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Der Kotzbrocken

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"Ja, warum ist er dann so ein A . . . . geworden?"

Felicitas konnte gerade noch das Wort unterdrücken, denn sie wollte den Kindern kein schlechtes Beispiel geben.

Andrea seufzte.

"Ich erzähle es nicht gerne. aber HaWe hat vor 7 Jahren seine Frau und seine Tochter bei der Entbindung verloren. Das kannst du nicht wissen, weil du damals noch nicht bei Sanox gearbeitet hast. Seitdem hatte er sich total verändert; er ist so geworden wie du ihn kennst. Hart, unbarmherzig, grob und rücksichtslos gegen sich und andere, als wolle er sich selbst bestrafen für das, was ihm widerfahren ist. Und der Augenblick deines Unfalles hat diese Blockade der Menschlichkeit anscheinend wieder aufgehoben. Jedenfalls ist mein Bruder wieder so wie ich ihn von früher kannte. Nun liegt es an dir, Felicitas, wie es weiter geht."

Felicitas lag wie erschlagen in ihrem Kissen. Sie hatte Mühe, das Gehörte einzuordnen und zu verdauen. Es klang einfach nicht nach dem, wie sie diesen "Harting" kannte.

"Mami?"

Sie zuckte zusammen. Fabienne hatte ihre Hand auf ihren gesunden Arm gelegt und streichelte sie vorsichtig.

"Darf ich Onkel Hans holen, bitte? Er ist nicht böse, glaube mir. Laura und ich sind sehr gerne bei ihm. Er ist so lieb wie ein Papa, viel lieber als unser Papa."

Diese Worte gaben einen Stich in Feli´s Brust. Laura hatte ihren Vater nicht mehr bewusst wahrgenommen, sie war noch ein Baby gewesen, als er sie verlassen hatte. Fabienne dagegen schon und ihr Vater war nicht gerade zärtlich und fürsorglich mit ihr umgegangen, so wie es ein Vater tun sollte. Mehr als einmal mußte sie einiges einstecken, wenn ihm etwas gegen den Strich ging. Und Harting, den sie nur negativ wahrgenommen hatte, sollte so anders sein?

Felicitas sah Andrea zweifelnd an.

Die nickte ihr zu und meinte: "Probiere es einfach aus. Wenn du der Meinung bist dass es klappt, dann sag Ja, wenn nicht, dann nicht."

Felicitas holte tief Luft, schloß kurz die Augen und stieß die angehaltene Luft stoßartig aus.

"Nun gut. Fabi, er soll reinkommen."

"Juhuuuuuu!"

Mit diesem Ausruf der Freude rannten Fabienne und Laura aus dem Zimmer, schauten sich um und sahen Hans-Werner gebeugt in einiger Entfernung auf einem Stuhl sitzen. Sie eilten auf ihn zu, griffen ihn bei den Händen und strahlten ihn an.

"Mami sagt du sollst kommen, Onkel Hans."

Ungläubig stand er auf und lies sich von den beiden zum Krankenzimmer ziehen. Langsam trat er ein, als sei er sich nicht sicher, was ihn erwartete.

*

Felicitas Wagner blickte ihn prüfend und ernst an.

Hans-Werner ging an ihre rechte Seite, nahm ihre Hand und räusperte sich.

"Frau Wagner, ich möchte Sie um Verzeihung bitten für all die Ungerechtigkeiten und Bosheiten, die ich ihnen an den Kopf geworfen habe. Es tut mir unendlich leid, denn was ihnen passiert ist, das habe ich nicht gewollt. Sagen Sie mir, was ich für Sie tun kann."

Felicitas schluckte ob der unerwarteten Worte. Sie überlegte einen kleinen Augenblick.

"Ich möchte Sie auch um Vergebung bitten wegen des Kraftausdruckes, den ich ihnen gegenüber angewendet habe, Herr Harting."

"Ach das, das war doch nur gerechtfertigt und ist in der Zwischenzeit längst vergessen und begraben. Ich hoffe, dass ich nie mehr so einer sein werde. Ihr Unfall hat mich sehr betroffen gemacht und alles bei mir wieder ins Rechte gerückt. Ich werde Ihnen all die Unterstützung geben, die Sie brauchen, um wieder vollständig gesund zu werden."

"Nicht doch, Herr Harting, ich bin ja so froh, dass Sie sich um meine Mädchen kümmern. Das war meine allergrößte Sorge gewesen. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Die Kinder sehen etwas in Ihnen, dass mir bisher verborgen war."

"Aber Frau Wagner, das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Ich musste mich einfach um sie sorgen. Sollte ich vielleicht zulassen, dass sie in ein Heim gesteckt werden, bis sie wieder aus dem Krankenhaus kommen. Und danach noch die REHA. Das wollte ich den Kleinen nicht zumuten."

"Herr Harting . . . . "

Andrea schnaubte heftig die Luft durch ihre Nase.

"Frau Wagner, Herr Harting. Mensch, er heißt Hans-Werner und sie ist Felicitas. Ihr seid ja so förmlich wie alte Leute, dabei seid ihr beide noch jung und habt euer ganzes Leben vor euch. Ich kann da gar nicht mehr zuhören."

Hans-Werner lachte. Das sagte seine Schwester, die sechs Jahre jünger war als er. Er beugte sich nach vorne und ergriff die rechte Hand der Patientin.

"Felicitas, ein schöner Name. Er passt zu einer schönen Frau, wenn ich das sagen darf. Also, ich bin Hans-Werner, wie vielleicht schon gehört und nicht ( dabei warf er Andrea einen mißbilligenden Blick zu ) HaWe, wie mich meine Schwester immer nennt."

"HaWe finde ich aber schön", bemerkte Fabienne und lachte ihn an.

Hans-Werner verdrehte die Augen.

"Oh Gott, Kinder, Kinder, Kinder. Lasst euch von den beiden Frauen nicht jeden Unsinn beibringen."

Laura kam zu ihm gelaufen, krabbelte auf seinen Schoß, legte ihre kleinen Arme um seinen Hals und gab ihm einen Schmatzer auf die Wange.

"Ich hab dich ganz doll lieb, Onkel HaWe", sagte sie im Brustton der Überzeugung.

Felicitas und Andrea lachten.

Hans-Werner seufzte.

"Was soll ich denn da noch sagen? Vier gegen einen ist einfach unfair."

Er ergab sich seinem Schicksal und kapitulierte vor dieser Übermacht.

*

Ein entspanntes und lockeres Gespräch nahm seinen Anfang.

Hans-Werner hatte vergessen, dass er Felicitas Hand immer noch hielt und sanft ihren Handrücken streichelte. Er schaute in ihre braunen Augen und versank darin. Schmale Augenbrauen gaben ihrem Gesicht mit der geraden Nase und den geschwungenen Lippen ein faszinierendes Aussehen, das ihn in seinem Bann hielt.

So wie jetzt hatte er sie noch nie wahrgenommen, als Frau und Mutter. Eigentlich war sie ihm immer als ein lästiges Ärgernis erschienen, das ihm nur Probleme bereitete.

Und jetzt saß er an ihrem Krankenbett, hatte Laura auf dem Schoß und träumte mit offenen Augen. Die Unterhaltung floß an ihm vorbei wie ein träger Strom, der sich langsam in seinem Bett bewegte.

Er sah nur noch Feli´s Augen und den Blick, mit dem sie ihn musterte.

„He, HaWe, aufwachen! Schläfst du?"

Hans-Werner zuckte zusammen und blinzelte erst einmal mit den Augen, als er aus seinem Traumland gerissen wurde.

Andrea rüttelte ihn am Arm und grinste ihn breit an.

Hans-Werner räusperte sich und ein Schuld bewußter Blick lag in seinen Augen.

„Tut mir leid, ich war gerade woanders."

„Ich habe es bemerkt", sagte Andrea und schaute ihn schmunzelnd an. „Darf ich wissen, wo du warst, Bruderherz?"

Er schüttelte bestimmt den Kopf.

„Nein, das ist persönlich."

Jetzt bemerkte er, dass Felicitas ihre linke Hand auf seine gelegt hatte und seine Streicheleinheiten erwiderte. Meine Güte, wie gut sich das anfühlte. Wie lange hatte er das nicht mehr gehabt. Lange, viel zu lange. Seine Augen wurden feucht, als ihn die Emotionen zu übermannen drohte.

Felicitas schien zu bemerken, dass etwas Besonderes in Hans-Werner vorging, denn ihr Händedruck wurde fester. Als ihr Blick sich mit dem ihres Gegenüber verschmolz, überzog sich ihr Gesicht mit einer zarten Röte.

´Was um Himmels Willen ist denn mit mir los?` stellte sie sich die Frage und hatte etwas Angst vor der Antwort. Nicht nur ihre Kinder mochten den . . . , den . . . , ja wie sollte sie ihn nennen? Nein, auch sie begann bestimmte Gefühle für Hans-Werner Harting in sich zu entdecken, die sie erschreckten. Konnte es sein, dass sie Sympathie für den Mann entwickelte, den sie bis vor kurzem noch so gehasst hatte? Sie schaute in seine braunen Augen, die sie mit tiefer Zuneigung statt voller Zorn und Widerwillen anblickten.

Andrea bemerkte mit Verwirrung, dass sich etwas ganz Besonderes zwischen ihrem Bruder und Frau Wagner entwickelte. Sie hielt Fabienne fest und schüttelte den Kopf, als das Mädchen zu ihrer Mutter gehen wollte.

„Warte ein wenig, Fabi", flüsterte sie ihr zu. „Ich glaube, die beiden beginnen sich gerade kennen zu lernen und versuchen sich über ihre Gefühle klar zu werden. Lassen wir ihnen noch etwas Zeit."

Sie pflückte sich Laura von Hans-Werners Schoß und ergriff Fabis Hand.

„Wir geh´n mal vor zum Kiosk ein Eis essen", sagte sie. „Sollen wir euch was mitbringen?"

Keine Antwort. Kein Nein oder Ja, nicht mal ein Kopfschütteln oder Nicken. Die Beiden waren in ihrer eigenen Welt und sahen momentan nur sich.

*

Hans-Werner atmete tief durch.

„Können wir noch einmal ganz von vorne beginnen?", fragte er Felicitas. „Ich meine wirklich ganz von vorne. Was passiert ist, kann ich leider nicht ungeschehen machen, aber ich werde dir helfen wo ich nur kann. Ich weiß, was auf dich zukommt."

„Woher willst du das wissen? Hast du Andrea gefragt?"

„Nein, das habe ich alles schon selbst erlebt. Ein Absturz beim Bergsteigen hat mir ebenfalls links eine neue Hüfte beschert. In der Beziehung sind wir also Zwillinge. Vertrau mir bitte, Felicitas, du wirst wieder ganz gesund und dafür setze ich mich mit all meiner Kraft ein. Nach der Reha sorge ich für einen Therapeuten für die Gymnastik und das Training können wir im Pool machen. . . . oh, entschuldige, ich plane dich schon ein, dabei weiß ich nicht einmal, ob dir das recht ist."

Felicitas schaute Hans-Werner verblüfft an. Mit so etwas hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Mit einem Mal erschien er ihr in einem vollkommen anderen Licht. Sie griff erneut nach seiner Hand, drückte sie und hielt sie fest.

Was war es nur, das ihre beiden Mädchen so zu diesem Mann hinzog? Man sagte ja, dass Kinder und Tiere den wahren Charakter eines Menschen schneller und besser erkennen konnten als Erwachsene.

Und Fabienne und Laura waren geradezu vernarrt in Hans-Werner.

Felicitas schaute ihn zum ersten Mal genauer an. Er war groß, breit gebaut und wirkte selbstsicher. Ein markantes Gesicht mit vielleicht etwas harten Konturen, dunkelbraunen Augen und dichten Brauen, vollem braunem Haar und ein Dreitagebart gaben ihm ein attraktives, männliches Aussehen. Einige Falten um die Mundwinkel und die Augen ließen sie ahnen, dass nicht alles in seinem Leben eitel Sonnenschein gewesen war und diese Ereignisse hatten sich in seinem Gesicht eingegraben.

Sie fühlte seinen Blick auf ihrem Gesicht ruhen.

*

Hans-Werner sah Felicitas entspannt aber nachdenklich in ihrem Kissen liegen.

„Was kommt denn alles auf mich zu?" wollte sie wissen. „Und wie geht es nach der Reha weiter? Was ist mit meinen Kindern und was passiert mit der Wohnung? Werde ich wieder ganz gesund werden? Ach, Hans-Werner, ich habe so viele Fragen und keine Antworten."

„Nun mach dir mal nicht allzu viele Sorgen, Felicitas, das wird schon werden. Nachdem Krankenhaus kommst du in die Rehaklinik, wo du für vier Wochen behandelt und umsorgt wirst. Massagen, Bäder, Untersuchungen, Gymnastik und viel Wassertherapie sorgen dafür, dass deine Tage kurz und nicht langweilig werden. Gutes Essen wird für dein leibliches Wohl sorgen und die ganzen Vorträge, an denen du teilnehmen darfst und musst, vertreiben jegliche Langeweile. Aber du hast auch genügend Freizeit. Und an den Wochenenden kommen die Mädels und ich dich besuchen."

„He, das klingt ja fast wie Urlaub." Feli schaute Hans-Werner amüsiert an. „Und dann, was ist danach?"

„Das liegt ganz bei dir", meinte er ernst. „Du kannst entweder wieder in deine Wohnung zurückkehren, die Miete ist für die nächsten drei Monate bezahlt, ich besorge dir eine besser bezahlte Arbeitsstelle, damit du gut über die Runden kommst, oder . . . ." Er zögerte und machte verlegen eine Pause.

„Oder?" hakte Felicitas nach.

„Oder du kannst mit deinen Kindern bei mir im Haus wohnen. Ich habe viel Platz, für mich alleine ist es viel zu groß und war auch so eigentlich nicht geplant."

Hans-Werner verstummte, als die Erinnerungen wieder in ihm hoch kamen und zwei Tränen erschienen in seinen Augenwinkeln.

Felicitas bemerkte seinen Zustand, warf alle Ressentiments über Bord. Sie richtete sich auf, legte ihren rechten Arm um ihn und zog ihn gegen ihre Brust.

Sie bemerkte, wie ihr Nachthemd von seinen Tränen feucht wurde. Hans-Werner weinte und er weinte sich all seine Frustrationen von der Seele.

Er wollte sich aufrichten, aber Felicitas hielt ihn weiter umklammert.

„Entschuldige, dass ich mich so habe gehen lassen", meinte er schließlich.

„Lieber so, als auf die alte Art und Weise", stellte sie fest.

„Das wird nie wieder vorkommen, das verspreche ich dir. Ich glaube, ich habe dazu gelernt."

„Du sagst ich dürfte nach der Reha bei dir wohnen, ist das ernst gemeint? Meine Kinder scheinen sich ja bei dir sehr wohl zu fühlen. Was hast du mit ihnen gemacht?"

Hans-Werner richtete sich auf und schaute sie betroffen an.

„Nichts, Felicitas, ich habe sie nur so behandelt, wie ich mit meiner eigenen Tochter umgegangen wäre, wenn ich die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Deine Mädels sind so lieb und umgänglich, ich glaube die könnten mir auf der Nase herum tanzen und ich würde es hinnehmen."

„Unterstehe dich, verwöhne sie nicht zu sehr. Aber sie mögen dich schon mehr als ihren Vater und das gibt mir sehr zu denken. Bei Laura verstehe ich es, sie war ja noch ein Baby, als Benjamin uns verlassen hat. Sie hat ihn nie richtig als Vater kennen gelernt. Und Fabi hat wenig gute Erfahrungen mit ihm gemacht. Scheinbar bist du mehr als nur ein Ersatz für sie. Ich möchte verstehen was es ist, was sie in dir sehen. Was meinst du dazu?"

„Ich möchte dich auch viel besser kennen lernen, Felicitas. Und das nicht nur um dir zu zeigen, dass ich nicht nur eine dunkle und böse Seite habe. Du bist eine schöne und interessante Frau, der ich meine bessere Seite nahebringen möchte. Du gefällst mir und zwar nicht nur wegen deinen charakterlichen Eigenschaften, sondern auch die Frau macht mich neugierig."

„Du sollst sie kennenlernen, mein Lieber. Hilf mir mal auf."

„Du darfst noch nicht alleine aufstehen, Liebes."

Hans-Werner schluckte, als er bemerkte, was ihm da heraus gerutscht war.

Felicitas kicherte, als sie feststellte, dass ihm eine gesunde rote Gesichtsfarbe gut stand.

„Nicht aufstehen, HaWe, nur die Rückenlehne höher stellen."

Hans-Werner verdrehte in gespielter Verzweiflung die Augen, als er seinen Spitznamen aus Feli´s Mund vernahm. Er stellte die Rückenstütze höher und da er sich dabei vorbeugen musste, kam er ihrem Gesicht sehr nahe.

Und dann verspürte er plötzlich ihre Lippen auf seinem Mund.

Es war als wenn Blitz und Donner gleichzeitig bei ihm einschlugen und dann überrollte ein Tsunami längst vergessener Gefühle über ihn hinweg. Der zunächst nur zärtliche Kuss wurde fordernder und leidenschaftlicher.

Plötzlich öffnete sich unverhofft die Türe des Krankenzimmers und Andrea, Fabienne und Laura sahen, wie Felicitas und Hans-Werner sich nahezu auffraßen.

Die beiden hatten im Rausch ihrer neuen Gefühle gar nicht mitbekommen, dass sie nicht mehr alleine waren.

"Huch!", sagte Fabienne, als sie die beiden eng umschlungen sah. "Ist was passiert?"

Felicitas und Hans-Werner fuhren erschrocken auseinander. Verlegen blickten sie sich an und wußten im ersten Augenblick nicht was sie sagen sollten.

Andrea´s Gesicht überfuhr ein verstehendes Lächeln.

"Ich glaube eure Mama und mein Bruder sind auf dem besten Weg sich neu kennen zu lernen und zu verstehen. Ist doch schön, oder?"

Laura sprang zu Hans-Werner, lies sich auf die Arme nehmen und drückte ihn. Dann krabbelte sie zu ihrer Mutter aufs Bett und lies ihr die gleiche Umarmung zukommen.

Fabienne nahm die Hände der beiden Erwachsenen und ihre Frage "sind wir jetzt eine Familie?" erzeugte verlegenes Hüsteln und eine tiefrote Gesichtsfarbe bei Felicitas und Hans-Werner.

Eine Antwort auf ihre Frage bekam sie natürlich nicht, denn soweit waren die beiden doch noch nicht. Sie waren eher überrascht von dem was eben passiert war und hatten es selbst noch nicht ganz begriffen.

Aber Felicitas war am Ende der Besuchszeit zu der Überzeugung gekommen, dass ihre Mädchen bei Hans-Werner gut aufgehoben und versorgt waren. Sie hatte im Laufe der letzten Stunden gesehen, wie er mit Fabienne und Laura umging und wie sehr die beiden an ihm hingen.

Und sie selbst hatte das Gefühl, von seinen starken Armen gehalten zu werden, sehr genossen. Ihre Lippen brannten und kribbelten immer noch von seinen Küssen und auch Hans-Werner war nicht unbeeindruckt von ihrer Zärtlichkeit geblieben.

So hatten beide etwas, von dem sie in der Nacht träumen konnten.

*

Zwei Wochen später und ganz woanders.

Kristiansand, Norwegen

Mit vollgepackten Tüten und Taschen kam Benjamin Wagner vom Einkaufen zurück.

Ein Woche hatte er nun frei, bevor es wieder per Helikopter zum Statfjord-Ölfeld hinaus ging, wo er als Projektleiter für Forschung und Ölfördermanagement tätig war. Er war stolz, dass er es in kurzer Zeit so weit gebracht hatte. Die berufliche Ausbildung und seine ehemalige Tätigkeit bei SOL hatten ihm Tür und Tor geöffnet. Er hatte ein großes Aufgabengebiet mit viel Verantwortung und verdiente dementsprechend. Ein kleine Mietwohnung reichte ihm, da er immer für drei Wochen auf der Bohrinsel war und nur eine Woche im Monat an Land.

Er war groß, schlank und hatte blondes Haar. Er war unauffällig und konnte als Norweger durchgehen, da er die Landessprache fließend und akzentfrei sprach. Dank seiner Mutter, die Norwegerin war, kannte er auch die Sitten und Gebräuche des Landes. In seiner Jugend hatte er oft die Sommerferien bei seinen Großeltern in Lyngdal verbracht. Keiner seiner Bekannten und Kollegen wußte so richtig, wer er wirklich war, da er ein wenig kontaktscheu war. Über seine Vergangenheit redete er nicht oder nur sehr vage und das aus gutem Grund.

Aber jetzt hatte er erst einmal eine Woche frei; Angeln und Segeln war angesagt. Fröhlich vor sich hin pfeifend lud er seinen Volvo aus und trug seine Einkäufe zur Wohnungstür.

Plötzlich merkte er dass er nicht mehr alleine war.

Zwei ihm unbekannte Männer in unauffälliger Kleidung standen rechts und links von ihm und nahmen ihn in ihre Mitte.

„Herr Wagner? Benjamin Wagner? Können wir mit ihnen reden?"

Ein Ausweis wurde ihm vor das Gesicht gehalten.

`Private Investigations Pinkerton` stand da geschrieben.

Benjamin zuckte zusammen und erschrak. Tausend Gedanken rasten durch sein Hirn.

Verdammt, wer hatte ihm Privatdetektive auf den Hals gehetzt?

Felicitas? Nein, die hatte nicht die notwendige Kohle für so etwas.

Die deutschen Behörden oder gar die Bundespolizei? Auch nicht wahrscheinlich, denn die hätten sich an die norwegischen Kollegen gewendet, damit die tätig würden. Er kam nicht drauf und seufzte.

„Also gut, kommen sie mit rein."

Benjamin Wagner bot den beiden einen Platz an, er war ja zivilisiert, dann fragte er.

„Was führt sie zu mir?"

„Wir kommen im Auftrag der Firma Sanox, ihrem ehemaligen Arbeitgeber. Es geht um die ausstehenden Zahlungen von Unterhalt für ihre Frau und die beiden Kinder für die letzten 34 Monate. Da ist einiges zusammen gekommen."

Also doch Felicitas! Aber wie kam sie zu den „Pinkertons" bei dem geringen Verdienst, den sie hatte? Und wer von Sanox hatte die beiden auf ihn angesetzt?

„Ihrer Frau wurde die Wohnung gekündigt, sie hat ihre Arbeitsstelle verloren und steht nun mit den beiden Mädchen auf der Straße. Und so hat sie einen Vorstand von Sanox um Hilfe gebeten und deshalb sind wir nun hier," flunkerte der Privatdetektiv ein wenig, um Benjamin unter Druck zu setzen. „Und jetzt haben sie zwei Möglichkeiten."

Benjamin verbarg seinen Kopf kurz in beiden Händen. Dann schaute er seine Gegenüber an.

„Und die wären?" fragte er.

„Wenn sie nicht bereit sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen, zu denen sie das Gericht nach ihrer Scheidung in Deutschland verurteilt hat, dann werden wir den Fall der deutschen Polizei übergeben. Ihre Exfrau hat damals nach ihrem Untertauchen eine Vermisstenanzeige aufgegeben, also existiert eine Akte von ihnen bei den deutschen Behörden. Die setzen sich mit den norwegischen Kollegen in Verbindung und die werden dann eines Tages vor ihrer Türe stehen. Der Rest ist dann Sache der staatlichen Organe."

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