor sich hin. Dunkle Metalmusik dröhnte durch den Raum, immer wieder aufs Neue dieselben Lieder. Ab und an tauchte ihre Mutter auf, brachte ihr Essen, setzte sich zu ihr, bis Thao ihrer überdrüssig wurde. Rüdiger war zu sich nach Hause gefahren, hatte Anne mit ihrer Tochter allein gelassen. Selbst Thao verstand diese Geste und rechnete sie ihm hoch an.

Die Punkerin fasste schließlich doch einen Entschluss, raffte sich auf, griff nach ihrem Handy und klappte es auf. Anruf in Abwesenheit? Fehlanzeige! Karl schien es wirklich ernst zu meinen. Sie suchte das Ladekabel, verband es mit ihrem Handy und wählte die Nummer ihrer einzigen Freundin, der sie sich noch anvertrauen wollte. Sie hatte auch an Xena gedacht, doch wie würde die wohl reagieren, wenn sie erfahren würde, was Thao ihr verheimlicht hatte?

Amelie reagierte verstört und dachte im ersten Moment, Thao würde ihr einen geschmacklosen Streich spielen. Doch aus jedem weiteren Wort ihrer Freundin hörte sie mehr und mehr deren Verzweiflung und Verbitterung heraus. Der Punkerin ging es schlecht, wahrscheinlich so miserabel, wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Das Gespräch war nur von kurzer Dauer. Amelie würde morgen nach Hause kommen, auch wenn Thao es ihr nicht glauben wollte, dass sie es ohnehin so geplant hatte.

Wieder und wieder hatte Amelie die Punkerin aufgefordert, das Gespräch mit Karl anzustreben, ihn sich zurückzuholen und, gemeinsam mit ihm, eine für beide akzeptable Lösung zu suchen. Thao hätte dem so gern nachgegeben und dennoch schien sie dazu zu feige zu sein. Nicht, weil sie an einer Versöhnung zweifelte, doch hatte sie panische Angst vor dem nächsten Konflikt, der alles nochmals verschlimmern würde. Und dabei liebte sie ihren Jungen doch so sehr.

52. Katja rastet aus

„Ihr habt Euch zwei Tage Zeit gelassen, mir das zu sagen?"

Harald senkte seinen Blick. Er kannte das nur zu gut, seine Frau war wieder einmal auf hundertachtzig. Sie setzte sich auf die Couch und starrte vor sich hin.

Das, was sie soeben gehört hatte, hatte sie völlig unvorbereitet getroffen. Thao hatte monatelang in der SM-Szene gearbeitet und ihren Sohn in selbige eingeführt? Unbändige Wut stieg in ihr hoch, begleitet von Trauer und Enttäuschung.

Die Freundin ihres Sohnes hatte stets authentisch auf die kleine Polizistin gewirkt. Dass Thao nichts vor ihr zu verbergen versuchte, bewies sie ihr durch wiederholte, kleinere Provokationen, ihren Trotz und einige Macken, die sie, ihrer Art entsprechend, einfach nicht unterdrücken mochte. Und nun das!

„Karl hat das einzig Vernünftige getan. Egal, welche Gründe sie hat, es ist absolut nicht akzeptabel für mich, dass sie als Domina die Fantasien anderer Männer bedient."

Sie schüttelte den Kopf.

„Ich bin so unsagbar enttäuscht und wütend auf sie."

Harald setzte sich neben seine Frau. Er schwieg, streichelte ihr über den Rücken, versuchte sein Möglichstes, um sie zu beruhigen.

„Warum sagst du nichts?"

„Weil ich anderer Meinung bin."

Für einen kurzen Moment wandte sie ihm ihr Gesicht zu, er sah nichts als Verachtung in ihrem Blick.

„Das war ja klar, dass du diese Göre in Schutz nehmen wirst, die unseren Jungen zum Perversen gemacht hat. Am liebsten würde ich ihn zum Arzt schleifen, damit ihre SCHEISSFRESSE von seiner Brust wegkommt."

Harald versuchte, sie an sich zu drücken, sie aber stieß ihn weg.

„Wie kann dir das nur so egal sein? Ich kann dich da bei bestem Willen nicht verstehen."

Karls Vater schloss seine Augen und dachte nach, ob er die Kraft für einen Disput mit seiner Frau aufwenden wollte. Es würde seinem Sohn nicht helfen, wenn er sich der beiden wegen mit Katja stritt.

„Du wirst wütend werden, wenn ich dir meine Sicht der Dinge erkläre, Katja. Das war schon immer so. Und wenn ich jetzt auch noch behaupten würde, dass Thao Parallelen zu dir aufweist, schreist du mich nur wieder an."

Katja glotzte ihn an, als sähe sie einen vom Wahnsinn Befallenen vor sich.

„Ich soll mit ihr Parallelen aufweisen? Schön! Komm, Harald, dann erkläre mir das Mal. Mach mir den Sigmund Freud, damit ich weiß, wo meine „Parallelen" sind."

Harald versuchte, sich von Katjas Gereiztheit nicht beeinflussen zu lassen. Er suchte nach den richtigen Worten und hoffte, eine Eskalation vermeiden zu können.

„Karl hat mir erzählt, dass Thao oft gereizt und mit Wut auf ihre Umwelt reagiert, wenn sie sich überfordert fühlt, andere Menschen demütigt und quält, um selbst wieder zur Ruhe kommen zu können."

Er blickte seiner Frau tief in die Augen.

„Das ist bei dir genauso."

Katja starrte ihn mit offenem Mund an.

„Wow! Bist du ein Arschloch."

Die kleine Frau sprang auf und riss sich mit Gewalt von ihrem Gatten los, als dieser sie aufzuhalten versuchte. Sie rannte in ihr Zimmer und knallte auf dem Weg dorthin sämtliche Türen zu.

Harald aber blieb zurück und starrte auf eine der Flaschen, die in der Wohnzimmervitrine standen.

„Was ist denn passiert?", fragte der Junge seinen noch immer die Schrankwand fixierenden Vater.

Karl sah müde und ausgezehrt aus. Man sah ihm an, dass er seit der Trennung kaum geschlafen hatte. Er aß auch kaum noch und kam selten aus seinem Zimmer heraus.

„Ihr habt gestritten?"

Sein Vater nickte, während Karl sich gegen den Türstock lehnte.

„Na dann ist ja wieder alles beim Alten."

Harald blickte zu ihm auf. Er konnte die Gereiztheit seines Sohnes ja verstehen.

„Worum ging es denn?"

Der hagere Arzt fühlte sich ertappt.

„Ich habe ihr das von Thao erzählt. Wollte es ihr nicht länger verheimlichen."

Karl sah ihn erschrocken an.

„Du hast ...?"

Der Junge setzte ab und versuchte sich schon jetzt auf die Folgen dieser Nachricht einzustellen.

„Was hast du ihr genau erzählt?"

Sein Vater blickte zu ihm auf.

„Alles, Karl. Wir sind eine Familie, sie hat ein Recht darauf, zu wissen, was hinter Eurer Trennung steckt."

„Und du meinst, das hätte sie nicht besser von mir erfahren sollen? Mensch, Papa!"

Harald hatte nicht daran gedacht, sein Sohn hatte recht. Katjas Reaktion wäre dann auch mit Sicherheit nicht ganz so drastisch ausgefallen, wie bei ihm.

„Wie hat Mama auf die tollen Neuigkeiten reagiert? Sie liebt Thao jetzt sicher, oder?"

Der Zynismus war nicht zu überhören. Der Junge verschwand aus der Tür und eilte davon.

53. Mutter und Sohn

„Geh wieder, Harald! Ich habe keine Lust, dich weiterhin mit meiner Anwesenheit zu quälen."

Karl klopfte erneut an die von innen versperrte Tür des Zimmers seiner Mutter.

„Mutti! Ich bin es."

Sofort wurde es still im Zimmer. Nach etwa einer halben Minute vernahm der Junge Schritte, schließlich öffnete ihm seine Mutter schweigend die Tür. Sie würdigte ihn keines Blickes, setzte sich wieder in ihren Bürostuhl und starrte vor sich hin.

„Warum bist du auf mich sauer?"

Es erschien ihm absurd, dass seine Mutter sich nun als Opfer sah.

„Du hast kein Vertrauen zu mir, wendest dich lieber an deinen Vater. Erst durch ihn habe ich von eurer Trennung erfahren und wie es meinem Kind geht. Und das auch erst nach zwei Tagen. Da fühle ich mich natürlich super, wie du dir denken kannst."

Katja drehte sich in ihrem Bürostuhl zu ihm um und blickte ihn wütend an.

„Ich wäre gerne für meinen Sohn da gewesen, als er Hilfe und seine Eltern gebraucht hat. Dass meine eigene Familie mir das verheimlicht hat, verletzt mich sehr, Karl."

Karl näherte sich seiner Mutter und legte seine rechte Hand auf deren linke Schulter.

„Du hast recht, Mama. Das war nicht in Ordnung. Es tut mir leid."

Katja kämpfte mit sich.

„Bin ich so schlimm, wie Papa sagt, Karl? Tue ich Euch wirklich immer wieder so weh?"

Der Junge versuchte, sich zu beherrschen, dennoch ließ er ihre Frage nicht unbeantwortet.

„Manchmal ist es wirklich schlimm, ja. Vor allem, wenn du gefrustet von der Arbeit kommst. Du kannst dann sehr ungerecht und gemein sein."

„Und warum habt Ihr mir das nie gesagt?"

Karl schüttelte enttäuscht den Kopf.

„Ich habe es dir oft genug gesagt, aber ich war ja immer nur der aufbegehrende Pubertierende für dich. Papa hat immer versucht, deine Launen auszuhalten, weil er vielleicht gespürt hat, dass du in solchen Momenten gar nicht anders zu uns sein konntest."

„Er hat mich mit Thao verglichen, Karl. Mit Thao, die dich zu einem Perversen gemacht und als Domina die schmerzgeilen und kranken Wünsche irgendwelcher Freier für Geld bedient hat! Ich habe dich nicht so erzogen, Karl! Ihr hattet auch so genug Spaß an eurer Leidenschaft, ich habe es oft genug mitbekommen. Ihr hättet nicht in diese Unterwelt abgleiten müssen."

Karl setzte zu einer Erwiderung an, sie aber blockte energisch ab.

„Unterbrich mich nicht! Ich bin noch nicht fertig!"

Sie starrte ihn weiterhin mit wütenden Blicken an.

„Weißt du, wie ich stolz ich auf euch war? Wie glücklich, dass ihr euch gefunden habt? Nie hätte ich es für möglich gehalten, dass sie es sein könnte, die dein Leben kaputtmacht. Sie hat nicht nur dir das Herz herausgerissen, sondern auch mir."

Karl starrte sie an, er schien wie in Trance.

„Du hältst mich wirklich für einen Perversen, Mama?", fragte er leise.

Seine Mutter sah ihn missbilligend an.

„Wie sollte ich das nicht, Karl? Nach all dem, was mir dein Vater erzählt hat?"

Karl war versucht zu gehen, sie mit seiner Verachtung zu strafen, wegzulaufen, wollte nur noch weit weg von seiner Mutter sein. Doch dieses Mal hielt ihn etwas zurück. Sie hatte nicht nur ihm unrecht getan.

„Weißt du denn überhaupt, worin die Perversion besteht, die Thao mir gezeigt hat?"

Der Blick seiner Mutter blieb kalt, sie enthielt sich einer Antwort.

„Wir waren in diesem Punkt absolut frei und offen zueinander. Sie hat mir gezeigt, wie sie es gern hat, mich geführt und bestärkt, um den Sex mit mir genießen zu können. Ich war unendlich stolz, wenn ich gespürt habe, wie zufrieden und glücklich sie mit mir war."

„Warst du auch stolz auf dich, wenn du die Schmerzen ertragen hast, die sie dir zugefügt hat? Wenn sie dich gedemütigt und verhöhnt hat? Sag schon, Karl! Es hört sich für mich ja alles so paradiesisch an."

„Sie hat am Anfang viele Fehler gemacht, das will ich gar nicht bestreiten. Aber in den letzten Monaten gab es nichts, was sich zwischen uns besser angefühlt hat, als diese besonderen Momente. Und du täuscht dich, Mutter. Auch Thao war für mich devot, wenn ich es mir gewünscht und den Ausgleich gesucht habe."

Katjas Augen funkelten ihn böse an.

„Und trotzdem hast du dich von ihr getrennt, Karl? Warum denn, wenn es doch so besonders war, frage ich dich?"

Neuerlich unterband sie mit einer eindringlichen Geste seinen Einwand.

„Ich kann dir genau sagen, warum, Karl! Weil du ein Problem damit hast, dass sie sich anderen Männern nähert. Und du hast recht damit, dass du ihr hättest reichen müssen. Sie hat in diesem Punkt auf deine Kosten gelebt und es so lange in Kauf genommen, wie es ging, egal wie sehr du darunter gelitten hast. Wenigstens hast du nicht den Schwanz eingezogen und letztendlich doch Stellung bezogen. Zumindest hierin finde ich ein bisschen von meinen Sohn in dir wieder."

Karl hasste seine Mutter in diesem Augenblick. In ihren Worten hatte er keinerlei Wärme gespürt, auch nicht der Ansatz eines Versuches, ihn zu verstehen. Ihm wurde richtiggehend übel.

„Papa hat unrecht, du bist nicht so wie Thao. Sie hätte mir nie so wehgetan, wie du jetzt. Willst du wissen, warum sie das Domina sein so geliebt hat? Sie konnte da all das Arschige und Böse herauslassen, das sich in ihr aufgebaut hatte. Ich habe es ihr nie so richtig glauben wollen, aber du, Mutter, bist der beste Beweis dafür, dass es genau so ist, wie Thao es mir immer erklärt hat. Du lässt deinen Frust dort ab, wo du am meisten Wirkung hinterlässt, nämlich bei Papa und mir. Und weißt du, was Thao mir immer wieder gesagt hat? So, wie sie zu ihren Kunden ist, könnte sie zu mir niemals sein. Durch dein jetziges Verhalten, Mama, verstehe ich endlich, dass Thao mich nicht angelogen hat."

Der Junge starrte seine Mutter resigniert an, drehte sich nach ewig scheinenden Sekunden um und verließ ohne weitere Worte den Raum. Katja sah ihm erstaunt hinterher, jedes seiner Worte hatte sie tief getroffen. Ihr Verstand versuchte sie zu schützen, die Lüge in seinen Worten zu finden, doch das Unwohlsein in ihrem Bauch wurde übermächtig und zeigte ihr auf, wie sehr sie sich irrte.

„Karl?!"

Sein Vater versuchte, ihn aufzuhalten, nur widerwillig blieb der Junge stehen.

„Hat sie sich wieder beruhigt?"

„Nein! Im Gegenteil! Es ist schlimmer denn jemals zuvor."

Harald sah in jene Richtung, in der Katjas Zimmer lag.

„Okay. Ich gehe zu ihr."

„Und ich zu Thao."

Sein Vater blickte ihn an und nickte.

„Hol sie dir zurück, Karl!"

Sie umarmten sich.

„Und du Mama. Ich war gemein zu ihr."

Sein Vater drückte ihn ein wenig auf Abstand und sah ihn verwundert an.

„Du zu ihr?"

Der Junge nickte.

54. Thao wird entführt

Amelie war erschöpft. Es war der denkbar ungünstigste Zug gewesen, den sie sich für ihre Heimreise aus Bayern ausgesucht hatte. Neben Fernreisenden hatten ihn auch viele Pendler genommen, welche um diese Zeit von ihrer Arbeit nach Hause strebten. Zwar hatte sie einen Sitzplatz gebucht, doch diesen dann einer Mutter und deren Kind überlassen, die dasselbe Reiseziel hatten. Müde und kaputt fiel sie Thao in die Arme.

„Scheiße siehst du aus. So schlimm gewesen?"

Die Punkerin sah sie mitleidig an und griff nach einer der beiden großen Taschen. Amelie hielt sie zurück, versuchte, ihre Erschöpfung zu verdrängen, und musterte die Freundin eingehend.

„Hast wenig geschlafen, oder?"

Thao hob die Achseln.

„Auf der anderen Seite bin ich kaum aus dem Bett gekommen."

Amelie sah sie traurig an.

„Er hat sich nicht gemeldet?"

Das Punkermädchen verneinte.

„Ich habe jetzt aufgehört zu hoffen, Amelie. Ich lass jetzt mein Handy aus, weil ich es sonst alle paar Minuten anstarre."

„Warum rufst du ihn denn nicht an? Rede doch mit ihm!"

Thao fing wieder zu weinen an.

„Ich kann das einfach nicht, Amelie. Wenn er mich abweist, würde ich das einfach nicht verpacken. Verstehst du das?"

Ihre Freundin glaubte es zumindest. Gemeinsam drängten sie sich durch die Menschenmassen auf dem Bahnsteig.

„Ich habe eine Überraschung für dich, Thao."

Die Punkerin hatte kein Wort verstanden, es war einfach zu laut am Bahnhof. Sie blieb stehen und wartete darauf, dass Amelie zu ihr aufschloss.

„Was hast du gesagt?"

„Dass ich eine Überraschung für dich habe."

Thao wurde blass, befürchtete das Schlimmste.

„Keine Angst. Es hat nicht mit ihm zu tun."

„Und was ist es? Amelie, ich ..."

Ihre Freundin stellte die Tasche auf den Boden und umarmte Thao, die es widerwillig über sich ergehen ließ.

„Warte einfach ab, bitte."

Die braunen Augen der Punkerin blickten Amelie wehleidig ins Gesicht.

„Mensch, Amelie, Wir hätten doch einfach irgendwo reden können."

Doch das ehemals adipöse Mädchen lächelte nur, löste sich von ihr Freundin und hob die Tasche wieder vom Boden auf.

„Günter?"

Thao staunte.

„Aber ... ich dachte, ich hole dich ab?"

Sie begrüßten Amelies Bruder und stiegen in das Auto, mit dem er vorgefahren war. Das Punkermädchen merkte schnell, dass es nicht zu Amelie nach Hause ging.

„Wohin fahren wir, klärt Ihr mich mal auf? Ich mag solch eine Scheiße nicht. Bitte, Amelie!"

Doch die Angesprochene grinste nur und schwieg, legte dem Punkermädchen den Arm um die Schultern und blickte zwischen den Vordersitzen durch die Windschutzscheibe.

„Wir sind ne Weile unterwegs und ein Tapetenwechsel wird dir guttun."

Thao starrte sie erschrocken an.

„Sag mal, spinnst du? Du kannst mich doch nicht einfach durch die Gegend kutschen, ohne das vorher mit mir abgesprochen zu haben!"

Amelie aber war nicht aus der Ruhe zu bringen.

„Es wird dir gefallen, du wirst sehen."

Die Punkerin seufzte und ließ sich, übel gelaunt, in die Polster fallen. Amelie hatte zumindest schon mal einen Erfolg für sich verbuchen können, die letzten Minuten hatte sie wirklich nicht an Karl denken müssen.

Sie waren beinahe zwei Stunden unterwegs, in denen Thao ihre Freundin und deren Bruder immer wieder um Aufklärung bat. Sie wurde zuweilen richtiggehend aggressiv und es kostete das Geschwisterpaar einige Mühe, sie wieder zu beruhigen.

Endlich nahm Günter eine Ausfahrt, fuhr eine Landstraße entlang und bog dann, nachdem sie durch eine Unzahl kleiner Dörfer gefahren waren, auf eine unbefestigte Piste ab, deren Schlaglöcher mit hellem Kies und Schotter aufgefüllt worden waren.

„Mann, Scheiße, das ist ja übelste Pampa.", motzte die Punkerin entnervt.

„Ich habe hier oft meine Zeit verbracht. Für mich war es immer das Größte, wenn ich als Kind hier sein durfte."

Thao resignierte und starrte aus dem Fenster. Sie spürte eine tiefe Wut in sich und musste sich mit aller Kraft beherrschen, um die Fassung einigermaßen zu bewahren.

Wälder zogen an ihnen vorbei, dazwischen immer wieder kleinere Felder und Schneisen. Günter fuhr über eine schmale Brücke, die einen gewundenen Flusslauf überquerte, dann erblickte Thao mehrere Holzbaracken.

„Sag mir jetzt endlich, wo wir sind, Amelie! Ich hab echt keine Lust mehr auf Ratespiele!"

Amelie aber war bereits ausgestiegen und eilte einer fremden Frau entgegen, die, in Bluejeans und Cordhemd gekleidet, gut in dieses ländliche Idyll zu passen schien. Günter aber drehte sich zu der Punkerin um und erbarmte sich ihrer.

„Das ist unsere Tante. Sie heißt Ines und leitet dieses Behinderten-Internat. Es wird dir Spaß machen, Thao, glaub mir das. Wenn man auf andere Gedanken kommen kann, dann hier."

Zwei Kinder fuhren in ihren Rollstühlen an Amelie heran, dabei lautstark ihre Freude bekundend. Thao aber saß nach wie vor im Auto und begriff nicht, was sie hier sollte.

55. Wo ist Thao?

Karl hatte lange darüber nachgedacht, wie er das Gespräch mit Thao anlegen sollte. Durfte er ihr von seiner Mutter erzählen? Lieber nicht, wenn die beiden aufeinandertrafen, würde sich seine Mutter ohnehin nur schwer zu beherrschen wissen.

Er beeilte sich, wollte sie endlich wieder bei sich haben, die Tage vergessen machen, in denen alles zwischen ihnen verloren schien. Er hatte sie ungemein vermisst in den letzten beiden Tagen. Den Gedanken, dass sie nun nicht mehr füreinander da sein würden, konnte er nur schwer ertragen. Natürlich spielte dabei auch das Sexuelle eine Rolle, doch Karl schämte sich nicht dafür, dass er so dachte, denn Thao würde es wohl ähnlich gehen.

Beinahe automatisch blickte der Junge zur Wohnungstür der Nachbarin hinüber, die wie immer einen Spalt breit offenstand, durch den die Alte das Treiben im Haus beobachtete und belauschte.

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