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Thao 27

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„Setz dich, Harald, und ruhe dich aus."

Katja warf einen Blick auf ihren Sohn.

„Du auch! Ich hole Euch was zu trinken."

Sophie war wieder nach unten gegangen, sie half sehr couragiert und eifrig. Immer wieder fragte sie den Jungen, wie es ihm denn ginge, wischte ihm den Schweiß von der Stirn und hatte ihm in einer Pause sogar die Brötchen ausgepackt.

„Sophie mag dich, Karl."

Der Junge sah seinen Vater erstaunt an.

„Und? Ich sie doch auch."

Harald schüttelte den Kopf und griff nach einer Plastikfalsche, welche ihm Katja in diesem Moment reichte.

„So meinte ich das nicht."

Sein Sohn winkte ab.

„Fang du nicht auch noch damit an, Papa. Thao hat da sowieso schon immer die Eifersüchtige gespielt."

Der hagere Arzt nahm einen Schluck Mineralwasser aus seiner Flasche.

„Mir ist Thao lieber, Karl. Sie wirkt einfach natürlicher auf mich. Sophie scheint berechnend zu sein. Ich mag das überhaupt nicht, wenn Frauen so sind."

Karl blickte seinen Vater verärgert an.

„Sag mal, was ist los? Warum fängst du jetzt damit an?"

„Pass einfach auf dich auf und mach keinen Fehler."

Karl saß nachdenklich auf einem Hocker und starrte vor sich hin. Eine ganze Woche war mittlerweile vergangen, seitdem er zuletzt von Thao gehört hatte. Er hatte auch gestern wieder bei Anne angerufen, die sich mittlerweile selbst große Sorgen zu machen schien, denn ihre Tochter war wie vom Erdboden verschwunden.

„Könntet Ihr noch mal mit runterkommen? Dann hätten wir es nämlich geschafft.", bat Katja ihre beiden Männer.

„Bleib du oben und ruh dich aus, Papa! Den Rest schaffen wir jetzt allein."

Harald nickte seinem Sohn zu.

„Komm, Karl, wir müssen noch dein Bett aufbauen und wenigstens zwei Schränke."

Der Junge stöhnte und verdrehte die Augen. Er hatte einfach die Schnauze voll, wollte diese Strapazen endlich beendet wissen.

„Und du willst hier bei mir schlafen?", wandte sich Karl an Sophie.

„Wenn es dir nichts ausmacht? Ich würde mir morgen einfach gerne mal die Stadt ansehen. Vielleicht kann ich dir ja auch bei der einen oder anderen Sache noch helfen?"

Simons hübsche Schwester lächelte, während Harald seinem Sohn mahnende Blicke zuwarf.

„Übermorgen fahre ich dann wieder zurück. Muss dann ja auch wieder arbeiten."

Karl schloss die Augen. Nachdem sie ihm so sehr geholfen hatte, konnte er ihr diese Bitte schlecht abschlagen.

„Ja, gern. Bin ich wenigstens nicht allein."

Sophie umarmte Karl und drückte sich an ihn.

„Vielleicht magst ja morgen einen kleinen Bummel durch die Stadt mit mir zusammen unternehmen? Ich würde mir auch gerne den Campus ansehen, vielleicht entscheide ich mich ja doch noch um und studiere."

Karl löste sich von ihr, ihm war diese Nähe unangenehm.

„Mal sehen, ja? Hier ist noch so viel zu tun, Sophie."

64. Immer wieder Anna

Thao saß auf ihrer Bank und zeichnete. Blitzschnell fuhr ihr Bleistift über das Papier und langsam kristallisierte sich aus den anfangs zusammenhanglos wirkenden Strichen und Linien das Abbild eines Mädchens im Rollstuhl heraus, das mit einer gewaltigen Explosion in die Luft gesprengt wurde.

Die Punkerin sah an ihrem rechten Bein hinunter, sie hatte ihre Schuhe und Socken ausgezogen und so die Stelle freigelegt, an welcher sie der Rollstuhl so übel getroffen hatte. Die Haut war an der Hacke aufgesprungen und ein anfänglich blutender, roter Streifen verlief waagerecht darüber hinweg.

Das Bild gewann an Details, es überraschte sie selbst, dass es ihr so gut gelang. Vor allem das Gesicht des Mädchens war einwandfrei wiederzuerkennen. Sie hatte sich immer wieder umgesehen, doch Ines war bisher nicht aufgetaucht, um sie zur Verantwortung zu ziehen. Aber es spielte eigentlich keine Rolle, denn das war ja, was sie selbst der Göre gesagt hatte.

Ihre Augen tasteten die Zeichnung ab, sie empfand dabei keinerlei Genugtuung. So legte sie es beiseite, stütze ihren Kopf auf beide Hände und schloss die Augen. Sofort ergriff Karl wieder Besitz von ihren Gedanken, in diesem Augenblick war sie sehr dankbar dafür.

„Kann ich mal sehen?"

Thao schreckte auf und sah Anna in ihrem Rollstuhl vor sich stehen.

„Verpiss dich oder ich raste völlig aus."

Anna zeigte auf das Bild und fragte erneut.

„Kann ich mal sehen?"

Thao riss das Bild aus ihrem Block, knüllte es zusammen und warf es Anna beinahe ins Gesicht. Die aber schützte sich mit ihren Händen und tatsächlich gelang es ihr, das zerknüllte Papier aufzufangen.

Die Punkerin ignorierte das Mädchen, die das Bild zu glätten begann. Sie betrachtete es genau, wurde blass, fuhr näher an die Bank heran und wollte es dem Punkermädchen zurückgeben.

„Du kannst gut zeichnen."

Thao hob ihren Kopf und starrte das Mädchen im Rollstuhl ausdruckslos an.

„Hast mich nicht verpetzt, oder?"

Ich Blick fiel auf eine der Nacktschnecken, die hinter Annas linkem Ellenbogen die Armlehne entlangkroch.

Das Mädchen schüttelte den Kopf. Die Punkerin aber erhob sich und baute sich vor der Kleinen auf.

„Weißt du was? Dann kann ich dir gleich noch eine geben, wenn es dir beim ersten Mal nicht gereicht hat."

Erneut klatschte Thaos Hand in Annas Gesicht, das von der Wucht der Ohrfeige zur Seite gerissen wurde. Kurz sah sie Sterne, dann stiegen erneut Tränen in ihre Augen.

„So! Und jetzt fährst du zu Ines und erzählst ihr, wie furchtbar ich zu dir gewesen bin und ich bin weg. Dass ich mal ein behindertes Kind schlagen würde, habe ich zwar nicht als mein primäres Lebensziel angesehen, aber ich gewöhne mich langsam dran."

Das Mädchen sah Thao mit tränengefüllten Augen an, zeigte aber keinerlei Anstalten, wegzufahren.

„Was ist? Geh petzen!"

Die Punkerin wedelte mit ihrer rechten Hand. Anna schüttelte aber nur den Kopf und verharrte ansonsten regungslos.

„Dann bleibst du eben. Gib Bescheid, wenn du noch eine von mir haben willst."

Thao legte eines ihrer Bücher aufgeschlagen in ihren Schoß, senkte ihren Kopf und las weiter, während das Mädchen vor ihr schweigend in ihrem Rollstuhl saß und sie aufmerksam beobachtete.

Zwei Stunden vergingen, ohne dass die Situation sich änderte. Thao gelang es, die Kleine auszublenden, der wiederum, die Punkerin nicht weiter zu provozieren. Dennoch schien sich Anna irgendetwas von der Punkerin zu erhoffen, doch Thao blieb es ein Rätsel, worum es sich handeln könnte.

„Thao!"

Amelie kam über den Rasen gelaufen.

„Thao!"

„Mensch ich höre dich doch. Bin ja nicht taub."

Amelie blickte das Mädchen im Rollstuhl voller Erstaunen an, die das Punkermädchen beim Lesen zu beobachten schien.

„Habt ihr Euch angefreundet?"

Thao schüttelte den Kopf und starrte missbilligend auf das Mädchen im Rollstuhl.

„Die geht mir total auf den Piss!"

Amelie schüttelte den Kopf und strich dem Mädchen wohlwollend über dessen Hinterkopf.

„Günter hat sich gemeldet. Er will uns übermorgen abholen kommen. Er ist leider nicht in der Stadt."

Thao gaffte ihre Freundin mit einem bösen Gesichtsausdruck an.

„Was soll der Quatsch? Der kann uns doch nicht in dieser Einöde verrotten lassen? Was ist mit Ines, kann die uns nicht fahren? Oder eine der Erzieherinnen? Es muss doch einen Weg geben, hier wieder wegzukommen!"

„Warum willst du das denn? Du kommst hier doch endlich mal zur Ruhe, Thao. Und übermorgen kannst du immer noch mit Karl ..."

Thao stand wütend auf und packte Amelie an deren Schultern.

„Eben nicht, Amelie! Scheiße, er ist wahrscheinlich schon unterwegs nach Hamburg. Was soll ich denn jetzt machen? Komm! Zeig mir das Haustelefon, Handyempfang hab ich ja keinen in dieser Einöde. Vielleicht findet meine Mutter eine Möglichkeit, uns hier abzuholen."

Amelie blickte Thao traurig an.

„Würdest du mir dieses eine Mal vertrauen? Warte noch damit, Thao. Glaub mir, das verleiht deinen Worten mehr Gewicht bei Karl. Wenn er dich wieder haben will, spielen diese zwei Tage dann auch keine Rolle mehr. Renn ihm nicht blindlings nach!"

Thao kämpfte mit sich, während Annas Blicke zwischen den beiden Frauen hin und her wanderten.

„Gut! Dann sorgst du aber dafür, dass wir hier wegkommen, und wenn du mich auf deinen Schultern trägst."

Amelie nickte und versprach es ihr.

„Kommt jetzt! Es gibt gleich Mittag."

Minimaus raffte sich bei diesen Worten auf und schien schon zum Speisesaal vorauslaufen zu wollen. Sie drehte sich zwar immer wieder zu den Mädchen um und blieb stehen, dennoch schien sie der Gedanke an Futter anzutreiben.

65. Sophies erster Versuch

Karl fühlte sich müde und ausgelaugt. Zwar war er dankbar für die Ablenkung gewesen, dennoch waren seine Gedanken in ruhigen Momenten immer wieder zu Thao zurückgekehrt. Seine Eltern waren vor einer Stunde gefahren, er selbst versuchte, zusammen mit Sophie die verbliebene Zeit des Tages so gut es ging zu nutzen. Sie versuchte immer wieder, ihn zu einem Gespräch zu animieren, doch stets suchte der Junge umgehend nach Ausflüchten oder würgte Sophies Bemühungen schon im Ansatz wieder ab. Dennoch war Simons Schwester weder gefrustet noch ungehalten, stattdessen half sie ihm weiterhin, so gut sie konnte, und wartete ab. Sie glaubte zu fühlen, dass die Zeit für sie lief und der Widerstand des Jungen irgendwann zusammenbrechen würde.

„Ich glaube, ich mach mich jetzt bettfertig.", ließ der Junge die Schwester seines ehemals besten Freundes wissen. Er blickte die junge Frau nachdenklich an.

„Eigentlich müsste es ja sofafertig heißen."

Er lachte, es war sein erster Scherz an diesem Abend, wenngleich er ihn selbst nicht sonderlich gut fand.

Sophie schien einverstanden zu sein.

„Ich muss mal sehen, wo meine Klamotten sind, Karl. Irgendwo habe ich meinen Rucksack stehen."

Sie suchte zwischen Umzugskartons, noch nicht aufgestellten Möbeln, Tüten und Wäschekörben.

„Brauchst du Hilfe?"

Simons Schwester schüttelte ihren Kopf und wühlte weiter in den Umzugssachen herum.

„Ich finde meine Sachen schon. Geh du schon mal ins Bad, ich brauche wahrscheinlich sowieso länger als du."

Dem Jungen war es eigentlich egal, er wollte nur noch ins Bett. Vorher noch kurz unter die Dusche, um den Schweiß abzuwaschen, dann Zähne putzen und endlich seiner Müdigkeit nachgeben dürfen ... heute würde er kein Problem damit haben, einzuschlafen, im Gegensatz zu all den Nächten zuvor, seitdem er sich von Thao getrennt hatte.

Nach etwa zehn Minuten im Bad stapfte der Junge in sein Schlafzimmer. Erstaunt stellte er fest, dass Sophie nicht nur ihre Sachen gefunden, sondern auch noch das Doppelbett bezogen und aufgedeckt hatte.

„Du kannst schon bei mir im Bett schlafen, Karl. Ich möchte nicht, dass du dir wegen mir Umstände machst."

Sie lächelte und nahm ihre Toilettentasche an sich.

„Keine Angst. Ich beiße schon nicht."

Karl grinste, legte sich ins Bett, zog die Decke hoch bis zum Hals und schloss die Augen.

Er war schon beinahe eingeschlafen, als Sophie aus dem Badezimmer zurückkehrte. Sie trug keinen BH, ihre ansehnlichen Brüste hoben sich einladend unter einem weißen T-Shirt ab und ein kleines, schwarzes Höschen betonte mehr, als es verdeckte.

„Schläfst du schon? Hast mir gar nicht gut Nacht gesagt."

Karl richtete sich auf, blickte verschlafen zu Sophie hinüber, die ihm mit leicht angewinkelten Beinen und durchgedrücktem Rücken einen gespielt besorgten Blick zuwarf. Ihre Brustwarzen drückten durch den weißen Stoff ihres Shirts, das schwarze Höschen schimmerte zwischen ihren Beinen hervor.

„Mein Gott bist du kaputt."

Sie beugte sich über den Jungen, strich ihm über den Kopf und drückte schließlich einen Kuss auf dessen Wange. Es sollte harmlos wirken, dennoch war dies mehr an Nähe, als unter Freunden üblich.

„Möchtest du, dass ich dich ein wenig massiere? Du bist sicher sehr verspannt."

Karl sah sie gereizt an.

„Was soll das? Was hast du vor?"

Unsicherheit beschlich Simons Schwester für einen kurzen Moment.

„Karl, ich will dir doch nichts Böses! Du hast den ganzen Tag hart gearbeitet. Ich sehe doch genau, wie fertig du bist. Und dann auch noch das mit Thao ... Es tut mir wirklich leid für euch beide."

Sie legte sich neben ihn, hielt aber gebührenden Abstand. Sie wollte nichts aufs Spiel setzen, er sollte sich langsam an ihre Gegenwart gewöhnen.

66. Annas Wunsch

Thao drehte sich abrupt um, hob die Hände und brüllte Anna regelrecht an.

„Verdammt, was ist los mit dir? Hast dir das ausgesucht, um mir damit auf den Piss zu gehen?"

Das Mädchen schüttelte den Kopf, sah zu ihr auf, schwieg aber. Sie war der Punkerin bis zur deren Zimmer gefolgt, saß ratlos in ihrem Rollstuhl, als diese die Tür hinter sich schließen wollte.

Nochmals warf die Punkerin noch einen kurzen Blick auf das behinderte Mädchen, dann knallte die Tür auch schon ins Schloss. Die Kleine im Rollstuhl aber verharrte vor der Zimmertür und wartete darauf, dass Thao wieder herauskommen würde. Anna ahnte nicht, dass das Punkermädchen an der von ihr abgewandten Seite der Tür lehnte und horchte. Sie ärgerte sich selbst darüber, dass sie diese kleine Plage nicht einfach aus ihrer Wahrnehmung streichen konnte. Was war nur los mit der? Sicher, sie war behindert, aber das waren doch alle Kinder hier. Warum tickten die anderen nicht ebenso so aus? Sie blickte auf Minimaus hinunter, die erwartungsvoll zu ihr aufsah.

„Jetzt glotz mich doch nicht so an. Was kann ich denn dafür, dass die so einen Schlag hat?"

Der große Hund wedelte mit seinem Schwanz, trappte näher an das Mädchen heran und drückte seinen Kopf zwischen dessen Beine.

„Na gut."

Thao überwand sich, drehte sich um und öffnete die Tür.

„Komm schon rein, aber nur, wenn du mir erklärst, weshalb du mir so auf die Nerven gehst."

Das Mädchen nickte langsam, dann rollte sie an Thao vorbei in deren Zimmer.

„Du hast mir Mini weggenommen!"

Thao blickte sie überrascht an.

„Ich habe dir überhaupt nichts weggenommen! Laber doch nicht blöd rum, du Kuh!"

Annas Augen füllten sich mit Tränen.

„Sie war drei Wochen bei mir, bevor du gekommen bist. Dann kam Ines und hat sie mir weggenommen."

Thao glotzte die Bernhardinerhündin erstaunt an, die das Gespräch mit schief gelegtem Kopf zu verfolgen schien.

„Dabei geht es dir nicht schlechter als mir, das kann gar nicht sein. Du kannst doch noch laufen."

Die Punkerin blickte Anna etwas betreten an.

„Ich dachte, Mini wäre bei mir, weil sie mich gut leiden kann."

Das bemitleidenswerte Mädchen schüttelte den Kopf.

„Sie ist eine Therapiehündin, die zu jedem Kind geschickt wird, das hierherkommt und von dem es heißt, dass es ihm schwerfällt, sich einzuleben."

Thao konnte es nicht fassen.

„Na und? Du hast dich jetzt eingelebt, zumindest gut genug, um mich anzuscheißen. Da kannst mir Mini ruhig ein paar Tage gönnen."

Annas Augen füllten sich neuerlich mit Tränen.

„Ich habe mich nicht eingelebt. Ich will wieder nach Hause."

Thao stöhnte. Das Kind fing lauthals zu schluchzen an, beinahe so, als ob ein Damm in der Kleinen gebrochen wäre. Minimaus sprang sofort darauf an, stupste Anna mit ihrer Schnauze an und legte ihr den Kopf in den Schoß.

„Bist du noch nicht lange hier?"

Anna schüttelte ihren Kopf.

„Und warum gefällt es dir nicht? Hier sind lauter Kinder, denen es ähnlich geht wie dir. Ist doch viel leichter für dich, hier Freunde zu finden, als anderswo."

„Ich will wieder nach Hause. Nimmst du mich mit, wenn du übermorgen gehst? Ich kann dir auch Geld dafür geben."

Thao seufzte.

„Deine Eltern würden dich wieder herschicken, Anna. Selbst wenn ich dich wieder nach Hause bringen würde. Einfach deshalb, weil es dir hier besser geht. Es wird ja nicht für immer sein. Und dann kannst du wieder zu ihnen zurück."

„Ich möchte wieder zu meiner Mama."

Anna kämpfte immer wieder mit ihren Tränen, doch vergebens. Thao holte sich einen Stuhl und setzte sich ihr gegenüber.

„Magst mir sagen, warum du so gemein zu mir warst?"

Anna blickte in ihren Schoß.

„Ich dachte, Ines schickt mich wieder nach Hause, wenn du es ihr sagst."

Dieser kindliche Gedanke des Mädchens brachte Thao unverzüglich zum Lachen.

„Schwestern im Geiste, geiler Plan."

Sie hielt dem Mädchen ihre geschlossene rechte Faust hin. Die aber sah sie nur fragend an und wusste nicht, was die Punkerin von ihr erwartete.

„Du musst mit deiner Faust dagegen kloppen."

Anna tat es.

„Aua! Blöde Kuh! Nicht so fest."

Es war gespielt, doch das Mädchen im Rollstuhl durchschaute es nicht.

„Auf jeden Fall hast du Talent dafür, jemanden so richtig wahnsinnig zu machen. Glaub mir! Das kann ich beurteilen."

Thao lachte und freute sich, dass es Anna besser zu gehen schien.

„Weißt was? Ich male dir ein Bild und das schickst du deinen Eltern, okay?"

Anna sah sie traurig an, antwortete aber nicht. Die Punkerin kämpfte mit sich, um nicht zu resignieren.

„Anna, deine Eltern wollen dir doch nichts Böses. Sie möchten, dass du hier lernst, mit allem umzugehen. Und da gibt es bestimmt schlechtere Einrichtungen, als diese hier. Zeig ihnen, dass du lernst, dann bist du wieder zu Hause, so schnell kannst gar nicht gucken."

Anna nickte, das hatte man ihr alles immer und immer wieder erklärt. Es hatte ihr trotzdem nicht geholfen.

„Vor einem Jahr habe ich in den Ferien Volleyball gespielt. Den ganzen Tag lang. Ich konnte viel höher springen, als alle anderen."

Sie sah Thao traurig an.

„Ich werde das nie wieder können."

Die Punkerin runzelte die Stirn.

„Und? Ich habe nur in der Schule Volleyball gespielt. Das heißt ... auch nur wenige Minuten. Hab der Inga den Ball voll in die Fresse gedrückt, ab dem Moment hat die Lehrkraft auf mein Mitwirken verzichtet."

Die Punkerin lachte heiser auf.

„Umgebracht hat mich dieser Mangel bisher nicht."

Sie stand auf und holte ihre Mappe.

„Komm! Guck dir das mal an!"

Anna zögerte, griff aber dann nach den Blättern, die Thao ihr reichte.

Ein Strahlen breitete sich im Gesicht des behinderten Mädchens aus.

„Das ist ja Mini!"

Die Hündin sah freudig zu dem Mädchen auf, als sie ihren Namen hörte.

„Kannst dir das Bild gleich mitnehmen ... sagen wir im Tausch gegen die beiden letzten Tage? Ich habe Angst, wenn ich hier allein bin."

Anna nickte verständnisvoll, sie war einverstanden. Sie sah sich die nächste Zeichnung an.

„Amelie."

Die Kleine blickte zu Thao auf und lächelte.

„Und das bist du selbst auf der Bank, richtig?"

Die Punkerin legte ihre Stirn in Falten.

„Was? Die Alte dort ist doch viel fetter als ich."

Anna lachte, während Thao ihr zuzwinkerte.

„Soll ich eins von dir machen?"

Das Mädchen nickte begeistert. Thao grinste, nahm ihren Block und ließ den Zeichenstift über das Papier flitzen.

67. Erster Morgen in Hamburg

Karl gähnte. Der Druck in seiner Blase hatte seinen Traum verdrängt und mahnte ihn nun, aufzustehen. Er öffnete die Augen, sah zur Decke hinauf und raffte sich hoch.

Er spürte den Druck von Sophies Körper an seiner Seite, ein Grund mehr für ihn, das Bett rasch zu verlassen. Simons Schwester drängte sich in sein Leben, ein Umstand, der ihm nicht gefallen wollte.

Er tapste verschlafen ins Badezimmer, setzte sich auf die Toilette und war froh, einen Moment für sich allein zu haben. Immer noch gab es nicht die geringste Spur von Thao. Er wusste weder, wo sie war, noch, ob sie an ihn dachte oder noch Gefühle für ihn hegte. Diese Ungewissheit belastete ihn ungemein, der Gedanke, dass sie ihn so einfach aus ihrem Leben ausschließen könnte, verletzte seinen Stolz und strafte den Glauben an die vielen schönen Momente in ihrer gemeinsamen Zeit Lügen. Er legte seinen Kopf in die Hände, hing weiter seinen Gedanken nach, obwohl er sein Geschäft längst erledigt hatte.

„Kann ich auch rein? Ich glaube, ich halte es sonst nicht mehr aus."

Karl seufzte, erhob sich und gab das Bad frei. Sie trafen sich an der Tür, er konnte es nicht verhindern, dass sie ihn umarmte und sich an ihn drückte. Er spürte ihre festen Brüste unter dem T-Shirt, sog den Duft ihres Körpers ein. Das Mädchen sah kurz zu ihm auf, schenkte ihm ein laszives Lächeln und schloss die Badtür hinter sich.

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