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Traumfrau nach Maß

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Er ging zu ihrer Wohnungstür und pochte mit der Faust dagegen, davon musste sie wach werden, um diesen Spuk zu beenden.

»Hör mal Junge«, sagte der Hausverwalter und schloss Jessicas Wohnung auf, »Ich darf das eigentlich nicht, aber bevor du dich da in was reinsteigerst, zeige ich es dir. Das bleibt aber unter uns.«

Er betrat die Wohnung mit dem Hausverwalter und rocht abgestandene Luft. Alle Rollläden waren heruntergelassen und die Stecker aller Elektrogeräte waren herausgezogen, ansonsten war die Wohnung voll möbliert und geschmackvoll eingerichtet.

»Kennst du Angehörige von ihr oder bis du einer?«, fragte ihn der Hausverwalter. Mirko antwortete nicht und lief ins Wohnzimmer. Der Mann zuckte mit den Schultern und sagte: »Wenn die Behörden nicht bald jemanden finden, muss ich die Wohnung von einer Entrümpelungsfirma auflösen lassen.«

Mirko sah einige professionelle Fotos von ihr an den Wänden hängen, die sie in verschiedenen Outfits und Stylings zeigen. Alles sehr sexy und hochwertig. Über dem Fernseher stand ein kleines gerahmtes Bild von ihr, dass sie so natürlich zeigte, wie er sie kennengelernt hatte. Sie stützte ihr Kinn auf ihren Handballen und schaute mit ihrer frechen Kurzhaarfrisur verträumt dem Betrachter entgegen.

Mirko nahm das Bild und fühlte ein Ziehen in seinen Tränenkanälen. Seine Gesichtsmuskeln gehorchten ihm nicht mehr. Er kämpfte dagegen an, bis seine Lippen zitterten. Unter dem Mundschutz konnte es ihm eigentlich egal sein, wie das aussah. Als große Tränen aus seinen Augen quollen, holte er schluchzend Luft und schaute auf das Bild von Jessica.

Er fühlte die Hand des Hausverwalters auf seiner Schulter. Ohne den Mann zu beachten, schaute er auf das Bild, das unter dem Tränenschleier verschwamm, bis er nichts mehr erkannte.

»Behalte das Bild«, sagte der Mann, »Aber jetzt müssen wir hier wieder raus.«

Mirko lief in einem tranceartigen Zustand zurück in seine Wohnung. Er ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und blieb mit Jessicas Bild vor Augen im Flur stehen. Nachdem er sich die Maske vom Gesicht gezogen hatte, brachen alle Dämme. Mirko sank auf die Knie und wollte nicht wahrhaben, dass es den Menschen auf diesem Bild nicht mehr gab. Er hatte noch nie einen nahen Angehörigen verloren und er zerbrach fast an dieser unmittelbaren Erfahrung mit dem Tod. Es war doch erst wenige Stunden her, als er sie voller Liebe in den Armen gehalten und ihre Sehnsucht erfüllt hatte. Sie hat sich nicht einmal verabschiedet, dachte er in einem Anflug von Zorn, der in tiefer Traurigkeit umschlug.

Er wusste nicht, wie lange er in seinem Flur hockte und das Bild in der Hand hielt. Zeit war bedeutungslos. Seine Türklingel drang in seinen gedankenleeren Kopf. Er richtete sich auf und öffnete die Tür mechanisch. Seine Ex-Freundin stand mit kampfeslustigen Augen vor ihm und hielt einen Karton in ihren Händen.

»Katharina?«, sagte er tonlos.

»Hier sind deine Sachen, die noch bei mir lagen, damit wir einen sauberen Schlussstrich ziehen können«, sagte sie, als hätte sie den Satz auswendig gelernt, dann erkannte sie seine roten Augen und das verheulte Gesicht. Ihr aufgesetzter Zorn wich einer leichten Verlegenheit.

»Ich habe heute Nacht auch geweint, aber das wollte ich dir gar nicht sagen«, gestand sie. Mirko nickte mit aufgelöster Mimik. Er konnte ihr unmöglich erklären, woher seine tiefe Trauer kam -- er konnte die Ereignisse seit gestern Abend selbst nicht mehr nachvollziehbar wiedergeben.

Als Katharina vor ihm stand und ihm ihr Mitgefühl zeigte, hätte er schon wieder heulen können, diesmal ihretwegen. Er nahm sie fest in den Arm. Der Karton zwischen ihnen wurde bedeutungslos und fiel zu Boden.

»Ich will dich nicht verlieren, du bist mir unheimlich wichtig«, sagte er. Sie erwiderte die Umarmung erst zaghaft, dann überzeugter und sagte: »Wow, so was Emotionales hast du noch nie zu mir gesagt.«

»Ich weiß«, sagte Mirko, »Es tut mir leid.«

»Soll ich uns einen Tee kochen? Dann können wir reden. Du siehst echt fertig aus.«

»Haben wir Tee?«

»Im Hängeschrank über der Spüle«, sagte Katharina mit einem verständnisvollen Lächeln und stricht die Tränen von seinen Wangen. Als sie in seine Wohnung kam, sah sie ein gerahmtes Foto auf dem Fußboden liegen und hob es auf.

»Wer ist das?«, fragte sie mit neutraler Stimme.

»Sie hieß Jessica und wohnte nebenan. Sie ist vor ein paar Wochen gestorben.«

»Und warum liegt ihr Bild in deinem Flur?«, fragte Katharina aus Neugier. Sie sah keinen Grund, eifersüchtig auf eine Tote sein zu müssen, obwohl die Frau mit den hellen, kurzen Haaren äußerst attraktiv war und selbst auf Katharina sympathisch wirkte.

»Ich erzähle es dir. Aber nicht jetzt, sonst hältst du mich für verrückt.«

*ein paar Tage später*

Mirko legte eine schwarze Rose auf Jessicas Urnengrab und blieb einen Moment andächtig knien. Noch einmal wurden seine Augen feucht. Während Katharinas Hand auf seiner Schulter lag, flogen alle Momente mit Jessica an seinem geistigen Auge vorbei. Ihr Lachen, ihr Charme und das allgegenwärtige Gefühl, akzeptiert zu sein.

»Anerkennung ist das Wertvollste, was sich Menschen schenken können«, hörte er ihre Stimme in Gedanken.

Er und Katharina verließen den Friedhof Hand in Hand, nachdem Mirko Abschied genommen hatte. Katharina verstand nicht, was Mirko in dieser Nacht glaubte, erlebt zu haben, aber die kurze Unterbrechung ihrer Beziehung hatte ihnen gutgetan. Nach dem Neustart lernten sie sich noch einmal ganz neu kennen, mit mehr Zeit und mehr Interesse für den jeweils anderen. Bei der Wertschätzung, die Mirko ihr entgegenbrachte, war sie durchaus bereit, sich auch für seine Interessen zu öffnen. Sie schauten sich verliebt an: Sein Lächeln galt ihr, die Tränen gehörten Jessica.

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33 Kommentare
PaarohneBar1PaarohneBar1vor etwa 1 Monat

@auden James

Was ist in deinem Leben schiefgelaufen????

PaarohneBar1PaarohneBar1vor etwa 1 Monat

WOW.

Ich brauche jetzt erst einmal ein bisschen Zeit für mich.

Dankeschön, daß ich die Geschichte lesen durfte.

simthesimsimthesimvor 3 Monaten

Ich mag es, wenn eine Geschichte mich ein wenig "verstört" zurücklässt.

Anders als einige Kritiker, habe ich auch kein Problem damit, wenn die Story hier und da Lücken hat, oder vielleicht irgendwo ein Sinnfehler entsteht, wie es hier an anderer Stelle kritisiert wurde. Ich bin in der Lage derlei zu ignorieren, bzw. solche Lücken in meinem Kopf zu füllen, wenn mich die Story ansonsten abholt.

Anfangs dachte ich erst Thema verfehlt, denn sie steht ja als Romanze deklariert da. Doch für mich geht das letztlich in Ordnung.

LennierLenniervor 9 Monaten

Danke für diese tolle und nachdenkliche Geschichte!

Auden JamesAuden Jamesvor fast 3 Jahren
Kitsch im Fetischgewand

Auf den vorliegenden Text bin ich durch den Kommentar Ludwig_v_Obbs aufmerksam geworden, der vermeinte, daß „Traumfrau nach Maß“ mehr „anspruchsvolle Leser“ verdient habe. Nun, ich fürchte, da irrt er! Anspruchsvolle Leser werden am vorliegenden Text nämlich kaum Freude finden! Denn tatsächlich handelt es sich um einen Text, der vielmehr rührseligen und kitschaffinen Lesern gefallen dürfte (also dem Gegenteil der – jedenfalls im eigentlichen Sinne – anspruchsvollen Leser)!

Woran liegt das?

Nun, dafür gibt es etliche Gründe, allerdings werde ich mich im folgenden darauf beschränken, die wesentlichen, die in der Erzählstruktur des Textes stecken, kurz zu benennen und sodann eine auf andere Aspekte eingehende Detailkritik anschließen, um auch ein paar Schlaglichter auf die vielen übrigen Schwachstellen des Textes zu werfen.

Das Hauptproblem des Textes, das auch swriter schon ansprach, besteht darin, daß seine Handlung, salopp gesagt, schlechterdings keinen Sinn ergibt! Oder sagen wir so: sie ergibt nur insofern Sinn, als sie der allegorischen Erzählung einer überaus platten, sentimentalen und aufdringlichen Moral dient, was auch nicht viel besser ist – jedenfalls nicht aus der Sicht eines anspruchsvollen Lesers!

Die Handlung, kurz zusammengefaßt, ist ungefähr die folgende: ein junger Mann unterbreitet seiner Freundin zum wiederholten Male seinen Wunsch nach Analsex (den beide noch nicht hatten), woraufhin diese wutentbrannt seine Wohnung verläßt und allem Anschein nach mit ihm Schluß macht, weshalb er auf den abgeteilten Balkon geht (es handelt sich um ein „Mehrfamilienhaus“ [S. 1]) und dort seine attraktive Nachbarin auf einer „Gartenliege“ (S. 1) erblickt und zu sich einlädt, wo sie zusammen Pizza backen und sie ihm von ihrer Tätigkeit als (Edel-)Prostituierte, der sie wegen Corona leider nur eingeschränkt nachgehen könne, erzählt, was unseren jungen Mann derart erregt, daß sie wenig später auf seinem Sofa landen, wo er sich einen runterholt und sie ihm masturbierend dabei zuschaut, woraufhin sie „dicht aneinander gekuschelt“ (S. 2) einschlafen; am nächsten Morgen ist seine Nachbarin spurlos verschwunden, er sucht sie und erfährt vom „Hausverwalter“ (S. 2), der zufällig im Erdgeschoß wohnt, daß sie bereits vor vier Wochen tot in ihrem Bett aufgefunden worden sei, was unseren jungen Mann fast zur Verzweiflung und in einen nicht enden wollenden Heulkrampf treibt, als plötzlich seine Ex-Freundin wieder vor der Tür steht, der er sogleich unter Tränen gesteht, daß sie „unheimlich wichtig“ (S. 3) für ihn sei und er sie nicht „verlieren“ (ebd.) wolle, woraufhin die beiden einen „Neustart“ (S. 3) ihrer Beziehung wagen und so am Ende, da sie das Urnengrab jener verstorbenen (Edel-)Prostituierten besuchen, sich viel mehr und inniger lieben als jemals zuvor.

Uff. Wenn man das so liest, wie es geschrieben steht, also ohne allegorische Deutung, ist es natürlich – wie für den switer – einfach nur Schwachsinn. Aber, wie gesagt, die Absicht des Autors war offenbar eine allegorische Erzählung, weshalb der – an und für sich unmögliche – Auftritt der verstorbenen Nachbarin allein von symbolischer Bedeutung ist, nämlich als Überbringerin einer – vorgeblich – hehren Moral, die von ihr auf die folgende schlichte Formel gebracht wird: „‚Man kann zusammen auf so viele Arten glücklich werden -- es geht dabei immer um Anerkennung. Jeder Mensch sehnt sich von Natur aus nach Anerkennung, viel mehr als nach Geld oder allem anderen.‘“ (S. 2). Sprich: Wenn wir uns nur alle gegenseitig anerkennen würden, dann wären wir alle zusammen glücklich! Juche! Das Ei des Kolumbus! Kumbaya und Weltfriede! – Bullshit, denn so einfach ist das natürlich nicht, denn andernfalls würden wir seit Isokrates (436–338 v. Chr.), der in seiner „Rede des Nikokles an die Zyprioten“ erstmals die sogenannte Goldene Regel ausformulierte, alle in Frieden und allumfassender Glückseligkeit leben – was offensichtlich nicht der Fall ist.

Somit stellt sich „Traumfrau nach Maß“ als ein – im dt. LIT – besonderer Fall dar, weil sich nämlich die Hauptkritik hier nicht etwa auf eine dilettantische oder geradezu unleserliche Machart richtet, sondern auf den falschen – oder zumindest fälschlichen – Inhalt bzw. Sinn der Erzählung, die dem geneigten Leser nämlich eine falsche – oder zumindest fälschliche – Vorstellung von der Welt und den Zusammenhängen des (Liebes-)Lebens gibt. Da nun aber gerade sentimentale und kitschaffine Leser es lieben, der als unschön empfundenen Wirklichkeit mittels entsprechend sentimentaler und kitschiger Bücher, die ihnen stattdessen eine verfälschte Scheinwirklichkeit anbieten, zu entfliehen, um so ihre regressiven Bedürfnisse zu befriedigen, ist der vorliegende Text geradezu wie gemacht für sie – jedoch keineswegs auch für den anspruchsvollen Leser, dem ein so moraliner wie irriger Inhalt nämlich ein Graus is!

Ansonsten ist noch anzumerken, daß die rührselige Wandlung des Protagonisten vom analfixierten Arschloch (war diese im Subtext versteckte Ironie vom Autor beabsichtigt?) zum liebevollen Kerl, der seiner Freundin am Ende die „Wertschätzung“ (S. 3) entgegenbringt, die ihr als Frau gebührt (denn wir wissen ja aus der Wissenschaft: „WOW – Women Are Wonderful“), übers Knie gebrochen wirkt, da sie schließlich in weniger als einem Tag, ja, buchstäblich, über Nacht sich vollzieht. Aber an derlei erzählerischen Grobheiten stört sich scheinbar nur der anspruchsvolle Leser, für den der vorliegende Text ja ohnehin nichts ist, während die kitschbegierigen Leser, darauf lassen jedenfalls ihre Kommentare hier schließen, sich vielmehr an diesen zu erfreuen scheinen. Insofern hat der Autor doch alles richtig gemacht, oder nicht?

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DETAILKRITIK

1. „‚Sorry, ich wollte nicht spannen‘, sagte er und wendete den Blick dennoch nicht ab. Ein Teil seines Gehirns hinderte ihn daran, weil es noch Informationen von den Augen benötigte, um das Bild zu vervollständigen.“ (S. 1)

Eine reichlich merkwürdige Formulierung! Arbeitet das Gehirn des Protagonisten, von dem hier die Rede ist, aus irgendeinem Grund abnorm langsam? So in etwa wie weiland eine Modemverbindung, bei der sich ein größeres „Bild“ auch immer quasi Zeile für Zeile aufbaute? Dann wäre das ein interessanter Fall für die Wissenschaft – weniger aber für eine gelungene Geschichte!

2. „[W]oher sollte er denn wissen, wie man Pizza aus Rohstoffen macht.“ (S. 1)

Ebenfalls eine merkwürdige Formulierung! Die Rede von „Rohstoffen“ ist in diesem Zusammenhang nämlich eher unüblich. Vielleicht wäre es erzählerisch eleganter gewesen, hier einfach ein paar der Zutaten für die Pizza aufzulisten?

3. „‚Nach dem zweiten Staatsexamen habe ich mich nach einem Arbeitsplatz umgesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich gar keinen Bullshit-Job in einem Büro machen will und mir die Arbeit mit Menschen gefällt.‘“ (S. 1)

WTF? Tut mir leid, aber das war meine erste Reaktion, als ich diese Selbstaussagen der (Edel-)Prostituierten, die den Namen Jessica trägt und hier spricht, das erstemal las. Ich meine, diese Jessica ist also Volljuristin (zweites Staatsexamen), hat somit also die gesamte juristische Ausbildung (Universität + Referendariat + Examina) erfolgreich hinter sich gebracht, was in Deutschland mindestens sieben Jahre Zeit in Anspruch nimmt, und ist nun also berechtigt, als Staatsanwältin, Richterin, Rechtsanwältin o. ä. tätig zu werden, und erst an diesem Punkt will sie allen Ernstes gemerkt haben, daß die Juristerei nichts für sie ist und sie lieber was „mit Menschen“ machen will? Bullshit! Da wäre selbst ein Kindergeburtstag unter 80jährigen noch glaubwürdiger! (Aber die Eigenarten der Juristerei stellten den Autor auch schon beim Protagonisten und Notar aus „BellaPorn“ vor ähnlich erhebliche Probleme; es besteht in diesem Punkt offenkundig ein erhöhter Recherchebedarf seitens des Autors.)

4. „‚Außerdem gibt es dieses scheiß Virus wirklich. Ich möchte keinen meiner Kunden auf dem Gewissen haben.‘“ (S. 1)

Dies ist die Antwort, die Jessica auf die Frage ihres Nachbarn, der zugleich auch der Protagonist der Geschichte ist, gibt, warum sie nicht trotz Kontaktverbot sich weiter als (Edel-)Prostituierte verdinge, während die beiden sich ohne Maske und mit weniger als zwei Metern Abstand in seiner Wohnung bei geschlossenen Fenstern unterhalten. Nun, da stellt sich dem geneigten Leser doch quasi zwangsläufig die Frage: ihre Kunden möchte sie nicht auf dem Gewissen haben, aber wenn ihr Nachbarn ihretwegen hopsgeht, dann ist das kein Problem, oder wie?

Und was will der Autor dem geneigten Leser damit sagen? Daß Jessica eine rücksichtslose, heuchlerische Person ist, die anderen ungefragt Moralpredigten hält, aber sich selbst nicht einmal an ihre eigenen moralischen Grundsätze zu halten vermag? Wohl kaum, oder?

5. „Mirko retten große Teile der Pizza und legten diese auf Teller, um das Blech mit dem verbliebenen Teig und den sonstigen Zutaten belegen zu können.“ (S. 1)

Ein (unnötig) unverständlicher Satz. Wieso wird Mirko durch große Teile der Pizza gerettet? Und vor was überhaupt? Und wer oder was „legten“ diese hier auf den Teller? Mirkos multiple Persönlichkeiten? Wohl kaum, oder?

6. „‚Das ist der Moment, in der [sic] ich eine Antwort brauche.‘“ (S. 1)

Im Vergleich ist das vielleicht eine Lappalie, aber auch von denen finden sich noch einige mehr im Text (die an dieser Stelle aber unangeführt bleiben sollen). Es müßte der deutschen Grammatik gemäß natürlich „dem“ statt „der“ heißen.

7. „Er überdachte seine finanzielle Situation und sah in der nächsten Zeit keinen Spielraum. […] Er fühlte eine innere Enttäuschung -- das mit dem Geld hätte er schon irgendwie hinbekommen.“ (S. 2)

Na was denn nun? Besteht finanzieller Spielraum, um die (Edel-)Prostituierte Jessica zu bezahlen, oder besteht kein finanzieller Spielraum dafür? Für irgend etwas sollte sich der Erzähler schon entscheiden!

8. „Als es ihm kam, empfand er die Nähe und ihre erregende Präsenz intensiver als bei manchem Sex, den er mit seinen bisherigen Partnerinnen erlebt hatte.“ (S. 2)

Das ist natürlich schön für den Protagonisten, wenn man diese Behauptung des Erzählers denn ernst nehmen wollte, aber als Leser läßt zumindest mich diese Behauptung ziemlich kalt (und irritiert mich eher noch). Ich meine, Herrgott, sie sitzt einfach nur in einem Latex-Body neben ihm auf der Couch – und deswegen ist alles gleich viel „intensiver“ für den Protagonisten? Come on!

9. „Dabei hörte er ihren Rausch nah an seinem Ohr.“ (S. 2)

Was für einen „Rausch“? Getrunken haben die beiden nichts. Was für ein „Rausch“ also ist gemeint? Und wie „hörte“ der Protagonist den bitteschön? Das Rauschen ihres Atems? Nun, das wäre dann ein ganz anderes Wort. Und die Wörter sollte der Erzähler schon richtig zu wählen wissen!

10. „Jessica war innerhalb von wenigen Stunden von einer Fremden zu seiner Erfüllung geworden.“ (S. 2)

Ähm, tut mir leid, wenn dem einen oder anderen diese Frage vielleicht ketzerisch anmuten mag, aber ich frage: wieso das? Weil sie ihm erklärt hat, wie man eine Fertigpizza aufbackt, und ihn zum Wichsen animiert hat? In ihrem Latex-Body neben ihm auf dem Sofa sitzend? Im Ernst? Come on!

11. „‚Die [gem. ist Jessica, Anm. AJ] wurde vor vier Wochen tot in ihrem Bett gefunden, wusstest du das nicht?‘ […] ‚Ja, verdammt schade um das Mädchen. Die Obduktion hat nichts ergeben. Sie war kerngesund und frei von Drogen. Ihr Herz hat im Schlafen einfach aufgehört zu schlagen. Lady J. hat sie sich genannt. Sie war viel unterwegs, bevor dieser Corona-Mist losging, aber sie war immer korrekt und höflich.‘“

Wer hier spricht, ist der ominöse „Hausverwalter“ (S. 2) aus dem Erdgeschoß. Da stellt sich mir nun wiederum die Frage: wieso weiß der Hausverwalter über die Prostitution der verstorbenen Mieterin Bescheid, ja, kennt sogar den Namen („Lady J.“), unter dem sie ihre Dienste anbot? War er etwa Stammkunde bei ihr? Wenn ja, warum wird das nur so versteckt im Text angedeutet? Welche erzählerische Absicht verbindet der Autor mit dieser möglichen Andeutung? Daß der Hausverwalter ihr Mörder ist? Und wenn das alles nicht zutrifft, wieso weiß er dann überhaupt so genau über alles Bescheid? Wieso weiß er offenbar sogar das Ergebnis des Obduktionsberichts? Wird im Sterbefall einer (Edel-)Prostituierten in Deutschland so etwas der Hausverwaltung von seiten der Staatsanwaltschaft angezeigt? Wohl kaum, oder? Was also soll das alles?

Mir scheint, der Autor wußte ganz einfach keinen anderen Weg, um seinen Protagonisten zu läutern (wenn man das denn so nennen wollte), als ihm auf diese Weise die tragische, aber ihm letztlich den rechten Weg weisende Botschaft zu überbringen. Denn, wie eingangs gesagt, die Geschichte verlangt ja schließlich eine allegorische Deutung, und solche Mittlergestalten findet man in Allegorien häufiger. Nur nützt das nichts, wenn die Allegorie letztlich auf rührseligen Kitsch hinausläuft! (Wie ja auch die Rede des Hausverwalters offensichtlich mehr auf die Tränendrüsen der Leser zielt als auf deren Verstand, der angesichts jener Rede so einige Fragen zu stellen wüßte, s. o.)

12. „Er hatte noch nie einen nahen Angehörigen verloren und er zerbrach fast an dieser unmittelbaren Erfahrung mit dem Tod.“ (S. 3)

Die Feststellung des Erzählers, daß der Protagonist fast an dieser unmittelbaren Erfahrung mit Tod zerbrochen sei, liest sich merkwürdig, weil a) diese Rede von „an etwas zerbrechen“ in der Regel nur im Falle einer abgeschlossenen Handlung verwendet wird (z. B. nach einem vollendeten Freitod), nicht aber für sich noch entwickelnde Handlungen, und die Handlung der Geschichte ist zu dem Zeitpunkt, als der Erzähler den zitierten Satz bringt, offensichtlich noch nicht abgeschlossen, sondern noch mitten in der Entwicklung befindlich, ja, der Protagonist selbst schließlich wird nur wenige Sätze später seiner Ex-Freundin wiederbegegnen und ihr endlich seine wahren Gefühle gestehen, und b) es sich gar nicht um eine unmittelbare Erfahrung mit dem Tod handelte, sondern eben ein mittelbare, denn Jessica ist schließlich nicht in den Armen oder vor den Augen des Protagonisten gestorben, sondern ganze vier Wochen vor (!) seinem Umzug in die Wohnung neben ihrer ehemaligen (!!) Wohnung (die offensichtlich in der Zwischenzeit nicht neu vermietet worden ist).

13. „‚Anerkennung ist das Wertvollste, was sich Menschen schenken können‘, hörte er ihre Stimme in Gedanken. [...] Bei der Wertschätzung, die Mirko ihr entgegenbrachte, war sie [gem. ist seine Ex-Ex-Freundin, Anm. AJ] durchaus bereit, sich auch für seine Interessen zu öffnen.“ (S. 3)

Und die Moral von der Geschicht’: sie ist didaktischer Mist! Denn was lehrt sie uns? Doch nur soviel wie: gibst du deiner (Ex-)Freundin genügend Anerkennung, so darfst du sie zur Belohnung auch in den Allerwertesten ficken. Toll! Hätte das einer den Männern mal früher gesagt, dann hätten sie die ganzen dummen Kriege der Vergangenheit seingelassen und sich stattdessen mit den Hinterteilen ihrer Frauen vergnügt. Was für eine glorreiche Vorstellung von Ethik und Moral und dem menschlichen Miteinander sich hier offenbart!

Und überdies ist bemerkenswert, daß der Satz, den der Protagonist von Jessica am Schluß nochmals zu hören meint, zuvor gar nicht von ihr gesagt wurde! Ihre weisen Worte über die Bedeutung der Anerkennung für das menschliche Miteinander lauteten nämlich – zu Erinnerung, denn sie wurden eingangs bereits zitiert – wie folgt: „‚Man kann zusammen auf so viele Arten glücklich werden -- es geht dabei immer um Anerkennung. Jeder Mensch sehnt sich von Natur aus nach Anerkennung, viel mehr als nach Geld oder allem anderen.‘“ (S. 2). Ha, hatte er sich also verhört? Oder hört er am Ende tatsächlich Jessicas Stimme in seinem Kopf (quasi als Einflüsterung aus dem Jenseits) und die vom Erzähler gewählte Formulierung läßt das nur zweideutig erscheinen, obwohl es gar nicht so gemeint war? Nun, welche dieser Varianten die ein bißchen weniger mißlungene sein mag, das sei dem geneigten Leser zur Entscheidung überlassen!

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SCHLUSS

Bei „Traumfrau nach Maß“ handelt es sich um einen der schwächsten Texte, die Faith bislang veröffentlicht hat. Dieses bedauerliche Urteil gründet weniger in handwerklichen Mängeln (von denen sich jedoch auch so einige im vorliegenden Text finden), sondern vielmehr in der inhaltlichen Ausgestaltung der Geschichte, die als didaktische, den Leser auf rührselige Weise von einer vermeintlich hehren Moral überzeugen wollende Fabel daherkommt, die am Ende aber bestenfalls zu sentimentalem Kitsch mit leichten Fetischanklängen (vor allem Latex) gereicht.

Von daher kann ich an dieser Stelle leider keine Lektüreempfehlung – schon gar nicht für anspruchsvolle Leser! – aussprechen.

–AJ

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