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Die Galamex-Saga - Teil 01

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Ich überlegte einen Augenblick lang. Auf der Station waren über 2000 Flottenmitglieder beschäftigt. Die Möglichkeit, dass auch andere bei der Flugleitstelle arbeiten wollten, war

ziemlich wahrscheinlich.

"Nein, es gibt bestimmt noch andere."

"Um genau zu sein haben siebzehn Männer und Frauen, einschliesslich dir, einen entsprechenden Wunsch geäussert. Und doch wurden die fünf neuen Stellen ausschliesslich mit frischem Personal belegt. Warum wohl? Denk nach, Nella."

Allmählich dämmerte es mir.

"Weil es aufwändiger wäre, bestehendes Personal bei der Flukontrolle und neues Personal bei den dadurch frei gewordenen Posten einzuarbeiten, anstatt nur neues Personal direkt bei der Flukontrolle einzuarbeiten."

"Bingo! Ich wusste doch, dass du ein kluges Köpfchen bist!" Alberts Grinsen war ansteckend. Zum ersten mal an diesem Tag erschien auch auf meinem Gesicht ein aufrichtiges Lächeln.

"Es tut mir leid, Albert. Ich bin ja manchmal sowas von verpeilt."

"Du bist nur jung, Mädchen" erwiderte Albert gutmütig. "Jung, und immer noch etwas grün hinter den Ohren. Aber du musst dich vorläufig mit dem Gedanken anfreunden, dass du noch eine Weile auf deinem Posten feststeckst. Mindestens so lange, bis sich die personelle Lage hier entspannt - was in absehbarer Zeit nicht der Fall sein wird. Dafür ist das Galamex-System einfach nicht wichtig genug für die Flotte."

Damit hatte Albert zweifelsohne recht. Da Galamex 2 bisher fast nichts exportierte und der Rest des Systems unerschlossen geblieben war, würde das Flottenkommando andere, erträglichere Systeme priorisieren, wenn es um die Zuteilung von Personal ging. Immerhin hatte Albert erfolgreich meinen Ärger gedämpft, auch wenn er die stille Verzweiflung in meinem Herzen nicht auszulöschen vermochte.

"Wie immer hast du recht, Albert. Du bist ein alter, weiser Mann." Ich entlockte ihm ein herzhaftes Lachen. "Darf ich mich trotzdem betrinken?"

Er drückte mich an sich. "Natürlich darfst du das - und dieser alte, weise Mann wird sich dir anschliessen!"

Albert bestellte uns weitere Drinks.

*** Cygnus ***

Borys staunte nicht schlecht, als er die Stapel mit den 4000 Eisenbarren sah. Er nahm einen in die Hand, roch daran und schlug ihn gegen einen anderen.

"Eisen?" fragte er ungläubig. Ich nickte zufrieden. "Hast du das irgendwo geklaut?" Er beäugte mich argwöhnisch.

"Natürlich nicht!" antwortete ich schockiert. "Komm, ich zeige es dir."

Ich führte ihn zu meinem ersten Eisenbaum und deutete auf die Rinde.

"Ich habe Bäume entwickelt, die das Eisen direkt aus dem Boden ziehen. Ich nenne sie 'Eisenbäume'."

Er fuhr mit der Hand beinahe ehrfürchtig über die Rinde, bevor er sich mir wieder zuwandte.

"Du... hast diese Bäume... gemacht?"

"Ich bin Terraformer und daher auch Genetiker. Habe meine Ausbildung summa cum laude abgeschlossen." Er blickte mich verwirrt an - vermutlich hatte er den Ausdruck 'summa cum laude' noch nie zuvor gehört. "Das bedeutet, ich bin wirklich, wirklich gut, bei dem was ich tuhe."

Besorgnis erschien auf seinem Gesicht.

"Du brauchst Schutz" erklärte er ernst. "Wenn Leute erfahren, dass du Bäume machen kannst, die Eisen aus dem Boden ziehen, bist du nicht mehr sicher. Viele böse Leute auf dem Planeten. Kriminelle."

Ich runzelte die Stirn. "Die Flotte hat Sicherheitskräfte auf dem Planeten."

"Nicht genug", erwiderte Borys mit finsterer Miene. "Ehrliche Leute müssen sich selbst schützen. Sicherheitskräfte sind zu langsam - bis sie da sind, ist man bereits tot."

Darüber hatte ich mir bisher keine Gedanken gemacht. Meine Parzelle lag weit genug von Crow Town entfernt. Keine anderen Siedler hatten sich bisher auf mein Grundstück verirrt. Borys war die erste Menschenseele, die ich in den letzten vier Wochen zu Gesicht bekommen hatte. Aber sobald ich mein Eisen in die Siedlung brachte, würden sich die Leute fragen, woher ich dieses hatte.

"Gibt es private Sicherheitsfirmen in Crow Town, die ich anheuern könnte?"

"Nein. Die grossen Unternehmen haben alle ihre eigenen Sicherheitsleute mitgebracht. Ich kenne aber viele Leute, die Waffen besitzen - und nach Arbeit suchen."

Wir blickten einander wortlos mit einem breiten Lächeln an. Ich streckte ihm die Hand entgegen. "Ich glaube, du und ich werden uns fabelhaft verstehen." Dieses mal erwiderte ich seinen festen Griff. Ich hatte mir in den letzten vier Wochen einiges an Muskeln zugelegt.

Nachdem Borys die Barren mit Hilfe der Repulsoren auf den Gleiter geladen hatte, machten wir uns auf dem Weg. Die Fahrt nach Crow Town würde etwas mehr als eine Stunde dauern, was mir genug Zeit gab, die in der Siedlung ansässigen Firmen zu überprüfen. Für Rohstoffhandel waren in Crow Town nur drei Unternehmen eingetragen. Da waren einerseits Glaksson und Taenaka, beides Filialen von Grosskonzernen. Das dritte Unternehmen trug den mir unbekannten Namen Lemieux Inc. Ich rief die Details auf meinem ComPad ab. Das Unternehmen gehörte einem Henry Lemieux und handelte hauptsächlich mit Regolith, einem relativ leicht abbaubaren Rohstoff, welches in der ganzen Milchstrasse für die Herstellung von Beton verwendet wurde und auch auf Galamex 2 im Überfluss vorhanden war. Es war aber auch Eisen auf seiner Produktliste aufgeführt. Der Preis dafür war exorbitant: 100 Stellari pro Kilogramm. Auf der Erde kostete Eisen ein Fünfzigstel! Aber eben, auf Galamex 2 musste sämtliches Eisen (bisher) importiert werden, was den horrenden Preis erklärte. Obschon ich nicht die Absicht hatte, mit Glaksson oder Taenaka Geschäfte zu machen, überprüfte ich auch deren Eisenpreise. Diese waren ebenso hoch. Ausserdem verfügten die beiden über grössere Mengen als Lemieux Inc.

"Kennst du zufällig Henry Lemieux?" fragte ich Borys. Er nickte, ohne den Blick vom Horizont zu wenden.

"Guter Mann. Ehrlicher Mann. Kanadier. Arbeite manchmal für ihn."

"Glaubst du, er würde mir die 20 Tonnen Eisen abkaufen?"

Borys grinste.

Henry Lemieux war nicht viel älter als ich. Er hatte eine gewinnende Art, die ihn auf Anhieb sympathisch machte. In seinen Augen funkelte etwas schelmisches, als er von seinem Nanoskop hochblickte.

"Reines Eisen, zweifelsohne. Und sie sind sicher, dass sie mir ihre ganze Ladung verkaufen möchten, Herr Montichiari?"

"Wenn es ok ist, dann bin ich einfach nur Cygnus. Und ja, ich möchte die ganze Ladung verkaufen."

"Dann bin ich einfach nur Henry", antwortete er verschmitzt. "Muss ich mir Sorgen über die Herkunft machen, Cygnus?"

Ich musste unwillkürlich lächeln: Dieselben Zweifel wie Borys, nur etwas gepflegter ausgedrückt.

"Legal erwirtschaftet, durch harte Arbeit, Henry."

"Nun gut, und wieviel möchtest du dafür?"

"Wie wäre es mit 50 Stellari das Kilo?" Seine Stielaugen waren einfach nur köstlich.

"Machst du Witze?! Entweder das, oder du hast das Eisen doch irgendwo gestohlen und willst es nun dringend loswerden. Und selbst Diebe auf der Flucht würden Eisen nicht so billig verkaufen!"

"Ich meine es ernst, Henry. Aber mein Angebot ist an drei Bedingungen geknüpft. Erstens: Du verkaufst das Eisen ausschliesslich an ortsansässige Unternehmen oder an Siedler, die das Eisen brauchen und nicht weiterverkaufen wollen. Zweitens: Du setzt den Verkaufspreis für mein Eisen deutlich unter dem von Glaksson und Taenaka an - und mit deutlich meine ich nicht mehr als 75 Stellari das Kilo. Und drittens: Du gehst mit mir eine Partnerschaft ein welche vorsieht, dass du Eisen künftig nur noch von mir beziehst, zum gleichen oder sogar niedrigeren Preis als heute."

Henry kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Sein Blick huschte zwischen mir und Borys hin und her.

"Das ist doch ein Trick, oder? Du willst mir sagen, dass du mir noch mehr Eisen zu diesen Bedingungen liefern kannst?!"

"Kein Trick, Henry", warf Borys gutgelaunt ein.

"Ich werde dir innerhalb der nächsten zwei Wochen die zehnfache Menge an Eisen liefern, sofern es mir heute gelingt, genügend Leute anzuwerben und die notwendigen Maschinen und Geräte zu kaufen. Und um deine Bedenken betreffend der Herkunft des Eisens zu zerstreuen, besuche mich doch morgen - oder wann immer es dir passt - auf meinem Grundstück."

Crow Town war eine typische koloniale Siedlung. In der Stadtmitte befanden sich gut drei dutzend mehrstöckiger Betonklötze, welche einerseits die Stadtverwaltung beherbergten, andererseits die Büros der Grosskonzerne. Jenseits des Zentrums waren die Gebäude viel kleiner und glichen einander wie ein Ei dem anderen, spartanisch und funktional. Alles in allem machte die Stadt einen tristen Eindruck, denn von Grün fehlte jegliche Spur. Immerhin befand sich in einer der kleinen Bauten ein heimelig eingerichtetes Restaurant, welches nicht nur aufgekochte Standardrationen anbot. Es gab Reis und sonstiges Gemüse, welches der Koch, ein netter Inder der das Lokal betrieb, lecker zubereitet hatte.

Borys und ich sassen an einem Tisch und warteten auf eine Gruppe Leute, die mein osteuropäischer Freund aufgeboten hatte. Die meisten von ihnen sollten mir bei der Eisenernte helfen, der Rest für Sicherheit auf meinem Grundstück sorgen.

Da ich Borys zum Essen eingeladen hatte, schlug er kräftig zu. Ein kleines Mädchen brachte ihm gerade seine dritte Schüssel Reis.

"Sag mal Borys, gehört der Gleiter eigentlich dir?"

"Geleast", brachte er zwischen einem Löffel Reis und dem nächsten hervor. "Für fünf Jahre. Danach werde ich ihn wohl zurückgeben müssen."

"Kannst du ihn denn am Ende der fünf Jahre nicht kaufen?" fragte ich neugierig.

"Können, ja, habe aber nicht genug Geld. Verdiene zu wenig", schmatzte er.

"Wieviel kostet denn so ein Gleiter?"

"Zweihunderttausend Stellari. Ich kann in fünf Jahren knapp die Hälfte bezahlen. Etwas mehr als die Hälfte wenn ich nicht schlafe, nichts esse und nichts trinke!"

Wir mussten beide über seine Bemerkung lachen. Gute Geschäfte machten hier offenbar nur jene, die bereits eine Menge Geld hatten. Ich wollte dafür sorgen, dass sich dies änderte.

"Wie wäre es, wenn ich den Gleiter für dich kaufe? Dafür arbeitest du mindestens ein Jahr lang nur für mich - zu einem fairen Lohn."

Er legte seinen Löffel beiseite, wischte sich den Mund und blickte mich ernst an.

"Was ist für dich ein fairer Lohn?"

"5000 Stellari im Monat - und nach einem Jahr gehört der Gleiter dir. Dafür transportierst du Sachen für mich, fährst mich herum und hältst den Gleiter in Stand."

Er stand auf und blickte mich feierlich an.

"Du hast gerade einen Freund fürs Leben gefunden, Cygnus."

Es vergingen zwei Wochen, bevor Henry Lemieux dann auch tatsächlich mein Grundstück besuchte. Er kam in Begleitung seiner Frau, Jacqueline, einer zierlichen Brünetten mit dem ansteckendsten Lachen, das ich je gehört hatte. Sie war hellauf begeistert, als sie das Wäldchen erblickte, welches inzwischen den See umsäumte.

"Sieh dir das an, Henry! Bäume! Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals welche wiedersehe! Aber was haben die denn für eine eigenwillige Farbe? Sie sind ja silbern! Merveilleux!" Jacqueline war vollkommen aus dem Häuschen und eilte von einem Baum zum nächsten, als ob sie bei jedem sicherstellen wollte, dass es sich nicht um eine optische Täuschung handelte. Henry war ebenfalls beeindruckt, doch bei ihm überwog der Geschäftssinn. Er brauchte nicht lange um zu realisieren, was die Bäume zu bedeuten hatten.

"Du hast Pflanzen, die Eisen aus dem Boden ziehen", sprach er seine Vermutung aus, während er einen Baum genauer in Augenschein nahm. "Woher?"

"Ich habe die genetische Modifikation selbst entwickelt, Henry. Ich bin Terraformer und verstehe etwas davon."

"Das ist die Untertreibung des Jahres, Cygnus! Du bist ein verdammtes Genie!" Henry blickte mich anerkennend an. "Kein Wunder kannst Du den Preis so tief ansetzen. Man könnte zwar auch maschinell Eisen aus dem Boden von Galamex 2 gewinnen, doch die Kosten wären viel zu hoch, als das sie mit dem importierten Eisen konkurrieren könnten."

"Du hast dich damit beschäftigt?" fragte ich ihn, während wir seiner Frau hinterhertrotteten, die immer noch unter den Bäumen umherhüpfte, als sei sie wieder ein Kind.

"Natürlich. Ich habe schon immer nach einem Weg gesucht, mit den Konzernen mitzuhalten. Ich wollte ihnen ja nicht einfach das Feld überlassen. Wie ich sehe, ist es dir gelungen."

"Ich will nicht mit den Konzernen mithalten, Henry", gab ich entschlossen zurück. "Ich will sie von dieser Kugel jagen - und das ist nur der Anfang."

Henry blickte mich fragend an.

"Es ist doch überall in den Kolonien dasselbe, Henry. Glaksson, Taenaka, Cosmoforge, Trabantian, Astral Solutions und all die anderen Grosskonzerne kontrollieren alles, während 99,9 Prozent der Menschheit ein elendes Dasein führt. Sie haben bei der Flotte das Sagen und sämtliche Politiker in der Tasche. Ihnen gehört einfach alles, und sie gehen bei jedem neu erschlossenen Planeten gleich vor. Die Kolonialbehörde verkauft hoffnungsvollen Siedlern Parzellen zu hohen Preisen, um die Flotte zu finanzieren. Dann, wenn die Siedler unweigerlich an den harten Anforderungen der Grenzwelten scheitern, kaufen ihnen die Grosskonzerne die Parzellen zu Spottpreisen ab und zwingen die inzwischen mittellosen Siedler dazu, für sie zu arbeiten - unter menschenunwürdigen Verhältnissen, während sie das grosse Geld machen. Einige wenige leben in Saus und Braus, während wir anderen für diese nichts anderes als Arbeitstiere sind. Das will ich ändern. Ich bin nicht hergekommen, um reich zu werden, Henry. Ich bin hergekommen, um die menschliche Gesellschaft zu verändern."

Wir hatten inzwischen das andere Ende des Sees erreicht, wo bereits einige Holzhäuser standen.

"Ach du meine Güte, Holzhäuser! Sieh dir das an, Henry!" Jacqueline eilte entzückt den Pfad entlang, um die Häuser aus der Nähe zu betrachten. Henry und ich liefen ihr gemütlich hinterher, der kanadische Geschäftsmann tief in Gedanken versunken. Ich deutete auf das uns am nächsten liegende Haus, welches gleich am Ufer des Sees stand.

"Das da ist meins. Meine Leute haben es als erstes gebaut. Sie meinten, es sei nicht angebracht, dass ihr Boss am Boden einer Höhle schlafe. Sie haben mir sogar ein richtiges Bett gezimmert!"

Wir liefen an einigen Arbeitern vorbei, die gerade dabei waren, einen Bewässerungskanal auszuheben. Sie grüssten mich überschwänglich und kehrten sogleich zu ihrer Arbeit zurück. Sie wirkten zufrieden. Ein kleines Mädchen namens Laya, die Tochter von Dinesh, unserem Koch, kam auf mich zugerannt und sprang in meine Arme.

"Hallo Cygnus!", begrüsste sie mich herzlich. "Kommst du mit mir spielen?" Ihre grossen Augen musterten mich hoffnungsvoll.

"Hallo Laya. Leider kann ich gerade nicht. Ich habe Gäste, denen ich unser kleines Dorf zeigen möchte. Willst du uns begleiten?"

Sie überlegte einen Augenblick lang, schüttelte dann jedoch den Kopf. "Bald essen wir, und ich habe versprochen, Pita zu helfen."

Ich setzte sie ab und sie rannte in einem Affenzahn los.

Jacqueline trat neben mich und blickte gedankenverloren Laya nach.

"Was für ein reizendes Mädchen. Gibt es hier viele Kinder?"

"Bisher sind es drei", antwortete ich. "Alle etwa im gleichen Alter wie Laya. Aber morgen sollten noch mindestens zwei weitere hier eintreffen. Da wir nun genügend Behausungen haben, ziehen meine Mitarbeiter allmählich ihre Familien aus Crow Town nach. Ich werde wohl demnächst eine Lehrkraft anheuern und ein Schulhaus bauen lassen müssen."

"Ich bin Lehrerin!" meinte Jacqueline begeistert. "Ich wollte eigentlich in Crow Town unterrichten, aber die zivile Verwaltung will dafür kein Geld freigeben. Die meisten Siedler lassen ihre Kinder sowieso arbeiten, um über die Runden zu kommen. Könnten wir nicht hierher ziehen, Henry?"

"Jacqueline..." Henry seufzte.

"Bitteeee!" flehte seine Frau mit zuckersüsser Stimme. Sein Blick verriet, dass er kurz vor dem Nachgeben stand. Ich beschloss, ein wenig nachzuhelfen.

"Borys fährt mehrmals pro Tag nach Crow Town und zurück. Einerseits um Eisen - und bald auch Holz - an dein Depot zu liefern, andererseits um Verpflegung sowie neue Maschinen und Arbeitskräfte hierher zu bringen. Du könntest kostenfrei mitfahren, um täglich in dein Büro und zurück zu fahren - sofern du deinen Geschäftssitz nicht gleich ganz hierher verlegen möchtest."

Henry sperrte die Augen auf. "Du würdest mir auf deinem Grund und Boden Büroräumlichkeiten vermieten?"

"Nein, Henry, ich würde dir Büroräumlichkeiten und ein Haus kostenfrei zur Verfügung stellen - wie jedem anderen, der hier arbeitet."

Jacqueline jauchzte und machte einen Freudenhüpfer.

"Ich habe einen dutzend Angestellte, die dann ebenfalls hierher ziehen müssten. Einige von ihnen haben ebenfalls Kinder, die Jacqueline aktuell privat unterrichtet..."

"Für sie würden dieselben Bedingungen gelten. Ein kostenfreies Haus für jede Person oder Familie - und natürlich kostenfreier Unterricht für deren Kinder, sobald die Schule steht und Jacqueline hier arbeitet."

Der grosse Teil meiner Belegschaft versammelte sich wie jeden Abend unter dem grossen Pavillon, um gemeinsam zu speisen. Lediglich die diensthabenden Sicherheitsleute fehlten, da sie mein Grundstück patroullierten, sowie mein Labor und die frisch gepflanzten Eisenbäume bewachten. Inzwischen waren mehrfach in der Ferne Gleiter gesichtet worden, die sich jedoch allesamt immer aus dem Staub gemacht hatten, sobald sie von meinen Leuten entdeckt wurden. Yegor, mein Sicherheitschef und Borys' Vetter, hatte mich vor einigen Tagen darüber informiert. Er vermutete zudem, dass sich unter den neuen Arbeitskräften vermutlich auch Spione befanden. Er hatte darauf bestanden, entsprechende Sicherheitschecks durchzuführen. Ich hatte widerwillig zugestimmt. Es missfiel mir, neuen Menschen mit Misstrauen zu begegnen. Ich zog es vor, offene, ehrliche Beziehungen zu den Leuten die für mich arbeiteten aufzubauen. Was sich bisher als erfolgreiche Vorgehensweise erwiesen hatte. Alle meine Mitarbeiter nannten mich beim Vornamen und waren voller Respekt, wenn ich jeweils selbst mit anpackte, wenn es darum ging, Bäume zu fällen, Abwasserschächte zu graben, Hauswände zu errichten und anzustreichen... Ich wollte jede Tätigkeit, die auf meinem Grundstück ausgeführt wurde, auch mal selbst durchführen - nur schon um zu wissen, wie es ging, oder wie anstrengend es war. Ausserdem schuf diese Art der Zusammenarbeit eine starke Bindung. Aber inzwischen waren beinahe hundert Leute auf meinem Gelände. Es wurde zunehmend schwieriger, mit jedem eine ganz persönliche Beziehung aufzubauen. Trotzdem war es mir wichtig, Vertrauen zu schaffen. Sicherheitschecks hielt ich diesbezüglich für kontraproduktiv.

Henry hatte sich neben Robert Delacroix gesetzt, einem Riesen von Mann der wohl ebenfalls aus Kanada stammte. Sie waren in einem angeregten Gespräch vertieft. Dabei warf mir Henry immer wieder verstohlene Blicke zu. Jacqueline hatte sämtliche Kinder um sich versammelt und las ihnen offenbar etwas vor. Die Kleinen hingen regelrecht an ihren Lippen. Sie schien in ihrem Element zu sein.

Borys sass neben mir und verdrückte gerade die dritte Portion Curry-Reis, die ihm Dinesh hingestellt hatte. Ich fragte mich unwillkürlich, wie mein osteuropäischer Freund so viel zu futtern vermochte, ohne zu platzen. Zwischen einem Bissen und dem nächsten erzählte er mir, wie er in Lizzard Town drei weitere Gleiter für uns erworben und gleich noch drei Fahrer angestellt hatte. Da die Produktion an Eisen praktisch täglich zunahm, würde ein einzelner Gleiter schon bald nicht mehr ausreichen. Zudem hatte Yegor einen Gleiter beantragt, um das Gelände effizienter patroullieren und eventuell mal Neugierige abfangen zu können.

Die Stimmung war ausgelassen, unter anderem auch weil ich den Anlass von Henrys Besuch zum Vorwand genommen hatte, eine grosszügige, wenn auch kostspielige Ladung Import-Bier zu spendieren. Ich hatte in den letzten zwei Wochen jeden Tag 20 Tonnen Eisen an Henry geliefert und hatte daher bereits 14 Millionen Stellari eingenommen. Obschon ich den grössten Teil meiner Einnahmen schon wieder ausgegeben hatte, war noch genügend Geld übrig, um meine Leute zu verwöhnen.