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Thao II - Teil 12

Geschichte Info
Karls Entscheidung, Thaos Wandel.
17.5k Wörter
4.84
5.4k
1

Teil 39 der 48 teiligen Serie

Aktualisiert 06/09/2023
Erstellt 09/23/2019
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Zweifel

Wirklich schlechte Stimmungen verspürte Ella nur äußerst selten. Sie hatte ihr eigenes Leben überaus rational organisiert, wie sie es eben von ihren Eltern gelernt hatte. So hatte sie auch heute ihre Zeit an der Universität hinter sich gebracht, an ihrer Diplomarbeit geschrieben und sich dann aufgerafft, für Karl und sich das Abendessen zuzubereiten.

Ein Blick auf ihre Armbanduhr, er musste jeden Moment kommen.

Ihre gemeinsame Wohnung war nicht sonderlich groß, drei Zimmer, Küche, Bad, doch genügte ihnen das vollkommen. Mit der Ordnung nahmen es beide nicht so genau, solange es nur einigermaßen sauber war. Ella setzte Suppe an, schnitt Gemüse und schälte Kartoffeln. Kräftige Kost konnte ihnen beiden nicht schaden.

Nochmals blickte die junge Frau auf die Uhr, Karl war eigentlich längst überfällig. Sie stellte die Hitze etwas zurück, ging ins Wohnzimmer und blickte aus dem Fenster auf die Straße, wo der alte Mercedes stand, den ihr Freund von seinem Vater geschenkt bekommen hatte. Er müsste also schon im Treppenhaus sein. Sie öffnete die Wohnungstür und prallte regelrecht zurück. Karl saß auf der Treppe und schreckte sichtlich verlegen zusammen.

„Was ist denn los? Warum sitzt du da draußen? Ist alles okay mit dir?"

Erschrocken betrachtete die junge Studentin mit den grünen Augen ihren Freund, der sich aufraffte, kurz zögerte und sie schließlich umarmte. Er konnte das Essen riechen, das sie auf dem Herd stehen hatte.

„Komm rein!"

Sie hielt ihm ihre Hand hin und führte ihn ins Wohnzimmer.

„Dich bedrückt etwas, Karl, das spüre ich doch."

Ella legte ihrem Partner die Hand auf den Oberschenkel, dass es ihm unangenehm war, merkte sie augenblicklich. Kurz zögerte sie noch, wartete vergeblich auf sein Entgegenkommen, dann zog sie sie zurück.

„Ist es wegen ihr?"

Im ersten Moment weigerte sich Ella den Namen seiner Ex-Freundin auszusprechen. Dann überwand sie sich doch.

„Ich meine Thao."

Ella dachte nur ungern an ihre ehemalige Kommilitonin. Eine hübsche, charismatische, etwas exotische Frau, deren ausgefallener Humor für ihren Geschmack etwas zu gehässig und böse war. Es hatte einige peinliche Momente mit Thao gegeben, auch etliche Ausraster und Anfeindungen, die zwar nicht ihr gegolten hatten, aber dennoch sehr unangenehm für sie gewesen waren. Sie war klug, machte aber nichts daraus, das Einzige, was ihr wirklich wichtig zu sein schien, war ihr Freund. Es war schon eine Ironie, dass sie oft mit Ella über ihn gesprochen hatte. Und der? Der floh vor Thao regelrecht in ihre Arme und suchte derart radikal Distanz zu seiner Ex-Freundin, wie sie es zuvor nie erlebt, miterlebt oder zumindest gehört hatte.

Sie erinnerte sich an das Essen, und bat ihn zu warten. Vielleicht war es ganz gut, dass er noch einmal Zeit hatte, über alles nachzudenken. Sie hatten kein schlechtes Leben zusammen, harmonierten, vielleicht war es nur eine Phase, die sie zusammen durchstehen mussten. Das Haus seiner Eltern war voller Erinnerungen an seine Ex-Freundin. Er hatte sie zwar nie mit ihnen konfrontiert, doch so unsensibel war sie dann auch nicht, dass sie es nicht gespürt hätte. Und seine Eltern? Sie akzeptierten sie, waren nett, aber auch sie klammerten Thao völlig aus, selbst wenn sie auf die vergangenen Jahre zurückblickten.

Sie rührte den Eintopf um, drehte die Hitze nochmals runter und schöpfte etwas Wasser ab. Kurz wandte sich Ella zum Wohnzimmer um, wo er auf ihre Rückkehr wartete. Sie fühlte sich unwohl, tiefe Sorge nahm sie in Besitz.

Langsam und zögerlich kehrte sie zu ihm zurück, strich ihm im Vorbeigehen über seine rechte Schulter und setzte sich dann an seine Seite.

Sie forderte ihn nicht auf, ihr sein Problem zu schildern, er sollte es ihr von selbst eröffnen. Also wartete sie und beobachtete ihn aufmerksam, während er mit gesenktem Kopf auf seine Knie blickte, die Hände ineinander verschränkt.

Ella überlegte, wo sein Problem wohl liegen könnte, ging noch einmal all das durch, was ihrer Meinung nach eine gute Beziehung ausmachte. Sie fand jedoch keinen Makel, so sehr sie auch danach suchte.

„Ich weiß einfach nicht, wie ich es dir sagen kann. Aber mir fällt es schwer, es zu umschreiben oder in Worte zu fassen ..."

Er zwang sich, sie anzusehen, und wandte sich halb zu ihr um.

„Ich habe nie aufgehört, an Thao zu denken, und obwohl ich sie mit aller Macht aus meinem Leben drängen wollte, ist sie immer ein Teil davon geblieben. Egal, wie harmonisch unsere Beziehung auch ist, Ella, Thao bleibt und macht mich kaputt damit."

Ella beherrschte sich mit aller Macht, nichts deutete darauf hin, dass sie sein Geständnis getroffen hatte. Sie waren jetzt beinahe eineinhalb Jahre zusammen, abgesehen von den letzten Wochen, war ihr nie aufgefallen, dass ihn seine Ex-Freundin noch immer derart beschäftigte.

„Du liebst sie also noch immer?"

Karl nickte, ohne zu zögern.

„Ja. Das werde ich wohl immer. Ich bin selbst nicht glücklich damit, glaub mir bitte."

Ella beugte sich vor und nahm seine Hand.

„Ich möchte jetzt die Wahrheit von dir hören, Karl, okay? Liegt es an mir?"

Karl zögerte, wollte ihr nicht die üblichen Floskeln an den Kopf werfen, die eine Trennung erleichtern sollten. Wenn es denn überhaupt eine war. Er wusste es ja selbst nicht genau, war zu keinem Entschluss fähig.

„Schwer, Ella. Du tust alles, was man sich von einer Partnerin wünscht, aber Thao hat mir immer ein Gefühl vermittelt, das mir bei dir ..."

Er zögerte neuerlich, wusste er doch, wie sehr er sie damit verletzen würde.

„...fehlt."

Ella verdrehte leicht den Kopf, hielt aber weiter ihren Blick auf ihn gerichtet.

„Was für ein Gefühl?"

„Dass du mich liebst."

Sie war sprachlos, blickte ihn an, bis er ihr schließlich auswich und den Kopf senkte. Sie hatten alles, was sich ein glückliches Paar nur wünschen konnte, gemeinsame Freunde, korrelierende Interessen, gute Gespräche, regelmäßigen Sex. Karl war ein interessanter Mann, wurde nach allem was er erzählte ein guter Arzt und ging ebenso sensibel wie aufgeschlossen mit seinem Umfeld um. Genau so stellte sich Frau einen „Guten" vor, auf den man in seinem Leben wartete, und dann, wenn man ihn endlich gefunden hatte, bauen konnte. Und das war jetzt auf einmal nichts mehr für ihn wert? Was meinte er mit Liebe? Sie dachte oft an ihn, kümmerte sich um seine Bedürfnisse und Belange. Und er war ihr beileibe alles andere als egal.

„Ich weiß nicht, warum das ausbleibt, Karl. Ich sehe da keinen Fehler oder Mangel zwischen uns. Du bist ein wesentlicher Teil meines Lebens und sehr wichtig für mich. Ich versuche auch, dir gegenüber alles richtig zu machen, deshalb weiß ich einfach nicht, was du an oder bei mir vermisst."

Karl wusste es dafür umso besser. Ella und Thao unterschieden sich wie Feuer und Wasser. Ella hatte nicht Thaos heiseres, aber umso munteres Lachen, nichts von ihrem groben, aber immerhin vorhandenen Humor, weder den ausdrücklichen Wunsch nach Leidenschaft und Zärtlichkeit, noch das spontane Einfordern seiner Gesellschaft, oder etwa diesen besorgten Blick, sobald sie spürte, dass ihn etwas bewegte. Ella war in allem gerade. Alles hatte seinen Platz, seine Notwendigkeit und seine Funktion. Auch er, zumindest glaubte er das.

Ella schien wirklich erschüttert zu sein, kein Wunder bei solch einem Vorwurf. Er entzog ihrer Beziehung schließlich jegliche Grundlage.

„Was ist Liebe, Karl? Schon mal drüber nachgedacht?"

Er blickte sie fragend an, konnte sich nicht vorstellen, worauf sie hinauswollte.

„Deine Art oder meine, mit ihr umzugehen. Verstehst du, worauf ich hinauswill? Jeder Mensch äußert sie unterschiedlich, oder nicht? Sag mir einfach, was du von mir erwartest, damit ich es dir geben kann."

Für Karl wurde dieses Gespräch zur Marter. Er war unglücklich mit Ella, viel unglücklicher, als er es mit Thao jemals gewesen war. Sie war ihm wie ein Kumpel geworden, den man vögeln konnte, doch dieses typische Mann-Frau-Verhältnis gab es zwischen ihnen nicht. Sie gab ihm nicht das Gefühl, dass sie ihn wirklich brauchte, sondern eher, dass er ein Teil ihres Lebens sein durfte. Sicher war sie lieb zu ihm und er konnte sich kaum etwas vorstellen, das sie ihm nicht zu geben bereit war. Auch dies entsprach ihrer Art, ihm ihre Liebe zu zeigen, doch auf diese Art und Weise konnte er es nicht wertschätzen.

Thaos Zuneigung hingegen war in allem zu spüren gewesen, sogar in den heftigen Auseinandersetzungen mit ihm. Sie hatte geweint, geschrien, sich sogar mit ihm geprügelt, wenn sie verzweifelt gewesen war. Darin war sie vollkommen kompromisslos gewesen. Genau das hatte ihn am Anfang so sehr an ihr fasziniert. Ab dem Moment, da Thao sich für ihn entschieden hatte, war sie sein Eigen gewesen, ohne Einschränkung, in allem. Daran hatte es kein Rütteln gegeben. Und jetzt? Hatte er sie vielleicht für immer verloren? Er dachte an die ersten Tage mit Thao. Seine langen Haare, die Nickelbrille auf der Nase, seine hagere, knochige Gestalt. Wenn man ihn nicht ausgelacht hatte, so war er zumindest belächelt worden, doch Thao war dies alles vollkommen egal gewesen. Er hatte um sie gekämpft und gewonnen. Ganz einfach war das damals zwischen ihnen gewesen.

„Ella, ich schaffe das einfach nicht mehr. Ich weiß, dass das, was ich jetzt sage, dir wehtut und meine Worte klingen so absurd und dämlich, ich hasse mich selbst für sie, aber du hast recht und trägst so gar keine Schuld an dem hier. Die liegt allein bei mir und dass ich dir jetzt wehtue und damals Thao so verletzt habe, werde ich niemals entschuldigen können."

Karl legte eine kurze Pause ein, in dem Moment, da seine Stimme brüchig zu werden begann. Er benötigte eine Weile, um seine Beherrschung wiederzuerlangen.

„Bitte verzeih mir."

Ellas grüne Augen blickten ihn an, ihr Gesicht schien in diesem Moment zur Skulptur geworden zu sein. Nichts regte sich in ihm, als ob es von einem Augenblick auf den anderen zu Stein geworden war.

„Du machst mit mir Schluss? Ohne mir eine Chance zu geben? Ohne dass ich um dich kämpfen darf?"

Karl zögerte, dann senkte er den Kopf.

„Ja. Ich will dich einfach nicht länger um das betrügen, was dir zusteht."

Ella schüttelte den Kopf, musste sich von ihm abwenden.

„Du meinst die Liebe, von der du gerade gesprochen hast?"

Jedes einzelne Wort ihrer Entgegnung verhieß pure Verbitterung.

„Ich weiß jetzt, wie sich Thao damals gefühlt haben muss. Das tut so unglaublich weh, Karl. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich schon allein wegen ihr nicht auf dich eingelassen."

Ihr Blick traf auf seinen. Es mochte ihm in diesen Augenblick genauso schlecht gehen wie ihr, doch seine bloße Gegenwart schien sie zu verhöhnen. Sie holte tief Luft, ihre Stimme klang ruhig und gefasst.

„Packe das Nötigste zusammen und geh! Den Rest schicke ich dir zu."

„Ella es tut mir ..."

„Spars dir! Es hilft mir nicht. Ich bin dir genauso wenig eine Chance wert, wie damals Thao."

Er wollte sich ihr nähern, sie irgendwie besänftigen, doch sie entzog sich ihm abrupt.

„Pack jetzt und geh! Ich will dann in Ruhe essen."

Nahezu eine Stunde saß Karl in seinem Auto und starrte vor sich hin. Aus diesem Hauseingang war er vor knapp eine Stunde herausgekommen und hatte damit eine Tür hinter sich zugeschlagen, ohne eine Neue gefunden zu haben, durch die er jetzt gehen konnte. Es schien ihm so absurd. Auf der einen Seite hatte er dem Druck nachgegeben, sich seinen Gefühlen gestellt, andererseits keine Vorstellungen davon gehabt, was sein Entschluss für Ella und ihn bedeuten würde.

Seine Freundin hatte weder geschrien, noch geweint, nur eine eiserne Miene aufgesetzt, die ihm wie eine Maske erschienen war. Irgendwo darunter würde auch sie ihre Gefühle leben, ihn jetzt hassen, verfluchen, vielleicht auch beweinen. Und er selbst? Ab dem Moment, da er sich für das Beenden seiner Beziehung entschieden hatte, war nur ein dumpfes Gefühl in seinem Magen zurückgeblieben, während sein Verstand eine Leere gebildet hatte, in der er vergeblich nach einem klaren Gedanken suchte.

Wo sollte er jetzt hin? Seine Freunde hier waren genau genommen jene von Ella, so wie die ganze Stadt ihre und nicht seine war. Ein Hotel, vielleicht auch eine Pension, etwas anderes blieb ihm gar nicht übrig. Auch einige Kollegen kamen ihm in den Sinn, doch wollte er seine Probleme nicht zu ihren werden lassen. Gut, irgendetwas würde er schon finden. Am Smartphone suchte er nach Unterkunftsmöglichkeiten und gab die Adressen ins Navigationssystem seines Mercedes ein, startete den Wagen und fuhr Richtung Innenstadt.

Die Stadt war voller Reisender, irgendwo wurde ein internationaler Kongress veranstaltet, deren Teilnehmer die Mehrzahl der seinerseits gewählten Unterkünfte belegt hatten. Nach langem Suchen und erheblichem Frust gelang es ihm schließlich doch noch, in einer kleinen, familiären Pension unterzukommen, die von einer polnischen Migrantenfamilie betrieben wurde und über sieben kleine Appartements verfügte. Er durfte nicht wählerisch sein, der Preis schien ihm angemessen.

„Haben Sie schon etwas gegessen? Ich mache Ihnen sehr gerne noch etwas."

Karl blickte auf sein Handy, es war schon 23 Uhr vorbei.

„Danke, Frau Wieczorek, vielleicht ein belegtes Brot? Ich habe tatsächlich Hunger."

Die kleine, gedrungene Frau lächelte, sie mochte so um die fünfzig Jahre alt sein und hatte ein gütiges, rundliches Gesicht. Sie schien unter Alopezie zu leiden, ihre bereits ergrauten Haare zierten den Oberkopf nur noch spärlich, was ihrer sympathischen Ausstrahlung jedoch keineswegs abträglich war.

Die Gastfrau beeilte sich indessen, ihren späten Gast unterzubringen und zu versorgen, in der Hoffnung, dass dieser schnell wieder auf die Beine kommen würde. Man konnte ihm ansehen, dass eine Last auf seinen Schultern lag und vielleicht konnte sie ihm mit ihrer Fürsorge helfen.

Die kleine Wohneinheit war annehmbar, das Bett in Ordnung. Alles schien ihm etwas abgewohnt, aber durchaus sauber und in einem akzeptablen Zustand zu sein. Für ein paar Tage, notfalls auch Wochen, würde es schon reichen.

Er packte die wenigen Sachen aus, die er mitgenommen hatte, versuchte sich mit den alltäglichen Dingen abzulenken, und sich irgendwie mit dem Bruch seines gewohnten Lebens zu arrangieren. Belastende Gedanken würden wiederkehren, sein Gewissen, seine Trauer, Selbstvorwürfe und letztlich auch Wut auf sich selbst. Sie war es, die ihm an meisten zusetzte. Hatte er doch jetzt schon zweimal Menschen verletzt, die ihm alles andere als egal waren, Menschen, die er mochte und liebte. Auch Ella, wenn vielleicht auch nicht im selben Umfang wie Thao.

Thaos Gesicht tauchte vor seinem geistigen Auge auf, ihr freches Lachen drang in sein Ohr, ihre kecken, spöttischen Blicke. Wie oft hatte er sie nackt gesehen, mit ihr geschlafen, ihre Wärme gespürt, ihr schwarzes Dreieck gestreichelt? Wie viel Lust sie ihm bereitet, wie sehr sie dazu beigetragen hatte, ihn zum Mann heranreifen zu lassen, sein Selbstbewusstsein zu stärken und Lebensglück zu finden. Natürlich hatte dies Thao als Frau und Mensch zuwege gebracht, wenngleich ihr Geschlecht dabei eine beinahe symbolische Bedeutung für ihn gehabt hatte.

Er dachte in diesem Moment weder an die Domina, noch an die einzigartige Frau, die sich nahezu unentwegt über all die Klugscheißer, Schmierenkomödianten und Heuchler lustig gemacht hatte, und selbst über ein großes Potential und außergewöhnliche Talente verfügte, denen sie keinerlei Bedeutung beigemessen hatte. Dies alles waren ihm damals wichtige Gründe gewesen, ständige Quellen neuer Konflikte. Und heute? Seit ihrer Trennung hatte er sich nie wieder Gedanken darüber gemacht.

„Thao!"

Lange war es her, dass er ihren Namen ausgesprochen hatte. Vielleicht irgendwann einmal in einem Gespräch mit Ella? Möglicherweise anlässlich einer Unterhaltung mit seinen Eltern? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern.

„THAO!"

Eine Träne bildete sich in seinem linken Auge, während er seine Hände zu Fäusten ballte und sich schmerzhaft auf die Unterlippe biss. In diesem Augenblick brach alles an Gefühlen ungehemmt aus ihm heraus.

Karl hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Völlig übermüdet war er früh am Morgen ins Krankenhaus gefahren und hatte dem Chefarzt seine privaten Probleme dargelegt. Der hatte zwar durchaus Verständnis durchblicken lassen, jedoch wenig Begeisterung für Karls Absicht wieder in seine Heimat zurückzukehren gezeigt. Erst nach einer kurzen, aber heftigen Diskussion hatte er seinen Plan, den jungen Assistenzarzt zum Bleiben überreden zu wollen, aufgegeben und ihm zwei Wochen Urlaub genehmigt, damit er sich eine neue Stelle suchen und den Umzug vorbereiten konnte.

Dennoch sollte Karl zumindest noch drei Monate bleiben, um auch dem Krankenhaus genügend Zeit zu verschaffen, die vakante Stelle neu zu besetzen. Wie in den meisten Krankenanstalten herrschte auch in diesem Haus ein erheblicher Mangel an Fachkräften. Natürlich war Karl einverstanden, im Grunde genommen hatte er sich gut eingefügt und würde mit einigem Unwohlsein Kollegen wie Freunde im Krankenhaus verlassen.

Betroffene Gesichter der Kollegen, vergebliche Versuche ihn umzustimmen. Karl hatte nur noch einen Wunsch, er wollte von hier weg und in das Leben zurück, von dem er glaubte, dass es das Richtige für ihn gewesen war. Immer wieder dachte er an Thao, das Leben mit ihr, die vielen kleinen und großen Besonderheiten, die es ausgemacht hatten. Er hatte den Verlust schnell zu spüren bekommen, denn trotz aller Vorzüge, die Ella ihr Eigen nannte, war ihm das Zusammenleben mit ihr wie graue Tristesse vorgekommen.

„Thao!"

Immer wieder kam ihm ihr Name leise über die Lippen. In diesem Augenblick war ihm alles egal geworden, was zwischen ihnen gestanden hatte. Ihre Arbeit als Domina, ihr zynischer Charakter, ihre mangelhafte Gesellschaftsfähigkeit.

Wie warm sie gewesen war, wie schön es sich angefühlt hatte, ihre Haut zu berühren, ihren Körper an sich zu drücken, ihre vollen Lippen zu küssen. Natürlich dachte er auch an ihre Brüste, die er so gern gestreichelt, massiert und mit seinen Küssen bedeckt hatte.

Schockiert blickte er sich um, mitten auf dem Flur des Bürotrakts stehend bekam er eine Erektion. Peinlich berührt ging er den Gang auf und ab und versuchte, die Gedanken an Thao aus seinem Kopf zu verbannen. Erst als die Beule in seiner Bundfaltenhose verschwunden war, wagte er sich ins Personalbüro, um seinen Urlaubsantrag auszufüllen.

Es störte ihn, dass sie in seinen Gedanken derart präsent war und sein Verlangen nach ihr mit der Trennung von Ella noch zugenommen hatte. Sein Wunsch, Thao zurückzugewinnen, wurde immer vordergründiger, die Sehnsucht nach ihr übernahm die Kontrolle über sein Handeln. Karl schüttelte den Kopf, eilte den Flur entlang und nahm die Treppe anstelle des Fahrstuhls. Er wollte nur noch seine Tasche packen und über das Wochenende nach Hause fahren.

Wieder daheim

„KARL!?!"

Seine Mutter hatte sich erschrocken, als sie jemand die Tür aufschließen und das Haus betreten hörte. Harald schlief und außer ihm kam niemand in Frage, der einen Schlüssel hatte, außer ihrem Jungen natürlich. So eilte sie in den Flur und blieb abrupt stehen, als sie den überraschenden Besucher erkannte.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken, Mama."

Sichtlich verwirrt hieß ihn Katja seine beiden Taschen abstellen und zog ihn anschließend hinter sich her ins Wohnzimmer. Sie setzte sich auf die Couch und deutete mit ihrer Hand neben sich.

„Was ist passiert?"

Eigentlich hätte sich Katja die Frage sparen können, sie kannte die Antwort ohnehin.

„Ich habe mich von Ella getrennt."

Katja hatte es befürchtet. Ella war als Frau keinesfalls als Fehlgriff zu bezeichnen, wenngleich sich ihre Persönlichkeit deutlich von jener Thaos unterschied. Schon von Anfang an schien es nicht wirklich stimmig zwischen ihr und Karl gewesen zu sein.

„Und wie geht es dir jetzt?"

Nach vorne gebeugt saß der junge Arzt neben ihr auf dem Sofa und starrte auf seine ineinander gefalteten Hände. Er war wieder ziemlich hager geworden, wenn auch nicht so sehr wie sein Vater. Man merkte ihm deutlich an, dass die Zeit für Sport fehlte, zudem schien seine momentane Stimmung den Appetit keinesfalls zu beflügeln.