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Das Bangkok Syndikat 18

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Wang runzelte die Stirn, schien erst die Bedeutung ihrer Worte bemessen zu müssen. Dann aber schien seine Neugier geweckt, in allen Details ließ er sich die vorabendlichen Vorgänge in der Kammer schildern.

„Wie lange wirst du brauchen?"

Nori überlegte.

„Ich habe seine Wunden behandelt, aber ich werde ihn zu Hause noch einmal versorgen und ruhig stellen müssen, damit er keine Zicken macht."

Wang lächelte.

„Zicken? Wir verschwinden in ein paar Stunden, Nori, warum lösen wir dieses Problem nicht hier und jetzt?"

Die Domina ließ ihren Blick auf Wang gerichtet. Jegliche Unsicherheit ihrerseits in diesem Moment und alles war verloren.

„Er ist ein angesehenes Mitglied des hiesigen Gerichtshofes. Wenn du keine Polizei im Haus haben möchtest, ist es besser, wenn wir ihn nach Hause bringen. Er hat ein paar Hausangestellte, die werden sich sicher schon jetzt Sorgen um ihn machen."

Wang zwirbelte seinen Bart. Nori hatte recht, Aufmerksamkeit konnte er in diesem Moment nicht gebrauchen, unkalkulierbare Risiken genauso wenig.

„Gut. Bonian wird dir einen Fahrer besorgen. Aber beeile dich, ich brauche dich hier!"

Die Domina sicherte ihre baldige Rückkehr zu, küsste Wang auf den Mund und verließ eiligen Schrittes den Raum. Bonian rief dem Totengesicht vor der Tür etwas zu, der dann der Domina mit einigem Abstand folgte.

War es wirklich so einfach gewesen? Vertraute ihr der Pate tatsächlich? Sie konnte es nicht so recht glauben, zu groß waren ihre Angst vor diesem Mann und die Lehren aus den Erfahrungen ihrer schlimmen Vergangenheit.

„Wie viel haben wir jetzt?"

Chai zehrte von seinen letzten Kraftreserven und hätte sich, so wie er war, am liebsten auf der Straße hingelegt, um zu schlafen. Ganz im Gegensatz zu Frau Doktor Silami und Arlak, die nach dieser sehr bewegenden und aufregenden Nacht noch immer voller Tatendrang waren.

„Lassen sie mich nachsehen, Herr Na Ajutthaja."

Maria Silami blieb stehen, sah auf ihr Schreibbrett und tippte auf dem kleinen Taschenrechner herum, der in die Klemmvorrichtung integriert war.

„Es sind jetzt achtundsechzigtausendundvierhundertfünfzig Dollar."

Sie blickte kurz auf ihre Armbanduhr.

„Wir haben noch zwei Stunden und elf Minuten."

Chai spürte seine Kräfte mehr und mehr schwinden, ausgelaugt und mit pochenden Schmerzen in seinen Schläfen setzte er einen Schritt vor den anderen. Dabei lag ein noch langer Tag vor ihm, der wohl viel Aufregung bringen würde, dessen war er sich sicher.

„Herr Na Ajutthaja, jetzt reißen Sie sich doch bitte zusammen! Wir haben schließlich alle kein Auge zugetan in dieser Nacht."

Arlak grinste breit, ihm gefiel diese resolute Deutsche, die, zunächst niedergeschlagen und apathisch, sich dann doch von Chais Aktionismus hatte anstecken lassen und seitdem das „Geldbeschaffungsprojekt", wie sie es nannte, erbarmungslos vorantrieb.

Die halbe Nacht waren sie unterwegs gewesen. Na Ajutthaja wie auch Arlak hatten Freunde, Verwandte und Kunden um Hilfe gebeten, während die deutsche Rechtsanwältin, bestückt mit ihrem Reisepass und allen möglichen Kreditkarten, ihre Bonität zu untermauern versucht hatte. Dabei hatte sie allen, die ihr Geld geliehen hatten, ordentliche Schuldscheine ausgestellt, die mächtigen Eindruck bei den Thailändern hinterlassen hatten.

Maria Silami hatte Chai für schlichtweg wahnsinnig gehalten, als dieser sich nachts um ein Uhr auf den Weg zu machen gedachte, das Geld aufzutreiben. Doch als sie bereits an der ersten Adresse, die in Chais kleinem, schwarzen Organiser vermerkt war, freundlich und aufgeschlossen empfangen worden waren, fing sie an, an den Erfolg der Operation zu glauben.

Ein Supermarktbesitzer hatte ihr seine gesamten Einnahmen des Vortages übergegeben, umgerechnet viertausendfünfhundert Dollar. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass Menschen eines Zweite-Welt-Landes einem anderen ein derartiges Vertrauen entgegenbringen würden. Doch Chai hatte sie eines besseren belehrt. Sein Name allein schien allen gereicht zu haben, selbst einfache Leute hatten ihr Möglichstes beigesteuert, selbst wenn es nur fünfzig Dollar waren. Einundzwanzig Adressen hatten sie bislang abgeklappert, die allesamt nach demselben Schema abgearbeitet worden wurden. Ein kurzer Anruf Chais, das schnellstmögliche Erreichen der Adresse, eine kurze Erklärung, die Übergabe des Geldes, das Ausstellen des Schuldscheins. Währenddessen hatte Arlak bereits nach dem nächsten Kandidaten in Chais Adressbuch gesucht. Und die Liste war noch nicht erschöpft.

„Ein Herr Neto."

Arlak blickte seinen „Onkel" mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Was ist denn das für ein Name?"

Chai, am Rande seiner Belastbarkeit angelangt, musste kurz überlegen.

„Ein portugiesischer. Neto ist ein bekannter Goldschmied, der hier viele einheimische Handwerker ausgebildet hat. Er stellt auch Uhren her, ein angesehener, aber gleichzeitig auch sehr bescheidener Mann."

Maria Silami blickte Arlak fragend an.

„Ist es weit?"

Arlak sah auf sein Handy.

„Zwei Straßen. Fünf Minuten."

Die Rechtsanwältin nahm Chai bei der Hand, wie eine Mutter ihr bockiges Kind, und zog ihn weiter. Sie wollte es einfach nicht gelten lassen, dass der Detektiv erschöpft und am Ende seiner Kräfte angelangt war.

„Vielleicht ist dieser Mann ja der letzte, den wir um Hilfe bitten müssen, mein lieber Herr Na Ajutthaja."

Mit eiligen Schritten liefen sie die Straße entlang. Ein Taxi hätte sich nicht gelohnt, dafür war die Distanz zu kurz.

„Wir müssen dort hinüber, zwischen den beiden Restaurants ist seine Werkstatt."

Das gedungene, kleine Haus, eingequetscht zwischen zwei stattlichen, modernen Funktionsbauten, erweckte bei der Anwältin nicht wirklich einen wohlhabenden Eindruck. Sie blickte durch die Scheibe der Ladentür und betätigte dann den kleinen, unscheinbaren Klingelknopf aus Messing.

„Jetzt sind es noch genau zwei Stunden."

Arlak schien in tiefer Sorge.

„Wenn wir rechtzeitig da sein wollen, bleiben uns vielleicht noch fünfzig Minuten. Sonst schaffen wir es nicht mehr, der Verkehr wird jetzt zusehends dichter."

Maria Silami drückte noch einmal auf den Knopf, doch nach wie vor schien niemand hiervon Notiz zu nehmen.

„Scheint keiner da zu sein."

Chai schüttelte den Kopf.

„Das kann nicht sein, er ist immer zu Hause. Seine Wohnung liegt direkt über dem Laden."

Er drückte selbst noch einmal den Knopf, klopfte an die Scheibe und sah in den Laden. Nach einer weiteren Minute glaubte der Ermittler selbst nicht mehr daran, dass sein Bekannter noch öffnen würde. Resigniert wollte er sich bereits abwenden, als ein Schatten hinter der Tür auftauchte.

„Chai! Meine Güte!"

Eine freundliche Mädchenstimme quietschte regelrecht vor Freude, dann schoss ein hübsches, junges Mädchen aus der Tür heraus auf den Ermittler zu und umarmte ihn voller Begeisterung.

Maria Silami und Arlak sahen sich verwundert an und schienen gar nichts zu begreifen.

„Kommt bitte herein! Vater wird sich freuen. Er sitzt noch beim Frühstück."

Netos Tochter hatte sowohl asiatische als auch europäische Züge an sich, lebhafte, smaragdgrüne Augen und eine schlanke, sportliche Figur. Das Gesicht war von beinahe unwirklich scheinender Gleichmäßigkeit, Haut und Haar frei von jeglichem Makel. Selbst Arlak musste sich eingestehen, dass er selten so ein hübsches und vollkommen erscheinendes Geschöpf gesehen hatte.

„Na Ajutthaja?! Ich höre da eine mir wohlbekannte Stimme!"

Das rauchige Lachen dröhnte noch in die Ohren der Ankömmlinge, als auch schon ein kleiner, vielleicht knapp siebzig Jahre alter Mann, mit der rechten Hand auf den Gehstock gestützt, auf sie zueilte, den Ermittler herzlich umarmte und anschließend der Anwältin und auch Arlak die Hand reichte.

„Was hat Sie denn so früh hierher verschlagen? Mit Ihrem Besuch habe ich jedenfalls nicht mehr gerechnet, nachdem ich Sie schon so oft eingeladen habe."

Es klang wie ein Vorwurf, Chai zeigte ein reumütiges Gesicht.

„Geht es Ihnen gut, Herr Neto?"

„Ich kann nicht klagen, manchmal wünschte ich mir, Gott hätte mir zwei Hände und ein paar Augen mehr gegönnt. So hinten am Rücken, verstehen sie? Wäre sehr praktisch gewesen, wie ich ihnen versichern möchte."

Er lachte und bat seine Gäste in eine kleine Küche, in deren Mitte ein großer, runder Tisch stand, der den Raum beinahe zur Gänze ausfüllte.

„Nun, mein Lieber, was habt Ihr denn auf den Herzen. Dass es kein Höflichkeitsbesuch ist, sehe ich sofort, so müde und erschöpft wie Sie alle aussehen."

„Maria! Mach unseren Freunden hier einen starken Kaffee."

Alains Mutter blickte das Mädchen erstaunt an.

„Sie heißen Maria? Ich ebenfalls! Hätte nicht gedacht, dass ich in Bangkok eine Namensschwester kennenlernen würde."

Das Mädchen lachte, während Chai dankend abwinkte.

„Ich hätte gerne einen Kaffee, Herr Neto, aber die Zeit wird dafür nicht reichen, fürchte ich."

Der Alte runzelte die Stirn und blickte den Ermittler nachdenklich an. Eine unliebsame Erinnerung schlich sich in seine Gedanken, eine, in der er seine Tochter bereits verloren glaubte.

„Wie kann ich Ihnen helfen?"

Chai war mittlerweile geübt darin, die gegebene Situation in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Der Goldschmied verstand und warf einen mitleidigen Blick auf die deutsche Frau.

„Ich habe eine ähnliche Situation durchstehen müssen, Maria. Meine Tochter wäre nie wieder aufgetaucht, wenn dieser Mann nicht so sehr um sie gekämpft hätte. Wie viel braucht Ihr?"

Maria Silami schien sichtlich berührt zu sein, löste ihren Blick von dem Alten und blickte in ihre Liste. Ihre Gesichtszüge hatten sich merklich entspannt, vielleicht glaubte auch sie jetzt an die mögliche Rettung ihres Sohnes.

„Es wären noch sechstausendfünfhundertfünfzig Dollar."

Der Alte nickte und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum. Die Freunde sahen sich an, Erleichterung und Freude strahlten aus ihren Gesichtern. Es war geschafft.

„Hier ist das Geld. Ich bete für Ihren Erfolg."

Die Anwältin ließ es sich nicht nehmen, den Handwerker herzlich zu umarmen, dann schickte sie sich an, einen Schuldschein auszustellen.

„Bei Na Ajutthaja und seinen Freunden reicht mir ein Wort. Und jetzt geht, verliert keine Zeit."

Der Detektiv und seine beiden Begleiter wurden von Vater und Tochter zur Tür gebracht, als Maria Silami sich nach Chai umsah.

„Wir müssen noch Bath im Gegenwert von etwas mehr als sechzigtausend Dollar in die US-Währung wechseln. Wo können wir das um diese Zeit?"

Prompt war Arlak mit einer Lösung zur Stelle.

„Die Wechselstube am Lumphini. Sie gehört dem Vater eines Freundes."

Gerade im Begriff, aus dem Laden des Portugiesen herauszustürzen, um der nächsten Etappe ihrer Odyssee entgegenzueilen, als der Besitzer Chai noch einmal zurückrief.

„Sechzigtausend Dollar?"

Chai nickte.

Neto lächelte und winkte sie wieder zurück in den Laden. Maria und Arlak blickten sich an, das konnte jetzt aber wirklich nicht mehr wahr sein.

Das Totenkopfgesicht half Nori, dem Doktor aus dem Wagen zu helfen, der, in einen offensichtlich schlechten Zustand befindlich, seine Augen geschlossen hielt und kaum einen Schritt vor den anderen zu setzen vermochte, ohne dabei ein herzzerreißendes Stöhnen von sich zu geben.

Ein Diener öffnete die Eingangstür und übernahm den Job des Malaien. Nori wollte nicht, dass Wangs Scherge Haus betrat.

„Warte hier auf mich. Ich sorge dafür, dass er gut versorgt wird und in den nächsten Stunden seine Ruhe hat."

Der Blick des Totenkopfgesichts verfinsterte sich, doch Nori nahm hiervon keine Notiz. Den humpelnden Anwalt untergehackt verschwand sie mit dem Angestellten im Haus. Der Mafiosi blickte ihr mit grimmigem Blick hinterher, stieg dann aber doch wieder in den Bus, den er in der Auffahrt geparkt hatte.

„Was habt Ihr mit ihm gemacht?"

Der Stimme des vielleicht fünfzig Jahre alten Dieners bebte vor Zorn. Nori aber reagierte nicht auf die Frage, befahl ihm stattdessen, sie ins Schlafzimmer des Hausherrn zu führen. Der Mann kuschte, vielleicht ahnte er, welchen Einfluss diese Frau auf seinen Arbeitgeber hatte.

Die Domina musste den Rechtsanwalt ebenfalls stützen, widrigenfalls dieser die letzten Meter zu seiner Ruhestatt nicht mehr bewältigt hätte. Seine Beine zitterten unkontrolliert, jeder Schritt schien ihn an seine Grenzen zu treiben. Nori tastete nach seinem Herz, das rasend gegen die Brust klopfte.

„Legen wir ihn aufs Bett. Danach verschwindest du!"

Dem Diener widerstrebte diese Anordnung zutiefst. Ehe er jedoch seinen Unmut kundtun konnte, knallte auch schon die Hand dieser Frau in sein Gesicht.

„Du gehst jetzt! Sonst sorge ich dafür, dass du dir einen neuen Job suchen kannst, verstanden?"

Der Bedienstete stand kurz davor seine Beherrschung zu verlieren. Doch diese grauenhafte Person war in der stärkeren Position und die Stelle bei Doktor Katanaa ausnehmend gut bezahlt, zudem nicht sehr anspruchsvoll. Er wollte gerade die Tür hinter sich schließen, als die Frau ihn nochmals nachrief.

„Warte."

Er hielt inne, drehte sich um und ging ins Schlafzimmer zurück. Er sparte sich eine Entgegnung, hatte absolut keine Lust noch, sich von dieser resoluten Person noch mehr von seiner Würde nehmen zu lassen.

„Wurde in den letzten Stunden etwas für Mistress Nori abgegeben?"

Der Mann schüttelte seinen Kopf, sah die Domina sie fragend an. Die aber saß nur auf dem Bett und starrte vor sich hin.

„Jetzt beeilen Sie sich doch endlich!"

Maria Silami herrschte den Fahrer vergebens an. Doch sie sah selbst, dass an ein Vorwärtskommen im Moment nicht zu denken war. Stau war eben Stau, da war nichts zu machen. In der letzten halben Stunde hatte das Taxi bestenfalls zwanzig Meter zurückgelegt.

„Und wenn wir aussteigen?"

Chai blickte aus dem Seitenfenster. Sie befanden sich mitten auf dem Highway und hatte keine Möglichkeit, diesen zu verlassen. Die Stadt lag etwa zehn Meter unter ihnen.

„Wie soll das gehen, Arlak? Hier gibt es nicht einmal einen Fußweg."

Entschlossen öffnete der Junge die Beifahrertür, schulterte die schwarze Tasche mit dem Geld und winkte seinen beiden Begleitern, den Wagen ebenfalls zu verlassen und ihm zu folgen.

Maria Silami und der Ermittler sahen sich fragend an. Sie hatten nur noch zwanzig Minuten Zeit.

„Ich zahle das Taxi. Steigen Sie bitte schon mal aus, Maria."

Der Detektiv musste grinsen, als unvorstellbares Zugeständnis war es wohl zu werten, dass die Anwältin ihm das „Du" angeboten hatte. Trotzdem wollte es ihm noch nicht so recht über die Zunge gehen.

Er überreichte dem Fahrer einige Scheine, dann folgte er den beiden, die sich durch die Autokolonnen zum Seitenstreifen durchschlängelten.

„Dort vorne! Seht Ihr? Da ist ein Notabstieg!"

Maria Salami sah den schwulen Jungen an, als sei er ein Außerirdischer, der sie in seinem Raumschiff zu entführen gedachte.

„Ich soll eine Leiter hinabsteigen?"

Arlak lachte.

„Nein, ein Seil! Jetzt kommen Sie schon! Dort sind Treppen, die Sie gehen können. Alle zweihundert Meter finden sie so einen Notabstieg für den Fall der Fälle."

„Fünfzehn Minuten noch. Ich rufe bei Doktor Katanaa im Haus an. Vielleicht ist sie schon da."

„Telefon für Sie."

Nori starrte den Diener an. Chai hätte das Geld längst bringen müssen. Ärgerlich griff sie nach dem schnurlosen Telefon und wischte den Mann mit einer ärgerlichen Handbewegung aus dem Zimmer. Der warf noch einen Blick auf den Hausherrn, der jetzt zumindest seine Ruhe zu haben schien und schlief.

„Wer ist da?"

Chais Stimme klang aus dem Hörer. Er versuchte, der Domina in wenigen Worten seine Situation zu erklären.

„Ich habe mich auf dich verlassen, Onkel! Warum enttäuschst du mich jetzt?", schrie sie so laut ins Mikrofon, dass der Anwalt erschrocken aus dem Schlaf fuhr und ängstlich zu seiner grausamen Herrin aufsah.

„Eine halbe Stunde? Verdammt, die kann mir das Leben kosten! Ist dir das klar?"

Der Ermittler versprach sich zu beeilen, er schien zu spüren, dass sie nicht log.

Die Domina aber war verzweifelt, sie spürte förmlich, wie die Zeit wie Sand zwischen ihren Fingern verrann.

Zehn Minuten später hörte sie Schritte auf dem Gang und wusste diese zu deuten. Das Totenkopfgesicht kam, um sie zu holen.

„Sie ist nicht mehr da?"

Doktor Katanaas Bediensteter verneinte.

„Sie sind vor zehn Minuten von hier weggefahren."

Maria Silami stand kurz vor einer Ohnmacht, das Blut wich aus ihrem Gesicht, ihr Körper begann zu taumeln. Chai sprang ihr bei, umfasste ihre Taille und bat sie, sich zu beruhigen.

„Hat die Mistress eine Nachricht hinterlassen?"

„Nein, aber ihr Begleiter hat sie mit Gewalt aus dem Zimmer des Doktors zerren müssen. Ich habe kein Mitleid mit ihr, sie ist eine unverschämte Person."

Der Ermittler wusste nicht mehr weiter. Wie konnte er Frau Doktor Silami jetzt noch beruhigen, wenn er doch selbst keinen Rat mehr wusste?

„Wir haben noch eine Chance!"

Die Anwältin und der Ermittler drehten sich beide überrascht zu dem Jungen um. Der aber eilte mit seinem Handy am Ohr bereits zum Ausgang und rief über die Schulter zurück.

„Sie stehen im Stau, genauso wie wir vorhin. Versteht Ihr jetzt? Fragt den Mann, mit welchem Auto sie fahren, den Rest regle ich."

Vierzigster Tag, vormittags, Bangkok

Nori befand sich in einem Zustand totaler Resignation. Ihr so sorgfältig ausgeklügelter Plan war nicht aufgegangen, Wang würde sie mitnehmen, Christian wahrscheinlich sterben.

Es durfte einfach nicht sein. Der Junge musste überleben und an ihrer Seite bleiben, war er doch der erste Mensch seit vielen Jahren, in dessen Nähe sie sich wohlfühlte und zufrieden war.

Die Domina zwang sich, an etwas anderes zu denken, und blickte aus dem Seitenfenster des Kleinbusses, der sich im Schritttempo durch den dichten Verkehr mühte. Hochhäuser säumten die belebten Straßen der Innenstadt, das bunte wie geschäftige Treiben auf denselben kündete vom pulsierenden Leben dieser Millionenmetropole. Vielleicht war es das letzte Mal, dass sie all dies zu sehen bekam.

Mit Wang in einem abgelegenen Dschungelverschlag hausen, ihn rund um die Uhr bedienen, sich von ihm jederzeit vergewaltigen und quälen lassen? Gerade von jenem Mann, der ihr das Einzige genommen hatte, das eine wirkliche Bedeutung in ihrem Leben gehabt hatte? Sie würde ihn töten, oder sich selbst, früher oder später. Eine andere Lösung kam ihr nicht mehr in den Sinn.

Der Bus kam zum Stillstand. Das Totenkopfgesicht riss seine Hände in die Luft und ließ sie wieder aufs Lenkrad fallen. Er schimpfte und fluchte wie Satan persönlich. Wahrscheinlich hatte Wang auch von ihm Pünktlichkeit eingefordert.

Nori gab sich keiner Illusion mehr hin, dieser Stau verzögerte das Unvermeidliche, vermochte es aber nicht zu ändern. Ihr Plan war gescheitert, die Option auf Freiheit verspielt. Sie hatte nur noch eine einzige Karte, die sie ausspielen konnte, doch dafür war sie noch nicht bereit.

Sie lehnte sich zurück und starrte auf die Kopfstütze des Beifahrersitzes. Sie mochte Menschen gebrochen und in den Wahnsinn gefoltert haben. Aber getötet? Das war für sie nie in Frage gekommen. Vielleicht auch deshalb, weil Wang und seine Männer sich stets selbst so bereitwillig darum gekümmert hatten.

Das ebenso dumpfe wie sonore Brabbeln schwerer Motorrad-Viertaktmotoren riss die Domina aus ihren trüben Gedanken. Die Fahrgastzelle des Busses begann leicht zu vibrieren, als sich die Maschinen von hinten annäherten.

Nori drehte sich um und blickte über die Rücksitzbank hinweg durch die Heckscheibe des VANs. Zwei schwere Chopper glitten heran, kurvten in Slalomlinien um die stehenden Fahrzeuge, zwängten sie sich dann auf der Begrenzungsspur an den Wagenreihen vorbei. Sie wurden wahrscheinlich von den neidischen Autofahreren verflucht, die, selbst zur Bewegungslosigkeit verdammt, den beiden Bikern hinterherblicken mussten.

Der Lenker des vorderen Motorrades verlangsamte die Fahrt, kam auf Höhe der hinteren Sitzbank des Busses beinahe zum Stillstand. Aus verspiegelten Sonnenbrillen richtete der Biker seinen Blick kurz auf die Domina, dann schräg von hinten auf das Totenkopfgesicht. Ein Stoß gegen die Seitenwand, beinahe zeitgleich ein kreischendes, quietschendes Geräusch. Die Maschine musste im Schritttempo mit einer der rechtsseitigen Fußrasten die Wagenseite berührt und wohl auch beschädigt haben.

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