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Anna wusste ganz genau, worauf er anspielte.

„Geschlafen habe ich wirklich gut. Aber der Morgen könnte besser sein, wenn ich nicht sofort mit billigen Komplimenten konfrontiert werden würde."

Jakob steckte auch diesen Angriff von ihr einfach weg und setzte sich auf seinen Platz. Wenn sie meinte, sie könne sich durch ihre spröde und feindselige Art gegen ihn wehren, so hatte sie sich mächtig geirrt. Jede Aussage von ihr reizte ihn insgeheim nur dazu, noch liebevoller, noch aufmerksamer zu ihr zu sein. Und ganz sicher würde er mit Geduld und Konsequenz irgendwann die Lava im inneren dieses schlummernden Vulkans zum Ausbrechen bringen.

Die nächsten Tage verbrachte Jakob so oft es ging in Annas Nähe, wohl aber darauf bedacht, sie nicht einzuschränken oder gar zu belästigen. Ja, er meinte sogar dafür Sorge tragen zu müssen, ihr Zeiten des Alleinseins zu ermöglichen, vermutete er doch, dass Annas Angriffe ihm gegenüber in Wahrheit nur ihr Interesse an ihm kaschieren sollten. Wie falsch er damit lag, konnte er in seiner noch jugendlichen Überheblichkeit nicht erfassen.

Anna allerdings genoss die Zeiten des Alleinseins und entfernte sich langsam immer weiter von den ermüdenden Gedanken und Gefühlen ihres Arbeitslebens. Sie selbst bemerkte, wie sie den Geschäftsleuten, Kellnern und auch anderen Touristen sogar immer häufiger ein Lächeln schenkte, wenn die Situation geeignet war, dies zu erzeugen. Dass sich damit auch die bissigen Kommentare Jakob gegenüber abmilderten, war eine Folge, deren Wirkung auf den jungen Mann sie wiederum nicht realistisch wahrnahm.

Zwei Tage später hatte sie erneut ihren Lieblingsplatz aufgesucht und genoss Wind und Wellen als sich ihr der ältere Herr näherte, den sie schon einmal dort getroffen hatte.

„Entschuldigen Sie, wenn ich Sie störe. Sie scheinen diesen Platz ebenso zu mögen wie ich und ich wollte mich einer Gleichgesinnten wenigstens einmal vorstellen. Mein Name ist Günther, Günther Mirren" sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.

Sein Lächeln war angenehm und nach dem ständigen Beieinander mit den beiden „Jungmännern" war es Anna nicht unangenehm, einen etwa gleichaltrigen Mann -- sie schätzte ihn auf Anfang 60 -- in ihrer Nähe zu haben.

„Anna Grabovsky" stellte sie sich vor und ergriff seine Hand. „Ja, dieser Platz ist etwas ganz Besonderes für mich. Abseits der Menschen aber nicht in völliger Einsamkeit lädt er förmlich dazu ein, seinen Gedanken nachzuhängen und zu entspannen."

„Und zusätzlich ist der vom Meer kommende leichte Wind bei der Wärme sehr angenehm" ergänzte Günther lächelnd und Anna nickte zustimmend. „Ein perfekter Ort, sich zurückzuziehen" ergänzte sie.

„Ich hoffe aber ehrlich, genau dabei störe ich Sie nicht" antwortete Günther höflich und Anna musste lachen.

„Nein, nein" winkte sie ab. „Wie es aussieht, wenn ich mich gestört fühle, habe ich sie ja bei unserer ersten Begegnung spüren lassen. Ich hoffe, Sie haben es mir nicht übelgenommen."

„Ich freue mich, dass Sie sich trotzdem an mich erinnern. Eine Frau wie sie lernt ganz sicher einen Haufen Menschen kennen. Und was das Übelnehmen anbelangt, sie waren ja nicht unhöflich, sondern haben nur einfach nicht reagiert..."

„Eine Frau wie ich?" hakte Anna nach.

„Ja, eine attraktive Frau wie sie, Frau Grabovsky. Aber das hören sie doch nicht zum ersten Mal" versuchte er, sein verstecktes Kompliment nicht billig werden zu lassen und Anna war zu guter Laune, um es ihm nicht zu gestatten. Dieser Mann hatte etwas an sich, das sie nicht erklären konnte. Und in seiner Gegenwart fühlte sie sich einfach wohl. Und als sie jetzt lachte, stimmte er erleichtert ein.

„Wie sagte einmal ein berühmter Mann: <>. Lassen wir es einfach dabei."

„Es tut mir leid, wenn ich ihnen da widerspreche" überraschte sie Günther. „Bei reiner Schönheit mag das ja stimmen. Aber ist Attraktivität nicht mehr als nur..." Er zeigte mit der Hand auf sie und ließ sie dann sinken, um ihren gesamten Körper zu erfassen. „...ein hübsches Gesicht und eine reizende Figur?"

„Dann muss ich aber nachhaken" begann Anna skeptisch. „Wenn sie mich als attraktiv wahrgenommen haben und sich das nicht auf mein reines Äußeres bezieht, woran machen sie es denn dann fest? Insbesondere, da wir uns jetzt gerade erst näher kennenlernen."

Günther dachte einen Augenblick nach bevor er antwortete.

„Wissen sie, das ist gar nicht so einfach zu beschreiben. Darf ich ihnen meinen Eindruck beschreiben, als ich sie hier das erste Mal sah?" Anna nickte und er fuhr fort:

„Gut. Ich sah eine Frau, die beim ersten Hinsehen alle Attribute natürlicher Schönheit aufwies. Aber auf den zweiten Blick gab es mehr, viel mehr an ihnen, was meine Aufmerksamkeit anzog. Ich hoffe, ich komme jetzt nicht als perverser Spanner rüber, aber ich habe sie eine Weile beobachtet und es waren Bewegungen ihres Körpers, ihrer Hände, ihres Kopfes, wenn sie ihn leicht zur Seite neigten, die ebenfalls sehr dazu geeignet waren, jemanden zu faszinieren. Und dann war da noch die Art, wie sie die Atmosphäre dieses Ortes wahrzunehmen schienen... Aber ich will sie jetzt nicht mit einem endlosen Monolog langweilen" unterbrach er sich.

Anna musste sich eingestehen, dass sie beeindruckt war. Dieser relativ unscheinbare, und mit vielleicht 1,80m auch nicht sonderlich große, Mann hatte eine Art, Menschen und Situationen wahrzunehmen und zu beschreiben, die sie noch bei keinem Menschen erlebt hatte.

„Und das alles haben sie in wenigen Minuten in mir gesehen?" fragte sie ungläubig und sah, wie Günther Mirren leicht schamhaft den Blick zu Boden senkte.

„Ich will ehrlich zu ihnen sein" gestand er schließlich. „Einige Tage vor ihnen hatte ich diesen Platz zu meinem favorisierten Platz auserkoren. Und dann war ich auf dem Weg hierhin und sah, dass eine fremde Frau dort längere Zeit auf einem Felsen saß und ihn genauso intensiv zu genießen schien wie ich. Also blieb ich etwas zurück und schaute zu ihnen rüber." Er hob die Hände in einer Geste, die Hilflosigkeit andeutete. „Und es waren weit mehr als ein paar Minuten. Nur haben sie mich erst wahrgenommen, als ich näherkam und sie sich gestört fühlten, was ich eigentlich sogar vermeiden wollte."

Anna schüttelte ungläubig den Kopf.

„Herr Mirren, sie haben mich in wenigen Minuten mit ihren Beobachtungen beeindruckt und überrascht. Und dazu gehört schon etwas."

Jetzt konnte Günther endlich entspannt lächeln, hatte er doch befürchtet, dass sie ihm massive Vorwürfe machen würde, sie beobachtet zu haben.

„Darf ich sie auf diese Überraschung zur Wiedergutmachung auf einen Kaffee, Tee oder Drink in einem Café einladen und ihnen damit gleichzeitig meine zweite Lieblingsstelle verraten?"

Spontan hob Anna die Hände in einer Geste des sich Ergebens.

„Einverstanden" sagte sie.

Erst als sie bereits einige Schritte gegangen waren, schoss ihr durch den Kopf, dass sie sich soeben ohne jede weitere Überlegung auf eine Verabredung zum Kaffee eingelassen hatte, was eigentlich absolut nicht ihre Art war. Und wieder überlegte sie, was dieser Mann an sich hatte, dass er sie so in seinen Bann zog.

Das aber ergründete sie erst einige Tage und mehrere Treffen später. Inzwischen waren sie beim vertraulichen „Du" angelangt und sie hatte erfahren dürfen, dass Günther über ein enormes Wissen zu vielen Themen verfügte. Viele Stunden hatten sie bereits miteinander verbracht und keine Sekunde davon war langweilig geworden. Mal trafen sie sich an ihrem gemeinsamen Platz am Meer, dann wieder im Café oder aber sie wechselten zwischen den Plätzen während des Gesprächs.

Allerdings war auch Jakob in der Zwischenzeit mit seiner Werbung um Anna nicht untätig geblieben. Erst gestern hatte er ihr einen wunderschönen, rosafarbenen Oleanderzweig beim Abendessen überreicht und sie fürsorglich darauf hingewiesen, dass es eigentlich eine giftige Pflanze sei, er sie ihr aber wegen der großen Schönheit, die der ihren glich, schenken musste.

„Also meinst du, auch ich sei zwar -- in deinen Augen - schön aber gefährlich giftig?" hatte sie provokativ gefragt und er hatte sich geschickt aus der Ecke heraus manövriert.

„Absolut nicht!" hatte er widersprochen. „Nur aufgrund ihrer Schönheit konnte ich nicht darauf verzichten, sie dir zu schenken."

Langsam aber sicher bröckelte Annas vehemente Ablehnung dem jungen Mann gegenüber. Hatte sie mit Günther wundervolle Gespräche, waren es Jakobs nicht zu brechende Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit, die sie insgeheim doch veranlassten, auch Jakob mit etwas anderen Augen zu sehen.

Allerdings war er einfach zu jung und wie sie sich klar machte „nicht Mann genug" um ihn als mehr zu betrachten als einen charmanten Begleiter. Trotzdem überraschte er sie immer wieder mit Charm, Fröhlichkeit und Aufmerksamkeit. Einmal hatte sie sogar so etwas wie Eifersucht entdeckt, als sie beim gemeinsamen Essen von Günther berichtet hatte und welch herrliche Gespräche sie miteinander zu führen in der Lage waren. Danach hatte auch Jakob sich bemüht, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Sie musste noch einmal lachen, als sie sich an eines davon erinnerte.

Ihr Gespräch war aufs Fotografieren gekommen und Jakob hatte von einer Situation erzählt, als er gerade 13 war und zum Geburtstag die erste relativ gute Digitalkamera bekommen hatte. Natürlich musste er sie ausprobieren und da es eine Makrofunktion gab, sollte sie auch getestet werden.

„Hinter unserem Haus gab es einen kleinen Teich voller Seerosen" berichtete er. „Ich legte also eine leere Speicherkarte ein, ging raus zum Teich und da es in der Nähe des Ufers eine wundervolle Blüte gab, die sich perfekt vom dunklen Spiegel des Wassers abhob, ging ich vorsichtig ans Ufer und beugte mich nach vorn. Ich wusste, das Ufer war nicht befestigt und ich lief Gefahr in den Schlamm zu treten. Also zog ich die Schuhe aus und hockte mich hin. Weiter und weiter beugte ich mich nach vorn, aber ich erreichte nicht das perfekte Bild. Immer wieder geriet die Kamera aus dem Fokus und ich war mit der Zeit so darauf erpicht, genau dieses Bild zu schießen, das ich nicht genügend auf mein Gleichgewicht achtete. Also kam es, wie es kommen musste. Genau in dem Augenblick, als ich meinte, den perfekten Ausschnitt im Bild zu haben und gerade den Auslöser drücken wollte, gab der weiche Untergrund nach und ich lag der Länge nach in dem schlammigen Wasser."

Thomas und Anna hatten sich das Bild vorgestellt, wie der fast zwei Meter messende Jakob ins Wasser fiel und mussten lachen.

„Aber..." fuhr Jakob fort. „Ob ihr es glaubt oder nicht, ich rettete die Kamera vor der Nässe und... ich hatte - triefend nass und voller Schlamm - tatsächlich das optimale Bild auf der Karte."

Jetzt schüttelten sich alle drei vor Lachen in der Vorstellung, wie er dreckig und nass aber mit hoch erhobener Kamera aus dem Teich kletterte.

Was Thomas und Anna nicht bemerken konnten, war das Glücksgefühl, das Jakob in diesem Augenblick durchströmte. Ja, er liebte es Mittelpunkt einer Unterhaltung zu sein. Aber nicht das war es, was ihn jetzt glücklich machte. Einmal hatte er Anna so lachen gehört, wie jetzt gerade und er war nicht die Ursache. Hier und heute hatte ER es geschafft, ihr diese Lachen zu entlocken. Und er mochte es, wenn sie herzhaft lachte. Ja, der Klang ihrer Stimme war in diesem Augenblick wie Musik in seinen Ohren und... durch die veränderte Atmung geriet ihr Busen in so wundervolle Schwingungen.

Immer stärker wurde der Wunsch in ihm, der reifen, aber verlockenden Frau näher zu kommen. Zu manchen Gelegenheiten träumte er sehr intensiv davon, sie willenlos zu machen, ihrer und seiner Lust zu unterwerfen. Er war sicher, würde sie sich ihm ein einziges Mal hingeben, ein einziges Mal sich seinen Händen, seiner Zunge und dann zuletzt seiner beachtlichen Männlichkeit ausliefern, würde er ihr den Himmel auf Erden bereiten. Eines allerdings war ihm klar, der Weg zu ihrem sinnlich weiblichen Körper führte unweigerlich über ihre Seele, über ihr Herz und das galt es zunächst zu erobern.

Sein Vater war ihm ein gutes Vorbild gewesen, hatte seine Mutter doch immer wieder herausgestellt, wie wunderschön es ist, einen Gentleman an ihrer Seite zu haben. Und Jakob hatte sehr viel von seinem Charakter und genau dieses Auftretens geerbt. Weitere Feinheiten hatte er sich bei ihm abgeschaut und zu seinem persönlichen Auftreten angepasst. So verging kein Tag, an welchem er Anna nicht am Tisch den Stuhl zurecht schob, sie beobachtete, wenn es abends kühler wurde und ihr unaufgefordert seinen Pullover um die Schultern legte. Er musste schmunzeln bei dem Gedanken, dass sie bei diesen Gelegenheiten anfangs kleine bissige Kommentare abgegeben hatte, die aber inzwischen sehr viel seltener geworden waren. Und er war stolz darauf, dass sie in seiner Gegenwart keine einzige Tür selbst geöffnet hatte.

Er war sicher, sie hatte begonnen, ihn so wahrzunehmen, wie er sich ihr zeigen wollte. Es gab nur eine einzige Person, die ihm im Weg stand, Günther. Und so wie er es sah, war die größte Stärke des älteren Mannes sein Wissen und die Fähigkeit, mit Anna lange Gespräche zu führen. Das musste er unterbinden! Nur wie?

Bereits einen Tag später kam ihm der Zufall zur Hilfe. Auf dem großen Platz in der Altstadt war eine Bühne aufgebaut worden, was er bei einem abendlichen Spaziergang entdeckte. Es gab eine kleine Band, die neben türkisch klingender Musik auch immer wieder längere Passagen mit internationaler Tanzmusik spielte. Als er ebenfalls entdeckte, dass Anna und Günther an einem der kleinen Tische am Rande einer provisorischen Tanzfläche saßen und sich unterhielten, stieg die Eifersucht mit solch einer Macht in ihm hoch, dass er fast zu ihnen gegangen und Günther am Kragen gepackt und rausgeschmissen hätte. Das aber hätte all seine Chancen -- so es sie überhaupt gab -- bei Anna zunichte gemacht. Missmutig suchte er sich einen Tisch, von dem aus er die beiden beobachten, sie ihn jedoch kaum wahrnehmen konnten. Lange zwei Stunden köchelte die Wut auf den anderen Mann in seinem Inneren. Jedes Lachen von Anna schmerzte in seinen Ohren und jeden netten Blick, den sie ihrem Gesprächspartner zuwarf, hätte er am liebsten in feurige Blitze verwandelt, bevor sie sie ihn erreichten.

Dann aber fiel ihm etwas anderes ein. Anna liebte es zu tanzen! Und als er erneut zu ihr hinüberschaute sah er mehrmals, wie sie zu den tanzenden Paaren vor ihr schaute und sich ihr Blick trübte. War es das, was dazu führte, dass sich Günther nach einem kurzen aber heftigeren Wortwechsel plötzlich erhob, ihr kurz zunickte und den Platz verließ? Jakob wartete darauf, was Anna tun würde. Folgte sie ihm? Würde auch sie weggehen? Zurück zum Hotel? Weg von der Situation, die sie schmerzen musste, hatte Günther sie doch scheinbar nicht aufgefordert zu tanzen, hatte scheinbar sogar ihre sehnsüchtigen Blicke zur Tanzfläche nicht bemerkt... Jetzt musste er handeln!

Er stand auf und umrundete den großen Platz, um ihn an der Stelle wieder zu betreten, die nur wenige Meter von Annas Tisch entfernt war. Vorsichtig näherte er sich. Dann sprach er sie an.

„Anna?" tat er überrascht und sie schaute zu dem blonden Wuschelkopf auf, dessen Augen sie anstrahlten.

„Hallo Jakob" begrüßte sie ihn kurz.

„Bist du allein hier?" fragte er scheinheilig.

„Ja, Günther ist gerade gegangen und ich denke, ich werde mich auch langsam auf den Heimweg machen" teilte sie ihm mit. Jakobs Herz machte einen Sprung.

„Würdest du mir vorher noch einen Wunsch erfüllen?" fragte er und als sie ihn fragend anschaute fuhr er fort: „Würdest du einmal mit mir tanzen?"

Spontan schoss Anna die Erinnerung an den ersten Tanz mit Jakob in ihrem Wohnzimmer durch den Kopf. Ja, sie wollte tanzen, aber sollte sie sich wieder seinen grabschenden Händen ausliefern? Hmmm, eigentlich war Jakob ein relativ guter Tänzer und sie hatte bereits einige Zeit darauf gehofft, dass Günther sie zur Tanzfläche führen würde. Er hatte es aber nicht erkannt, selbst als sie ihn darauf hingewiesen hatte, weshalb sie gerade einen ersten unerfreulicheren Wortwechsel hatten. Und sollte Jakob wieder die Situation ausnutzen, würde er ganz sicher mit einer schallenden Ohrfeige in der Öffentlichkeit leben müssen.

„Bist du sicher, dass du TANZEN möchtest?" fragte sie provokativ.

Dann geschah etwas, womit sie absolut nicht gerechnet hatte. Jakob ging vor ihr auf die Knie und schaute ihr tief in die Augen.

„Königliche Hoheit, Anna Grabovsky, bitte erhört das sehnliche Flehen von „Prinz Jakob auf der Durchreise" und reicht ihm eure zarte Hand zu einem..." Er hörte kurz auf die Musik. „...einem langsamen Foxtrott."

Auch wenn sie hätte böse sein wollen, es war ihr in diesem Augenblick nicht möglich, denn ein Lachen löste sich aus ihrer Kehle. Dieser Bursche hatte es tatsächlich in einer Sekunde geschafft, ihre Unzufriedenheit und aufkommende Müdigkeit wegzublasen. Ja, lachend ließ sie sich sogar auf sein Rollenspiel ein und reichte ihm ihre Hand wie eine Königin.

„Erhebt euch, Prinz Jakob auf der Durchreise, und geleitet mich sicher zu den anderen Paaren, die bereits der Musik Tribut zollen."

Jakob fühlte sich tatsächlich wie ein Prinz, der soeben erhört worden war. Er griff sanft Annas Hand, erhob sich, und führte sie stolzen Schrittes zur Tanzfläche, wo sie sich langsam drehend in die Gruppe der anderen Paare einreihten.

Trotz der gezeigten Fröhlichkeit war Annas inneres Alarmsystem in höchster Bereitschaft. Ganz genau achtete sie auf Jakobs Hände und die Bewegungen seiner Beine und seines Körpers. Diesmal gab es jedoch an keiner Stelle Grund zur Beschwerde. Jakob hielt sie in angemessener Tanzhaltung im Arm und wiegte und drehte sie beide im Rhythmus der Musik. Mit jedem Takt ließ sich Anna mehr in die Musik hineinfallen und genoss es, diesmal von Jakob wirklich wie eine Königin behandelt zu werden. Als der nächste Tanz schneller wurde und Jakob sie gekonnt über die Platten des etwas hergerichteten Platzes wirbelte, war sie überrascht von seinem tänzerischen Können. Er bewegte sich völlig sicher, führte sie exzellent von sich weg und fing sie dann wieder auf, wenn er sie zu sich zog.

Nach einigen weiteren Tänzen spürte sie Durst.

„Jakob, lass uns eine Pause machen. Ich muss unbedingt etwas trinken" bat sie ihn und sofort geleitete er sie zurück zum Tisch.

Das Tanzen hatte sie beide ins Schwitzen gebracht, denn auch wenn die Sonne längst untergegangen war, hatten sich die Temperaturen nur mäßig abgesenkt. Während er Anna an seinem Arm zum Tisch führte, nahm Jakob den leicht herben Duft des weiblichen Körpers wahr, der sich zwischen ihr Parfum gemischt hatte. Tief und trotzdem so unauffällig wie es ihm möglich war, sog er ihn ein. Er musste zu Annas ansprechenden Eigenschaften eine weitere hinzufügen. Sie war hübsch, hatte herrlich weiche, weibliche Formen, ihr Lachen war bezaubernd und... sie duftete besser als jede Blume, an der er gerochen hatte.

Annas Alarmsensoren waren in den Ruhezustand zurückgekehrt. Nicht einen Augenblick hatte Jakob versucht, die Situation beim Tanzen auszunutzen. War er in den wenigen Tagen zu einem erwachsenen Mann gereift? Sie konnte es kaum glauben. Während Jakob ihnen an der kleinen Theke zwei Martini Bianco sowie eine Cola mit zwei Gläsern für den größten Durst organisierte schaute Anna zu ihm hinüber. So groß und schlaksig er auch wirkte, so gut konnte er mit seinem Körper beim Tanzen umgehen. Und heute Abend präsentierte er sich ihr ausschließlich als höflicher und charmanter Begleiter. Anna fand keinen Grund, so sehr sie sich auch bemühte, das leichte Glücksgefühl in ihrem Körper zu unterbinden.

„Du bist ein guter Tänzer" gab sie unumwunden zu. „Aber wo hast du in deinem Alter so tanzen gelernt?"

Jakobs Augen strahlten. Endlich zahlten sich die Bemühungen seiner Mutter aus, die ihn bereits mit 16 Jahren beiseite gezogen hatte und unmissverständlich klarstellte: „Auch wenn ihr jungen Leute heute auf der Tanzfläche nur wild rumzappelt. Du solltest dich zumindest in den Standardtänzen auskennen. Schließlich wirst du dich später, vielleicht nach deinem Studium, in Kreisen bewegen, wo es von Nutzen sein wird." Damals hatte er nicht verstanden, warum er diese blöden Tänze lernen sollte.

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