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Der Prinz 03

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„Das ist mir klar. So wird es also dann immer gehen, wenn das Krankenhaus einmal steht?"

„Mir wäre lieber, wir könnten vorher schon anfangen, aber zumindest sollten wir überlegen, die Zeit bis dahin zu nutzen, damit zum Start des Krankenhauses alles bereitsteht."

„An was denkst du?"

„An einen funktionierenden Rettungsdienst. Wir brauchen die Fahrzeuge und wir müssen Leute zur Ausbildung schicken. Ein großer Wunsch wäre ein Hubschrauber. Es gibt hier doch auch einige abgelegene Gegenden."

„Das leuchtet ein. Wir sollten die Sache angehen."

„Müssen wir Ahmed fragen?", erkundige ich mich.

„Nein, das fällt alles in meinen Zuständigkeitsbereich."

„Gut, dann werde ich dir in den nächsten Tagen einen Plan vorlegen."

„Wie lange dauert der Bau des Krankenhauses? Wann können wir damit rechnen, bis es in Betrieb genommen werden kann?", erkundigt sich Mohammed.

„Wenn alles so läuft, wie wir es geplant haben und ich den nötigen Druck mache, dann in drei bis dreieinhalb Jahren."

„So lange dauert das?"

„Mein lieber Mohammed, das ist ein Krankenhaus und keine Ferienvilla."

„Du hast ja Recht. Ich frage mich nur, ob wir so lange warten sollten?"

„Werden wir müssen, schneller geht es echt nicht."

„Wir könnten neben der Rettung auch ein provisorisches Krankenhaus aufbauen. Dann hätten wir bereits Ärzte, Pfleger und alles was es braucht schon zur Übersiedlung parat und könnten in der neuen Struktur sofort loslegen."

Ich bin überrascht. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass Mohammed einen solchen Vorschlag macht und das ganz von sich aus.

„Hast du eine Idee, wo das entstehen könnte?", frage ich. Er hat meine Begeisterung geweckt.

„Neben der Residenz in der Stadt steht ein Gebäude, das früher als Kloster gedient hat. Ich denke, das wäre bestens geeignet."

„Das steht leer."

„Ja, schon seit mehreren Jahren."

„Da würde ich aber auch leichter Ahmed über den Weg laufen."

„Und er würde jeden Tag sehen können, was du großartiges leistest."

Ich schaue ihn an. Der Mann ist ein alter Fuchs. Er will mich und Ahmed zusammenbringen und dazu findet er immer wieder Mittel und Wege, um dabei seinem Ziel wieder ein Stück näherzukommen.

„Wieso plötzlich dieser Vorschlag?"

„Alis gibt es viele. Ich denke, es wäre ein Versäumnis nicht schon jetzt zu helfen, wenn wir es können."

„Da hast du Recht."

Wir haben den Speisesaal erreicht. Es gibt den leckeren Eintopf mit Lamm, der Ahmeds Lieblingsgericht ist. Als ich ihn mit Genuss esse, denke ich an unser erstes Zusammentreffen zurück. Wehmut kommt in mir auf und ich frage mich, warum alles so kompliziert sein muss. Ich bin aber auch dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, den Menschen in diesem Land zu helfen.

Nach dem Essen mache ich mich auf den Weg, um nach Ali zu schauen. Die ersten Stunden nach einer Operation sind immer entscheidend. Ich lasse mich von Clarissa zu seinem Zimmer bringen. Ich öffne die Tür und sehe eine Frau und zwei Kinder, die um sein Bett herumsitzen und weinen.

„Was ist denn? Warum weint ihr?"

„Wir sind glücklich", sagt die Frau. „Wir sind dankbar, dass Sie in der Nähe waren und ihm geholfen haben. Wäre Ali auf die Hilfe der Medizinmänner angewiesen gewesen, dann wäre er jetzt ein Krüppel und unsere Familie wüsste nicht, wie sie überleben kann."

Ich gehe auf die Frau zu und nehme sie in den Arm. Mir ist klar, dass sie mit der Situation überfordert ist. Der Schock, dass ihr Mann einen Unfall hatte, hat sie offenbar schwer getroffen.

„Ich habe nur getan, was ich konnte und wofür ich gelernt habe."

„Ali hat mir erzählt, dass sie ihn mit dem Hubschrauber hierher fliegen haben lassen, ihn einen Arbeiter."

„Hätten wir nicht die Arbeiter, dann würde dieser Palast nicht stehen."

„Wie meinen Sie das?"

„Jeder in einer Gesellschaft ist wichtig. Was sollen die großen Herren essen, wenn es keine Bauern gibt, wo sollen die hohen Herren wohnen, wenn es keine Arbeiter gibt, welche die Wohnungen bauen? Was macht eigentlich einen hohen Herrn überhaupt aus?"

„So habe ich das noch nie betrachtet", meint die Frau nachdenklich.

Inzwischen kommen auch die beiden Kinder auf mich zu. Das ältere ist ein Junge, ich schätze ihn auf sieben Jahre. Er streckt mir die Hand entgegen und sagt Danke. Das Mädchen ist etwa fünf. Sie umarmt meine Beine und schaut zu mir hoch.

„Du bist doch die nette Frau aus der Zeitung."

„Die bin ich."

„Ich mag dich. Du hast meinen Papa gerettet."

Ich knie mich hin und umarme sie. Sofort schmiegt sie ihr kleines Köpfchen in meine Halsbeuge.

„Das habe ich gern gemacht."

„Mama sagt, er hatte Glück, dass du da warst."

„Er hat Glück, weil er eine so tolle Tochter und eine so tolle Familie hat."

---

„Wenn wir das provisorische Krankenhaus aufbauen wollen, müssen wir eine Einigung mit den Medizinmännern finden", meint Mohammed nachdenklich.

Ich habe ihm zusammen mit Amy soeben meinen Plan vorgelegt, wie wir ein effizientes Rettungssystem aufbauen können. Auch für die Krankenstation habe ich Pläne vorgelegt. Dazu habe ich mir die Räume mehrfach anschauen müssen. Zweimal habe ich dabei Ahmed aus der Ferne gesehen. Jedes Mal hat es mir einen Stich ins Herz versetzt. Doch die Arbeit tut mir gut.

Amy hat ein paar Tage mit Leyla in München verbracht. Sie mussten Angebote für die Ausstattung des Krankenhauses einholen. Natürlich hätten sie das auch von hier uns tun können, aber in München sind sie ungestört und können die Zweisamkeit besser genießen. Seit die Prinzessin weiß, dass ihr Vater ihre Neigung nicht nur billigt, sondern sie auch teilt, ist sie viel entspannter.

„Ja, wir werden nicht umhinkommen, mit ihnen zu reden", stimme ich zu.

„Deine Aktion auf der Baustelle hat in der Bevölkerung für Aufsehen gesorgt. Bei den Medizinmännern wurde das unterschiedlich aufgenommen."

„Inwiefern?", frage ich.

„Die fortschrittlicheren Leute sind durchaus beeindruckt davon, dass du dem Mann das Bein erhalten konntest. Die anderen fühlen sich jedoch von dir bedroht. Sie haben Angst, dass sie an Einfluss und Ansehen verlieren. Vor allem der Medizinmann, der auf die Baustelle gerufen worden war, hetzt böse gegen dich. Du hättest ihn dastehen lassen, wie einen Idioten, meint er."

„Ich hatte keine Zeit für lange Diskussionen mit ihm."

„Das ist mir schon klar. Du musst es aber aus seiner Sicht sehen. Da kommt eine junge Frau und hilft dem Mann, dem er nicht helfen kann."

„Und nicht helfen würde, weil er nur ein Arbeiter ist. Dieser verlogene Pharisäer."

Mohammed grinst ein wenig. Dann legt er mir den Arm liebevoll um die Schulter.

„Wir haben in zwei Stunden ein Treffen mit dem Rat der Medizinmänner in der Stadtresidenz."

„Werde ich dort Ahmed über den Weg laufen", jammere ich.

„Notgedrungen ist er bei der Sitzung anwesend. Er ist immerhin der Monarch."

„Ach du liebes Bisschen."

„Kopf hoch, mein Mädchen. Du schaffst das. Außerdem bist du die Heldin. Die Zeitungen feiern dich seit der Rettung von Alis Bein. Du bist der Liebling der Medien und das ist gut so. Ahmed, die Medizinmänner und der Rat können dich und das Krankenhaus damit nicht mehr ignorieren. Du hast dich in die Herzen der normalen Menschen geschlichen."

„Dafür werden mich aber die anderen hassen. Wie du richtig sagst, ich bin für einige eine Bedrohung und das werden sie mich spüren lassen."

„Dir war doch von Anfang an klar, dass es nicht einfach wird. Außerdem hast du ja mich", grinst er.

Ich muss auch lachen. Ich liebe diesen Mann. Er ist inzwischen wie ein Vater für mich. Ich umarme ihn.

„Ich bin wirklich froh, dass ich dich habe."

Wir lösen uns aus der Umarmung und ich gehe, mich noch schnell zurechtmachen. Auch Amy macht sich auf den Weg. Sie mischt sich in die Gespräche nicht ein und hält sich zurück, sie ist aber überall dabei. Sie hält dann die ganze Zeit über meine Hand und drückt sie auch immer wieder, um mir zu zeigen, dass sie an meiner Seite ist.

Im Zimmer angekommen schminke mich nur ganz dezent, kleide mich, so wie man es hier von einer Frau erwartet, nicht zu aufreizend und bin dann pünktlich zum Abflug beim Hubschrauber.

„Guten Morgen, Mandy", grüßt mich der Pilot.

„Guten Morgen, Davud. Halt mir bitte die Daumen, das wird heute lustig."

„Was steht denn an?"

„Ich treffe die Medizinmänner."

„Du schaffst das. Da bin ich mir sicher", lächelt er mir aufmunternd zu.

In dem Moment kommt auch schon Mohammed und wir klettern an Bord. Der Flug selbst dauert nicht lange und je näher wir der Stadtresidenz kommen, umso nervöser werde ich. Mohammed scheint dies zu erkennen.

„Du brauchst nicht aufgeregt zu sein. Du hast alles richtig gemacht. Wenn sich jemand Gedanken machen sollte, dann mein lieber Herr Sohn", meint er.

„Das kann schon stimmen, aber dennoch bin ich aufgeregt."

Wir steigen aus dem Hubschrauber aus und machen uns auf den Weg zur Stadtresidenz. Dabei werden wir augenblicklich von Menschen umringt, die sich zufällig dort befunden haben. Sie jubeln mir zu und einige wollen mir die Hand schütteln. Ich mag es nicht, wenn ich dermaßen im Mittelpunkt stehe, aber ich will die Menschen auch nicht enttäuschen. Deshalb schüttle ich die Hände, die mir entgegen gereckt werden.

Als ich dabei einen Moment zu den Fenstern der Residenz hinaufschaue, erkenne ich hinter einem davon einen Mann, es ist Ahmed. Er scheint mich genau zu beobachten. Da er aber zu weit weg ist, kann ich seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen und habe deshalb keine Ahnung, was er über meinen Auftritt denkt.

Nach einiger Zeit und einige Entschuldigungen, dass ich zu einem Treffen muss, später habe ich mich bis zur Residenz vorgearbeitet. Erst als ich den Eingang passiert habe, bleiben die Bürger zurück und ich kann wieder einigermaßen durchatmen. Allerdings fällt mir auch wieder ein, auf was ich zugehe und die Nervosität kehrt zurück. Gleich trete ich zum ersten Mal seit langer Zeit Ahmed gegenüber.

„Du schaffst das", raunt mir Amy zu.

„Du hast leicht reden."

„Du willst das Krankenhaus, also kämpfe dafür!", fordert sie mich auf. „Und wenn das bedeutet, dass du Ahmed gegenübertreten musst, dann mach auch das."

„Du hast ja recht. Ich will das Krankenhaus und ich will jetzt schon damit beginnen."

„Da wirst du zwangsläufig immer wieder mal in seiner Nähe sein. Also einfach Augen zu und durch."

Ich umarme Amy, weil sie für mich da ist. Dann straffe ich mich und gehe auf die Tür des Sitzungssaales zu. Die Wachen deuten eine Verneigung an, die bei mir allerdings nicht nötig wäre. Es ist ein Zeichen, dass sie mich schätzen, und das gibt mir zusätzlichen Mut. Entschlossen trete ich ein und blicke mich um.

An einem Tisch, an dem 15 bis 20 Personen Platz finden können, sitzen fünf ältere Herren. Mohammed raunt mir zu, dass dies der Rat der Medizinmänner ist und der Typ in der Mitte ihr Vorsitzender. Er heißt Faysal. Mohammed informiert mich auch, dass ich sie nicht Medizinmänner, sondern Heiler nennen sollte. Das wäre die offizielle Bezeichnung.

Ahmed ist noch nicht im Raum. Wie mir Mohammed erklärt, ist das, weil der Monarch immer erst den Raum betritt, wenn alle anderen anwesend sind. Ein Monarch wartet nicht. Deshalb setze ich mich Faysal gegenüber, Mohammed setzt sich rechts von mir, Amy nimmt zu meiner Linken Platz.

„Sie sind also die Ungläubige, welche unsere Ordnung durcheinanderbringen will", begrüßt mich Faysal.

„Ich bin Mandy Berner und ich möchte eigentlich nur den Menschen helfen, so wie Sie doch auch. Deshalb sollten wir zusammenarbeiten und nicht gegeneinander", antworte ich gelassen.

Mein Gegenüber zieht die rechte Augenbraue nach oben und mustert mich nun genauer. Er hat offenbar nicht mit dieser Antwort gerechnet. Amy neben mir grinst.

„Dem hast du es gezeigt", raunt sie mir zu.

„Ich habe nur die Wahrheit gesagt", flüstere ich zurück.

Wir werden unterbrochen, denn nun geht die Tür auf, ein Page kündigt das Eintreffen des Monarchen an. In dem Moment wird mir bewusst, dass ich Ahmed bisher immer nur als Privatperson und nie als Amtsperson begegnet bin. Ich bin neugierig, wie er sich in seiner Rolle als Staatsmann so macht.

Im schicken Anzug und mit erhobenem Kopf betritt er den Raum. Alle stehen auf und er tritt an den Tisch. Er deutet ein Nicken mit dem Kopf an, was wohl die Begrüßung sein soll und setzt sich. Auch wir anderen nehmen wieder Platz.

„Es gibt Unstimmigkeiten wegen des Krankenhauses", beginnt er die Sitzung. „Vater, was ist dein Standpunkt, du hast die Planung übernommen."

Er würdigt mich keines Blickes. Dass er seinem Vater das Wort erteilt, ist eine Provokation, so zumindest empfinde ich es.

„Eure Hoheit, Frau Dr. Berner hat einem Mann geholfen und dessen Bein gerettet. Das kann man ihr nicht zum Vorwurf machen. Sie ist ganz sicher nicht der Meinung, dass es die Heiler nicht mehr braucht. Im Gegenteil, sie möchte eine Zusammenarbeit anstreben, damit den Bürgern die Vorteile beider Behandlungsmethoden zugutekommen."

„Eine Zusammenarbeit, soso", meint Ahmed spitz. „Wie sehen Sie das Faysal?"

„Ein absoluter Blödsinn. Wir Heiler haben uns seit Jahrhunderten für die Gesundheit der Menschen eingesetzt und unser Bestes gegeben. Ich sehe nicht ein, warum wir plötzlich auf modernen Firlefanz setzen sollen."

Faysal blickt mich eindringlich an. Er scheint mich herausfordern zu wollen. Doch im Moment bleibe ich ruhig. Ich werde zu gegebener Zeit noch darauf antworten.

„Ich stelle fest, die Parteien sind sich nicht einer Meinung, deshalb werde ich entscheiden, ob das Krankenhaus weitergebaut wird oder nicht. Vorerst wird alles auf Eis gelegt."

Wie bitte? Er würgt die Diskussion bereits an dieser Stelle einfach ab und stoppt mein Projekt. Jetzt bin ich echt sauer und springe auf.

„Das ist nicht dein Ernst", fange ich an. Doch Mohammed gibt mir unterm Tisch einen Tritt und ich füge schnell hinzu. „Eure Hoheit. Ihr habt mich mit dem Projekt betraut und es unterstützt. Wenn Ihr wollt, dann überlasse ich die Leitung jemand anderem und kehre nach München zurück, wenn es an meiner Person liegt. Aber den Bau jetzt zu stoppen ist Wahnsinn."

„Mäßige dich!", bellt Ahmed mich an.

„Ach ja, weil ich sonst ausgepeitscht werde? Weil ich mich für die Menschen in diesem Land einsetze? Lasst mich unter vier Augen mit Faysal sprechen. Ich möchte zu einer Einigung kommen und dabei geht es ganz sicher nicht um mich, das kann ich Euch versichern."

Sein Blick wird milder. Er liebt mich noch immer und seine Reaktion ist zwiegespalten. Einerseits schwächt er meine Position, andererseits lässt er mir Sachen durchgehen, die in diesem Land wohl der Majestätsbeleidigung sehr nahekommen.

„Faysal?", wendet er sich an den Heiler.

„Ich wüsste nicht, was das bringen soll, aber bitte, wenn Frau Berner meint."

„Gut, wir treffen uns in einer Stunde wieder hier. Dann möchte ich ein Ergebnis, sonst bleibt es dabei."

Damit steht er auf und zieht sich zurück. Im Hinausgehen wirft er mir noch einen Blick zu, den ich beim besten Willen nicht deuten kann. In diesem liegen unzählige und zum Teil völlig widersprüchliche Gefühle.

Faysal und ich ziehen uns in ein getrenntes Zimmer zurück. Wir setzen uns in eine bequeme Couchgarnitur und uns wird Pfefferminztee serviert.

„Eigentlich verhandle ich nicht mit Frauen", beginnt Faysal.

„Ich bin mir bewusst, dass ich aus einer ganz anderen Gesellschaft mit anderen Bräuchen, mit anderen Werten und mit anderen Gepflogenheiten komme. Mir ist auch klar, dass ich aus meiner Erziehung und meiner Einstellung heraus, Dinge angehe, wie man sie hier niemals angehen würde und ich bin mir durchaus bewusst, dass ich damit Fehler mache, andere vor den Kopf stoße und anecke. Aber Sie können sicher sein, dass ich es immer nur gut meine", setze ich an zu erklären. „Ich bin aber überzeugt davon, dass wir beide eine Gesprächsbasis haben. Wir wollen beide den Menschen helfen. Deshalb sind Sie Heiler geworden und ich habe genau aus demselben Grund Medizin studiert. Deshalb hoffe ich, dass wir auch ein konstruktives Gespräch führen können."

„Sie sind eine beeindruckende Frau. Sie denken immer an andere und nicht an sich."

„Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, dass nur die moderne Medizin den Menschen helfen kann. Ich habe sehr großen Respekt vor den Naturheilmethoden. Sie sind in vielen Fällen schonender und verträglicher. Ich würde mich freuen, wenn ich von Ihnen lernen könnte. Allerdings gibt es Fälle, in denen wir mit Naturheilverfahren nicht mehr weiterkommen. Wenn eine Krankheit akut ist, dann ist Eile geboten und da helfen meist nur moderne Medikamente oder bei einem Blinddarmdurchbruch zum Beispiel muss man operieren. Wir sollten nicht darüber streiten, ob die eine oder die andere Methode besser ist und nur das eine oder das andere zulassen. Alles hat seine Vor- und Nachteile und diese sollten wir erkennen und die guten Seiten aus beidem zur Anwendung bringen, um den Menschen noch besser helfen zu können."

„Aber Sie haben einem Arbeiter geholfen!"

„Ich helfe Menschen", halte ich dagegen. „Mir ist dabei egal, was er ist und was er macht. Ich würde und vermutlich habe ich es bereits, auch einem Verbrecher helfen und würde es immer wieder tun. Nur so kann ich ihm die Chance bieten, ein besserer Mensch zu werden. Auch das sollte man bedenken.

Ali hat meine Hilfe gebraucht und ich war da. Ich frage bewusst immer nach dem Namen des Patienten, weil nur der zählt, nicht was er hat oder was er ist. Ali hat eine Familie, er hat eine wunderbare Frau und zwei ganz liebe Kinder. Das Mädchen ist unglaublich süß und hat es verdient, einen Vater zu haben, der für sie sorgen und sie beschützen kann, der sie lieben und ihr ein zuhause geben kann."

„Ich bewundere Ihre Leidenschaft, mit der Sie für ihre Sache kämpfen. Aber dennoch bringen Sie unsere Ordnung durcheinander und das ist nicht gut."

„Es gibt immer Veränderung, damit müssen wir leben. Wir entwickeln uns weiter und wir finden neue Dinge. Wir müssen offen sein für Neues. Ich bitte Sie!"

„Nein, ich bleibe bei meiner Haltung", meint er. Dann schaut er auf die Uhr. „Wir sollten zurück und den Monarchen nicht warten lassen."

Er steht auf und wendet sich der Tür zu. Er nimmt auf mich keine Rücksicht und schaut sich auch gar nicht um, ob ich ihm folge. In diesem Land zählen Frauen nicht besonders viel. Also erhebe ich mich und gehe schweren Herzens hinter ihm her zum Sitzungsaal.

„Und was ist?", will Mohammed wissen. Ich habe mich inzwischen wieder an den Tisch gesetzt.

„Er bleibt stur, auch wenn er mich verstehen kann, hat er gemeint. Ich bringe nur die Ordnung durcheinander."

„So ein Quatsch", macht sich Amy Luft.

Faysal, der es sicher gehört hat, wirft ihr einen strafenden Blick zu. In dem Moment betritt Ahmed den Saal, alle erheben sich und setzen sich dann wieder, nachdem er Platz genommen hat. Er wirft mir einen Seitenblick zu. Besorgnis liegt darin.

„Faysal, zu welchem Schluss seid ihr bei Eurer Aussprache gekommen?", will Ahmed wissen.

„Wir bleiben dabei. Das Krankenhaus ist unnötig."

„Gut, dann werde ich entscheiden und bis dahin ruht der Bau", bestimmt Ahmed.

„Dann kann ich gleich abreisen", sage ich resignierend zu Mohammed und Amy. „Das hat alles keinen Sinn mehr. Es war keine gute Idee hierher zurückzukommen."

In dem Moment steht Ahmed auf. Ich spüre seinen Blick auf mir, schaue aber nicht auf und vermeide es, ihm in die Augen zu sehen. Plötzlich vernehme ich das Geräusch eines Körpers, der zu Boden fällt und schaue, was passiert ist. Einer der Heiler, der zu Faysals Rechten saß, liegt am Boden und rührt sich nicht mehr. Alle schauen erstarrt auf den Mann, der reglos daliegt.

„Hol mir die Arzttasche aus dem Hubschrauber", rufe ich Amy zu. „Ich brauche Adrenalin."

Damit springe ich auf und gehe zu dem Mann, der sich immer noch nicht rührt. Ich suche am Hals einen Puls, kann ihn aber nicht finden. Ich halte meinen Finger unter seine Nase und kann auch keine Atmung erkennen.