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Die Galamex-Saga - Teil 01

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Als sich Robert Delacroix für die Nacht zurückzog, setzte sich Henry zu mir und musterte mich eingehend.

"Ich weiss immer noch nicht, was ich von dir halten soll, Cygnus" eröffnete er das Gespräch. "Ich kenne Robert seit unserer gemeinsamen Schulzeit in einem Vorort von Montreal. Wir kamen gemeinsam hierher, jeder mit seinen eigenen Träumen. Mein Traum, ein eigenes Handelsgeschäft zu gründen war von, zugegeben bescheidenem, Erfolg gekrönt. Roberts Traum, hier in der Konstruktionsbranche Fuss zu fassen, hatte weniger Glück. Er konnte zwar bei der Errichtung diverser Gebäude in Crow Town mitarbeiten, aber nachdem die Flotte diese hatte fertigstellen lassen, verdingte er sich hauptsächlich beim Abbau von Regolith - bis du aufgetaucht bist. Jetzt baut er Häuser, Kanalisationsanlagen und wenn ich ihn richtig verstanden habe, dann steht als nächstes eine Wasseraufbereitungsanlage und eine Krankenstation auf dem Programm... stimmt es, dass du jedem deiner Arbeiter einen Grundlohn von 5000 Stellari pro Monat bezahlst und sie am Gewinn beteiligst?"

Ich nickte zufrieden und schlürfte an meinem Bier.

"Warum?" fragte er unvermittelt. "Auf dem ganzen Planeten zahlt niemand so hohe Löhne, schon gar nicht an einfache Arbeitskräfte. Und Gewinnbeteiligungen sind Kolonien-weit ein absolutes Fremdwort."

"Hast du schon mal vom Konzept 'egoistischer Altruismus' gehört, Henry? Mein Vorgehen hat durchaus etwas mit Eigennutz zu tun. Geld ist für mich aktuell keine Mangelware, Loyalität und Produktivität hingegen schon. Beide sind hier auf Galamex 2 wertvolle Güter. Loyale Mitarbeiter hintergehen einen nicht. Niemandem von meinem Sicherheitspersonal würde es auch nur in den Sinn kommen, eine meiner modifizierten Eicheln zu stehlen und an einen der Konzerne zu verkaufen - etwas das sich vielleicht auf kurze Sicht durchaus für sie lohnen würde. Aber längerfristig gesehen, sind sie mit mir, beziehungsweise den von mir gebotenen Arbeitsbedingungen besser dran. Und niemand arbeitet so hart wie jemand, der - zumindest teilweise - in die eigene Tasche wirtschaftet. Ich bin für meine Leute nicht nur einfach ein Arbeitgeber, Henry. Ich bin für sie jemand, der sich um sie sorgt."

Henry liess meine Worte ein Weile lang schweigend auf sich wirken, während er genüsslich an seinem eigenen Bier nippte.

"Du bist entweder der genialste Philanthrop, den die Galaxis je gesehen hat, Cygnus, oder einfach nur total und vollkommen verrückt." Wir mussten beide herzhaft lachen. "Aber da ich dank dir in den letzten zwei Wochen mehr Geld verdient habe als im gesamten vorhergehend Jahr, finde ich, dass du einen Vertrauensvorschuss verdient hast. Deine Ambitionen mögen hochtrabend, vielleicht sogar utopisch sein. Aber ich will verdammt sein, wenn ich nicht ein Teil deines Abenteuers werde. Zudem habe ich Jacqueline schon lange nicht mehr so glücklich gesehen wie heute. Daher würde ich dein Angebot gerne annehmen und mein gesamtes Geschäft hierher verlegen, einschliesslich der Warendepots."

Wir stiessen feierlich an.

"Auf eine erfolgreiche Partnerschaft, Henry. Mögen uns die Sterne gut gesinnt sein."

Weitere drei Wochen später, nachdem Henry samt all seiner Angestellten zu mir gezogen, der Bau der Schule, der Wasseraufbereitungsanlage und der Krankenstation abgeschlossen und meine Belegschaft auf 300 Leute angestiegen war, sass ich mit Yegor und einem untersetzten Mann namens Andrew Smith in meinem Büro. An der Seitenwand, eine Replika meines Ornella Muti Posters flankierend, standen Borys und Henry. Alle Blicke waren auf den Amerikaner gerichtet, der nervös auf seinem Stuhl hin und her rutschte.

"Weisst du, warum du hier bist, Andrew?" fragte ich gelassen. Der Mann nickte angespannt.

"Weil ich Eicheln vom Gelände schmuggeln wollte."

"Nein Andrew", erwiderte ich sanft. "Wenn du deswegen hier wärst, dann wären jetzt noch Sicherheitsleute der Flotte anwesend, um dich in gewahrsam zu nehmen. Du bist hier, weil wir verhindern möchten, dass du einen fatalen Fehler begehst." Ich winkte Henry zu, der daraufhin kurz im Hinterzimmer verschwand und mit einer dampfenden Tasse wieder auftauchte. Er reichte sie dem Mann, dessen Blick verwirrt zwischen mir und Henry hin und her huschte. Ich deutete auf die Tasse.

"Das ist nur Tee. Um deine Nerven zu beruhigen."

"Da-danke", murmelte er.

"Siehst du, Andrew, die Eicheln die Yegor in deinem Rucksack gefunden hat, als du auf dem Weg nach Crow Town warst, sind für deinen Auftraggeber wertlos. Daraus würden keine Eisenbäume entstehen, wie wir sie hier haben, sondern nur eine sehr abgeschwächte Variante davon. Was meinst du: Wie würden deine Auftraggeber reagieren, wenn sie feststellen, dass die Bäume weder so schnell wachsen wie unsere, noch so viel Eisen abwerfen?"

Andrew schluckte leer.

"Ich sage es dir, Amerykans'kyy", meldete sich Borys zu Wort. "Sie würden dich kalt machen." Er fuhr sich theatralisch mit einem Finger über die Kehle. Andrews Hände begannen zu zittern, was dazu führte, dass er etwas Tee auf seine Hose verschüttete. Yegor nahm ihm die Tasse aus den Händen und stellte sie auf meinen Schreibtisch.

"Vielleicht übertreibt Borys", warf ich ein. "Aber glücklich wären sie auf keinen Fall. Das Geld welches sie dir dafür versprochen haben, würden sie dir nicht geben - oder sie würden es sich zurückholen. So oder so, du bist für sie ein Risiko, weil du weisst, wer sie sind. Vielleicht hat ja Borys doch recht. Egal ob du ihnen das lieferst, was sie wollen oder nicht. Vermutlich würden sie dich auf jeden Fall aus dem Weg räumen. Keine Zeugen."

"Es, es t-tut mir leid, Herr Montichiari..." brabbelte Andrew verzweifelt. Allmählich wurde ihm bewusst, in was für eine Lage er sich gebracht hatte.

"Herr Montichiari ist mein Vater. Hier nennen mich alle Cygnus", erinnerte ich ihn freundlich. "Du hast vor zwölf Tagen bei uns angefangen, das solltest du inzwischen wissen. Sag mal, Andrew, gefällt es dir nicht, hier zu arbeiten?"

"Doch! Doch, es gefällt mir, Herr Mo... Cygnus! Hier sind alle freundlich, gut gelaunt! Es gibt immer genug zu essen! Es gibt Bäume!"

"Warum setzt du dies dann alles aufs Spiel, Andrew?" fragte Henry. "Wieviel haben sie dir für die Eicheln geboten?"

"Ein Jahreslohn, fünfzehntausend Stellari." Borys lachte laut auf, während Henry traurig den Kopf schüttelte.

"Soviel verdienst du hier in drei Monaten, Andrew", meinte Yegor.

"Ich weiss! Ich bin dumm, aber ich kann rechnen", wehrte sich der Mann. "Das Geld war aber nicht das einzige. Sie sagten, wenn ich es nicht mache, würde es... meiner Schwester schlecht gehen. Sie lebt in Lizzard Town und arbeitet dort für sie - für Glaksson."

Ich blickte den Mann mit gemischten Gefühlen an. Einerseits war ich darüber erleichtert, dass er es nicht aus reiner Habgier getan hatte. Andererseits war ich wütend darüber, wie ein Konzern wie Glaksson mit den Menschen umsprang. Andrews Gesicht war nach wie vor mit Furcht erfüllt, aber vielleicht fürchtete er weniger um sein eigenes Leben als um jenes seiner Schwester.

"Wie heisst deine Schwester, wo genau in Lizzard Town lebt sie und was macht sie für Glaksson? Hab keine Angst, Andrew, wir wollen deiner Schwester nichts Böses", versicherte ich ihm.

"Ihr Name ist Jessica. Jessica Kimble. Ihr Mann ist vor einem halben Jahr bei einem Betriebsunfall auf den Reisplantagen gestorben. Sie hat eine kleine Tochter namens Lilian und arbeitet bei der Dekontaminationsabteilung. Sie leben im Ostviertel, im Gebäude A-12."

"Meinst du, sie würde für mich arbeiten?"

Der untersetzte Mann starrte mich mit grossen Augen an.

"Äh, ja, natürlich..."

"Borys, würdest du bitte nach Lizzard Town fahren um Andrews Schwester und Nichte abzuholen? Und nimm ein halbes Dutzend Sicherheitsleute mit - für den Fall, dass Glaksson dir in die Quere kommen sollte."

Borys nickte und eilte sogleich aus meinem Büro. Andrew blickte ihm perplex nach, bevor er sich wieder mir zuwandte.

"Du.. du wirst mich nicht töten lassen?"

Yegor, Henry und ich lachten laut auf.

"Hältst du mich für sowas wie einen Gangsterboss, Andrew?"

"Aber du wirst mich verhaften lassen", hakte der Mann nach. Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf.

"Nein, Andrew. Und um deiner nächsten Vermutung zuvor zu kommen. Ich werde dich auch nicht feuern. Du wirst noch mindestens ein Jahr lang für mich arbeiten müssen, zu den gleichen Bedingungen wie bisher. Du wirst aber in dieser Zeit mein Grundstück nicht unbeaufsichtigt verlassen dürfen. Zu unserer eigenen Sicherheit, aber auch zu deiner eigenen."

"Du... du wirst mich nicht bestrafen? Und du holst meine Schwester hierher?" Sein Gesicht hellte sich sichtlich auf, die bisherige Furcht war zuerst Ungläubigkeit gewichen, schien nun aber allmählich in Erleichterung überzugehen.

"Zum einen bin ich der Meinung, dass jeder eine zweite Chance verdient. Zum anderen bist auch du nichts anderes als eines der zahllosen Opfer von Konzernen wie Glaksson, die die Verzweiflung von Menschen wie dir ausnutzen, um für sie die Drecksarbeit zu machen."

Seine Augen füllten sich mit Tränen.

"Danke! Danke-danke-danke!!"

Ich konnte ihn gerade noch daran hindern, vor mir auf die Knie zu fallen. Ich klopfte ihm verständnisvoll auf die Schulter und bat Yegor, ihn hinauszubegleiten.

"Meinst du, Andrew wird vor Gericht gegen Glaksson aussagen?" fragte ich Henry. Er zuckte mit den Schultern.

"Vermutlich. Aber das wird nichts bringen. Glaksson wird alles abstreiten, und die Beweislage ist zu dünn. Sein Wort alleine wird nicht ausreichen. Ausserdem verfügt Glaksson über ein Heer von Anwälten."

"Dann sollten wir uns vielleicht auch mal Rechtsbeistand zulegen." Die Wut pochte immer noch dumpf in mir. Ich mochte Andrew Smith nicht für einen Verbrecher halten, doch dasselbe galt nicht für Glaksson. Ein breites, beinahe verschlagenes Grinsen erschien auf Henrys Gesicht.

"Ich glaube, ich kenne dafür genau die richtige Person."

*** Ornella ***

Die Sirenen heulten auf, kurz bevor die Empfangshalle abgeschottet wurde. Meine Anzeige, genauso wie die Lichter der Halle, wurde dunkel. Die Notbeleuchtung sprang an und tauchte die Umgebung in ein gespenstisches Blau. Ein Ruck ging durch die Station. Dann, ganz allmählich, nahm die Schwerkraft ab, als die Rotationsgeschwindigkeit der Ringsektion abnahm und schliesslich gänzlich zum Stillstand kam. Instinktiv aktivierte ich meine Magnetstiefel. Larissa, meine Freundin und heutige Schalter-Nachbarin, reagierte etwas zu langsam und drohte bereits, davonzuschweben. Ich konnte sie gerade noch an einem Fuss packen und zog sie zurück zum Boden.

"Danke" keuchte sie, nachdem sie wieder Fuss gefasst hatte. Aus den Aussichtsfenstern der Halle konnte man Lichtblitze sehen, doch deren Quelle war nicht auszumachen. Panik erfasste die Siedler in der Halle, während sie in alle Richtungen davon schwebten.

"Was ist passiert?!" fragte mich Larissa angsterfüllt.

"Ich weiss es nicht", gab ich knapp zurück. Schliesslich war ich in derselben Lage wie sie. Dann besinnte ich mich auf meine Ausbildung. Im Training hatten wir ähnliche Situationen mehrfach durchgespielt. Das wichtigste war es, nicht selbst in Panik zu geraten und die Lage zu sichern. "Das ist jetzt nicht wichtig. Wir sind offenbar nicht in unmittelbarer Gefahr, daher müssen wir uns zuerst um unsere Leute und dann um die Siedler kümmern. Hinten im Schrank sind Notfall-Repulsoren. Damit können wir unsere Crew und die Siedler erreichen."

Wir verbrachten die nächste halbe Stunde damit, Personal und Siedler wieder zurück auf den Boden zu holen. Letztere statteten wir mit handgrossen Magneten aus, damit sie sich am Boden festhalten konnten. Ich koordinierte die ganze Aktion, da von unserem Schichtleiter, Sean Miller, aka Kotzbrocken, jede Spur fehlte.

"Versuch mal Sean zu finden" wies ich Larissa an. "Vielleicht ist er im Aufenthaltsraum oder auf der Toilette."

Larissa deaktivierte ihre Magnetstiefel und düste Repulsor-getrieben davon. Nun da sie ihre eigene Angst überwunden hatte, fühlte sie sich in der Schwerelosigkeit wie ein Fisch im Wasser. Ich kramte mein ComPad hervor und dankte den Sternen dafür, dass ich dessen Akku am Vorabend geladen hatte. Ich loggte mich im Stationsnetzwerk ein und überprüfte den Status:

Hüllenbruch bei der Andockstation des Kernbereiches aufgrund einer Kollision. Energieversorgung beeinträchtigt. Interne Kommunikation ausgefallen. Lebenserhaltung im Notfallmodus.

Mir lief es kalt den Rücken hinab. Eine Kollision. Irgendjemand bei der Flugleitstelle hatte ordentlich Mist gebaut. Korrektur: Katastrophalen Mist gebaut. Ich überlegte gerade, wie ich weiter vorgehen sollte, als Larissa zurückkehrte.

"Ich habe überall nachgesehen. Sean ist nicht da."

Na toll, dachte ich. Das eine mal, bei der ich froh gewesen wäre, wenn der Kotzbrocken da gewesen wäre, war er unauffindbar. Wir mussten dringend die Einsatzzentrale kontaktieren, was aber bei ausgefallener Kommunikation und versiegelten Schotts unmöglich war. Dann kam mir eine Idee.

Ich überprüfte auf meinem ComPad die Stationszeit und dankte abermals den Sternen. Einer der planetaren Kommunikationssatelliten war aufgrund seiner Laufbahn vor einigen Minuten in Reichweite der Station gelangt. Ich pingte ihn mit meinem ComPad an und erhielt prompt eine Antwort. Ich wies mein ComPad an, meine ausgehenden Verbindungen über den Satelliten zu leiten und wählte die Privatnummer von Pamela Dysson.

"Hallo?" Die Stimme der Stationsleiterin klang erschöpft, aber offenbar auch etwas überrascht. "Wer spricht da?"

"Hallo Commander, hier spricht Crewman Ornella Rossi aus der Empfangshalle. Die Lage hier ist gesichert."

"Wie haben sie mich erreicht?"

"Ich habe eine Verbindung zum Magellan-Satelliten aufgebaut, allerdings wird diese nicht mehr lange halten. In zehn Minuten wird er nicht mehr in Reichweite sein. Es sei denn, die Bodenkontrolle weist ihn an, abzubremsen."

"Ausgezeichnete Arbeit, Rossi! Ich werde den Satelliten nun selbst kontaktieren und über diesen die Bodenkontrolle anweisen, den Satelliten zu bremsen. Ich melde mich gleich bei ihnen zurück!" Ohne eine Antwort meinerseits abzuwarten, beendete die Stationsleiterin das Gespräch. Verständlich, dachte ich, während mir warm ums Herz wurde. Sie hatte meine Arbeit 'ausgezeichnet' genannt.

"Wo ist Miller, Rossi?" fragte sie mich etwa fünf Minuten später.

"Unbekannt, Commander. Ich habe ihn suchen lassen, doch er befindet sich nicht im Empfangsbereich."

Pamela Dysson seufzte hörbar.

"Nun gut... sie sagten vorhin, die Lage in der Empfangshalle sei stabil?"

"Korrekt, Commander. Da sich der Ring aufgrund des Energieausfalls nicht mehr dreht, ist die Gravitation ausgefallen. Sämtliche Siedler wurden mit Magneten versehen, um sich am Boden festhalten zu können. Den Sternen sei dank gab es hier keine Verletzte. Allerdings habe ich meine Kollegen angewiesen, Medikamente gegen Angstzustände und Übelkeit an jene Siedler zu verteilen, die welche möchten. Ich... hoffe, ich habe damit nicht meine Kompetenzen überschritten, Commander."

"Keine Sorge, Rossi. Ihr Verhalten ist musterhaft. Wenn ich es noch richtig im Kopf habe, dann sind in der Regel 40 Leute in der Empfangshalle tätig."

"Korrekt, Commander. Da aber zum Zeitpunkt des Notfalls der Schichtwechsel kurz bevorstand, sind insgesamt 70 Crewmitglieder anwesend."

"Das ist ein gute Nachricht, Rossi! Ich übermittle ihrem ComPad gleich die Codes zur manuellen Überbrückung der Schleusenschotts. Übergeben sie dort das Kommando jemandem, dem sie vertrauen und kommen sie mit 40 Leuten zur Einsatzzentrale. Besorgen sie sich sicherheitshalber auf dem Weg hierhin Raumanzüge."

In der Einsatzzentrale herrschte das reinste Chaos. Allesamt hingen an ihren ComPads und redeten aufgeregt miteinander. Am absurdesten war jedoch der Anblick der Stationsleiterin. Pamela Dysson stand da, im Pyjama und Magnetstiefeln und unterhielt sich leise mit einem sichtlich bestürzten Albert Rechsteiner. Als sie mich sah, hielt sie inne.

"Rossi, gut dass sie da sind. Ich habe leider im Moment keinen Zugriff auf ihre Akte. Aber wenn ich mich richtig entsinne, dann kennen sie sich mit der Funktionsweise von Antimaterie-Reaktoren aus?"

"Korrekt, Commander."

"Ein eingehendes Schiff hat von unserer Flugleitstelle einen falschen Anflugvektor erhalten und hat daraufhin die Kernsektion der Station gestreift. Dabei wurde die Andockstation zerstört." Albert warf mir kurz einen verzweifelten Blick zu, bevor er die Augen auf den Boden richtete. Pamela Dysson nahm keine Kenntnis davon und fuhr fort. "Wir müssen davon ausgehen, dass auch jener Bereich der Station beschädigt wurde, die den Antimaterie-Reaktor beherbergt, denn dieser liegt gleich neben der Andockstation. Ausserdem konnten wir niemanden des dort arbeitenden Personals erreichen. Möglich, dass dort niemand mehr am Leben ist." Sie schloss kurz die Augen und atmete tief durch. "Zu unserem Glück hat die automatische Notabschaltung des Antimaterie-Reaktors funktioniert, sonst wären wir jetzt alle Eisklumpen im All. Und nun kommen sie ins Spiel, Rossi: Sie müssen von Aussen in den Bereich gelangen, die Lage überprüfen und falls die Zustände es zulassen, den Reaktor wieder hochfahren. Ich brauche den Reaktor, um unsere Überlicht-Kommunikation wiederherzustellen und bei der Flotte um Hilfe zu bitten."

"Verstanden, Commander: Zutritt zum Antimaterie-Reaktor verschaffen, Lage sichern, Reaktor hochfahren."

Sie lächelte mich grimmig an.

"Worauf warten sie, Rossi? Machen sie sich an die Arbeit!"

Der Anblick war grauenerregend. Ein Riss zog sich fast hundert Meter weit über die Oberfläche der Kernsektion. Die Andockstation, der Tunnel über den sich ankommende Schiffe an die Station koppelten war komplett weggerissen worden. Das Schiff selbst war ebenfalls beschädigt, allerdings bei weitem nicht so stark wie die Station selbst. Überlichtschiffe mussten, um die ungeheuren Geschwindigkeiten aushalten zu können, besonders stabil gebaut werden. Die Schiffspitze hatte daher die Station aufgeschlitzt, als wäre das Schiff ein Messer und die Station ein Leib Brot. Tote Menschen waren zu meiner Erleichterung keine zu sehen, was aber vermutlich daran lag, dass sie durch die Dekompression regelrecht herausgeschleudert worden waren und nun irgendwo für immmer im Weltall herumtrieben. Der Riss hatte auch einige Mannschaftsquartiere beschädigt. Crewmitglieder, die in der Kernsektion arbeiteten, schliefen in der Regel auch dort, um nicht ständig mit unterschiedlicher Schwerkraft umgehen zu müssen. Im Gegensatz zum Ring herrschte in der Kernsektion permanent Schwerelosigkeit.

Als ich den Reaktorbereich erreichte, bewahrheiteten sich Pamela Dyssons Befürchtungen. Ich konnte durch den klaffenden Spalt den stillgelegten Reaktor sehen. Von Menschen keine Spur. Korrektur: Als ich den Raum glitt bemerkte ich, dass am Boden ein dutzend Paar Magnetstiefel standen. Die Menschen, denen die Stiefel gehört hatten, waren vom gnadenlosen Vakuum daraus gerissen worden. Ich unterdrückte den plötzlich aufkommenden Brechreiz und richtete meine Aufmerksamkeit auf den Reaktor. Er schien unbeschädigt zu sein. Selbiges galt für die Antimaterie-Kammer. Die Anzeige beim Reaktor funktionierte noch, ebenso die Bedienungskonsole. Diese im Raumanzug zu bedienen stellte sich als knifflig heraus, doch irgendwie kriegte ich es hin.

Das Eindämmungsfeld der Antimaterie war gemäss Anzeige intakt. Ich wies meine beiden Begleiter mit Handzeichen an, die Energieleitungen die vom Reaktor ausgingen zu kontrollieren. Beide gaben mir Zeichen, dass diese in Ordnung waren. Als nächstes liess ich den Reaktor einen minimalen Energiestoss durch die Station jagen. Auf einer dreidimensionalen Darstellung der Station wurden nun jene Bereiche angezeigt, die der Energiestoss erreicht hatte - und welche nicht. Der Shuttlehangar war offenbar von der Energieversorgung abgeschnitten (womit Hilfe von der Planetenoberfläche erschwert wurde), genauso wie die unteren Mannschaftsquartiere und logischerweise die nicht mehr existierende Andockstation. Die Energiezufuhr zu den übrigen Bereichen war nicht beeinträchtigt.