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Der Prinz 02

Geschichte Info
Eine Ärztin rettet einem Prinzen das Leben.
31.7k Wörter
4.66
21.5k
11
0
Geschichte hat keine Tags

Teil 2 der 3 teiligen Serie

Aktualisiert 06/10/2023
Erstellt 05/11/2021
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Der Monarch

„Du kannst doch nicht ewig ohne Mann leben!", nervt mich wieder einmal meine Schwester.

Ich bin zum Mittagessen bei ihr und ihrer Familie zu Gast, wie jeden zweiten Sonntag. Diese Treffen sind mir wichtig, weil ich meine Schwester und vor allem meine kleine Nichte über alles liebe. Ich habe sonst keine Familie. Doch, wenn sie wieder mit diesem leidigen Thema kommt, dann könnte ich sie auf den Mond wünschen.

Seit meiner Trennung von Ahmed ist etwa ein halbes Jahr vergangen. Ich habe in dieser Zeit keinen Mann an mich herangelassen. Ich will auch keinen. Ein Assistenzarzt nervt mich zwar immer wieder, ob ich nicht mit ihm ausgehen würde, aber ich habe ihm bisher jedes Mal einen Korb gegeben und werde es auch weiterhin tun.

Von Ahmed habe ich nichts mehr gehört. Ich bin aber recht gut informiert, wie es ihm geht, da ich etwa einmal im Monat seine Schwester sehe. Ich bin mit Amy zusammengezogen. Wir haben uns eine größere Wohnung gesucht und haben nun auch ein Gästezimmer. Das bewohnt Leyla, wenn sie in München zum Shoppen ist. Natürlich ist dies nur ein Vorwand, denn eigentlich geht es nur darum, Amy zu sehen.

Anfangs war es mit dem Sicherheitsdienst schon doch etwas schwierig. Bei ihrem ersten Besuch hat ein Leibwächter auf der Couch im Wohnzimmer übernachtet. Das hat uns allen dreien nicht gepasst. Nach meinem Erlebnis mit dem Attentäter, der ja selbst Leibwächter war, hatte ich dabei ein flaues Gefühl im Magen und habe das Leyla, aber auch dem Chef der Sicherheitsmannschaft gesagt. Das hat geholfen. Bereits beim zweiten Besuch hatte Leyla eine Frau für den Personenschutz. Diese war ihr auch sonst fix zugeteilt und Leyla vertraut ihr. Deshalb bewohnt nun sie das Gästezimmer und Leyla schläft, wie vorher ja auch, bei Amy.

„Ich werde nicht ewig ohne Mann bleiben", versichere ich meiner Schwester. „Aber im Moment komme ich auch ganz gut ohne zurecht. Irgendwann wird mir der Richtige wohl über den Weg laufen."

Ich habe ihr nie von Ahmed erzählt. Erstens geht sie mein Liebesleben nichts an und zweitens weiß außer Amy und Leyla niemand von unserer Beziehung. Ich bin der Meinung, das soll auch so bleiben.

„Der Mann, der für dich der Richtige ist, den gibt es nicht. Zumindest fürchte ich das, wenn ich bedenke, dass du schon ewig keinen Freund mehr hattest."

„Ich komme auch so ganz gut zurecht. Wenn ich mich auf einen Mann einlasse, dann muss ich eben das Gefühl haben, dass wirklich alles passt."

„Hat es das schon einmal bei einem Mann?", meint sie skeptisch.

„Du wirst lachen, aber es gab einmal einen Mann, bei dem fast alles gepasst hat."

„Wohl doch nicht alles", grinst sie.

„Wie meinst du das?", frage ich irritiert.

„Sonst wärt ihr doch immer noch zusammen."

„Das war dann etwas komplizierter als nur ein kleiner Fehler."

„Erzähl!", meint sie, nun neugierig geworden.

„Das ist eine ewig lange Geschichte", winke ich ab. „Ein andermal. Ich muss jetzt auch los."

Damit erhebe ich mich, Ich gehe mit meiner Schwester hinaus in den Garten, verabschiede mich von meiner Nichte und meinem Schwager. An der Tür drücke ich nochmal meine Schwester.

„Mach´s gut!", sage ich. „Ich habe dich lieb!"

„Ich dich auch, Schwesterherz."

----

Ich mache mich auf den Weg ins Krankenhaus. Ich habe Abenddienst und hoffe, dass er ruhig verläuft. Sonntags ist das immer so eine Sache. Manche Abende verlaufen ruhig und friedlich, an anderen ist die Hölle los. Bisher habe ich noch nicht herausgefunden, woran das liegt, aber ändern würde das ja sowieso nichts.

Dieser Abend verläuft zum Glück recht ruhig und ich kann mich sogar etwas hinlegen und schlafe dabei auch ein. Allerdings werde ich nach einiger Zeit von einer Krankenschwester aus meinen Träumen gerissen. Es muss etwa Mitternacht sein.

„Dr. Berner, Dr. Berner, kommen Sie schnell."

„Was ist denn los?", frage ich verschlafen.

„Da ist so ein Typ, der fühlt sich nicht wohl."

„Ein Typ, der fühlt sich nicht wohl?", frage ich entgeistert. „Das ist nichts Besonderes in der Notaufnahme."

„Das nicht, aber um ihn herum sind ein Dutzend Leute", verteidigt sie sich. „Der muss ein hohes Tier sein."

„Ein Dutzend Leute? Was suchen die alle in meiner Notaufnahme?"

„Er ist so ein Scheich oder so etwas ähnliches."

„Ach, du meine Güte."

Nichtsahnend stehe ich auf und mache mich noch halb verschlafen auf den Weg in die Notaufnahme. Das Erste, das ich sehe, sind nur Sicherheitsleute.

„Was ist denn hier los?", frage ich in strengem Ton. „Wer hier nichts zu suchen hat, soll in den Wartebereich gehen."

Die Männer drehen sich alle zu mir um und schauen mich überrascht an. Dabei erhasche ich allerdings nur einen kurzen Blick auf die Person, die auf einem der Stühle sitzt.

„Achmed?", frage ich entgeistert. „Äh, Verzeihung, Eure Hoheit?"

Ich glaube zu träumen. Es besteht kein Zweifel. Dort auf dem Stuhl sitzt tatsächlich Ahmed. Als ich näherkomme, steht er auf. Er ist schwach, das sehe ich sofort.

„Hallo Mandy!", begrüßt er mich.

Im ersten Moment weiß ich nicht, wie ich mich verhalten soll. So unvorbereitet auf die große Liebe zu treffen, die sich von mir getrennt hat, überfordert mich. Deshalb entschließe ich mich, vorerst sachlich und professionell zu bleiben.

„Was fehlt Eurer Hoheit?", frage ich.

„Ich habe Fieber und Bauchschmerzen, heftige Krämpfe."

„Kommt, herein in den Behandlungsraum."

Ich stütze ihn und führe ihn in den nächsten Raum. Als sämtliche Sicherheitsleute mit hineinwollen, bremse ich sie aus.

„Ihr wartet vor der Tür. Hier ist nur der Zutritt für Patienten und ärztliches Personal erlaubt."

„Das geht nicht", meldet sich einer der Personenschützer.

„Ob das geht oder nicht, bestimme immer noch ich. Sie können hier draußen genauso gut auf den Kronprinzen aufpassen, wie drinnen. Ich bin Ärztin und werde ihm ganz sicher nichts antun."

„Auf den Monarchen."

„Den Monarchen?", frage ich. „Ist er nicht Kronprinz?"

„Er hat inzwischen die Stelle seines Vaters eingenommen."

„Auch gut. Trotzdem bleibt Ihr vor der Tür."

„Ich gehe trotzdem mit hinein", antwortet er.

„Alle bleiben draußen, habe ich gesagt", fauche ich ihn an. „Ist das so schwer zu verstehen?"

Damit schließe ich die Tür vor seiner Nase und wende mich Ahmed zu. Er sieht blass aus und hat dunkle Augenringe.

„Du hast auch schon besser ausgesehen", sage ich.

„Du warst auch schon charmanter", kontert er.

„Schwester Greta, wir pumpen ihm zur Sicherheit den Magen aus. Bereiten Sie alles vor", erteile ich Anweisungen. „Außerdem nehmen wir Blut ab und testen es auf Toxine."

„Magen auspumpen, Test auf Toxine, nur wegen Übelkeit?", erkundigt sich die Schwester perplex.

„Er wurde vergiftet", sage ich entschlossen.

„Ach ja? Wer soll den Mann denn vergiften?"

„Wollen sie anfangen mit mir zu diskutieren und das Leben des Mannes riskieren?", fahre ich sie an. Ich glaube sie ist von meiner Entschlossenheit überrascht.

„Wenn sie meinen", antwortet Schwester Greta kleinlaut.

Überzeugt klingt sie zwar immer noch nicht, aber zumindest verdreht sie nicht die Augen. Ich kann es ihr nicht verübeln. Sie weiß ja auch nicht, wen wir vor uns haben.

Ich treibe sie zur Eile an und bereite alles vor, um ihm den Magen auszupumpen. Als er den Schlauch im Hals hat und das Auspumpen läuft, nehme ich ihm Blut ab und schreibe dann auf das vorgesehene Formblatt, welche Analysen das Labor vornehmen soll. Neben den normalen Parametern lasse ich es auf alle gängigen Gifte untersuchen.

„Du kennst den Mann?", erkundigt sich Greta, nachdem die Arbeit getan ist und wir darauf warten, dass der Magen leer ist.

„Ich kenne ihn", antworte ich kurz angebunden.

„Wie kommst du auf eine Vergiftung?"

„Weil ich schon einmal miterlebt habe, wie ein Attentat auf diesen Mann verübt werden sollte."

Sie schaut mich mit großen Augen an. Ich sehe deutlich, dass es in ihrem Kopf rattert.

„Du glaubst, es war Absicht?"

„Keine Ahnung. Ich will nur vorsichtig sein."

Unterdessen ist das Auspumpen des Magens abgeschlossen und ich packe alles zusammen. Als Ahmed keinen Schlauch mehr im Hals hat und den Mund ausspülen konnte, wendet er sich an die Schwester.

„Mandy war nicht nur dabei, wie ein Attentat auf mich verübt wurde. Es waren gleich zwei und sie hat eines vereitelt und mir bei beiden das Leben gerettet. Sie weiß, wovon sie spricht."

„Frau Dr. Berner?"

„Ja, sie hat mir schon zweimal das Leben gerettet, deshalb vertraue ich ihr voll und ganz."

Er blickt mich an und auch, wenn er müde und angeschlagen wirkt, kann ich das Leuchten in seinen Augen erkennen, welches ich immer so an ihm geliebt habe.

„Wir behalten dich zur Sicherheit hier", sage ich entschlossen. „Schwester Greta, lassen Sie ein Bett vorbereiten."

„Nein, kein Bett!"

„Aber ich muss dich überwachen. Bevor wir nicht die Ergebnisse aus dem Labor haben, lasse ich dich ganz sicher nicht gehen."

„Na gut, aber danach bin ich weg."

„Du solltest dich ein paar Tage ausruhen."

„Im Krankenhaus?"

„Warum nicht?"

„Weil ich, wie du weißt, Krankenhäuser nicht ausstehen kann."

„Mensch Ahmed, denk doch an deine Gesundheit!"

„Und, wenn ich in die Villa ziehe?"

„Ohne medizinisches Personal?"

„Du und Amy könnt Euch um mich kümmern."

„Na klar, du lässt wieder die Frau Bundeskanzler anrufen."

„Wenn es sein muss", grinst er. „Ich denke, es geht diesmal aber auch ohne sie."

„Ist Leyla auch hier?"

„Nein, sie ist zuhause."

„Soll ich sie anrufen?"

„Ja bitte!"

Ich gehe kurz hinaus und hole mein Handy aus der Tasche. Leylas Nummer habe ich eingespeichert. Schon nach dem zweiten Klingeln ist sie dran.

„Hallo Mandy, schön dich zu hören. Was ist los?"

„Dein Bruder ist bei mir im Krankenhaus. Ich fürchte, er sollte vergiftet werden."

„Wie geht es ihm", erkundigt sie sich besorgt.

„Den Umständen entsprechend gut. Aber du kennst ja den Sturkopf. Er will nicht hierbleiben."

„Lass mich raten, er möchte in die Villa."

„Du hast es erfasst."

„Ich leite alles in die Wege", erwidert sie. „Möchte er dich und Amy für die Versorgung haben oder ist das zwischen Euch noch immer nicht so in Ordnung?"

„Er möchte uns zwei als medizinische Betreuung", antworte ich schmunzelnd.

„Dann bin ich beruhigt. Kannst du ihn mir kurz geben?"

„Natürlich."

Ich bin während des Gesprächs zurück ins Behandlungszimmer gegangen. Ahmed schaut mich schon neugierig an.

„Leyla möchte dich sprechen", sage ich ihm.

Dabei reiche ich ihm mein Handy und er bestätigt seiner Schwester, dass es ihm halbwegs gut geht und sie alles Notwendige in die Wege leiten soll.

----

Keine Stunde später ist Amy bei mir und ein Krankenwagen steht für den Transport in die Villa bereit. Außerdem sind der Klinikdirektor und der Botschafter in der Notaufnahme. Schwester Greta schaut mich verdutzt an.

„So ein Aufmarsch. Wer ist denn der Herr?"

„Er ist der Monarch von Darlam. Wir haben Glück, dass ihm nicht auch noch die Frau Bundeskanzler ihre Aufwartung macht."

„Du spinnst!"

„Nein, ich bin ganz normal. Besondere Persönlichkeiten genießen eine besondere Behandlung."

„Und du kennst ihn persönlich?"

„Ja", bestätige ich das Offensichtliche. Mehr aber sage ich nicht. Sie muss ja nicht alles wissen.

Schwester Greta schaut mich mit großen Augen an. Ich habe den Eindruck, dass sie nachfragen möchte. Doch da mache ich mich bereits auf den Weg und nehme ihr damit die Möglichkeit, neugierig zu sein. Ich eile in die Krankenhausapotheke und hole mir die erforderlichen Medikamente, um eine Behandlung gegen die gängigsten Vergiftungen einleiten zu können. Keine Stunde später fahren wir auch schon bei der Villa vor.

„Leyla dürfte in etwa einer Stunde hier sein", informiert mich Amy. Sie ist einerseits besorgt wegen Ahmed, andererseits aber auch glücklich, weil sie ihre Geliebte wiedersieht.

„Das freut mich für dich", sage ich und nehme sie in den Arm. „Bringen wir ihn rein."

Ich gehe zurück zum Rettungswagen. Ahmed und ich sind mit diesem gefahren. Auch wenn es kein Problem gewesen wäre, die Fahrt mit einem Privatauto zu unternehmen, hat Leyla drauf bestanden. Ich helfe ihm beim Aussteigen und stütze ihn, als wir auf den Eingang zugehen.

„Da sind wir wieder", meint er.

„Kommen bei dir Erinnerungen hoch?", erkundige ich mich.

„Ja, sehr schöne."

„Meine sind gemischt", gebe ich ehrlich zu.

Ahmed bleibt stehen und schaut mich an. Er scheint nicht zu verstehen, was genau ich meine.

„Die Zeit in diesem Haus war schön. Das Ende weniger."

„Ich musste das tun", beharrt er.

„Einen Scheißdreck musstest du tun."

Nachdem wir uns wieder in Bewegung gesetzt haben, bleibe nun ich stehen und schaue ihn verletzt an.

„Das wäre meine Entscheidung gewesen. Ich bin alt genug und mündig."

„Du hast keine Ahnung, auf was du dich da einlassen würdest."

„Hältst du mich für so naiv?"

„Nicht naiv."

„Sondern?"

„Es ist eine Welt, die du nicht kennst."

Ein wenig verärgert gehe ich weiter. Diese Diskussion hatten wir bereits und ich habe die Hoffnung aufgegeben, mit ihm darüber eine konstruktive Ebene zu finden.

„Lassen wir das", sage ich verärgert.

Dabei setze ich mich wieder in Bewegung. Die Sicherheitsleute um uns herum beobachten uns argwöhnisch. Unser ständiges Stehenbleiben und Weitergehen, kommt ihnen wohl komisch vor. Allerdings trauen sie sich nicht, etwas zu sagen.

Wir betreten das Haus und ich bringe Ahmed ins Wohnzimmer. Dort setzte ich ihn auf die Couch.

„Kann ich dir etwas bringen? Ein Glas Wasser vielleicht?"

„Mann, Mandy, sei nicht beleidigt. Ich meine es nur gut."

„Wenn du es gut mit mir meinen würdest, dann würdest du mich aufklären, mir Ratschläge geben, mich aber am Ende selbst entscheiden lassen. Das ist Bevormundung und nichts anderes."

Ich sage das so entschlossen, dass er nichts mehr darauf antwortet und etwas den Kopf zwischen die Schultern zieht. Er geht auf Tauchstation, na super!

„Ein Glas Wasser wäre nicht schlecht", meint er und wechselt damit das Thema.

Ich stehe auf, gehe in die Küche und hole ein Glas, das ich mit Wasser fülle und kehre damit zu Ahmed zurück. Ich setze mich neben ihn, aber wir schwiegen. Ich wüsste auch nicht, was ich noch sagen soll.

In dem Moment kommt Amy zur Tür herein. Sie blickt sich um und als sie mich anschaut, zieht sie beide Augenbrauen nach oben.

„Man sollte hier drinnen die Heizung anmachen. Es wirkt unterkühlt", meint sie.

„Alles gut", sage ich und stehe auf. „Bleibst du bei ihm?"

Ohne auf Amys Antwort zu warten, gehe ich hinaus in den Garten. Ich brauche dringend Luft, denn ich habe das Gefühl, zu ersticken. Deshalb schlendere ich dahin und versuche meine Gedanken zu ordnen. Sein Auftauchen hat mich wieder völlig aus der Bahn geworfen. Seit Schwester Greta mich aus dem Schlaf gerissen hat, hatte ich keine Zeit, über uns nachzudenken. Doch jetzt bricht alles wieder auf mich herein.

Mühsam hatte ich mich damit abgefunden, ihn nie wieder zu sehen. Selbst, wenn Leyla von ihm erzählt hat, wenn sie zu Besuch bei Amy war, habe ich versucht den Schmerz auszublenden. Das hat funktioniert, sobald ich mir eingeredet habe, dass Leyla über jemand anderen spricht und nicht über Ahmed. Natürlich gehört ihm immer noch mein Herz, aber ich habe mir vorgemacht, ich könnte ihn vergessen und ich sei allmählich über ihn hinweg.

Dass er heute so überraschend vor mir stand, war beinahe ein Schock. Alle Versuche, ein wenig Abstand zu ihm zu gewinnen, waren schlagartig zunichte gemacht. Die alten Gefühle sind wieder hochgekocht, intensiver als jemals zuvor. Als ob alles Versäumte nachgeholt werden müsste, war es noch viel schlimmer als jemals zuvor.

Warum muss das ausgerechnet mir passieren? Hätte es nicht so bleiben können, dass ich ihn nicht mehr sehe und es irgendwann schaffe, mich von ihm zu lösen. Warum muss er ausgerechnet nach München kommen und warum muss ausgerechnet hier ein neues Attentat auf ihn verübt werden?

Warum musste er ausgerechnet in das Krankenhaus kommen, in dem ich arbeite? Naja, er vertraut mir. Zumindest auf diese Frage kenne ich die Antwort. Aber alles andere ist wohl Schicksal. Warum muss es so grausam sein.

Ich blicke in die Ferne, als sich mir jemand nähert und schließlich neben mir stehen bleibt. Ich muss nicht schauen, wer zu meiner Linken steht, ich weiß es auch so.

„Hallo Leyla. Schön, dich wiederzusehen."

„Hallo Mandy", grüßt auch sie mich. „So schlimm?"

„Noch viel schlimmer! Ich liebe ihn."

Sie dreht sich mir zu und ich drehe mich zu ihr, damit wir uns umarmen können. Sie drückt mich ganz fest an sich und ich habe sofort das Gefühl, sie weiß, was in mir vorgeht.

„Du hast ihm schon wieder das Leben gerettet. Langsam wird das zu einer Gewohnheit", kichert sie. „Danke! Wenn er dich nicht hätte. Du bist sein Schutzengel!"

„Warum stößt er mich dann von sich?"

„Weil er dich liebt."

„Das ist eine komische Art, seine Liebe zu zeigen."

„Er ist ein Mann, ein Araber und er ist Ahmed."

„Eine sehr komplizierte Mischung", bestätige ich.

„Hast du versucht, noch einmal mit ihm zu reden?"

„Natürlich!"

„Und?"

„Nichts und. Er ist stur, wie ein alter Esel."

„Das ist Ahmed", grinst sie. „Versuch es weiter."

„Meinst du?"

„Mach ihm keinen Vorwurf, zeig ihm, dass du ihn liebst. Das ist sein wunder Punkt."

„Und wenn es mir dabei das Herz zerreißt?"

„Macht es das nicht auch so?"

„Wahrscheinlich schon."

„Dann hast du ja nichts zu verlieren."

„So gesehen hast du auch wieder Recht."

„Komm, lass uns ins Haus gehen. Ich glaube es gibt Frühstück."

Erst jetzt wird mir klar, dass der Morgen schon lange angebrochen ist. Die Nacht ist definitiv vorbei und wir machen uns auf den Weg ins Esszimmer. Dabei machen wir einen Umweg durch das Wohnzimmer und nehmen Amy und Ahmed mit.

Beim Frühstück plaudern die anderen drei recht angeregt. Während sie am Buffet ordentlich zuschlagen, gebe ich mich mit einer Tasse Kaffee zufrieden und sitze recht still da. Einerseits bin ich müde, weil ich mir fast die ganze Nacht um die Ohren geschlagen habe, andererseits bin ich immer noch in Gedanken. Ich höre nicht auf das, was die anderen um mich herum reden und bin geistig abwesend.

„Erde an Mandy, Erde an Mandy", werde ich aus meinen Gedanken gerissen.

„Ja?", frage ich überrascht.

Ich schaue mich um und muss feststellen, dass Amy und Leyla verschwunden sind und ich mit Ahmed alleine bin.

„Wie geht es dir?", wiederholt er seine Frage.

Ich muss mich zusammenreißen und erst einmal durchatmen, bevor ich ihm antworte. Sonst würde ich ihn anschreien und ihn fragen, wie es mir schon gehen soll. Aber dann denke ich an das, was Leyla mir geraten hat, dass ich Vorwürfe vermeiden soll. Deshalb bemühe ich mich um Besonnenheit.

„Dein Auftauchen hat mich aus der Bahn geworfen."

„Das hätte ich nicht bemerkt. Du hast wie immer, schnell und effizient reagiert. Deine Krankenschwester hat dich für verrückt erklärt, weil du eine Vergiftung vermutet hast."

„Hat sie das gesagt?"

„Gesagt nicht, aber ihr Gesichtsausdruck sprach Bände."

„Bei einem normalen Patienten hätte ich auch nicht sofort auf eine Vergiftung getippt. Dein Glück war, dass du zu mir gekommen bist."

„Meine Worte. Meine Sicherheitsleute wollten mich in ein anderes Krankenhaus bringen, weil es näher gewesen wäre. Aber ich hatte gehofft, dass du Dienst hast."

„Und, wenn ich nicht da gewesen wäre?"

„Dann hätte ich dich rufen lassen."

„Dann hattest du wohl Glück."

Er schaut mir intensiv in die Augen. Einige Zeit sagen wir beide nichts mehr. Die Stille, die dabei entsteht, ist gar nicht peinlich, denn wir konzentrieren uns beide nur auf die Intensität, mit der wir uns anblicken.

„Ich würde mich gerne hinlegen. Die letzte Nacht haben wir beide keinen Schlaf bekommen."

Wir erheben uns und ich begleite Ahmed in sein Zimmer im ersten Stock. Er ist noch schwach, aber ich habe den Eindruck, dass das Auspumpen des Magens eine weitere Verschlechterung des Zustandes verhindert hat. Dass er sich ausruhen will, ist für mich ein gutes Zeichen.