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Die Galamex-Saga - Teil 02

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"Da hätte ich auch eine Idee, aber sie wird euch beiden nicht gefallen."

Alinas Augen verengten sich. "Jetzt bin ich aber gespannt, Cy."

Ich zögerte. Die Idee war mir in der vergangenen Nacht gekommen, als ich über Ornella sinniert und überlegt hatte, wie ich verhindern konnte, dass sie zum Spielball der Machenschaften der Konzerne werden würde. Wie ich genügend Einfluss auf die Flotte ausüben konnte, um ihre Selbstbestimmung sicherzustellen. Aber meine Idee war derart wahnwitzig, dass ich sogar selber etwas davor zurückschreckte. In diesem Moment war ich jedenfalls froh darüber, dass die Entscheidung über ein derartiges Vorhaben nicht bei mir alleine lag. Falls sie tatsächlich nichts anderes als ein verrücktes Hirngespinst war, würden Henry und Alina dies entsprechend quittieren.

Ich raffte mich zusammen.

"Wir bauen im Orbit von Galamex 2 eine eigene Raumstation, mindestens doppelt so gross wie jene der Flotte -- mit zugehöriger Werft, zum Bau eigener Raumschiffe."

Henry erblasste, während Alina laut auflachte und den Kopf schüttelte.

"Ich hätte dich nicht für grössenwahnsinnig gehalten, Cy! Du schaffst es immer wieder, mich zu überraschen. Darauf sollten wir etwas trinken." Sie stand auf und goss uns allen einen Whisky ein. "Eine eigene Raumstation! Ist dir eigentlich bewusst, wie ambitioniert das ist? Aber ich nehme jetzt mal an, dass du das bereits detaillierter angedacht hast. Lass hören."

"Was gibt es da anzuhören?" wandte Henry aufgeregt ein. "Ali, du willst doch nicht ernsthaft darüber diskutieren? Eine Raumstation zu bauen. Das übersteigt nicht nur unsere Mittel, sondern auch unsere Kompetenzen!"

"Das ist so nicht ganz richtig, Henry", meldete ich mich erneut zu Wort. "Alina hat bereits beim Bau einer Raumstation in dieser Grössenordnung mitgewirkt, als sie noch bei Astral Solutions war."

"Oh, du hast sogar Hausaufgaben gemacht, Cy! Aber dann dürfte dir auch bewusst sein, dass ich damals noch kein Jahr bei meinem früheren Arbeitgeber angestellt war und nur als eine von vier stellvertretenden Projektleitern tätig war."

"Dennoch verfügst du über eine gewisse Expertise. Wir würden daher nicht vollkommen ahnungslos in den Boxring steigen", erwiderte ich.

Alina nickte. "Touché."

"Leute, nochmals, uns fehlen dafür die Mittel!" Henry klang inzwischen regelrecht verzweifelt, als ob er sich gerade mit zwei Narren unterhielt. Ich war mir nicht sicher, ob er nicht vielleicht tatsächlich recht hatte. "Zudem sehe ich nicht, wie uns der Bau einer Raumstation -- ein Vorhaben welches wohl mindestens ein Jahr in Anspruch nehmen dürfte -- bei unserem kurzfristigen Problem helfen sollte. Wir brauchen JETZT zusätzliche Frachter!"

"Lass ihn doch einfach mal ausreden, Henry. Ich bin ja selbst mehr als skeptisch. Aber Cygnus knallt eine solche Idee nicht hin, ohne einen konkreten Plan zu haben. Lass uns einfach hören, was er zu sagen hat."

"Danke, Ali."

"Danke mir nicht zu früh, Cy! Deine Argumente müssten schon äusserst überzeugend sein, wenn du mich für diesen Wahnsinn begeistern willst."

"Als ich gestern auf der Station war, ist mir aufgefallen, dass sie aus allen Nähten platzt. Es kommen täglich mehr Siedler an, während auch der Warenverkehr zunimmt. Es dürfte daher nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Flotte selbst eine zweite Station bauen lässt."

"Eine berechtigte Annahme", pflichtete Alina mir bei. "Die Flotte würde sie höchstwahrscheinlich wieder mal von Astral Solutions bauen lassen, auch wenn es vorher eine offizielle Ausschreibung für die Auftragsvergabe geben wird."

"Exakt. Die Flotte stellt die finanziellen Mittel zur Verfügung und Astral Solutions verdient sich dann daran eine goldene Nase. Wenn wir jetzt aber proaktiv vorgehen und der Flotte mitteilen, dass WIR die finanziellen Mittel für eine neue Station aufbringen, dürfte dies auf jeden Fall ihr Interesse wecken."

"Und was hätte die Flotte davon?" Henry hatte sich wieder etwas beruhigt, auch wenn seine Körperhaltung verriet, dass er das Ganze nach wie vor für ausgemachten Unsinn hielt. "Es wäre ja dann UNSERE Station -- eine zivile Station."

"Wir würden der Flotte folgendes Angebot machen: Ihr Personal übernimmt die operative Leitung. Ihre Schiffe, die nicht an einen Konzern untervermietet sind, hätten prioritäres Andockrecht, gleich vor unseren Eigenen. Sie würden zudem eine Kaufoption auf jedes zweite in unserer Werft gebaute Schiff erhalten -- zum Selbstkostenpreis. Und zu guter Letzt: Der Besitz der neuen Station inklusive der Werft würde in 50 Jahren an sie übergehen. Im Austausch dafür vermietet uns die Flotte zwanzig Frachter der Delta-Klasse samt Crew zu Vorzugskonditionen -- bis wir die Schiffe durch eigene ersetzen können."

Henry schien nun tatsächlich meine Idee ernsthaft in Betracht zu ziehen.

"Was ist mit den Mitteln?", wollte er wissen. "Ein solches Vorhaben dürfte locker einige Billionen Stellari verschlingen."

"Wenn die Prognosen von Alinas Analysten, betreffend der Nachfrage nach unserem Eisen, zutreffen, dann dürften wir die Kosten decken können. Nicht sofort, versteht sich, aber im Verlauf eines Jahres, maximal zwei, sollten wir das stemmen können. Eine eigene Station hätte zudem den Vorteil, dass wir das übrige Galamex-System nach wirtschaftlichen Gelegenheiten erkunden könnten. Die Flotte hat das System, bis auf Galamex 2, nur oberflächlich erforscht. Da draussen könnten noch weitere Reichtümer auf uns warten."

"Was meinst du, Ali?", fragte Henry.

Sie wählte ihre Worte mit Bedacht. "Die Idee ist kühn. Um nicht zu sagen, tollkühn! Was mir besonders daran gefällt: Wir würden damit einen Frontal-Angriff auf Astral Solutions tätigen. Sei es, was den Bau einer Station betrifft, oder sei es, was ihre Monopolstellung in Bezug auf den Bau von so grossen Schiffen angeht. Wenn wir damit erfolgreich wären, würden wir faktisch ihre Vormachtstellung in diesem Sektor brechen. Aber ich tue mich schwer damit, die Risiken abzuwägen. Sollten wir scheitern, würden wir möglicherweise alles verlieren, was wir uns hier aufgebaut haben. Ein solches Vorhaben wäre gewaltig. Ich bin die Letzte, die etwas gegen eine gesunde Herausforderung hat, aber das macht sogar mir Angst."

Ein bedeutungsvolles Schweigen legte sich über Alinas Büro.

"Henry, Alina, hört zu: Wenn euch meine Idee zu riskant ist, dann werde ich es euch ganz bestimmt nicht übel nehmen, wenn ihr sie verwerft. So oder so, falls das zustande kommen soll, dann reicht hier nicht ein Mehrheitsentscheid. Entweder stimmen alle zu, oder wir lassen es sein. Es ist auch keine Entscheidung, die wir hier und jetzt treffen sollten. Jeder von uns sollte sich mindestens einen Tag Zeit nehmen, um darüber nachzudenken."

"Einverstanden", sagte Henry.

"Dann werde ich das inzwischen von meinem Team simulieren und durchrechnen lassen und auf Tuchfühlung mit einigen meiner Kontakte bei der Flotte gehen, um die Lage zu sondieren. Die Bedingungen, die du genannt hast, Cy, dürften zwar für die Flotte nahezu unwiderstehlich sein, aber dennoch wird es den einen oder anderen konzerngeschmierten Beamten geben, der uns einen Stock zwischen die Beine werfen würde. Zudem werde ich den Eindruck nicht los, dass du noch irgendwas auf dem Herzen hast, was diese Angelegenheit betrifft, Cy. Also rück schon raus damit." Alinas Blick durchbohrte mich.

"Es ist ... nichts, wovon ich die Umsetzung dieses Vorhabens abhängig machen würde. Ich würde aber gerne eine weitere, kleine, höchst eigennützige Bedingung an die Flotte stellen wollen. Sie müssten zusagen, Ornella nicht ohne ihre ausdrückliche Zustimmung zu versetzen und ihr einen Einsatz bei einer Tiefraum-Expedition garantieren, falls sie einen solchen wünscht."

Alina grinste breit, während Henrys Blick verwirrt zwischen uns hin und her huschte. "Ornella? Was? Ich dachte, bei dem Bild in deinem Büro handelt es sich um eine längst verstorbene Schauspielerin?"

Im Gegensatz zu Alina interessierte sich Henry nicht für Beziehungen, die nicht geschäftlicher Natur waren. In letzter Zeit hatten wir zudem wenig Gelegenheit gehabt, freie Zeit miteinander zu verbringen. Er wusste daher nichts über meine Romanze. Alina zog ihr ComPad hervor und zauberte ein Bild von Ornella auf die Anzeige und hielt es Henry hin.

"Ornella Rossi, Lieutenant auf der Station und Cygnus aktuelle 'raison d'être'."

"Die Frau gibt es wirklich?!", fragte Henry verblüfft.

Ich seufzte, während Alina leise in sich hineinlachte. "Ein genetischer Zufall. Eine Doppelgängerin, wenn man so will. Die Liebe meines Lebens."

"Na das erklärt dann zumindest, warum du der Flotte so verlockende Bedingungen bieten willst", meinte Henry grinsend. "Und warum ich dich noch nie in Begleitung einer hübschen Frau gesehen habe!"

"Wie gesagt, ist das keine Bedingung."

"Red keinen Unsinn, Cy!" unterbrach mich Alina. "Natürlich würden wir das auch in die Bedingungen an die Flotte aufnehmen! Schon allein, damit die Konzerne sie nicht als Druckmittel gegen dich verwenden können! Aber vor allem, weil sie DIE LIEBE DEINES LEBENS ist."

Henry klopft mir auf die Schulter.

"Ich bin zwar ein Geschäftsmann, Cygnus, aber niemand soll behaupten, Henry Lemieux hätte keine romantische Ader! Ich stimme Alina zu: Wenn das zustande kommt, wenn wir dem Projekt zustimmen, ist diese Bedingung nicht verhandelbar."

In diesem Augenblick wurde mir wieder bewusst, dass die beiden nicht einfach nur meine Geschäftspartner waren, sondern echte Freunde. Ich hatte einen Kloss im Hals.

"Danke, Leute."

Henry grinste verschmitzt.

"Hast du übrigens die Statue gesehen, die die Einwohner der Altstadt errichten lassen? Sie steht dort, wo früher der Pavillon war. Der wurde ja abgebaut, als wir zu viele wurden, um dort alle gemeinsam zu essen."

Ich stutzte.

"Statue? Was für eine Statue?"

Alina konnte sich kaum noch halten vor Lachen, während ich kreideweiss auf die zehn Meter hohe Statue blickte. Sie war tatsächlich dem Bild in meinem Büro nachempfunden. Aber anstatt zu sitzen, wie auf meinem Poster von 'La segretaria', hatte man sie im Stehen dargestellt -- samt kurzem Kleid, Strümpfen und Strapsen.

Kapitel 6 -- Ornella

Das Shuttle nach Crow Town war bis auf den letzten Platz belegt. Ich sass neben einem fetten, schwitzenden Mann, der nach billigem Rasierwasser roch und genüsslich eine Tüte Süsskram vertilgte. Der Kleidung nach zu urteilen, handelte es sich dabei um einen Handelsvertreter. Zu meiner Erleichterung war er zu sehr mit einem Spiel auf seinem ComPad beschäftigt, um mir Beachtung zu schenken. Ich schloss die Augen und döste vor mich hin. Mein Kopf pochte immer noch leicht von dem Kater unseres jüngsten Saufgelages. Glücklicherweise hatten sowohl Commander Donovan als auch mein direkter Vorgesetzter Joao Da Silva meiner Bitte zugestimmt, sofort einen zweiwöchigen Urlaub anzutreten. Es war wohl beiden aufgefallen, dass meine Leistung in den letzten Wochen etwas nachgelassen hatte. Ich konnte sie daher mit Leichtigkeit davon überzeugen, dass ich überarbeitet war und dass ein Urlaub meinerseits für den reibungslosen Betrieb der Flugleitstelle unerlässlich war. Anschliessend hatte ich den nächstbesten Flug nach Crow Town gebucht und meine Sachen gepackt.

Ich hatte überlegt, ob ich Cygnus meinen Besuch ankündigen sollte, mich dann aber dagegen entschieden -- ich wollte ihn überraschen. Ich war mir sicher, dass er sich darüber freuen würde.

Der Mann neben mir grunzte, stiess mich mit dem Ellbogen an, und als ich meine Augen öffnete, bot er mir seine Tüte an.

"Lakritze?"

Ich winkte freundlich ab. In mir stieg Übelkeit auf. Er kehrte zu seinem Spiel zurück, während ich ein Schmerzmittel aus meiner Tasche hervorholte und mit einem Schluck Wasser herunterspülte. Der Flug nach Crow Town würde rund eine Stunde dauern. Zeit genug, um ein Nickerchen zu machen -- und vielleicht die Kopfschmerzen loszuwerden.

Ich stieg als letzte aus und folgte der Menschenmenge. Offenbar lag der Landeplatz nicht allzu weit von einem Bahnhof entfernt, über dem die Schienen einer Magnetschwebebahn ragten. Ich wusste, dass Cygnus auf seinem Grundstück lebte und dort inzwischen eine grössere Siedlung entstanden war. Er hatte mir jedoch nichts über eine Schwebebahn erzählt. Ich ging zum Informationsschalter.

"Entschuldigen sie", sprach ich den jungen Mann hinter der Scheibe an. "Können sie mir sagen, wohin die Bahn führt?"

"Äh -- " er blickte mich verdutzt an. "Nach Ornellas Beauty. Mit Zwischenhalt in der Altstadt und Endstation am Cooperation Tower.

"Bitte was?! Was haben sie gesagt, wie heisst die Ortschaft?"

"Äh, Ornellas Beauty, Ma'am."

Also hatte ich mich nicht verhört. Die Ortschaft hiess tatsächlich so wie ich. Das konnte ja nur auf Cygnus' Mist gewachsen sein! Ich fragte mich, was er sich dabei gedacht hatte, seine Siedlung nach mir zu benennen. Falls er mir damit schmeicheln wollte, hatte er sich gründlich getäuscht!

"Wo bekomme ich einen Fahrschein?", fragte ich brüsk.

"Äh, die Fahrt ist kostenlos, Ma'am."

Meine Augen verengten sich. "Sie wollen mich veralbern."

"Äh, nein, Ma'am. Öffentliche Transportmittel von, nach sowie innerhalb von Ornellas Beauty sind allesamt kostenfrei. Die nächste Bahn fährt in fünf Minuten ab, Ma'am. Falls sie nicht 40 Minuten warten möchten, sollten sie sich beeilen."

Ich bestieg die Magnetschwebebahn und suchte nach einem freien Platz. Es war kurz vor Mittag, und die meisten Abteile waren voll belegt. Ich lief den Mittelgang entlang und bemerkte, dass mich viele Leute anstarrten, als sei ich ein Fabelwesen -- ein Einhorn. Aus irgendeinem Grund erinnerten mich ihre Blicke an meine erste Begegnung mit Cygnus. Ich fand endlich ein Abteil, in dem nur eine alte Frau sass. Sie starrte mich genauso merkwürdig an wie die anderen. Ich überlegte, einfach weiterzugehen. Doch dann erschien auf ihrem Gesicht ein warmes Lächeln. Sie deutete auf den Platz ihr gegenüber.

"Setzen sie sich, mein Engel! Die Bahn fährt gleich ab!"

Die Begrüssung war zwar äusserst seltsam, aber sie wirkte nicht beunruhigend. Vielleicht waren es einfach die Eigenheiten einer alten Frau. Zudem wirkte ihr Gesicht freundlich.

"Danke." Ich setzte mich just in dem Moment hin, als die Bahn anfuhr und rasant beschleunigte. Ich blickte aus dem Fenster auf die tristen Gebäude von Crow Town, die immer schneller an uns vorbeiglitten. Kurze Zeit später erreichten wir den Stadtrand. Die Landschaft entsprach nun eher meinen Vorstellungen des Planeten: Desolate rostrote Ebenen, karg und leblos. Doch dann, wie aus dem Nichts, tauchte ein Wald auf. Unter und gleich neben der Bahn war dieser so grün wie ich ihn aus Bildern und einigen spärlichen Besuchen in irdischen Parks kannte. Doch etwas weiter entfernt schimmerte es silbern, so weit das Auge reichte. Der Anblick war magisch.

"Sind das die berühmten Eisenbäume?", fragte ich meine Mitfahrerin beeindruckt.

"Oh, ja, mein Engel! Sie sind Cygnus' Geschenk an Galamex."

Das sie mich erneut mit 'Engel' ansprach, war entnervend. Doch ich war viel zu fasziniert von der Aussicht, um mir weiter Gedanken darüber zu machen. Vor allem auch, weil sich der Farbton der weiter entfernten Bäume allmählich änderte, von silber zu grün. Die Eichenbäume erstreckten sich bis zum Horizont.

"Wundervoll", hauchte ich.

"Ja!" pflichtete mir die alte Frau glucksend bei. "Cygnus erschafft hier ein wahres Paradies für uns!"

Ich wandte den Blick vom Schauspiel ab und schaute sie neugierig an.

"Kennen sie Cygnus Montichiari persönlich?"

"Ich bin ihm nur ein einziges Mal begegnet", antwortete sie verstohlen. "Damals, als er mich als Logistikerin eingestellt hat. Er hat es gar nicht gerne, wenn man ihn mit 'Herr Montichiari' anspricht. Ein liebenswerter Mann! So ein liebenswerter Mann!" Sie seufzte und sprach leise zu sich selbst. "Hach, wenn ich doch nur jünger wäre."

Die Frau schien ihn regelrecht zu verehren. Ich wollte sie weiter ausfragen, doch sie deutete aus dem Fenster. "Schauen sie, mein Engel. Schauen sie."

Die Wälder waren verschwunden, ersetzt von weiten Weizenfeldern und -- grünen Wiesen, auf denen Apfel- und Birnenbäume wuchsen! Ich war regelrecht hypnotisiert. Solche Bilder kannte ich nur von Aufnahmen der alten Erde. Heutzutage war die Wiege der Menschheit überbaut, die wenigen grünen Flecken die noch übrig waren wohlbehütet und nur den Gutbetuchten zugänglich. Die einstigen Lungen der Erde waren durch riesige Maschinen ersetzt worden, die die Luft wiederverwerteten, während nahezu sämtliche Nahrungsmittel aus den Kolonien importiert werden mussten. Es gab zwar inzwischen neue Planeten, die der einstiegen, grünen Erde glichen, doch auch diese waren den Reichen vorbehalten.

Die Schwebebahn verlor an Geschwindigkeit.

"Nächster Halt, Ornellas Beauty, Altstadt."

Ich beschloss, bei diesem Halt auszusteigen. Nicht zuletzt, weil mir die alte Frau trotz allem irgendwie unheimlich war. Ich verabschiedete mich, doch bevor ich gehen konnte, ergriff sie meine Hand und küsste sie.

"Leben sie wohl, mein Engel! Mögen die Sterne ihren Weg mit Glück bescheinen!"

Die sogenannte 'Altstadt' wirkte wie der Nachbau einer historischen Ortschaft. Die meisten Häuser waren aus Holz und Stein, selbst die wenigen aus Beton hatten etwas Altertümliches an sich. Geteerte Strassen waren von Bäumen und Sträuchern gesäumt, während sich zwischen einigen der Häuser enge Gassen aus Kopfsteinpflaster schlängelten. Hätte ich es mit einem einzelnen Wort beschreiben müssen, dann wäre 'idyllisch' am zutreffendsten. Kein Wunder, dass Albert von seinem Heim geschwärmt hatte! Wenn sein Haus so aussah wie diese hier, dann hätte ich wohl auch gerne Zeit dort verbracht! Ich schritt eine der Gassen entlang. Da es nach wie vor Mittagszeit war, waren kaum Leute unterwegs. Aber wann immer ich den Weg mit jemandem kreuzte, wurde ich von oben bis unten gemustert.

Am Ende der Gasse entdeckte ich ein einladendes Strassencafé, an dessen Tischen jede Menge Leute Erfrischungen zu sich nahmen und sich unterhielten. Der Duft von Kaffee drang in meine Nase. Ich näherte mich, um nachzusehen, ob noch ein Tisch frei war. Ein Kaffee in der Mittagssonne klang zu verlockend. Zudem hatte ich keine Ahnung, wo ich Cygnus überhaupt finden sollte. Vielleicht konnte mir ja jemand im Café weiterhelfen.

Als ich mich näherte, verstummten sämtliche Gespräche, und alle Blicke richteten sich auf mich. Selbst der Kellner, der gerade dabei war einem älteren Pärchen Getränke zu servieren, hielt inne und starrte mich an. Ich blickte in die Runde.

"Okay! Das reicht! Irgendjemand hier muss mir jetzt erklären, warum ich von jedem so angestarrt werde!!"

Ein grauhaariger Mann, vermutlich der Besitzer, trat aus dem Inneren des Cafés und blickte mich verwundert an. "Ornella?"

"Woher kennen sie meinen Namen?!? Sind wir uns schon mal begegnet?!"

"Sie mir wohl kaum", meinte er freundlich. "Ich hingegen sehe sie inzwischen jeden Tag. Kommen sie."

Er führte mich einige Gassen entlang, bis wir einen grösseren Platz erreichten. In dessen Mitte stand eine riesige Statue -- von mir!

"WARUM STEHT DA EINE ... EINE ... DAS BIN JA ICH!!! HALB NACKT!"

Der Mann schien nun sichtlich verlegen zu sein.

"Das ist die Schutzpatronin der Stadt", erklärte er beinahe verängstigt. "Ein Bild von ihr hängt in Cygnus' Büro."

Ich kochte vor Wut.

"WO -- IST -- CYGNUS?"

Der Besitzer des Strassencafés organisierte mir in Windeseile einen Gleiter, der mich zum Cooperation Tower fuhr. Dort angekommen schritt ich schnurstracks zum Empfang und funkelte den Rezeptionisten böse an. Wie alle anderen hatte auch er gerade den Eindruck, einem Einhorn begegnet zu sein. Einem recht wütenden Einhorn.

"Cygnus' Büro!" zischte ich.

"I-im o-obersten St-stockwerk. A-aber man braucht ei-eine Zugangska-karte, um bis nach o-oben zu gelangen."

"Haben sie eine Zugangskarte?" Ich durchbohrte ihn mit meinem Blick. Er nickte hastig. "Dann geben sie sie mir."

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