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Der Kotzbrocken

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"Wie kommst du denn zu den Kindern, Brüderchen?", fragte sie neugierig.

"Das ist eine lange Geschichte, Andrea, an der ich eine gewisse Mitschuld habe. Und dich bitte ich auch um Verzeihung wegen der Art, die ich dir gegenüber an den Tag gelegt habe. Also, wie geht es Frau Wagner?"

"Den Umständen entsprechend relativ gut. Sie hat eine tiefe Platzwunde an der Stirn, die wir geklebt haben und eine Gehirnerschütterung. Aber das gibt sich wieder. Den linken Arm hat sie sich ausgekugelt und gebrochen; das haben wir wieder eingerenkt und den Bruch, der Gott sei Dank einfach war, gerichtet und geschient. Das größte Problem war ihre zertrümmerte linke Hüfte. Wir haben ein künstliches Hüftgelenk, also Pfanne und Kugel eingepasst und alles so gerichtet, dass sie bald wieder normal gehen kann. Zum Glück hat Frau Wagner gesunde und stabile Knochen, so dass wir nicht zementieren mussten. Es wird alles komplikationslos verheilen. Das linke Bein ist jetzt 1,5 cm länger, das heißt sie wird eine spezielle Einlagesohle im rechten Schuh tragen müssen, oder eine Absatzerhöhung ihrer Schuhe in Betracht ziehen müssen, damit ein Hinken vermieden wird. Und es wird eine Narbe von etwa 20cm als Erinnerung bleiben. Wir haben ihr relativ starke Medikamente gegeben, so dass sie fast schmerzfrei sein sollte. Sie muss noch zwei Wochen hier bleiben und dann für 4 Wochen auf REHA gehen. Was geschieht in der Zwischenzeit mit den Kindern?"

"Die bleiben so lange bei mir, Schwesterchen, das bin ich ihr schuldig. Frau Wagners Eltern leben zu weit weg, ihr Ex-Mann, der Vater der Kinder ist nicht auffindbar und hier haben sie sonst niemand. Und in ein Heim sollen die beiden nicht. Dafür mag ich sie zu sehr."

Andrea blickte ihren Bruder überrascht an. Das war eine ganz neue Seite, die sie an ihm noch gar nicht kannte. Der Vorfall mußte ihm doch sehr nahe gegangen sein.

"Sag mal, was macht denn deine Hüfte? Alles in Ordnung?"

Hans-Werner verzog jungenhaft grinsend das Gesicht. Auch er hatte links ein künstliches Hüftgelenk, eine Erinnerung an einen jugendlichen Leichtsinn. Er hatte sich bei seinem Hobby, dem Bergsteigen nicht ausreichend gesichert und war in der Schweiz am Steingletscher im Berner Oberland am Sustenpass etwa 40m abgestürzt. Ein neues Hüftgelenk und ein geknicktes Selbstbewußtsein war die Folge. Das Bergsteigen hatte er darauf hin aufgeben müssen; Bergwandern in gemäßigter Form war nun angesagt. Aber wenn er lief, bemerkte wegen der Ausgleichssohle niemand sein Handicap. Er wußte also, was auf Frau Wagner zukam und wenn sie das nur halb so gut wie er meisterte, dann würde man hinterher so gut wie nichts bei ihr bemerken. Und verdammt noch mal, er würde dafür sorgen, dass sie die beste Pflege und Betreuung bekommen würde.

"Wann können wir sie besuchen, was meinst du?"

"Frühestens Übermorgen würde ich sagen. Morgen ist die Nachuntersuchung, da hat sie Stress genug. Übermorgen muss sie das erste Mal aufstehen und die ersten Schritte gehen, wenn es ihr Kopf erlaubt und wenn sie sich dann im Spiegel sieht, wird sie sowieso einen Schock bekommen. Ich werde morgen Nachmittag mit ihr reden und alles weitere besprechen."

"Andrea, bitte sage ihr nicht, dass ihre Mädchen bei mir sind. Sie hasst mich wie die Pest und dann hätte sie wahrscheinlich keine ruhige Minute mehr."

"Oh je, dann kommt besser erst in drei Tagen. Mit ihrer Gehirnerschütterung ist nicht zu spaßen und ich werde dann doch länger brauchen, um ihr einige Dinge zu erklären."

Hans-Werner zögerte kurz, dann sagte er: "Bitte schau, dass sie die beste Betreuung und Pflege bekommt. Die zusätzlichen Kosten, die ihre Krankenkasse nicht bezahlt übernehme ich, denn eigentlich bin ich an ihrem ganzen Unglück schuld."

Andrea umarmte ihren Bruder.

"Ich werde mich darum kümmern, HaWe." Er verzog das Gesicht, denn den Spitznamen, den ihm seine Schwester schon als kleines Mädchen gegeben hatte, mochte er nicht so besonders.

Andrea wußte das natürlich und grinste Hans-Werner frech an.

"So, nun bring die Kleinen ins Bett, sie fallen ja schon vor Müdigkeit um."

Hans-Werner nahm Laura, die schon tief schlief auf seinen Arm und Fabienne an die Hand. Dann ging er auf den Ausgang der Klinik zu. Andrea blickte ihnen nach. Das schaute gar nicht so schlecht aus, wie sich ihr großer Bruder trotz mangelnder Erfahrung mit Kindern da anstellte. Stand ihm gut.

Andrea schüttelte den Kopf. Was hatte sie nur für seltsame Gedanken? Morgen gab es mit Frau Wagner und den anderen Patienten genug zu tun. Sie ging zurück auf ihre Station.

*

Hans-Werner war froh, dass die Kinder schon schliefen, als er zuhause ankam und nicht sein verwildertes Grundstück und den Garten sahen. Morgen würde er veranlassen, dass das geändert wurde. Er fuhr gleich in die Garage, nahm Laura wieder auf den Arm, Fabienne an die Hand und und ging durch eine Verbindungstüre gleich ins Haus.

Er brachte die Mädchen ins Bad, zog Laura die Jeans und das Shirt aus und machte mit einem Waschlappen eine Katzenwäsche bei ihr, was schwachen Protest hervor rief. Fabienne konnte das schon von ganz alleine und danach brachte er die Mädchen in sein Schlafzimmer. Er holte ein zweites Kissen und die dazu gehörige Decke hervor, bezog sie und dann deckte er die beiden zu und wünschte ihnen eine Gute Nacht. Laura war gleich wieder eingeschlafen, aber Fabienne gab ihm zu seiner Überraschung einen kleinen Gutenachtkuss auf die Wange.

"Danke, Onkel Hans, dass wir bei dir bleiben dürfen. Schlaf du auch gut."

"Bestimmt Fabi, schlaf gut und morgen sehen wir weiter. Wir gehen einkaufen, denn ihr braucht doch einige Sachen. Gute Nacht und träum was Schönes."

Hans-Werner holte sich eine leichte Decke und ein Kopfkissen aus einer Truhe und machte sich sein Bett im Wohnzimmer auf dem Sofa. Er brauchte lange bis er seine Gedanken geordnet hatte und Schlaf fand.

*

Er wachte auf, als er ein leises Weinen und tapsende Schritte auf dem Parkettboden vernahm. Im Halbdunkel sah er schemenhaft Laura umher irren. Er stand auf, ging zu ihr hin und nahm sie in die Arme.

"Was ist los, mein Engel, schon wach?" fragte er.

Laura schnüffelte und zog die Nase hoch.

"Kann nicht schlafen, Onkel Hans. Hab Angst so alleine."

"Willst du dich zu mir herlegen? Dann bist du nicht mehr alleine."

Laura nickte und legte sich zu Hans-Werner auf die Couch. Sie kroch in seinen Arm und eine Minute später schlief sie wieder tief und fest.

Knapp eine Stunde später wurde es dann so richtig eng, als der zweite Schlafgast in Form von Fabienne ebenfalls einen Schlafplatz an Hans-Werners Seite einforderte.

*

Als er aufwachte kam sich Hans-Werner wie ein Hotdog vor; gut eingeklemmt von beiden Seiten. Er stand vorsichtig auf ohne die Mädchen zu wecken und deckte in der großen Essküche den Tisch für das Frühstück.

Dann griff er zum Telefon und rief in der Firma an. Er lies sich mit seinem Vater verbinden, erklärte ihm die Situation und nahm sechs Wochen Urlaub. Seit mehr als drei Jahren hatte er nur gearbeitet, aber jetzt brauchte er die Zeit für die Kinder und ihre Mutter.

Er sagte seinem Vertreter Bescheid und veranlasste bei seiner Bank die Überweisung von 6 Monatsmieten auf das Konto für Frau Wagners Wohnung.

Fabi und Laura kamen in die Küche. Hans-Werner sagte ihnen freundlich "Guten Morgen", schleppte sie ins Bad und machte sie fertig für den Tag. Beim Haare kämmen gab er auf und lies es Fabienne machen, denn davon hatte er wahrlich keine Ahnung und Laura quengelte, als er zu fest rupfte.

Nach dem Frühstück ging es zum Einkaufen und das war mit den beiden jungen Damen so anstrengend wie eine Vorstandssitzung.

Unterwäsche, Söckchen, T-Shirts und zwei, nein vier Sommerkleidchen, Sandalen, Turnschuhe und Sommerhosen vervollständigten das Sortiment. Waschartikel, Zahnbürsten und viele andere Dinge, die junge Mädchen halt so brauchten.

Während die Mädchen die Sachen durchprobierten, telefonierte Hans-Werner mit einem Gartenbaubetrieb und gab eine gründliche Aufarbeitung seines Grundstückes in Auftrag. Auch eine Firma zum Reinigen und Herrichten des Pools wurde engagiert.

Was er beim Einkaufen bemerkt hatte, war dass er ein anderes Auto brauchte. Der Bentley war eigentlich nur ein 2+2Sitzer und daher für Kinder ungeeignet und der Kofferraum zu klein für die ganzen Einkäufe. Etwas Praktisches musste her, denn wenn Frau Wagner aus dem Krankenhaus kam, konnte er ihr das gebückte Einsteigen und die tiefe Sitzposition nicht zumuten. Das wusste er aus eigener Erfahrung, dass so etwas nach einer Hüftoperation unmöglich war. Aber zuallererst musste er zwei Kindersitze für die beiden Kleinen besorgen.

Zwischendurch durfte er immer wieder sein Urteil zu den ihm vorgeführten Bekleidungsstücken abgeben. Als Mann hatte er zwar so gut wie keine Ahnung davon, aber das was er sagte schien den Mädels zu gefallen.

Nach einem Mittagessen beim Italiener, wo Laura mehr Tomatensoße auf dem T-Shirt als im Magen hatte, ging es nach dem Umziehen am Nachmittag auf den Spielplatz.

Die Mädchen tollten ausgelassen herum und Hans-Werner fühlte zum ersten Mal innerlich Ruhe und Gelassenheit, etwas was er seit undenklichen Zeiten nicht mehr gespürt hatte. Er merkte, was ihm fehlte. Eine Familie und Kinder, die seinen Alltag schöner und zufriedener gestalteten.

Während Fabi und Laura um die Wette schaukelten, rief er bei seiner Schwester an, um sich nach dem Wohlergehen von Frau Wagner zu erkundigen. Andrea erklärte ihm, dass es ihr den Umständen entsprechend gut ginge. Sie war heute unter Mithilfe von zwei Therapeuten zum ersten mal aufgestanden und hatte die ersten vorsichtigen Schritte gewagt.

"Als sie mich nach ihren Kindern gefragt hat und sie war wirklich echt in Sorge", erklärte Andrea, "da habe ich sie beruhigt und ihr gesagt, ich hätte sie bei meinem Bruder untergebracht, wo sie sich sehr wohlfühlten. Sie weiß ja nicht, dass du mein Bruder bist, der unterschiedliche Nachname, du verstehst? Sie hat mir so ein paar Sachen von dir erzählt, da haben sich mir die Nackenhaare aufgestellt. Jetzt verstehe ich auch deinen Spitznamen. Sie hasst dich wirklich von ganzem Herzen, Hans-Werner. Ich hab ihr meinen Bruder als Vorbild beschrieben, zu dem ich aufgeschaut habe und der immer für mich da war und beschützt hat. Enttäusche mich nicht, bitte. Ich habe mich ein wenig mit ihr angefreundet und mit ihr viel gesprochen. Sie hat sich ihren Kummer von der Seele geredet, da sie sonst scheinbar niemanden hat, dem sie sich anvertrauen kann. Ihr Mann hat sie im Stich gelassen und ist verschwunden. Sag mal, könntest du in dieser Richtung vielleicht etwas unternehmen?"

"Ich werde es auf jeden Fall probieren. Ich brauche seinen Namen und sein Geburtsdatum. Er hat ja mal bei uns gearbeitet, vielleicht gibt es noch einige Daten von ihm in unserer Personalabteilung", meinte Hans-Werner.

"Das wäre lieb von dir. Felicitas braucht das Geld, das ihr zusteht, für die Kinder und die Wohnung. Wie geht es den Mädchen?", wollte Andrea noch wissen.

Hans-Werner erzählte, was sie den ganzen Tag gemacht hatten und wo sie derzeit waren. Er hielt das Telefon in die Luft, damit Andrea das fröhliche Lachen und Jauchzen der beiden hören konnte.

"Nachher gehen wir noch einkaufen, damit wir die nächsten paar Tage was zu essen haben. Bisher hatte ich nicht viel zuhause und das was da ist könnte ich den Kindern nicht geben. Ach Andrea, ich habe wirklich Angst zu kommen. Was ist wenn sie mich nicht sehen will, oder wenn sie nicht möchte, dass die Kinder bei mir bleiben?"

"Du magst die Kleinen wirklich?" fragte Andrea.

"Ja, ich habe festgestellt, dass mir ohne sie etwas fehlen würde. Anders kann ich es nicht sagen."

"Wir werden übermorgen sehen was passiert, Hans-Werner. Mach dir mal keine allzu großen Gedanken. Wird schon gut gehen. Tschüs, Bruderherz."

Aber er machte sich Gedanken und sein Herz wurde etwas schwer. Aber als er den beiden Kindern beim Herumtollen zusah, besserte sich sein Zustand zusehends.

*

Beim Einkaufen hatten Fabienne und Laura die freie Auswahl, was sie essen wollten und zu seinem Erstaunen traf Fabi eine erstaunlich vernünftige Auswahl an Lebensmitteln. Trotzdem legte Hans-Werner noch ein paar Süßigkeiten Laura in den Schoß, was sie strahlen lies wie einen Lottogewinner. Sie saß wie eine Prinzessin im Einkaufswagen und bewachte die Einkäufe, als wenn alles ihr gehören würde.

Nach dem Abendessen gab es noch etwas Kinderstunde im Fernsehen und ein paar Knabbereien und dann ging es ab in die Wanne. Zum ersten Mal in seinem Leben badete Hans-Werner kleine Kinder und er war schon fast übervorsichtig. Aber alles klappte einwandfrei und als die beiden schließlich im Bett lagen, umarmten und knuddelten sie ihn, dass ihm fast die Tränen kamen. Er wartete bis beide schliefen, dann ging er in die Wohnküche, zündete eine Kerze an und schenkte sich ein Glas Rotwein ein.

Er betrachtet die flackernde Kerze durch das Glas und der schwankende Wein erzeugte verwirrende Reflexe in seinen Augen. Er fürchtete sich immer noch vor dem übernächsten Tag, ein Gefühl, das ihm bisher unbekannt war.

*

Tags darauf brachte er die Mädchen in den firmeneigenen Kindergarten, den sie gut kannten und auch sonst besuchten. Sie standen im Mittelpunkt des Interesses und mussten viel erzählen.

Hans-Werner ging derweil zu seinem Vater Georg, mit dem er ein langes und ausführliches Gespräch hatte.

Er erkundigte sich beim Personalchef nach Frau Wagners Ehemann, erfuhr dessen Namen und sein Geburtsdatum.

Dann hängte er sich an das Telefon und wählte eine Nummer.

"Private Investigation Pinkerton", meldete sich eine Stimme.

Hans-Werner schilderte sein Anliegen und stellte das Ersuchen um eine Personensuche nach Benjamin Wagner. Ihm wurde mitgeteilt, dass es sicher einige Zeit dauern würde, bevor mit einem Ergebnis gerechnet werden konnte, immer vorausgesetzt, dass der Gesuchte nur untergetaucht und noch am Leben war.

Hans-Werner überwies die geforderte Anzahlung und jetzt konnte er nur noch abwarten.

Dann tauchte er unvermutet in seinem Büro auf, wo er seinem Vertreter sein volles Vertrauen aussprach, was dieser erst langsam begriff, denn die Art und Weise, wie Herr Harting mit ihm sprach war er nicht gewohnt. Sonst bekam er kurze und knappe Anweisungen im Befehlston, diesmal wurde er nach seiner Meinung und seinen Vorschlägen gefragt.

Als sich Hans-Werner nach einer Stunde wieder verabschiedete, blieb sein Vertreter leicht verwirrt und benommen zurück.

Mittags holte er die Mädchen vom Kindergarten ab und kochte diesmal selbst, wobei ihm Fabienne und Laura im Rahmen ihrer Möglichkeiten helfen durften.

Das machte den beiden sehr großen Spaß und da schmeckte das Mittagessen doch gleich doppelt so gut.

Die Arbeiten am Grundstück gingen zügig voran, jetzt konnte man es wenigstens wieder vorzeigen, ohne sich gleich in Grund und Boden zu schämen. Der Dschungel war gerade noch gerodet worden, bevor sich die ersten Primaten und Waldelefanten ansiedeln konnten, erklärte ihm der Landschaftsgärtner breit grinsend. Die Auffahrt war von Kraut und Gras gesäubert, die Wege wieder begehbar und der Pool war gereinigt und es wurde schon wieder Wasser eingelassen. Zwar wollten die Mädchen am liebsten gleich hinein springen, aber als sie gefühlt hatten, wie kalt das Wasser noch war, nahmen sie rasch Abstand davon. Mit einem großzügigen Trinkgeld gingen die Gärtner in den Feierabend und bekamen die Zusicherung, dass Nachfolgeaufträge sicher folgen würden.

Als Hans-Werner die beiden abends zu Bett brachte, las er ihnen eine Geschichte zum Einschlafen aus dem Buch vor, das damals schon seine Mutter benutzt hatte. Und es hatte die gleiche Wirkung wie bei ihm.

Zuerst noch volle Aufmerksamkeit, aber schon nach 10 Minuten waren Laura und Fabienne im Land der Träume und schliefen auch die ganze Nacht durch.

*

Je näher er dem Spital kam, um so nervöser und unruhiger wurde Hans-Werner. Auch die Mädchen waren ganz zappelig und aufgeregt, aber vor Ungeduld und unbändiger Freude, endlich ihre Mutti sehen zu können. Sie konnten es wirklich kaum erwarten und hatten ihm schon beim Frühstück erzählt, was sie wohl alles erwarten würde. Hans-Werner hatte die beiden gebeten etwas leise und vorsichtig zu sein, da er nicht wußte, wie es Frau Wagner gehen würde und ob die Aufregung nicht ein wenig zu groß für sie werden würde.

Sie näherten sich dem Krankenzimmer und Hans-Werner schluckte. Er hatte verdammt noch mal gar kein gutes Gefühl bei der Sache.

Laura klammerte sich auf seinem linken Arm an seinem Hals fest und Fabienne zerrte ungeduldig an seiner rechten Hand.

Er klopfte an und eine Stimme, die er als die seiner Schwester erkannte, rief laut: "Herein!"

Hans-Werner schob die Tür auf und betrat den Raum. Mit einem schnellen Blick überschaute er die Situation.

Frau Wagner lag mit blassem Gesicht in einem großen Kissen. Sie hatte einen Kopfverband, der die Wunde an der Stirn verdeckte und der linke Arm war eingegipst. Die Zudecke war bis zum Hals hochgezogen und verbarg die operierte Hüfte.

Andrea saß neben ihr auf einem Stuhl und machte sich auf einem Untersuchungsblatt Notizen.

Ab dem Moment lief für Hans-Werner alles in Zeitlupe ab. Er lies Laura zu Boden gleiten, Fabienne entschlüpfte seiner Hand und mit einem lauten "Mami, Mami" rannten die beiden Kids auf ihre Mutter zu.

Die sah Hans-Werner, riss die Augen weit voller Panik und Angst auf und schrie.

"Raus! Er soll rausgehen! Ich will nicht, dass er hier ist! Weg, weg!"

Frau Wagner versuchte sich aufzurichten, aber Andrea drückte sie vorsichtig zurück.

"Langsam, du darfst dich noch nicht so heftig bewegen."

"Nein, nein, nein. Ich will ihn nicht sehen. Er ist schuld. Er ist ein schlechter Mensch."

Hans-Werner sackte in sich zusammen, drehte sich um und verließ das Zimmer. Leise schloß er die Türe hinter sich. Tränen der Enttäuschung liefen über sein Gesicht. Er setzte sich auf einen Stuhl ein Stück weiter den Gang hinunter. Sein Blick war leer und er nahm nichts wahr. Sie hasste ihn noch immer und war noch nicht bereit zu verzeihen. Würde sie ihm noch die Kinder anvertrauen? Nein, sicher nicht. Wie sollte sie ihm auch vertrauen?

*

Andrea sah, wie die Mädchen ihre Mutter umarmten und küssten. Sie waren von ganzem Herzen froh, dass sie sie sehen konnten und dass es ihr scheinbar wieder besser ging.

Laura blickte sich um.

"Wo ist Onkel Hans? Warum ist er nicht hier?"

Felicitas Wagner stutzte. Wie hatte ihre Kleine den Kotzbrocken genannt? Onkel Hans?

"Wieso nennst du Herrn Harting ( diesen Namen sprach sie nur mit Widerwillen aus ) Onkel Hans? "

"Weil er so lieb zu uns ist", meinte Fabienne, "und weil wir bei ihm wohnen und er für uns sorgt. Schau, was für schöne Kleidchen er uns gekauft hat und noch viele andere Sachen. Wir waren beim Italiener essen, sind einkaufen gegangen und waren auf dem Spielplatz. Onkel Hans hat uns gebadet, in seinem Bett schlafen lassen und am Vormittag in den Kindergarten gebracht. Heute Nachmittag wollen wir in den Spielpark und nach dem Abendessen dürfen wir fernsehen. Ich hab ihn ganz toll lieb."

"Ich auch, ich auch", stimmte ihr Laura zu.

Je länger Fabienne sprach, desto größer wurden Felicitas Augen. Was sollte denn das? Ihre Mädchen mochten diesen Kerl, der beinahe ihr Leben ruiniert hatte? Sie konnte es einfach nicht glauben.

Unsicher sah sie Andrea an.

"Ich dachte, die Kinder wären bei deinem Bruder? Wie kommen sie denn zu dem K . . . .?"

Gerade noch verschluckte die das Wort, das sie in Gegenwart der Mädchen nicht aussprechen wollte.

"Soll das vielleicht heißen, dieser Kerl ist dein Bruder?"

"Ja, dieser Kerl, wie du ihn nennst, ist mein großer Bruder. Er hat die Kinder nach deinem Unfall zu sich geholt und hat sich um sie gekümmert. Hätte er sie vielleicht in ein Heim geben sollen? Als ich gesehen habe, wie liebevoll er zu ihnen war und wie sie diese Zuneigung vergolten haben, hatte ich nichts mehr dagegen. Mein großer Bruder war früher mein Held, mein weißer Ritter, der mich immer beschützt und umsorgt hat."

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