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Die Galamex-Saga - Teil 01

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Sie schnaubte verächtlich. "Sie haben ihre Ausbildung vor etwas mehr als einem halben Jahr abgeschlossen und denken schon, sie wüssten alles besser, was, Rossi?"

"N-nein, Commander, ich wollte damit doch nicht - "

"Mir sind ihre Qualifikationen durchaus bewusst, Rossi", fiel sie mir ins Wort. "Sie haben aber offensichtlich immer noch nicht begriffen, wie der Flottenalltag aussieht. Bei der Flugleitstelle arbeitet ausschliesslich Personal, welches ein gewisses Dienstalter erreicht hat."

Lügnerin, dachte ich. Ich kannte mindestens drei Leute die dort arbeiteten, welche nicht älter als ich waren. Mein Blick verfinsterte sich unwillkürlich.

"Und selbst wenn dem nicht so wäre: Wir sind im Siedler-Empfang nach wie vor unterbesetzt. Selbst wenn auf der Station eine ihnen genehme freie Stelle vorhanden wäre, kann ich es mir nicht leisten, sie von ihrem Posten abzuziehen."

Zumindest diesbezüglich war sie ehrlich. Wir waren tatsächlich unterbesetzt und schoben daher regelmässig Sonderschichten, um die nicht nachlassend wollende Anzahl an Neuankömmlingen zu bewältigen.

"Commander Dysson, ich bitte sie inständig, meinen Antrag nochmals in Betracht zu ziehen", flehte ich. Es widerte mich an, ihr meine schwache Seite zu offenbaren, aber ich war inzwischen wirklich verzweifelt. "Die Arbeit am Empfang... laugt mich psychisch aus. Ich weiss nicht, wie lange ich es dort noch aushalte."

"Dann schlage ich vor, dass sie den Stationsarzt aufsuchen. Er kann ihnen bei einer entsprechenden Diagnose bestimmt die richtigen Psychopharmaka verschreiben. Denn ob sie wollen oder nicht: Sie sind dazu verpflichtet, mindestens 5 Jahre in der Flotte zu dienen, um ihre kostspielige Ausbildung abzugelten. Und sie haben jetzt gerade mal ein Zehntel dieser Zeit hinter sich. Eine frühzeitige Ausmusterung aufgrund gesundheitlicher Probleme wäre... höchst problematisch für ihre Zukunft auf dem Arbeitsmarkt. Und das wollen sie doch nicht, oder?"

"Nein, Commander", antwortete ich niedergeschlagen.

"Hören sie, Rossi" fuhr die Stationsleiterin in einem weniger strengen Tonfall fort. "Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass die Aufgaben im Bereich der persönlichen Siedler-Betreuung kein Zuckerschlecken sind. Aber glauben sie mir: Es gibt schlimmeres als den Empfang. Zum Beispiel der Abflugbereich, oder die medizinische Betreuung auf der Oberfläche. Und sie werden ganz bestimmt nicht 5 Jahre lang im Empfang arbeiten. Sie machen ihre Arbeit dort wirklich gut. Sie sind kompetent, pflichtbewusst, vorbildlich. Früher oder später wird sich etwas ergeben, und ich verspreche ihnen, ich werde sie berücksichtigen."

"Nur nicht jetzt", fügte ich traurig hinzu.

Pamela Dysson lächelte verständnisvoll.

"Genau, aber ich habe auch eine gute Nachricht für sie. In 3 Wochen wird Personal zur Verstärkung eintreten. Dann sollten auch die angeordneten Sonderschichten ein Ende finden."

Als ich aus ihrem Büro schwebte, war mir elend zumute. So hatte ich mir mein Leben bei der Flotte vor 5 Jahren, als ich meine Ausbildung begonnen hatte, wahrlich nicht vorgestellt. Gefangen auf einer Raumstation am Arsch des Universums, im Orbit um einen trostlosen Planeten. Meine Träume von Abenteuern auf einem Forschungschiff bei der Entdeckung fremder, faszinierender neuer Welten waren endgültig zerschellt, eingeholt von der ernüchternden Wirklichkeit: Die Flotte versprach ein aufregendes Leben, lieferte den meisten jedoch nur Monotonie und Hoffnungslosigkeit. Sie war nichts anderes als eine Maschine, ein Transportlaufband um die überbevölkerte Erde zu entrümpeln, indem sie Menschen auf der Suche nach etwas Glück in entlegene Gegenden verfrachtete, wo diese entweder erbärmlich zugrunde gingen oder ein noch freudloseres Dasein fristeten als in der alten Heimat. Und ich war bloss eines der zahllosen Rädchen dieser unerbittlichen Maschine.

Meine Gedanken wanderten zum jungen, bebrillten Mann zurück. Ich glaube, er war der Tropfen gewesen, der mein Fass zum überlaufen gebracht hatte. Seine Begeisterung, sein Optimismus, sein hoffnungsvoller Blick, als er mich zu einem unmöglichen Essen eingeladen hatte. Das Wissen, dass all dies schon alsbald von der harschen Realität von Galamex 2 zunichte gemacht werden würde, hatte etwas tief in meinem Inneren zerbrochen. Für einen kurzen, verhängnisvollen Augenblick hatte ich meine Schilde gesenkt und hatte zu viel Mitgefühl aufkommen lassen.

Ich dachte darüber nach, ob ich tatsächlich den Stationsarzt aufsuchen sollte, liess es dann aber sein. Die Verschreibung von Psychopharmaka wäre definitiv in meiner Akte festgehalten worden, was meiner Karriere bei der Flotte - falls ich mich denn tatsächlich dazu entschieden hätte, den Job nach 5 Jahren nicht an den Nagel zu hängen - ein jähes Ende gesetzt hätte. Stattdessen beschloss ich, mir eine billige Flasche Fusel zu besorgen - immerhin etwas, dass direkt auf dem Planeten produziert wurde - und mich volllaufen zu lassen. Wenn schon betäubt, dann zumindest nach meinen Spielregeln, ohne Akten-Eintrag.

*** Cygnus ***

Endlich trugen meine Mühen Früchte, sowohl im sprichwörtlichen als auch im faktischen Sinn! Am fünften Tag seit meiner Ankunft ragte mein dritter Versuch gute 12 Meter in die Höhe. Die Eiche - oder besser die Eiseneiche - würde in den nächsten zwei Tagen ihre maximale Höhe von rund 30 Metern erreichen. Ihre Rinde schimmerte im Morgenlicht grau, ein wahrlich majestätischer Anblick. Nach meinen ersten beiden gescheiterten Versuchen, die von mir mitgebrachten Eicheln genetisch so zu modifizieren, dass sie auf dem rostigen Boden meines Grundstücks wuchsen, hatte sich ein leiser aber bestimmter Zweifel in meinen Gedanken breit gemacht. Genetik war während meiner Ausbildung zum Terraformer schon immer mein starkes Fach gewesen. Und da es mir bereits auf der Erde gelungen war, Pflanzen auf eisenhaltigem Boden wachsen zu lassen, war ich zuversichtlich gewesen, dass mir dies auch auf Galamex 2 gelingen würde. Vermutlich etwas zu zuversichtlich. Ich hatte schlicht und ergriffen die wichtigsten Lektionen meiner Ausbildung vergessen: Analyse, Überarbeitung und vor allem Geduld.

Die erste Eichel hatte gerade mal ihre Pfahlwurzeln und einen mickrigen Stiel entwickelt, bevor sie verendet war. Unter dem Nanoskop hatte ich alsbald meine Fehlberechnungen in den Überresten entdeckt und entsprechende Korrekturen betreffend dem beschleunigten Wachstum in die Gensequenz programmiert. Die zweite Eichel war immerhin einen Meter gewachsen, war dann aber wie ihre Vorgängerin gestorben. Analyse, Überarbeitung, Geduld. Die dritte Eichel war nun der erste stolze Baum seiner Art. Jetzt stellte sich nur noch die Frage, ob alle ich bei allen Annahmen richtig lag. Ich trat neben den Baum und betrachtete den Boden neben seinen Wurzeln. Vielleicht war es ja nur Wunschdenken, aber er schien nun bräunlicher zu sein, als die restliche Oberfläche. Ich nahm mehrere Bodenproben, um mir Gewissheit zu verschaffen. Bereits ein erster Blick auf eine Probe unter dem Nanoskop zeigte, dass der Anteil an oxidiertem Eisen beträchtlich gesunken war. Mein Computer bestätigte diesen ersten Eindruck: Sämtliche Proben wiesen nur noch etwa 30 Prozent des ursprünglichen Eisengehalts auf. Diese Tatsache an sich war bereits ein grossartiger Erfolg, der meine Zukunft auf dem Planeten sichern konnte. Aber ich war noch viel gespannter darauf, ob sich auch meine zweite Annahme als richtig erweisen würde.

Ich warf einen kurzen Blick auf das Poster der Schauspielerin, welches ich an der Höhlenwand angebracht hatte, lächelte ihr zu und trat dann wieder ins Freie.

Vorsichtig brach ich an drei verschiedenen Stellen etwas von der Baumrinde ab, liess sie in drei Reagenzgläser fallen und gab jedem etwas Lösungsmittel dazu. Im Gegensatz zu den Bodenproben musste ich dieses mal die Zentrifuge verwenden, um die Bestandteile zu identifizieren. Das würde etwas länger dauern, daher beschloss ich, eine meiner geschmacklosen Überlebensrationen zu essen und etwas in meinen Träumen von ihr zu schwelgen.

Ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich an sie dachte. Ornella Rossi. Ornella... sie hatte auch noch den gleichen Vornamen wie die Schauspielerin auf meinem Poster! In den vergangenen Tagen hatte ich versucht, mittels des planetaren Informationsnetzwerkes mehr über sie herauszufinden, doch mehr als ein kurzer Eintrag auf der öffentlich zugänglichen Flottendatenbank war nicht vorhanden - oder zumindest nicht zugänglich, wenn man nicht über die entsprechenden Berechtigungen verfügte. Wenn man nicht selbst zum Flottenpersonal gehörte, konnte man diese Berechtigungen zwar erwerben, aber dafür fehlten mir aktuell die finanziellen Mittel. Immerhin hätte ich sie über den Eintrag auf der Flottendatenbank kontaktieren können, aber auch das kostete Geld, welches ich momentan nicht hatte. Ich tröstete mich darüber hinweg, indem ich ihr öffentlich zugängliches Portrait mit der Frau auf meinem Poster, Ornella Muti, verglich. Die Ähnlichkeit war mehr als frappierend.

Meine Gedanken kehrten ins Hier und Jetzt zurück, als die Zentrifuge mit einem meiner Meinung nach zufriedenen Piepen ihre Analyse beendete und die Daten an meinen Computer übermittelte. Das Resultat übertraf meine kühnsten Erwartungen: Der Eisengehalt der Rinde betrug im Durchschnitt 74 Prozent. Ich jubelte und führte in meiner Höhle einen kurzen Freudentanz auf, bevor ich weitere zehn Eicheln aus meinem kleinen Vorrat nahm, um auch diese mit meinem Gensequenzierer zu verändern. Spontan beschloss ich, dass ich die erste Eiseneiche nicht fällen würde. Sie sollte ein Denkmal für meinen Erfolg sein.

Weitere 18 Tage vergingen, bevor mein Erzverarbeiter den ersten 5 Kilogramm schweren Eisenbarren ausspuckte. Ich hatte zwanzig Bäume gefällt und in mühseliger Feinarbeit die Rinde entfernt. Meine Axt war inzwischen sichtlich abgestumpft, da sie nicht dafür gedacht war, Eisen zu fällen. Zu meinem Glück hatte sich aber auch meine dritte Annahme bestätigt, denn unterhalb der Rinde bestanden die Bäume aus reinem Holz. Ein weiterer Rohstoff, für den ich garantiert Abnehmer finden würde.

Während ich auf das Wachsen der Bäume gewartet hatte, hatte ich mein Grundstück in alle Richtungen erkundet und an diversen Stellen Bodenproben genommen, um den jeweiligen Eisengehalt zu bestimmen. Das war entscheidend, um mein weiteres Vorgehen zu planen. Natürlich würde ich anfänglich nur in der näheren Umgebung des Sees neue Bäume anpflanzen, da ich die Eichen nur auf diese Weise manuell bewässern konnte - aufgrund des beschleunigten Wachstums, reichte der natürlich fallende Regen nicht aus. Aber später würde ich eine entsprechende Bewässerungsanlage brauchen. Diese erstmal in die Richtung zu bauen, wo der grösste Eisenertrag zu erwarten war, war nur logisch.

Etwas enttäuschend war hingegen die Eichelernte ausgefallen. Meine Eisenbäume hatten durchaus jede Menge abgeworfen - ich hatte inzwischen mehr Eicheln in meiner Höhle, als eine Grossfamilie an Eichhörnchen in einem Jahr vertilgen mochte - aber mehrere Versuche, diese unbearbeitet anzupflanzen, waren fehlgeschlagen. Die Eisenbäume hatten nur eine äusserst abgeschwächte Form des beschleunigten Wachstums an die nächste Generation weitergegeben: Statt innerhalb von 3 Tagen voll ausgewachsen zu sein, benötigten sie dafür 11 Tage. Noch schlimmer sah es beim Eisengehalt der Rinde der Bäume der zweiten Generation aus. Diese beinhaltete nur noch 7 Prozent Eisen. Aber was sich zu diesem Zeitpunkt wie ein Rückschlag anfühlte, sollte sich später als Vorteil erweisen. Zudem liessen sich die neuen Eicheln ebenso leicht genetisch modifizieren wie jene, die ich von der Erde mitgebracht hatte. Und so hatte ich zehn weitere Eisenbäume zu meinen zehn ursprünglichen hinzugefügt. Inzwischen hatte der Erzverarbeiter weitere 6 Barren ausgegeben, bevor er automatisch abgeschaltet hatte, weil diese den Ausgabeschacht versperrten. Ich räumte sie weg, schaufelte weitere Rinde in den Eingabeschacht und setzte die Maschine wieder in Gang.

Ich war die viele physische Arbeit nicht gewohnt, erfreute mich dennoch daran. Ich fühlte mich so fit wie nie zuvor im Leben. Trotzdem arbeitete mein Gehirn bereits daran, die diversen Arbeitsprozesse zu automatisieren. Einen Schritt nach dem anderen, ermahnte ich mich. Automatisierung erforderte Geld, dass ich nicht hatte - noch nicht.

Von den sechshunderttausend Stellari, die ich von meinem Onkel geerbt hatte, war nicht mehr viel übrig. Der Gensequenzierer hatte fast zwei Drittel davon verschlungen, weitere hunderttausend hatte meine Parzelle gekostet, nochmals siebzigtausend der Erzverarbeiter, fünfzehntausend das Nanoskop, zehntausend die Zentrifuge, rund weitere viertausend mein Computer sowie die übrige Ausrüstung und zu guter letzt zehntausend für meine Reise von der Erde ins Galamex-System. Auf meinem Konto waren noch genau 817 Stellari übrig.

Ich räumte die nächsten sieben Eisenbarren weg und füllte Rinde nach. Es war noch genügend davon da, um mich für den Rest des Tages zu beschäftigen. Zudem warteten bereits weitere 50 Eisenbäume darauf, gefällt zu werden. Es gab noch viel zu tun.

*** Ornella ***

"Du stinkst nach Fusel!" wetterte Sean Miller, als er zu mir trat, um mich am Schalter abzulösen.

"Na und?!" zischte ich zurück. "Ist ja nicht so, als ob unsere Kundschaft das durch die Scheibe riechen könnte. Abgesehen vom alles durchdringenden Novoxin-Duft."

Trotzdem führte ich mir den Kragen meiner Arbeitsuniform an die Nase und roch daran. Der Geruch von Alkohol war deutlich. Offenbar hatte ich am Vorabend in der Stationsbar etwas davon auf meine Kleidung verschüttet. Vielleicht aber auch während der Mittagspause. Seit ich vier Wochen zuvor die Abweisung meines Versetzungsantrages erhalten hatte, trank ich fast täglich. Korrektur: Jeden Tag. Anfangs nur nach meinen Arbeitsschichten, inzwischen jedoch auch vermehrt während meiner Mittagspause.

Eigentlich war gemäss Flottenregelung der Alkoholkonsum während der Arbeitszeit (inklusive Pausen) untersagt, aber auf der Station wurde dies stillschweigend geduldet. Solange man seine Arbeit machte, schauten die Vorgesetzten einfach weg. Oft genug gehörten sie selbst zu jenen, die sich zwischendurch einen Schluck gönnten. In dieser Hinsicht war ich in guter Gesellschaft.

"Das nächste mal melde ich dich!" keifte Sean, während er Platz nahm.

"Tuh, was du nicht lassen kannst. Das wird meine Meinung über dich nur geringfügig ändern: Statt MEISTENS bist du dann einfach IMMER ein Kotzbrocken."

Ohne eine Erwiderung abzuwarten, stapfte ich davon.

Noch bevor ich den Empfangsbereich verliess, bereute ich meine Worte. Sean war zwar tatsächlich ein Kotzbrocken. Er sah gut aus, aber er machte keinen Hehl daraus, dass er sich für ein Geschenk der Sterne an die Frauenwelt hielt. Und seit ich seinen Annäherungsversuchen eine freundliche aber bestimmte Abfuhr erteilt hatte, behandelte er mich wie eine Aussätzige. Aber es war einfach nicht meine Art, jemandem so offen und deutlich meine Meinung zu sagen. Das war nur geschehen, weil ich sauer war. Korrektur: Stinksauer. Nicht auf Sean - an seine abschätzige Art hatte ich mich längst gewöhnt - sondern auf Pamela Dysson, der Stationsleiterin.

Das Verkehrsaufkommen im Orbit von Galamex 2 hatte in den letzten Wochen deutlich zugenommen, woraufhin das Personal der Flugleitstelle verstärkt worden war. Doch statt wie versprochen mich zu berücksichtigen, hatte sie die fünf zusätzlichen Stellen allesamt mit neu eingetroffenem Flottenpersonal besetzt, während wir beim Siedler-Empfang nach wie vor Sonderschichten schoben.

Ich kochte vor Wut. Zeit, dieses Feuer mit ein paar Drinks in der Bar zu löschen.

Albert Rechsteiner, der Leiter der Flugleitstelle, sass bereits an unserem Stammtisch. Ich war seit einigen Monaten mit ihm befreundet. Er war so um die 50 Jahre alt. Sein Haar lichtete sich bereits, während sein Bauch kaum mehr in die Uniform passte. Er war, zumindest in seiner Freizeit, ein gemütlicher Kerl mit dem man gut reden und viel lachen konnte. Im Gegensatz zu den meisten Männern hatte er mich nie angebaggert. Er war für mich so etwas wie der 'nette Onkel' geworden. Zugegeben: Anfänglich hatte ich den Kontakt zu ihm gesucht, weil er die Flugleitstelle leitete, doch inzwischen genoss ich einfach seine Gesellschaft. Heute jedoch traf ich ihn hauptsächlich wegen seiner Position.

"Hallo, Nella. Komm, setz dich", rief er mir zu. Sein Gesicht war ungewohnt ernst, nur ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. Er winkte dem Barkeeper zu und signalisierte ihm, uns zwei Drinks zu bringen.

"Hallo, Al." Mein Gruss vermochte meinen Ärger nicht wirklich zu verbergen. Auch wenn ich davon ausging, dass er nichts damit zu tun hatte, dass mich Commander Dysson übergangen hatte, war ich mir dennoch nicht sicher. Ich setzte mich zu ihm, griff nach dem soeben gelieferten Drink und leerte diesen in einem Zug. "Noch einen, bitte!" rief ich dem Barkeeper zu.

"Hey, hey, hey, du hast noch den ganzen Abend Zeit, dir die Kappe zu füllen!" lachte er. Ich blickte ihn finster an.

"Warum, Al?" fragte ich. "Warum habe ich keine der Stellen gekriegt? Hast du mich nicht vorgeschlagen?"

"Natürlich habe ich das, Nella", antwortete er ruhig. "Aber Dysson hat gesagt, du seist nicht dafür geeignet, weil..." er zögerte, bis ich ungeduldig die Augenbrauen hob. "...du psychische Probleme hättest, die einem Einsatz bei der Flugleitstelle abträglich wären."

"Dieses MISTSTÜCK!!" explodierte ich lautstark. "Die Probleme habe ich doch nur, wegen der Stelle die ich aktuell belege!!" Einige Köpfe in der Bar drehten sich zu uns um.

"Nicht so laut, Nella", ermahnte Albert und legte mir seinen Arm um die Schultern. Mein zweiter Drink traf ein. Auch diesen leerte ich in einem Zug. "Ich verstehe ja, dass du verärgert bist. Du hast jeden Grund dazu. Aber so werden deine Probleme nicht gelöst." er deutete auf das leere Glas vor mir "Sie werden nur noch schlimmer."

"Weisst du was, Al? Inzwischen ist es mir egal. Ich gehörte in meinem Jahrgang zu den zehn besten Absolventen, und nun spiele ich jeden Tag Empfangsdame, weil eine engstirnige Stationsleiterin mich entweder nicht leiden kann, oder zu dumm ist zu erkennen, was sie an mir hat. Wie, bitteschön, soll denn das noch schlimmer werden?"

"Sie könnte dich zum Bodenpersonal versetzen", antwortete Albert prompt. "Glaub mir, wenn sie dich nicht leiden könnte, hätte sie das längst getan."

Beim Gedanken auf den Planeten versetzt zu werden, fuhr mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Vielleicht war es aber auch nur die Wirkung des Alkohols. Immerhin, trotz meiner Worte schien noch ein klein Wenig Selbsterhaltungstrieb in mir vorhanden zu sein.

"Dann ist sie einfach nur zu dumm?"

Albert lächelte verständnisvoll, doch seine nachfolgende Worte wogen schwer.

"Nella, du bist zweifelsohne ein kluges Köpfchen. Aber manchmal ist deine Sichtweise... eingeschränkt. Du denkst immer, es drehe sich alles nur um dich. Dabei hat Dysson ganz andere Sorgen. Die Station ist nach wie vor in jedem Bereich unterbesetzt - nicht nur beim Siedler-Empfang. Bei mir in der Flugleitstelle führte diese Unterbesetzung vor zwei Wochen zu einer Beinahe-Kollision zwischen einem lokalen Shuttle und einem ablegenden Schiff. Hätte ich persönlich die Kollision im letzten Moment nicht verhindert, wären Menschen gestorben."

"Okay, die Flugleitstelle ist wichtiger als der Siedler-Empfang. Sowas lernt man bereits im ersten Jahr der Ausbildung. Aber was hat das damit zu tun, dass ich nicht zur Flugleitstelle versetzt wurde?"

"In der Ausbildung lernt man auch, dass Personal-Ressourcen, insbesondere wenn diese knapp sind, optimal genutzt werden müssen. Ist dir aufgefallen, dass die neuen Stellen bei der Flugleitstelle allesamt mit frisch eingetroffenem Personal besetzt wurden?"

Ich nickte. "Ich weiss immer noch nicht, worauf die hinaus willst, Albert."

"Weil ich möchte, dass du von selbst darauf kommst. Daher noch eine Frage: Glaubst du, du seist die einzige auf der Station, die zur Flugleitstelle versetzt werden will?"