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Die barfüßige Göttin

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"Ehm... das war natürlich..."

"Ganz ruhig Olli. Ich will damit nur sagen, ich bin nicht so unbedingt die traditionelle Frau. Diese Sachen sind ineffizient. Zeitverschwendung. Man kann auch so kriegen, was man braucht. Ohne Verpflichtungen einzugehen."

Ganz klar, wie sie das meinte, war mir das nicht. Der Pizza-Mann war da, wurde ich auf meinem Arbeitshandy informiert. Da es schon nach den normalen Bürostunden war, musste ich die von der Rezeption abholen.

"Die Pizza ist da. Bin gleich zurück."

Sie nickte nur. Wenige Minuten später unterbrach sogar sie ihre Tätigkeit, tauschte das Keyboard gegen die Pizza-Box aus, und kaute zufrieden an ihrem ersten Stück herum.

"Die ist gar nicht schlecht. Nicht mal vom Italiener, oder?"

"Von einem türkischen Laden. Der hat die Beste mit Hühnchen-Fleisch in der Gegend."

"Ah... Ich merke, ich kann dir vertrauen. Du wirst es weit bringen."

"Ganz ehrlich, ich habe mich noch nie so wohl in meiner Position hier gefühlt."

"Das könnte daran liegen, dass meine Vorgänger nicht so schöne Beine hatten. Oder vielleicht nur nicht gewagt haben, sie zu zeigen."

Damit hatte sie mich erstmal zur Sprachlosigkeit verdammt. Gleich noch zwei Bissen Pizza nachgeschoben, um das nicht so offensichtlich werden zu lassen. Mir fiel natürlich nichts Besseres ein, als da gleich nochmal hinzustarren.

"Ehm... ja, da startest du außer Konkurrenz. Aber ich wollte selbstverständlich nicht..."

"Nun mach dich nicht wieder gleich ein. Wenn ich nicht wollte, dass sie bemerkt werden, würde ich sie nicht zeigen. Irgendeinen Sinn muss doch dieses blöde Rasieren haben."

"Stimmt auch wieder. Du hast auch sehr schöne Füße. Göttliche Füße", versetzte ich, mich damit selbst erheiternd.

"Hä? Fuß-Fetischist? Geheime Perversionen?"

"Nein, du hast unter den Jungs schon einen Spitznamen weg. BG. Die barfüßige Göttin."

Jetzt lachte sie mit vollem Mund und verschluckte sich halb dabei.

"Siehste. Wusste doch, dass die kreativ sein können. Wenn man sie richtig motiviert."

"Das gelingt dir mit einer Leichtigkeit, die mich schwindeln lässt."

"Für diese Art der Komplimente bin ich immer offen."

"Davon wirst du sicher noch reichlich bekommen."

"Der Rest ist übrigens auch nicht schlecht. Trotz Pizza."

"Ist das ein fehlgeleiteter und ziemlich lahmer Versuch mit mir zu flirten? Schäm dich."

"Ah, jetzt bedienst du dich auch aus meiner Spruch-Bibliothek? Mach ruhig. Ich stecke voll davon. Von mir kannst du noch was lernen."

Das Gefühl hatte ich langsam auch.

"Du bist geschieden?", wollte sie dann wissen.

"Ja. Keine Kollegin. Nichts Dramatisches. Eigentlich so blutleer, wie die ganze Beziehung war. Die Scheidung meine ich. Am Anfang war es natürlich toll, dann wurde es schön, dann gut, dann erträglich. Als wir bei sinnfrei angelangt waren, haben wir die Konsequenzen gezogen. Ist auch schon wieder zehn Jahre her."

"Glückwunsch. Bei mir war es ein ähnlicher Verlauf. Nur, dass wir versucht haben, die Geschichte unnatürlich lange am Leben zu erhalten. Infusionen von Frischblut. Therapie. Chemie. Die ganze Palette von Unsinn, die einem in einer solchen Krise einfällt. Na ja, wir hatten immer noch eine Menge Spaß. Aber eben nicht mehr miteinander."

"Verstehe. Das hatten wir nicht probiert. Andrea war nicht so... experimentierfreudig."

"Auch da besitze ich einen Wissens-Fundus, der den Normalsterblicher erheblich überschreitet. Ob du dich da allerdings bedienen solltest..."

Öchött.

"Ist das süß, du wirst ja rot. Wir werden noch viel Spaß zusammen haben. Du bist eine angenehme Überraschung. In jeder Hinsicht. Aufgefuttert? Du darfst gerne den Müll entsorgen. Und ich meinte das vorhin ganz ehrlich: Ich will dich nicht jetzt schon verheizen. Mach heute nicht so lange. Wenn du noch hier bist, wenn ich gehe, gibt's Schelte. Verstanden?"

"Yes, Madame."

"Madame?"

"Oder Mam?"

"Nun, in Amerika ist das erste eine Puffmutter, das zweite nur eine Mutter. Du meinst wahrscheinlich Ma'am."

Na klasse. Voll in die Scheiße gegriffen.

"Sorry, ich meinte natürlich weder das eine noch das andere."

"Ach was. Bleib lieber bei Deutsch, sag "Ja, Herrin" und hebe dich hinfort, mein süßer Sklave."

"Ja Herrin."

Sie hatte süß gesagt.

~~~

Ihre Warnung war berechtigt. Die ersten Wochen und Monate waren anstrengend. Und aufregend. Die Auf- und Umbruchsstimmung wurde bald von den ersten echten Veränderungen getragen, die Abteilung vergrößerte sich tatsächlich, als klar wurde, dass wir trotz ihrer Vorarbeiten und den vielen, vielen Überstunden, die nahezu alle abrissen, das Arbeitsvolumen nicht bewältigen konnten.

Das Erscheinungsbild der Abteilung änderte sich dabei. Wir holten tatsächlich zwei ehemalige Entwicklerinnen zurück, die sich in der Krise vor der Übernahme durch die Amis vorsorglich abgesetzt hatten. Brenda drang insgesamt auch darauf, dass wir unsere Abteilung etwas bunter gestalteten, wie sie sich ausdrückte.

Das hieß im Klartext, mehr Frauen, jüngere Leute, insbesondere von der hiesigen Uni wurden einige rekrutiert, und Spezialisten aus dem Ausland fanden und integrierten sich wunderbar in unsere mittlerweile verschworene Gemeinschaft ein. Jedes Vorstellungsgespräch, an dem sie teilnahm, ein Genuss. Oft Comedy vom Feinsten.

Sie arbeitete wie besessen, huschte immer wieder lautlos, weil barfüßig, über die Fläche, lachte viel und gerne. Stahl sich in die Herzen der Neuankömmlinge, genau wie in die der Alteingesessenen. Ich weiß gar nicht mehr, wie das zusammenhing, aber nach einem tollen Team-Meeting fingen die Kollegen plötzlich wie im Fußballstadion an "BG! BG! BG!" zu skandieren und dazu rhythmisch zu klatschen.

Was ebenfalls zu einer festen Einrichtung wurde. Es war schon irre. Sie freute sich darüber, aber mehr, wie gut wir vorankamen und was für Ergebnisse wir ablieferten. Das sprach sich rum, unsere Auftragslage verbesserte sich dramatisch.

Unser persönliches Verhältnis auch. Es war ein Freitagabend. So froh sie war, dass unsere Leute nun in der Woche regelmäßig bis zehn oder länger an ihrem Computer saßen, hatte sie schnell klargestellt, dass sie es für besser hielt, wenn wir zum Ausgleich ein richtiges Wochenende hatten. Das hieß, sie wollte, dass am Freitag für die Gruppe spätestens um sieben der geistige Hammer fiel.

Natürlich hielt sie sich selbst nicht daran. Es war bereits acht Uhr, als ich auf leisen Sohlen, wenn auch nicht barfuß, in ihr Büro schlich.

"Ha, erwischt! Du verstößt gegen deine eigenen Anordnungen, Herrin."

"Regeln sind dazu da, dass man sie bricht. Und einen Kaffee hat er mitgebracht. Du bist unbezahlbar. Obwohl... Ich sollte das mit ins Bonus-Modell aufnehmen, du gehst da sonst ja leer aus."

"Ich antizipiere ebenfalls Nahrungsbedarf. Heute aber weigere ich mich, dir was zu bestellen."

"So? Muss ich dich dafür züchtigen?"

"Stattdessen solltest du nach diesem Kaffee einmal in deinem Leben den Aus-Knopf an deinem Computer entdecken und mit mir Essen gehen."

"Verstehe, du willst mich endlich ins Bett kriegen. Was anderes: Es gibt Neuigkeiten. Das Callcenter drüben zieht um, oder macht pleite, oder sonst was in der Art. Egal. Wir bekommen das ganze Stockwerk. Schon in drei Monaten."

Das waren allerdings gute Neuigkeiten. Unsere Expansion hatte schon zur Verlegung der Marketing- und Personalabteilung in das zweite Stockwerk, wo der Rest unserer Firma angesiedelt war, geführt.

"Und die neuen Monitore kommen nächste Woche", fuhr sie fort.

Auch darüber war ich froh. In der Beziehung waren wir vorher alles andere als verwöhnt worden. Mehr beschäftigte mich allerdings ihre freche These, die sie diesen Eröffnungen vorangestellt hatte.

"Super. Das ist fantastisch. Also... was das Essen angeht...", griff ich vorsichtig meinen Vorschlag wieder auf.

Sie seufzte. Sah mich dann mit funkelnden Augen an, und kaute auf ihrer Unterlippe herum.

"Überredet. Gebrauchen könnte ich es schon mal wieder."

Oh fuck. Ihre zweideutigen Flirt-Ansätze waren in letzter Zeit nicht seltener geworden. Klar, sie zog mich auf. Tat sie das? Kleines Biest. Die Göttin ergötzte sich an meiner Verunsicherung und beschleunigtem Herzschlag, der wahrscheinlich so laut war, dass er selbst unter ihrem konstanten Tippen hören konnte.

"Ehm... das finde ich auch. Hier mal rauszukommen, meine ich. Hast du eigentlich überhaupt eine Wohnung? Du bist eigentlich immer schon hier, wenn ich komme, und immer noch da, wenn ich gehe."

"Erwischt, ich bin eigentlich obdachlos. Also müssen wir hinterher zu dir."

"Das könnte dir so passen. Magst du Italienisch, außer Pizza, meine ich?"

"Sicher. Und Französisch natürlich. Wie du danach rausfinden wirst."

"Hörst du mal auf? So spricht man nicht mit Untergebenen."

"Stimmt, mit denen nicht. Du bist allerdings mein persönlicher Sklave. Das musst du aushalten. Und überhaupt: Sobald wir diese heiligen Hallen verlassen haben, bist du Freiwild. Wirst schon sehen, was du von deiner tollen Idee hast."

Alter Schwede. Das meinte sie hoffentlich alles nicht ernst. Oder meinte sie das hoffentlich alles ernst? Schon lange hatte mich keine Frau mehr so fasziniert, wie sie. Was heißt schon lange, überhaupt noch nicht. Sie spielte wie überall in ihrer eigenen Liga. Und das war mindestens die Champions-League.

"Auch Freiwild lässt sich nicht so einfach abschießen", gab ich zu Bedenken. "Dann los, den Kaffee darfst du noch genießen, aber dann sollten wir langsam los."

"Ja, deine Ungeduld ist dir anzusehen."

Na warte. So nicht.

"Bist du mit dem Auto da?", fragte sie mich im Fahrstuhl nach unserem Aufbruch und betrachtete sich dabei mit kritischem Blick im dort installierten Spiegel.

"Nein, das Restaurant ist auch nur vielleicht zehn Minuten von hier zu Fuß. Ein bisschen Bewegung kann nur dir nur guttun."

"Dann nehmen wir meins. Oder ist deine Wohnung auch in Laufdistanz?", kam die nicht völlig unerwartete Fragen.

"Ja, ist sie. Vom Restaurant etwa nochmal fünfzehn Minuten. Nicht, dass das irgendwie bedeutsam wäre."

Ich hielt ihr die Tür auf, wofür sie sich artig bedankte.

"Das sehe ich anders", nahm sie den Faden wieder auf.

"Wir gehen jetzt essen. Und wie du so schön gesagt hast: Unser Verhältnis hat sich nun verändert, da wir die "heiligen Hallen" verlassen haben. Du wirst feststellen, dass ich nicht nur kein Freiwild bin, sondern ein durchaus selbstbewusster Mann, der sich nicht so einfach vorführen lässt. Jedenfalls nicht so, wie du dir das denkst."

"Aha? Du klingst ja richtig angesäuert, liebster Olli."

"Nö. Du schätzt mich aber immer noch falsch ein. Nur als kleine Warnung: Ich reagiere durchaus auf Reize. Wenn sie mir richtig dargeboten werden. Und mich die Frau interessiert. Sexuell interessiert heißt das."

"Na, das klingt doch vielversprechend."

"Letzte Warnung. Im Augenblick gehe ich mit meiner geschätzten Kollegin und Vorgesetzten nett essen. Die mich wie mehrfach erwähnt vom Intellekt, aber auch der Persönlichkeit her, wirklich von den Füßen fegt. Du bist aber auch eine ausgesprochen attraktive Frau. Mit anderen Worten. Mach mich weiter an, und dann siehst du schon, was du davon hast."

Schreckt sie nicht ab. Das Grinsen hat eine völlig andere Qualität. Uff.

"Jetzt machst du mich neugierig."

Mehr kam nicht. Aha, doch ausgebremst? Gut so.

"Wir sind schon da", erklärte ich und wies auf das schnucklige kleine Restaurant, das neben erstklassigen Pasta-Gerichten auch edlere italienische Küche feilbot. Mit das Beste, was es in dieser Gegend gab. Und hielt ihr die Tür auf.

"Ein Mann, der weiß, was sich gehört."

"Nun..."

"Oder es glaubt zu wissen", wurde das sofort relativiert.

Der Kellner erkannte mich von zahlreichen früheren Besuchen und begrüßte mich per Handschlag. Schaute sich mit anerkennendem Grinsen meine schöne Chefin an. Und gab uns einen besonders guten Tisch. Der eigentlich nur mit Reservierung zu bekommen waren. Vielleicht, weil eigenartigerweise für einen Freitag weniger als sonst los war.

Wir schmökerten zunächst in der ausgehändigten Weinkarte herum. Die ich auswendig kannte, aber ihre plötzliche Stille verunsicherte mich etwas, und so sah ich zumindest beschäftigt aus.

"Wollen wir nicht eine Flasche nehmen? Der Barolo ist bestimmt richtig gut."

Verblüfft sah ich von meiner Karte auf.

"Ja, das ist der Beste hier. Du bist eine Kennerin?"

"Was italienische Weine angeht, schon. Vor meiner Ankunft hier war ich nur ein einziges Mal in Deutschland, aber dafür viermal in Italien. Beim letzten Mal auch in Piemont."

Gleich eine ganze Flasche? Na ja, irgendwie muss die Knete von der Gehaltserhöhung ja wegzubekommen sein.

"Dann machen wir das. Nebenbei lade ich dich ein. Nur, dass das klar ist. Keine Widerrede."

"Jetzt klingt es mehr und mehr wie ein Date."

Okay. Sie hatte es... fast zehn Minuten ohne Sprüche ausgehalten. Immerhin.

"Das würde ich jetzt so noch nicht sagen. Immer noch ein Nicht-Arbeits-Essen unter Kollegen. Aber... wenn du damit einverstanden bist, würde ich dich bitten, die Arbeit hier mal außen vor zu lassen."

"Gern."

Wir gaben unsere Bestellung ab und bekamen im Zuge die Menü-Karte. Der Kellner wies gleich auf die große Tafel in der Mitte des Raums hin, auf dem die Tagesgerichte zu finden waren. Wir entschieden uns beide für das Roastbeef.

"Hm... der ist gut. Sehr würzig."

"Zimt. Und Wildrose. Auch ein leichter Tabakgeschmack, findest du nicht?", ließ ich durchscheinen, dass ich mit diesem Wein auch ohne Italienbesuche sehr vertraut war. "Italien. Auch ein Ort, wo ich immer mal hinwollte. Das heißt, ich war mal, aber da war ich noch ein Kind, und auch nur in Norditalien, nahe der österreichischen Grenze."

"Was hält dich ab?"

"Na, allein..."

"Unsinn. Du denkst zu viel in Voraussetzungen. Natürlich ist es anders, wenn du zu zweit, mit der Familie, oder einer Gruppe reist. Das heißt doch aber nicht, dass es alleine nicht auch ein unvergleichliches Erlebnis sein kann."

"Ja, da hast du vermutlich Recht. Hm. Und du warst vorher nur einmal in Deutschland? Wo genau?"

"Freiburg. Dem Geburtsort meines Vaters. Nette kleine Stadt. Die Leute auch."

"Und wie gefällt es dir hier mittlerweile? Doch ganz anders als Florida, nehme ich mal an. Vermisst du es?"

"Manches. Vor allem die Ringkämpfe mit Alligatoren."

"Hehe, die haben bestimmt drei Kreuze gemacht, als sie von deiner Abreise erfuhren."

"Mit Sicherheit. Aber auf deine Frage zurückzukommen. Ja, es gefällt mir hier. Ich komme mit der deutschen Mentalität meist gut zurecht. So richtig zuhause fühle ich mich allerdings noch nicht. Nur, wenn ich bei der Arbeit bin."

"Aber das ist für dich nicht nur eine kurze Station, du planst schon länger hierzubleiben?"

"Im Prinzip schon. Ich denke nicht zu weit in die Zukunft. Die ist eh immer ganz anders, als man sie sich vorstellt. Vielleicht kommt ja eine Herausforderung, der ich nicht widerstehen kann."

"Oder jemand, der dich hier für immer bindet?"

"Äch. Jetzt sag nicht, ich bin hier, weil du mir einen Heiratsantrag machen willst?"

"Nein, da kann ich dich beruhigen. Davor bist du dauerhaft sicher."

"Ah. Gebranntes Kind. Recht so."

Unser Essen wurde aufgetragen und unterbrach so kurzzeitig unser Gespräch. Warum grinste der Kellner denn diesmal so penetrant? Gut, er hatte mich jetzt bestimmt ein Jahrzehnt immer nur alleine hier erlebt. Oder mit mehreren Kollegen. Mir fiel auf, dass sie tatsächlich das Flirten oder den Anschein dessen aufgegeben hatte. Na wunderbar. Hatten meine klaren Worte doch etwas bewirkt.

"Mmh. Ist das lecker. Mein Vertrauen in deinen Geschmack war wieder einmal voll berechtigt."

"Das freut mich zu hören. Dieses Gericht habe ich allerdings in den vielen Besuchen hier auch noch nicht gegessen. Ich bin ebenfalls ganz hin und weg."

"Mir gefällt die Atmosphäre hier. Erinnert mich an ein kleines Restaurant in der Toskana, wo ich mal war. Sogar die Bilder an der Wand sind ganz ähnlich."

"Du reist also gerne?", fing ich den Ball halbwegs geschickt auf. Dann konnte ich gleich noch nachsetzen und mehr über sie erfahren.

"Kann man so sagen. In Europa war ich noch nicht so oft. Italien, England, und von da einen kurzen Abstecher nach Paris. Ansonsten Mexiko, die Bahamas, Costa Rica... Moment, ach so, Ecuador. So viel also auch nicht. Das waren echte Urlaube. Für die Arbeit war ich allerdings schon in Asien, Australien, zu einer Konferenz in Kenia, und habe mal ein halbes Jahr in Toronto gelebt und gearbeitet."

"Da bist du trotzdem deutlich mehr rumgekommen als ich. Was machst du sonst, ich meine, wie verbringst du so deine Freizeit?"

"Was ist das, Freizeit?"

"Hehe, ja das dachte ich mir fast."

"Hier mach ich nicht viel. In Tampa hatte ich einen größeren Freundeskreis, wir haben eine Menge zusammen unternommen. Nichts Exotisches, Ausgehen, ins Kino, Grillen, mit einer Freundin öfter mal in Galerien und Museen. Sie malt selbst, sehr gut sogar. Ansonsten... hmpf... weiß nicht, ich lese ab und zu, immer weniger, wenn ich ehrlich bin. Na ja, und dann hatte ich ja besagten Partner. Und meine Familie."

"Deine Freunde fehlen dir sicher sehr?"

"Ja und nein. Mit manchen rede ich online öfter, oder telefoniere. Nicht ganz einfach wegen der sechs Stunden Zeitunterschied. Meine beste Freundin Lynn wird mich in ein paar Wochen wohl besuchen. Da müsst ihr mal ein paar Tage ohne mich auskommen."

"Das kriegen wir hin. Darf ich noch auffüllen?"

"Aber sicher. Und du?"

"Oh. Auch nicht viel in letzter Zeit. Ich schaue gerne Sport, aber ins Stadion gehe ich immer seltener, oder zu Rennen. Ich war einige Zeit richtig aktiv im Radsport, bin auch mal Rennen gefahren. Jetzt schaue ich lieber zu, wenn andere sich quälen. Ansonsten... na ja, ich mag Filme, Musik, gutes Essen, lange Spaziergänge... auch mal richtige Wanderungen, wenn ich irgendwo in den Bergen oder einer landschaftlich schönen Gegend bin. Mit meiner Frau war ich öfter auch Klettern. Das ist dann nach der Scheidung eingeschlafen, ohne Partner geht das schlecht."

"Bouldern. Geht auch allein."

"Das stimmt natürlich. Du kennst dich aus?"

"Ich hatte es mal angefangen. Sportklettern auch."

"Oh... das ist natürlich... ich meine... könntest du dir vorstellen, wieder anzufangen? Hier gibt es natürlich keine Berge, aber gute Kletterhallen und Außenanlagen, also künstlicher Fels."

"Du meinst, ich könnte deine Partnerin werden?"

"Wenn du Lust hast..."

"Hm... Lust... Mit dir Dinge zu unternehmen, warum nicht. Ich müsste mir erst Schuhe besorgen. Ich mag keine Schuhe anziehen, in denen schon tausend andere gesteckt haben."

"Verstehe ich nur zu gut. Eh, super, das finde ich echt klasse. Ich kann dir gerne Läden empfehlen. Oder wir gehen zusammen hin, meine alten Schuhe schmoren seit Jahren im Abstellraum, die fallen bestimmt auseinander, wenn ich sie anziehe. Ihr... spezielles Aroma haben sie wahrscheinlich trotzdem noch nicht eingebüßt."

"Du bist ja richtig aufgeregt. Und echt süß, wenn du blitzende Augen kriegst."

Ja, wahrscheinlich war mein Enthusiasmus am Rande des Zuviels. Warum war ich so froh, dass wir ein unverfängliches gemeinsames Interesse entdeckt hatten?

"Ich stelle mir das toll vor, mit dir. Bei der Arbeit vertrauen wir uns doch mittlerweile auch blind, und harmonieren perfekt. Das ist fürs Klettern doch ebenfalls die Voraussetzung."

"Nicht nur fürs Klettern", meinte sie gelassen und nippte an ihrem Wein.

Oh, oh. Schonzeit beendet? Blies sie wieder zur Jagd?

"Hm, ja. Aber Klettern halten wir erst einmal fest."

"Einverstanden. Die Desserts sind hier hausgemacht, habe ich gesehen?"

"Ja. Ich empfehle das Tartufo. Göttlich. Völlig göttlich. Wie für eine BG gemacht", entlockte ich ihr ein Lächeln.

"Dann bestell. Ich muss mal kurz wohin. Nein, brauchst du mir erklären wo, ich habe das Schild gesehen."

Ich bekam die notwendige Aufmerksamkeit von dem Kellner, der jetzt allerdings mehr gefordert war. Das Restaurant hatte sich sichtlich gefüllt. Überaus zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Abends und des Gesprächs, erwartete ich ihre Rückkehr. Nicht lange danach stand das Dessert auf unserem Tisch. Wir hatten in der Zwischenzeit die Flasche Wein tatsächlich schon niedergekämpft.

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