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Ausgrabungen

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Interessante Entdeckungen am Vesuv.
39.6k Wörter
23.5k
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Mein Name ist Jones und ich bin Archäologie-Professor an der Uni Bonn. Nein, ich trage weder einen Hut, noch eine Peitsche und niemand hat mich jemals Indiana genannt, jedenfalls nicht ins Gesicht.

Das Einzige, was mich mit dem Hollywood-Namensvetter annähernd verbindet, ist, dass ich wie viele Kollegen den Lehrbetrieb als notwendiges Übel in Kauf nehme. Und die wenigen tatsächlichen "Digs", also Ausgrabungen, die man heutzutage noch finanziert kriegt, mich emotional weiter bei der Stange halten - allerdings für gewöhnlich ohne Schießereien oder Verfolgungsjagden.

Dementsprechend elektrisiert war ich, als im letzten Frühjahr die Genehmigung zu einer viermonatigen Ausgrabungsreise nach Pompeji von der EAA den sonst in dieser Beziehung eher spröden Italienern abgerungen wurde, und die Finanzierung zunächst durch zu sein schien.

Auch wenn ich nicht wie mein Namensvetter von irgendwelchen Studentinnen in meinen Vorlesungen angehimmelt wurde (ich sah mich eher vom Typ Zwieback: knochentrocken, hart, unansehnlich, ob der zu erwartenden Krümel nicht fürs Bett geeignet, aber in manchen Situationen halt das Einzige, was weiterhilft), hatte ich ordentlich damit zu tun, geeignete Kandidaten für die vier Studentenplätze unter den sechzig Bewerbern herauszufiltern.

Ich entschied mich für zwei junge Männer, die mich erschreckend an eine jüngere Ausgabe meiner selbst erinnerten und zwei junge Damen, von denen eine mich bereits nachhaltig durch ihre Leistungen beeindruckt hatte, die andere allerdings das genaue Gegenteil war:

Mein spezielles Projekt Annalena. Faul, aufmüpfig, vorlaut, schrill, und trotz allem glomm in manchen ihrer Arbeiten der Funken von schierem Genius, ein Rohdiamant, den ich zu schleifen gedachte und der Dig schien die perfekte Gelegenheit hierzu.

Zumal, so muss ich zu meiner Schande gestehen, derartige Versuche während des Lehrbetriebs nachhaltig gescheitert waren. Mir war so halbwegs klar, dass ich gerade deshalb von ihr so fasziniert war - sie war eine Herausforderung, so himmelweit von jedem und allem, was ich kannte, verschieden, ein Geheimnis, ein Buch mit sieben Siegeln.

Und ich hätte den falschen Beruf gewählt, wenn mich dies nicht besonders gereizt hätte.

Das Gefühl hatte ich dann aber Ende April doch, als mir nämlich nach einer herrlichen Videokonferenz mit meinen tschechischen und französischen Kollegen, die mit uns gemeinsam den Dig gestalten sollten, die Hiobsbotschaft ins virtuelle Haus flatterte, dass die sicher geglaubte Vollfinanzierung geplatzt war.

Die Privatstiftung, die als Einzige zur Finanzierung bereit gewesen war, war von deren Leiter geplündert worden und der gute Mann hatte sich vermutlich mit Millionenbeträgen ins Ausland abgesetzt.

Ich zählte nicht zu den Personen, die sich durch Kraftausdrücke oder offene Wutausbrüche hervortun, aber in diesen Minuten verlor ich jegliche Contenance. Fluchte und wütete unter den Büchern und Papierbergen auf meinem Schreibtisch, mit Tränen in den Augen und dem Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen. Gefolgt von einer Leere und Lähmung, die ich in dieser Form auch noch nicht kannte.

Dass jemand vor meinem Schreibtisch stand, merkte ich erst nach geraumer Zeit. Dass diese Person auch noch unverschämt grinste, brachte mich wundersamerweise aus dem Zustand der Apathie heraus.

Trotzdem dauerte es noch Sekunden, bis sich in meinem Geist auch das zugehörige Gesicht der Gestalt einfand. Annalena, wer sonst. Nur langsam dämmerte mir, dass sie da nicht zufällig stand, sondern dass ich sie wegen ihrer letzten Arbeit zu mir bestellt hatte.

"Ehm, biste jetzt ansprechbar, oder soll ich später nochmal wiederkommen?"

"Was? Wie... sapperlot, wie lange stehen Sie... wieso, Moment, ich muss mich erst sammeln. Schlechte Nachrichten... ich bin ein wenig, was sag ich, extrem... verwirrt... echauffiert..."

Ihr Grinsen wurde zu allem Überfluss auch noch breiter.

"Sapperlot? Wo haste das denn ausgebuddelt... deine Flüche eben klangen da deutlich zeitgemäßer, auch wenn ich nur die Hälfte verstanden hab. Fluchst du immer in anderen Sprachen, wenn du abgehst wie Schmidts Katze?"

Ihre schnoddrige Art und stete Weigerung mich wie alle anderen Studenten zu siezen, was mich sonst eher aufbrachte, schaffte in diesem Moment jedoch einen gegenteiligen Effekt zu erzielen.

"Italienisch. Weiß auch nicht warum."

Ich seufzte tief und wischte mir offen die Tränen aus den Augen. Eigenartigerweise fühlte ich keine Scham, vor ihr so völlig außer Kontrolle gewesen zu sein. Nun hatte ich aber wieder den Faden verloren.

"Schlechte Nachrichten?", holte sie mich ins aktuelle Gespräch zurück.

"Ja, und was für welche. Dich betrifft es schließlich auch", sprudelte es aus mir heraus, während mir gleichzeitig auffiel, dass ich sie zum ersten Mal ebenfalls duzte. Mühsam versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. "Die Finanzierung... geplatzt, wie die Segefeld-Stiftung auch... wir sind sozusagen..."

"...voll in den Arsch gefickt", ergänzte sie verstehend und fläzte sich auf den Besucherstuhl vor meinen Schreibtisch.

"Nun... das trifft es schon...", erwiderte ich mit einem lahmen Räuspern. "Zumindest... ist unsere Planung jetzt Makulatur. Es ist eigentlich in der Kürze der Zeit auch nicht machbar, andere Quellen in dieser Größenordnung aufzutun..."

Der Dig sollte bereits Mitte Juni beginnen. Alles war bis aufs i-Tüpfelchen geplant und organsiert gewesen, eine Villa gemietet, die Flüge gebucht, der Transport unseres Equipments auf dem Landweg, die einheimischen Gräber fürs Grobe engagiert, alles, alles perfekt vorbereitet.

Bis auf die Tatsache, dass wir nun von all dem nichts zahlen konnten. Das nämlich hing alles von dem hohen fünfstelligen Betrag der Stiftung ab, der nun nie auf unserem Konto landen würde. Mir wurde wieder übel.

"Du bist ja leichenblass... eben warste noch rot wie 'ne Tomate. Kann auch nicht gesund sein, komm lass uns an die frische Luft..."

Irritiert bemerkte ich, dass ich in einem momentanen Blackout gar nicht wahrgenommen hatte, dass sie aufgestanden war und nun neben mir stand, an meinem Ärmel zupfte, um mich zum Aufstehen zu bewegen. Ich stand echt neben mir, und ließ mich willenlos von ihr aus meinem Büro führen.

"Kippe?"

Verblüfft starrte ich auf das Paket Zigaretten, das sie mir hinhielt, ebenso verblüfft, dass wir uns auf der Straße befanden.

"Nein, ich rauche nicht... naja... nicht mehr. Schon seit... seit... tatsächlich, zwanzig Jahren...", stammelte ich verwirrt.

"Aha", gab sie zurück, zog eine Zigarette heraus, zündete diese an und stopfte sie dann in meinen Mund.

"Wir gehen jetzt was trinken", bestimmte sie, während ich abwesend und gierig an ihrem eigentlich unerwünschten Obolus saugte.

"Aber... das ist doch... es ist doch noch...", setzte ich an, während sie sich bei mir einhakte und jeden weiteren Widerstand mit ihrem entschlossenen Gesichtsausdruck im Keim erstickte.

"Wir können jetzt beide einen zum Runterkommen gebrauchen. Und wenn sich dein professorales Superhirn wieder mit der Realität auseinandersetzen kann, reden wir drüber, wie wir jetzt weiter vorgehen können."

Wohin sie mich genau verschleppte, weiß ich nicht mehr. Dass es eine Kneipe war, die von zahlreichen anderen Studenten frequentiert wurde, die uns mit neugierigen Blicken musterten, merkte ich schon noch. Und dass ihre "Kur" für meine Verwirrung wirkte. Das Runterkommen war dabei nur die Hälfte.

Es war Annalena, die für alles Weitere sorgte. Ihre Ruhe, ihr Selbstvertrauen und ihr so unfassbar tiefes Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten, diese Situation für uns und den Dig zu bereinigen, brachte mich ganz schnell wieder auf den Boden der Tatsachen, und seiner limitierten, aber durchaus vorhandenen Möglichkeiten, zurück.

Zwei Stunden später hielt ich die nächste Vorlesung, zugegebenermaßen nicht völlig nüchtern, aber weitestgehend funktionsfähig und im Anschluss klemmte ich mich für die nächsten drei Stunden ans Telefon, um zu retten, was zu retten war.

2

Am Ende butterte ich sogar einen Teil meiner Ersparnisse hinein, aber für die Gruppe reichte es nicht. Es reichte für genau zwei Personen. Da wir zu zweit unmöglich den vorher vereinbarten Bereich der auszugrabenden Villa, mit dem zudem noch weiter reduzierten zusätzlichen Personal, bewältigen konnten, traten wir einen Teil der Parzellen an Giselle und ihre französische Gruppe ab.

Während wir dafür die Zusage erhielten, dass uns welche von ihren Studenten und Assistenten unterstützten, wenn das notwendig war. Auch Michal von der tschechischen Gruppe sagte seine Hilfe zu, der mit Schwierigkeiten dieser Art aus langer leidvoller Erfahrung nur zu vertraut war.

Natürlich fiel es mir schwer, die drei Studenten, die nun zuhause bleiben mussten, zu enttäuschen, aber sie trugen es zumindest in meiner Gegenwart mit Fassung. Es konnte für sie auch noch nicht so viel bedeuten wie für mich. Pompeji war für mich der heilige Gral der europäischen Archäologie.

Ich war in meiner vierzigjährigen Karriere nur einmal dort bei einem Dig gewesen, selbst noch als Student, danach bestimmt zwanzig Mal als Privatperson. Selbstbestimmt dort eine Ausgrabung leiten zu dürfen, war über mein gesamtes professionelles Leben hinweg mein größter Traum gewesen.

Daher wohl mein extremer Absturz, als ich die schlechten Neuigkeiten bekam. Das Taxi hielt, um die verbliebene Teilnehmerin aufzusammeln, die rauchend in viel zu engen Shorts und einem Top, das kaum ihre Brüste bedeckte, am Wegesrand neben ihrem Rucksack auf uns gewartet hatte.

Der Taxifahrer pfiff etwas unpassend und warf ihren Rucksack dann in den Kofferraum, während sie sich auf dem Rücksitz einfand.

"Hey Jonesey, es geht los! Es geht fucking los!", schallte es von diesem augenblicklich zu mir.

Ich konnte mir das Grinsen nicht verkneifen, auch wenn ich ihr bereits hundertmal gesagt hatte, dass sie mich so nicht nennen sollte. Der Taxifahrer stieg zu und fuhr los, allerdings nicht bevor er Annalena noch gründlich im Rückspiegel bewundert hatte.

"Das ist so geil! Bella Italia, wir kommen!", setzte sie ihre Begeisterungsstürme fort, während der Taxifahrer mir einen merkwürdigen Blick schenkte. Ich glaube, ich wurde wohl etwas rot.

"Sie ist meine Studentin", bemerkte ich eigentlich überflüssigerweise. "Wir sind Archäologen und fliegen nach Neapel."

"Na klar", gab er zurück und konzentrierte sich auf den Verkehr.

Der Flug verging wie im solchen, während ich Annalena von meinen vorherigen Besuchen und dem Dig aus meiner Studienzeit erzählte. Sie war immer noch aufgekratzt, hörte aber konzentriert zu und strahlte mich mit ihren großen grauen Augen unentwegt an.

"Ach, noch was", schloss ich an eine weitere Erzählung an.

"Hm?"

"Ich heiße Thomas. Nicht Jonesey, nicht Indiana, Thomas."

"Hä? Indianer?"

Aha, bei solchen Gelegenheiten merkt man dann erst wieder, wie alt man ist. Wenn solch populärkulturellen Anspielungen ins Nichts fallen.

"Nicht wichtig, da du mich ja schon ewig lange duzt, obwohl ich mich nicht erinnern kann, dir das angeboten zu haben, und wir die nächsten vier Monate fast ausschließlich miteinander verbringen werden..."

"Alles klar Tom, du kannst mich Lenny nennen, kein Schwein sagt Annalena zu mir... Tom Jones, war das nicht der Drummer von irgendeiner Band?"

Ich seufzte emphatisch und resignierte ohne weiteren Widerspruch. Okay. Dann war ich eben Tom. So hatte mich zuletzt mein amerikanischer Vater genannt, der verstarb, als ich zehn Jahre alt war.

Für meine Mutter und alle anderen war ich immer nur Thomas gewesen. Auf Nachfrage erklärte ich Lenny dann noch die Herkunft meines Namens, als wir auch schon auf die bevorstehende Landung aufmerksam gemacht wurden.

Ich beeilte mich, ihr den im Anflug sichtbaren Vesuv zu zeigen, drückte mich dabei so eng an sie, wie das die bereits angelegten Gurte ermöglichten.

"Boah", war ihr einziger Kommentar, dann küsste sie mich verwirrenderweise auf die Wange und ergriff danach meine Hand.

Das hatte sie schon beim Abheben gemacht, ein nicht so ungewöhnliches Ritual unter Vertrauten mit residualer Flugangst, wie ich mir hab sagen lassen. In diesem Moment war es für mich aber viel mehr, obwohl ich nicht hätte benennen können, was.

Es sind viele Bücher über Neapel geschrieben worden. Ich habe einige davon gelesen, viele enthalten sehr akkurate Beschreibungen, aber wie sich Neapel anfühlt, findet man nur in Gedichten oder Geschichten über die Stadt. Und doch ist sie für jeden anders, jeder empfindet sie anders, jeden nimmt sie anders ein oder stößt ihn anders ab.

Wir fuhren mit Paolo, einem wissenschaftlichen Assistenten der hiesigen Universität, in irrsinnigem Tempo vom Flughafen in die Innenstadt, in einem klapprigen Fiat Ducato mit defekter Klimaanlage, der auch sonst schon sichtbar bessere Tage gesehen hatte.

Unser Equipment sollte nämlich bereits am Hauptbahnhof angekommen sein und meine Kollegen hatten uns netterweise angeboten, uns nicht nur vom Flughafen abzuholen, sondern mit unserer ganzen Gear zu unserer Unterkunft in Torre del Greco, knapp siebzehn Kilometer von Pompeji entfernt, zu kutschieren, und diese dann letztlich in Pompeji abzuladen.

Die Unterkunft, die wir ursprünglich für unsere Gruppe gemietet hatten, war noch dichter dran gewesen, aber auch alles andere als billig, und für uns beide zu riesig. Eine unserer Verwaltungskräfte hatte es sich nicht nehmen lassen, alles für uns umzuorganisieren. Völlig sinnfrei, wie Paolo mir versicherte, denn meine Kollegen von der hiesigen Uni hätten das auch für uns erledigen können.

Ich spreche fließend Italienisch und tauschte mich über die wichtigsten Dinge so mit Paolo aus, aber er sprach leidlich Deutsch und wechselte gern und oft die Sprache, um Annalena mit einzubeziehen.

Die mit Begeisterung den wilden Verkehr mit den unzähligen Rollerfahrern und die traumhaft schönen Gebäude aufsaugte, dabei kaum merkte, dass Paolo mit ihr zu flirten versuchte, oder zumindest so tat.

Es lief alles glatt, etwas, was in Neapel nicht selbstverständlich ist, dort kann man eigentlich immer mit dem einen oder anderen Hindernis rechnen. Welches man meist aber auch ohne Weiteres überwinden kann. Bei diesem Besuch fanden wir jedoch alles so vor, wie wir uns das vorgestellt hatten.

Paolo versuchte gleich sicherzustellen, dass wir uns nicht in Torre del Greco und der Dig-Site verstecken würden, da er "uns" sein Napoli zeigen wolle und müsse. Sein Gebaggere ging mir langsam ein wenig auf die Nerven, auch an die Hochgeschwindigkeitskommunikation musste ich mich erstmal wieder gewöhnen.

Wenn er denn mal von ihr abließ und mich ins Gespräch zog. Lenny saß dabei, grinste wie ein Honigkuchenpferd und knuffte mir ab und zu verschwörerisch in die Rippen, ohne dass ich verstand, in welche Verschwörung ich da einbezogen wurde.

Also war es am Ende dann doch die Erlösung, als wir in Torre del Greco ankamen und die airbnb-Unterkunft, die für uns gebucht war, auf Anhieb fanden. Ein größeres Wohnhaus mit mehreren Mietparteien, nicht gerade edel, aber schon in einer etwas besseren Gegend.

Wir hatten eine kleine Wohnung mit Küche, Bad und einem angenehm großen Wohnraum, der direkt an einem riesigen Garten lag. In der großen Durchfahrt stand bereits unser Mietwagen, für den mir Paolo noch Papiere und Schlüssel präsentierte, bevor er direkt nach Pompeji weiterfuhr, um dort unser Equipment im Lager an der Site abzuladen.

Giovanni, der Besitzer der Wohnung, zeigte uns zunächst wo wir alles fanden, erklärte uns die Mülltrennung, und führte uns dann im Garten herum, der ihm gehörte, daher zu unserer freien Verfügung stand.

Als er uns mit Prospekten mit Touristeninformationen versorgen wollte, lehnte ich lachend ab und erklärte ihm, dass wir nicht im Urlaub wären, ich zudem die Gegend nun wirklich genau kannte und warum.

Er ließ sich trotzdem nicht nehmen, Strände und Restaurants zu empfehlen. Gab mir dann noch seine Telefonnummer und die seiner Schwiegereltern, die im Haupthaus wohnten, in einer Wohnung, die wohl auch ihm gehörte; er selbst aber lebte und arbeitete in Neapel.

Annalena hatte sich derweil kurzerhand einen Gartenstuhl und einen Aschenbecher geschnappt, rauchte schweigend und reckte ihr Kinn der mediterranen Sonne entgegen.

Als Giovanni endlich alles seiner Meinung nach Wichtige zum Besten gegeben hatte, verabschiedete er sich und beendete damit das fast typische, rauschartige Erleben, dass ich immer wieder ähnlich empfand, wenn ich nach Italien zurückkehrte. Bis dann die Akklimatisierung einsetzte, und mir alles völlig normal vorkam.

"Gibst du mir auch eine?", fragte ich Lenny und mich, wie sie das wohl alles empfunden hatte.

Sie hatte die Augen geschlossen und blies kleine Rauchkringel in den strahlend blauen Frühsommerhimmel. Zu meiner Überraschung schüttelte sie den Kopf.

"Nee, kommt nicht in Frage. Du rauchst nicht mehr."

Nun war ich ehrlich verblüfft, aber irgendwie auch fast dankbar. Sie drehte mir den Kopf zu und öffnete die Augen. Wie jung sie doch war, und ausnahmsweise mal allem schnoddrigen Gehabe abhold, wirkte sie auf einmal erschreckend unschuldig.

So hatte ich sie nie gesehen oder erlebt. Irgendetwas schien sie zu beschäftigen. War es die Baggerei von Paolo gewesen?

"Hast du die Wohnung ausgesucht?", quizzte sie mich und sah mich dabei ganz fest an.

"Nein, das war Frau Clausen... wieso, gefällt sie dir nicht? Unser Budget ist knapp, wie du weißt..."

"Nee, die ist prima, der Garten ist traumhaft..."

Sie pausierte etwas dramatisch und drückte die Zigarette aus. Dann kam das kühne Grinsen in ihr Gesicht zurück.

"... und das tolle Doppelbett ist sicher groß genug für uns zwei."

Was? Wie konnte ich das übersehen haben? Natürlich, da war das große Bett auf der einen Seite und ein Sofa auf der anderen. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass auch dies sich zum Bett umfunktionieren ließ.

Und hatte mich zudem nur mild gewundert, warum uns Frau Clausen eine Einzimmerwohnung gemietet hatte, eingedenk unserer finanziellen Einschränkungen.

"Na, das Sofa...", setzte ich an, um aber sofort von ihr unterbrochen zu werden.

"Ist nur ein Sofa. Zweisitzer, nicht zum Ausziehen. Hab's abgecheckt."

Das war mir entgangen, wahrscheinlich während ich mit Giovanni auf Mülleimer-Orientierungskurs gegangen war.

"Oh... das ist... aber wieso... ich versteh nicht, wie Frau Clausen das passieren konnte. Ich kann... soll ich vielleicht Paolo bitten..."

"Lass stecken. Gar kein Problem. Ich wollte nur wissen, woran ich bin, verstehste? Mich stört das nicht die Bohne."

So sicher war ich mir da allerdings nicht, ob ich das auch so locker sah. Das war eine Situation, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte.

"Nun... wie soll ich sagen... ich bezweifele nicht, dass... ehm... ich werde natürlich ein perfekter Gentleman sein. In meinem Alter ist man über diese Dinge..."

Ihr schallendes Gelächter ließ mir das Blut in den Kopf schießen und jedes weitere Wort wollte einfach nicht mehr über die Zunge.

"Tom, das ist doch überhaupt kein Thema. Wir sind doch beide Erwachsene, oder? Stell dich doch nicht so an, bist du echt so verklemmt?"

Ich war unfähig, zu antworten. Ganz ehrlich, bis zu diesem Moment war mir irgendwie nur am Rande bewusst geworden, dass ich hier mit einer jungen, wohl durchaus attraktiven Frau, vier Monate durchgängig und nun offenbar auch auf engstem Raum zusammen sein würde.

Ich weiß nicht genau, wie ich das glaubhaft erklären kann - in meinem Kopf war bis zu diesem Moment nur die Ausgrabung gewesen, das Projekt, die Planung, der Ablauf, die Vorfreude auf die Erfüllung eines Traums.

Im Gegensatz zu einiger meiner Kollegen schaute ich mir die jungen Dinger in der Uni nicht an, auch wenn da einige alles andere als mit ihren Reizen geizten. Für mich waren sie Schutzbefohlene, die ich in die wunderbare Welt der Wissenschaft, meiner Wissenschaft, einzuführen hatte.