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Argonauta Kapitel 12-22

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Julia schlüpfte in ihr Paar Gummistiefel, welches ihr eigentlich eine Nummer zu groß war. Aber es würde schon gehen. Besser als zu klein war es allemal und umtauschen ging in der Natur eben nicht.

Melina machte das Boot an einem Baum fest, in dessen Krone sich eine ganze Kolonie von Seidenreihern häuslich eingerichtet hatte. Seine Äste hingen unter der Last der vielen Nester durch und überall in einem Radius, der exakt dem Durchmesser seiner Krone entsprach, war der Boden mit einer dichten Schicht Vogelschmelz überzogen, die einen unangenehmen ammoniakalischen Geruch verströmte. Ein lautes, aufgeregtes Kreischen ging durch die Reiherkolonie, als könnten es ihre Bewohner nicht fassen, dass diese drei seltsam aussehenden Neuankömmlinge sich erdreisteten ihre Mittagsruhe zu stören und sich unerlaubt Zutritt zu ihrer Wohnsiedlung zu verschaffen.

Florian stieg als erster aus dem wackeligen Boot aus. Mückenschwärme brummten laut um ihn herum. Die Sonne brannte unbarmherzig. Die Luft war schwül-warm, geradezu drückend. Er ging zu Melina und reichte ihr seinen Arm, um der jungen Vogelkundlerin aus dem Boot zu helfen.

„Danke", sagte Melina verzückt, „ein echter Gentleman."

Julia erhob sich. Obwohl Melina das Boot gut am Baum vertäut hatte, wackelte es bedrohlich. Als Florian auch ihr aus dem Kahn helfen wollte, fauchte sie ihn jedoch geringschätzig an: „Ich kann das alleine!"

„Bitte, wie du willst", entgegnete Florian und blies die Luft schnaubend aus seinen Backen.

Gemeinsam hievten sie schließlich die schwere Ausrüstung aus dem Ruderboot und schleppten sie an den Strand.

„Schaut mal da drüben", sagte Melina und zeigte mit dem Finger auf einen Punkt, keine zehn Meter entfernt.

Im seichten Wasser stand ein Vogel, der vielleicht so groß wie eine kleine Hausgans war. Sein Gefieder war bis auf einen gelblichen Fleck auf seiner Brust leuchtend weiß, seine langen Beine pechschwarz. Auf seinem Hinterkopf trug er einen Schopf verlängerter Federn, die wie Haare herab hingen. Sein Gesicht war nackt und ebenso wie seine Beine tiefschwarz, abgesehen von zwei leuchtend gelben Flecken über seinen Augen und einem roten Stirnfleck. Er hatte seinen langen Hals nach unten gestreckt und durchsuchte mit seinem merkwürdig geformten Schnabel das Watt nach etwas Fressbarem. Er war an der Basis sehr schmal und verbreiterte sich an der Spitze. Man musste nicht viel Fantasie haben, um darin die Form eines Löffels zu erkennen.

„Ist es ein Königslöffler?", fragte Julia neugierig.

„Stimmt genau", antwortete Melina, die ihren Feldführer und einen Stift zückte. Sie schlug die entsprechende Seite darin auf und machte ein Kreuzchen hinein. Das hatte Melina schon den ganzen Tag über gemacht. Jedes Mal, wenn sie eine neue Vogelart zu sehen bekommen hatten, hatte Melina neben dem entsprechenden Eintrag in ihrem Buch ein Kreuz gemacht.

„Und wieder eine weniger", kommentierte Melina erfreut. Beinahe erschien es Julia so, als wäre ihre Freundin von einem Jagdtrieb gepackt, genau wie Großwildjäger vergangener Zeiten. Nur mit dem Unterschied, dass Melina nicht mit dem Gewehr jagte, sondern mit einem Stift und dass ihre Beute kein Vogelbalg war, sondern ein Kreuz in ihrem Buch.

Auch Florian schien so sein Jagdritual zu haben, wann immer sie eine neue Tierart erblickten. So auch diesmal. Geduckt ging er noch ein paar Schritte näher, hielt sich dann die Kamera vors Gesicht und schoss ein paar Bilder von dem Löffler, der inzwischen etwas Fressbares gefunden hatte, seinen Kopf nach oben reckte, dann in den Nacken legte und den Brocken dabei in die Luft warf, der nach kurzer Reise der Schwerkraft folgend in seinem Maul landete. Kaum geschluckt, tauchte der Vogel seinen Schnabel schon wieder erneut ins Wasser ein.

Julia tat nichts dergleichen. Stattdessen erfreute sie sich einfach an diesem wunderschönen Moment. Sie brauchte kein Foto, kein Kreuz in einem Buch, ihr genügte ganz einfach die schöne Erinnerung an diesen winzigen Augenblick, den sie ganz bestimmt niemals vergessen würde. Wie so vieles, das sie in den letzten Tagen erlebt hatte und hoffentlich noch erleben würde.

„Seid ihr dann fertig?", fragte Julia, „wir haben schließlich noch zu tun."

„Ja", tönten beide unisono.

„Prima, dann legen wir am besten gleich los."

Melina nickte. „Du hast recht. Wir müssen uns beeilen, wenn wir bis zur nächsten Flut fertig sein wollen. Wenn wir die verpassen, sitzen wir mit unserem Floß bis morgen auf dem Trockenen."

Julia wusste, dass für genau diesen Fall auch ein Dreipersonenzelt zur Ausrüstung gehörte, die sie soeben an Land gewuchtet hatten. Sie war allerdings wenig erpicht darauf, die kommende Nacht mit Florian darin verbringen zu müssen.

Melina holte ein Tablet aus ihrem Rucksack und startete Google Maps. Es erschien eine Karte des Nordteils der Insel, auf der sie mehrere Punkte farbig markiert hatte.

Am Abend zuvor hatte Melina Julia und Florian das Vorgehen erklärt. Die markierten Punkte auf der Karte waren Standorte von Fischadlerhorsten. Gerade war Brutsaison und die Altvögel zogen ihre Jungen groß, die nun allmählich groß genug wurden, um sie zu beringen. Der Plan war es, nach oben in die Baumkronen zu klettern und den Jungvögeln einen Ring zu verpassen und sie bei dieser Gelegenheit gleich noch zu vermessen und zu wiegen. Außerdem sollte von jedem Tier eine Federprobe genommen werden - aus ihr könne dann später im Labor die DNA isoliert und für die Geschlechtsbestimmung und für populationsgenetische Untersuchungen genutzt werden. Melina würde diese Prozedur auf den anderen Inseln entlang der Route der Argo wiederholen und erhoffte sich, auf diese Weise herauszufinden, ob die Populationen der verschiedenen Inseln miteinander in einem genetischen Austausch standen, wie viele Populationen es überhaupt gab und wie groß ihre effektiven Populationsgrößen, die effective population sizes, waren.

„Effektive Populationsgröße?", hatte Chief Stewart gefragt, der der Besprechung interessiert gelauscht hatte.

„Wenn man Populationen untersucht, ist es wichtig, auch Kenntnisse über die Größe von Populationen zu erhalten", hatte Melina doziert. „Insbesondere bei sehr kleinen Populationen ist das Risiko des Aussterbens besonders hoch. Neben der absoluten Populationsgröße, der census population size, spielen bei der Fortpflanzung von Populationen viele zufällige Faktoren, die die Allelfrequenz, also die Häufigkeit, mit der eine bestimmte Variante eines Gens im Genpool vertreten ist, verändern, eine Rolle. Diese zufälligen Ereignisse nennen wir Gendrift. Es kommt zum Beispiel auf das Geschlechterverhältnis an. Wenn in einer Population starker Herrenüberschuss herrscht, werden sich nicht alle Männchen fortpflanzen können und deren Allele verschwinden dann aus dem Genpool. Auch die Varianz der Populationsgröße über die Generationen, etwa das Zusammenbrechen und darauf folgend eine explosionsartige Vermehrung, beeinflusst die Gendrift. Oder die Altersstruktur. In einer Population gibt es ja immer auch Individuen, die für die Fortpflanzung noch zu jung sind oder die schon zu alt sind, um sich noch erfolgreich fortpflanzen zu können. Effektiv nimmt am Fortpflanzungsgeschehen einer Population also nur ein Bruchteil der Gesamtpopulation teil."

„Ok, verstanden. Und die effektive Populationsgröße ist jetzt also die Größe der Viecher, die sich vermehren, oder wie?"

„Im Prinzip schon. Konkret bezeichnen wir genau die Größe, die eine idealisierte Population hätte, also eine Population, bei der die Geschlechterverhältnisse ausgewogen sind und alle Individuen sich mit gleichem Erfolg fortpflanzen, welche die gleiche Gendrift aufweist wie die reale Population als die effektive Populationsgröße dieser Population. Wenn beispielsweise eine Population von 600 Individuen eine Gendrift aufweist, die eine sozusagen ‚perfekte' Population von 100 Individuen rein rechnerisch aufweisen würde, dann ist die effektive Populationsgröße nicht bei 600, sondern nur bei 100 Individuen, also sehr viel kleiner als die Gesamtpopulation."

„Und das heißt dann konkret was?"

„Das bedeutet, dass die Population sehr viel mehr Allele verliert, als eine Population von 600 Tieren eigentlich verlieren sollte und das Überleben der Population langfristig gefährdet ist, weil die Population genetisch verarmt. Wenn dann keine Maßnahmen ergriffen werden, um die Population zu schützen, kann es passieren, dass die Population so stark schrumpft, dass sie nicht mehr überlebensfähig ist. Und das heißt dann, dass die Population leider ausstirbt."

„Und wie findest du das alles heraus?", hatte Stewart gefragt.

„Mit Hilfe des linkage disequilibrium kann man aus populationsgenetischen Daten, zum Beispiel Sets von zwanzig bis dreißig Mikrosatelliten-Markern, mit verschiedenen Software-Paketen die effektive Populationsgröße berechnen. Man muss dazu ... "

Das war der Moment gewesen, an dem Stewart augenrollend aufgestanden war und die Segel gestrichen hatte. „Ich geb's auf", hatte er gesagt, ich bin raus."

Linkage disequilibrium, Gendrift, Mikrosatelliten ... Himmel, ist das kompliziert", hatte er im Hinausgehen gemurmelt und Melina hatte sich ein Kichern nicht verkneifen können. Auch Julia hatte schmunzeln müssen, dann aber gemeint: „ich glaube, wir würden genauso verwirrt reagieren, wenn Stewart versuchen würde, uns seine Arbeit im Maschinenraum zu erklären."

All diese graue Theorie nützte Melina jedoch nichts, wenn sie nicht an die für ihre Arbeit notwendigen Proben gelangen würde. Also marschierte die Gruppe, angeführt von der jungen Ornithologin, im Gänsemarsch los.

Schon nach wenigen hundert Metern fühlte Julia sich abgekämpft. Der Rucksack mit der Ausrüstung lastete schwer auf ihrem Rücken. Die Sonne brannte erbarmungslos, die Luft war schwül und die Kleider klebten an ihrer verschwitzten Haut. Mückenschwärme summten unheilvoll durch die Luft und insgeheim hoffte sie, dass das Mückenschutzspray nicht versagen würde. Als Krönung des Ganzen lag der beißende Geruch von Fäkalien und Fischabfällen in der Luft, der von der Reiherkolonie ausging. K'gari zeigte sich gerade wenig von ihrer paradiesischen Seite.

Auch Florian schien zu kämpfen. Die Vegetation wurde nun dichter und das Vorankommen schwerer. Nur Melina stapfte mutig voran, ohne auch nur den kleinsten Hauch von Schwäche zu zeigen. Sie lief und lief, als wäre sie hier aufgewachsen.

Nach gut einer Viertelstunde Fußmarsch blieb Melina vor einem großen Baum stehen und zeigte nach oben in die Krone. „Hier ist das erste Nest", verkündete sie.

Julia reckte den Blick nach oben. Ein beeindruckend großer Horst war von den Adlern zwischen die Äste aus Zweigen gebaut und mit Gras ausgepolstert worden.

„Und da geht's rauf?", fragte Julia, die jetzt schon weiche Knie bekam.

„Klaro, ist doch nichts dabei", sagte Florian, als würde er damit andeuten wollen, dass er tagtäglich auf Bäumen herumkletterte.

Blödes Großmaul, dachte Julia augenrollend.

„Gut", sagte Melina, „dann wollen wir dir mal das Geschirr anlegen", sagte sie.

Florian hatte sich bereit erklärt, die Kletterei zu übernehmen. Er würde nach oben klettern, sich ein Adlerjunges nach dem anderen schnappen, sich damit abseilen und nach der Untersuchung wieder in den Horst bringen. Julia sollte die Sicherung des Seils übernehmen. Melina würde die Vermessung und die Beringung übernehmen.

Mühsam versuchte Florian, in das Geschirr des Sicherungsseils zu schlüpfen.

„Warte, ich helfe dir", sagte Melina.

„Danke. Das geht echt schwerer als es aussieht."

Schließlich war es geschafft und Florian steckte in den Gurten, die nun sein Leben buchstäblich am seidenen Faden hängen lassen würden. Er umklammerte mit seinen Händen den dicken Baumstamm.

„Sei vorsichtig", rutschte es plötzlich aus Julia heraus.

„Ach, sorgst du dich etwa um mich?", fragte Florian amüsiert.

„Natürlich nicht", fauchte Julia biestig. „Ich ... ich will nur nicht, dass du alles verzögerst. Ich bin nämlich nicht scharf drauf, im Zelt zu übernachten."

Kapitel 17: Alcatraz

Renner ließ sich Zeit. Singer hatte in seiner Gefängniszelle mehrere Stunden lang gewartet, aber es war nichts passiert. Irgendwann war das Knurren seines leeren Magens nicht mehr auszuhalten gewesen. Obwohl er sich geschworen hatte, seine Würde zu bewahren und das Essen nicht anzurühren, hatte er eingesehen, dass er viel zu hungrig gewesen war. Er würde für sein Vorhaben die Energie außerdem gebrauchen können. Also hatte er am Ende doch nachgegeben und das Essen hastig heruntergewürgt. Anschließend hatte er sich auf seine Pritsche gelegt.

Irgendwann musste er eingeschlafen sein. Das war nicht gut, aber angesichts der Strapazen nicht verwunderlich. Wenigstens war er jetzt ausgeruht. Trotzdem war es leichtsinnig gewesen. Wenn Renner ausgerechnet während er geschlafen hatte hereingekommen wäre, hätte er seine womöglich einzige Chance verpasst. Er hatte nur einen einzigen Versuch, den er nutzen musste, wenn er das Überraschungsmoment auf seiner Seite haben wollte. Eine zweite Chance würde es nicht geben.

Singer stellte fest, dass ihm die Glasscherbe aus der Hand geglitten und auf den Fußboden gefallen sein musste, als er eingeschlafen war. Hastig beeilte er sich, sie wieder aufzuheben. Er prüfte, ob sie noch ganz war. Beruhigt stellte er fest, dass sie intakt und immer noch rasiermesserscharf war.

Er wartete und wartete. Sein Rücken tat von der harten Pritsche höllisch weh. In seinem feuchten Verlies war es kühl und er merkte, dass er fror. Kein Wunder, er hatte seine Jacke nicht bei sich. Sie musste noch in seinem Büro liegen. Singer hoffte, dass er sich an diesem beschissenen Ort keine Lungenentzündung holte. Es wäre geradezu ironisch, falls es ihm gelingen sollte, seinen Entführern zu entkommen und dann doch von einer Pneumonie dahingerafft zu werden.

Ein leises Rascheln drang von außen durch die schwere Massivholztür. Singer horchte auf. Er hielt den Atem an und lauschte konzentriert. Es hörte sich an wie das Rasseln eines Schlüsselbunds. Dann hörte er Schritte. Erst leise, dann immer lauter.

Das musste Renner sein. Und er kam immer näher.

Mach dich bereit, Mistkerl, dachte Singer und umfasste die Scherbe in seiner Hand so fest, dass das Weiße der Knöchel hervortrat. Seine Hand zitterte unruhig, aber es war unmöglich zu sagen, ob vor Wut oder vor Nervosität. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem gepaart mit blanker Angst. Angst davor, was Jürgens und Renner mit ihm vorhatten. Angst davor, Lydia und Lucie nie wieder zu sehen. Nein, das durfte einfach nicht geschehen!

Die Schritte waren nun so nah, dass es beinahe in seinen Ohren schmerzte. Selbst die dicke Eisentür vermochte nicht, den hellen Widerhall des Echos zu unterdrücken. Dann verstummten die Schritte. Renner oder wer auch immer es war musste nun direkt vor der Tür stehen. Singer vernahm das Klimpern des Schlüsselbundes. Dann hörte er, wie ein Schlüssel langsam ins Schloss eingeführt wurde.

Also gut, dachte er, jetzt oder nie.

Die Scharniere seufzten laut und die Tür schwang behäbig auf. Es war tatsächlich Renner, der Singer mit seiner unglaublich arroganten Miene angrinste. Renner war allein, von dem Alten war nirgends eine Spur zu sehen.

Das war gut. Singer hätte unmöglich zwei Männer auf einmal überwältigen können, selbst wenn einer von ihnen älter war als er selbst.

„Na, Professor", sagte Renner gehässig, „hat's dir geschmeckt?" Hinter ihm fiel die Tür kreischend ins Schloss.

Singer zwang sich, nicht die Beherrschung zu verlieren. „Der Service könnte besser sein", bemerkte er trocken.

Renner schüttelte den Kopf und sagte: „Tz, tz, tz. Immer noch zu Späßen aufgelegt? Warte nur, die werde ich dir noch austreiben, verlass dich drauf!"

Singer antwortete nicht.

„Na, was ist, Alter? Hat's dir etwa die Sprache verschlagen? Offenbar hast du immer noch nicht kapiert, dass du besser endlich reden solltest. Oder willst du, dass wir deiner Kleinen etwas antun. Wie heißt sie noch gleich? Ach ja, Lucie heißt dein Mädchen, stimmt's?"

„Wagen Sie es nicht noch einmal, ihren Namen in den Mund zu nehmen!", sagte Singer und blanke Wut stieg in ihm hoch.

„Oh, Donnie, ich fürchte, deine Tochter wird es sein, die etwas von mir in den Mund nehmen wird. Und es wird nicht nur mein Name sein, das verspreche ich dir." Renner grinste dämlich.

Er griff das Tablett, das auf dem Tisch stand. Dann flüsterte er Singer ins Ohr: „Ich werde deine Tochter vergewaltigen, bis sie vor lauter Schmerzen in Ohnmacht fällt. Und ihre Mutter werde ich dabei zusehen lassen."

Singer konnte nicht anders. Angewidert spuckte er Renner ins Gesicht. „Du mieses Schwein!", zischte er drohend.

Renner blieb unbeeindruckt. Schulterzuckend sagte er: „Was willst du alter Knacker schon dagegen tun, hm? Sieh dich doch um, du hockst hier in einem gottverdammten Loch fest. Nicht mal scheißen kannst du, wenn ich es dir nicht erlaube."

Singer kochte vor Wut. Er hätte sich am liebsten sofort auf diesen Mistsack gestürzt und ihn mit der Scherbe massakriert. Aber er zwang sich zur Ruhe. Noch war nicht der richtige Augenblick. Gleich, aber noch nicht jetzt.

Renner lachte höhnisch auf. Dann schmückte er seine kranken Fantasien weiter aus: „Erst werde ich deinem Töchterchen das Maul stopfen mit meinem Schwanz. Dann werde ich sie in ihre Spalte ficken und zum Schluss nehme ich mir ihr enges Arschloch vor. Na, was sagst du dazu, Donnie? Hört sich das für dich nach einem guten Plan an?"

Singer sagte nichts. Er war einfach nur angeekelt.

Gleich wird dir das Lachen vergehen, Wichser.

Renner war zur Tür zurückgekehrt. Drohend stierte er Singer an. „Ich werde dich jetzt wieder allein lassen. Denk in Ruhe darüber nach, was ich deiner Familie antun werde, wenn du dich weiter weigerst, mit uns zusammen zu arbeiten."

Er drehte sich um, wandte Singer den Rücken zu. Während er mit der einen Hand das Tablett balancierte, schloss er mit der anderen die Tür von innen auf. Mit einem Fuß stieß er die Tür auf.

Das war der Moment, auf den Singer gewartet hatte. Er stürmte in zwei Sätzen nach vorn, reckte den Arm in die Höhe und rammte Renner so fest er konnte die Scherbe ins Fleisch. Er traf Renner in den Oberarm. Tief glitt die provisorische Klinge ins Muskelfleisch und Singer spürte warme Blutspritzer auf seiner Wange.

„Das ist für meine Tochter, Arschloch!", schrie er.

Renner heulte schmerzerfüllt auf und ließ völlig überrumpelt das Tablett laut klimpernd auf den schmutzigen Boden fallen.

Singer zog die Scherbe aus Renners Fleisch und stieß erneut zu. „Und das für meine Frau!"

Dann trat er Renner hart in die Kniekehle. Renner brüllte wie am Spieß und ging zu Boden. Er krümmte sich vor Schmerz, griff nach seiner Schulter.

„Du Schwein!", schrie Renner in Rage. „Ich bring' dich um, ich schwör's!"

Donald Singer zog die Scherbe wieder heraus. Vielleicht würde er die Waffe noch brauchen. Dann fischte er den Schlüsselbund aus Renners Hosentasche. Zur Sicherheit versetzte er Renner noch einen Tritt zwischen die Beine. Damit wäre er hoffentlich lange genug außer Gefecht gesetzt. Singer öffnete die Tür und dann schloss er Renner in dem Verließ ein, in dem er noch vor einigen Augenblicken gesteckt hatte.

Sein Puls raste. Die Aktion hatte ihn doch einiges mehr an Kraft gekostet, als er gedacht hatte. Singer lehnte sich einen Moment lang gegen die Eisentür, atmete tief ein und wieder aus und versuchte, die nächsten Schritte zu planen.

Junge, denk nach, ermahnte er sich.

Er wartete ab, bis sein Puls sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Von der anderen Seite hörte er das schmerzvolle Jaulen Renners, der sich vermutlich immer noch am Boden wand wie ein Fisch an Land. Singer bemühte sich, sich umzusehen.

Doch wohin Singer auch blickte, nirgends war etwas zu erkennen. Er musste sich in einem schmalen Gang befinden, so viel war sicher. Nirgends gab es Fenster, die Tageslicht hätten hereinlassen können. Also musste er sich logischerweise unter der Erde in einem Kellergewölbe oder dergleichen befinden. Soweit Singer sehen konnte, gab es nirgendwo eine künstliche Lichtquelle und auch keinen Lichtschalter.

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