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Die Galamex-Saga - Teil 05

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Und doch quälten mich diese Zweifel. Genauso wie die Erinnerung an Cygnus' Verärgerung, als ich ihn auf der Feier verlassen hatte. Die Erinnerung an den Schmerz in seinen Augen, als ich meine Fassade der Gelassenheit wie einen Schild zwischen uns gestellt hatte. Mir wurde bewusst, wie sehr ich ihn damit verletzt haben musste. Korrektur: Wie sehr ich UNS BEIDE damit verletzt hatte.

Nachkorrektur: Wie sehr ich UNSERE BEZIEHUNG verletzt hatte!

Aber ich musste es einfach wissen. Ich musste wissen, aus welchem Material unsere Beziehung gemacht war. Bestand sie aus einer brüchigen Legierung, durchzogen mit Rost, wie die Oberfläche von Galamex 2? Oder bestand sie aus einer stabilen Stahllegierung, wie sie inzwischen aus den zahlreichen Hochöfen kam, die das mit Cygnus' Bäumen gewonnene Eisen weiterverarbeiteten? War unsere Beziehung lediglich das Produkt unglaublicher, aber dennoch flüchtiger Vernarrtheit, oder das Resultat inniger, aufrichtiger Liebe?

Inzwischen näherten wir uns dem Raumhafen. Ich wischte meine Tränen ab. Der Taxifahrer hatte zu meiner Erleichterung nichts davon mitgekriegt oder war so rücksichtsvoll gewesen, mich nicht darauf anzusprechen.

Obschon es inzwischen beinahe Mitternacht war, herrschte reger Betrieb. Ein weiteres Zeichen dafür, welche wirtschaftliche Bedeutung Ornellas Beauty inzwischen für den Planeten hatte. Ich verfasste eine kurze Nachricht an Larissa, damit sie in meiner Abwesenheit dafür sorgte, dass keine regulären Starts oder Landungen mehr zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens stattfanden. Die Stadtplanung war zwar so vorausschauend gewesen, keine direkt am Raumhafen angrenzenden Wohngebiete vorzusehen, aber der Fluglärm erreichte dennoch die nächstgelegenen Wohnquartiere. Ich machte mir eine persönliche Notiz betreffend den Flugverkehr: Es war anzunehmen, dass dieser weiter zunehmen würde. Da aufgrund der räumlichen Verhältnisse keine zusätzliche Erweiterung des derzeitigen Raumhafens möglich war, mussten Alternativen in Betracht gezogen werden. Wie zum Beispiel die Planung und den Bau eines weiteren Raumhafens, etwas weiter entfernt von der Siedlung. Korrektur: Etwas weiter entfernt von der Stadt, denn Ornellas Beauty war längst keine einfache Siedlung mehr. Ich würde das Thema bei meiner Rückkehr mit der Stadtplanung aufgreifen.

Bei meiner Rückkehr ... Meine Gedanken kehrten nach dieser willkommenen Ablenkung zu meiner Beziehung zurück. Würde ich überhaupt noch eine haben, wenn ich zurückkehrte? Wieder drohten Tränen zu fliessen. Doch da ich inzwischen die grösste Landeplattform erreicht hatte, zwang ich mich, diese zu unterdrücken. Die Corvette des Admirals hatte offenbar bereits die Vorbereitungen zum Start eingeleitet, denn ich spürte die Vibration des Triebwerks in meinen Füssen. Admiral Forrester stand am Fuss der Einstiegsrampe des Passagierschiffes und wartete auf mich.

"Lieutenant Rossi!", begrüsste er mich lächelnd. "Gut, dass sie da sind. Können wir los?"

"Ja, Sir!"

Wir stiegen die Rampe hoch und traten in die hell erleuchtete Ladebucht des Schiffes.

***

Corvetten waren so etwas wie Hybriden. Einerseits konnten sie, da sie klein genug waren, genauso wie Shuttles auf Planetenoberfächen landen. Andererseits besassen sie weitaus leistungsfähigere Antriebe als Shuttles und waren daher in der Lage, auch interstellare Reisen vorzunehmen. Da die Distanzen zwischen den einzelnen Sternensystemen derart gewaltig waren, verfügten sämtliche Schiffe die von einem Stern zum anderen flogen, über Antriebe die mindestens die hundertfache Lichtgeschwindigkeit erreichten. Aber selbst mit einem solchen Antrieb hätte man beispielsweise zum nächstgelegenen Stern, Lafamex, einem roten Riesen, der die meisten seiner Planeten bereits vor einigen Millionen Jahre verschlungen hatte, fast eine Woche gebraucht. Daher verfügten interstellare Schiffe auch immer über Cryoschlaf-Kammern, damit die Passagiere die Reisezeit 'überbrücken' konnten. Im Cryoschlaf wurden die Vitalfunktionen eines Menschen fast, wenn auch nicht ganz, auf null heruntergefahren. Sämtliche höheren Gehirnfunktionen wurden eingestellt und selbst die Aufgaben des vegetativen Nervensystems auf ein absolutes Minimum reduziert: Das Herz schlug nur noch ein Mal pro Stunde, der Stoffwechsel führte nur noch unerlässliche Funktionen durch und die Atmung setzte gänzlich aus, da der notwendige Sauerstoff intravenös zugeführt wurde. Dadurch wurde der Prozess der Alterung auf einen unbedeutenden Bruchteil reduziert.

Natürlich besass die Corvette des Admirals keinen Minimalantrieb. Sein Modell erreichte, wenn meine Erinnerung mich nicht täuschte, mindestens die siebentausendfache Lichtgeschwindigkeit. Es gab natürlich schnellere Modelle, wie zum Beispiel jenes, welches CyCo vor kurzem erworben hatte. Aber dennoch war der Flug mit einem solchen Schiff äusserst kostspielig, denn der Bedarf an Antimaterie wurde von diversen Faktoren bestimmt.

Von einem Planeten zu starten oder auf einem zu landen, war stets ziemlich teuer. Um tausend Tonnen aus einem erdähnlichen Gravitationsfeld zu heben, war ein Gramm Antimaterie notwendig, selbiges bei der Landung. Die entsprechenden Kosten stiegen in dieser Hinsicht proportional an. Umso stärker die planetare Anziehungskraft, umso höher die Kosten.

Dieselbe Verhältnismässigkeit galt für die Masse, wenn es darum ging, diese auf Überlichtgeschwindigkeit zu bringen. Brauchte man ein tausendstel Gramm an Antimaterie, um tausend Tonnen auf einfache Lichtgeschwindigkeit zu bringen, benötigte man für zehntausend Tonnen ein hundertstel Gramm.

Bei der Reisegeschwindigkeit hingegen stiegen die Kosten exponentiell. Um also tausend Tonnen mit hundertfacher Lichtgeschwindigkeit zu bewegen, brauchte man bereits zehn Gramm an Antimaterie.

Dieses Schiffmodell wog fast tausend Tonnen, benötigte daher jeweils etwa neunundvierzig Kilogramm der wertvollen Substanz, um die Höchstgeschwindigkeit zu erreichen. Zwar hatte die Menschheit seit der ersten erfolgreichen Herstellung von Antimaterie im CERN vor einigen Jahrhunderten das Verfahren wesentlich perfektioniert und daher die Kosten erheblich reduziert. Dennoch schwankten die Preise für ein Gramm Antimaterie zwischen 1'000 und 10'000 Stellari, da eines der dafür notwendigen Elemente, Iridium, (im Gegensatz zum anderen benötigten Element, Natrium) in einigen Teilen der Kolonien ziemlich selten war.

Anders gesagt: Um das Schiff des Admirals auf Höchstgeschwindigkeit zu bringen, waren mindestens 49 Millionen Stellari notwendig.

Wie gesagt, kostspielig.

Aber vermutlich würde unsere Reise zum etwa 4 Lichtjahre entfernten Temaklin-System nicht auf Höchstgeschwindigkeit stattfinden.

***

"Lieutenant, ist alles in Ordnung?", holte mich der Admiral aus meinen Gedanken zurück. "Ihre Augen sind gerötet. Haben sie ... geweint?"

Ich lief unweigerlich rot an. Hier, im grellen Licht der Ladebucht, blieben meine kurz zuvor vergossenen Tränen Admiral Forrester nicht verborgen.

"Es ist nichts, Admiral!", antwortete ich unter seinem forschenden Blick. "Zumindest nichts, worüber ich jetzt sprechen möchte."

Sein Gesicht nahm eine unerwartete Sanftheit an.

"Das respektiere ich selbstverständlich. Aber falls sie jemanden zum Reden brauchen, bin ich für sie da."

"Danke, Sir!"

"Bitte, nennen sie mich Edmund."

"Nur wenn sie mich Ornella nennen", erwiderte ich. Zum ersten Mal seit ich Marla auf Cygnus' Schoss erblickt hatte, erschien auf meinem Gesicht ein aufrichtiges Lächeln.

***

Eine faszinierende junge Frau sass in der geräumigen Pilotenkanzel und war mit den Startvorbereitungen beschäftigt. Abgesehen davon, dass ihr Haar beinahe so weiss war wie Schnee und sie die hellste Haut besass, die ich je gesehen hatte, sah sie dem Admiral verblüffend ähnlich. Dieselben Gesichtszüge, wenn auch definitiv weicher. Ich trat zu ihr und reichte ihr die Hand. Zwei rosarote Augen musterten mich neugierig, schon beinahe kindlich.

"Hallo. Ich bin Ornella. Ornella Rossi."

"Sehr erfreut. Ich bin Patricia Forrester, die Tochter des alten Griesgrams", stellte sich die Frau lächelnd vor, bevor sie sich wieder den Schiffskontrollen zuwandte.

"Pass auf, was du sagst, Patricia!", ermahnte Edmund sie lachend. "Sonst degradiere ich dich stehenden Fusses zum Crewman, junge Dame!"

"Aye, Sir! Admiral, Sir!", erwiderte sie, worauf die beiden Forresters beide lachen mussten. Ihre gute Laune war ansteckend. Sie wandte sich wieder mir zu. "Im Übrigen nennt mich nur mein alter Herr hier Patricia. Also nenn mich bitte Trish."

"Dann bin ich Nella."

Sie deutete auf den Platz der üblicherweise dem Kopiloten vorbehalten war.

"Bitte setz dich, Nella. Da du über den Pilotenschein verfügst, könnte ich hier ein zweites Paar Augen brauchen."

Ich blickte kurz zu Edmund, der mir ermunternd zunickte. Dann nahm ich Platz und studierte die Werte auf den Instrumenten.

"Antriebsleistung im grünen Bereich. Schiffsintegrität bei hundert Prozent. Navigationscomputer online. Lebenserhaltung innerhalb der vorgegebenen Parameter. Alle Werte nominal. Wir sind abflugbereit."

"Dann bringen sie uns von dieser Kugel, Ornella", befahl Edmund, nachdem er ebenfalls hinter uns Platz genommen hatte.

Ich warf Patricia einen fragenden Blick zu. Sie lächelte mich an, zuckte mit den Achseln und hob die Hände von der Steuerung in die Luft.

"Sie gehört ganz dir, Nella."

"Sir?", wandte ich mich etwas unsicher an den Admiral. "Ich habe ein Schiff dieser Grösse bisher nur im Simulator geflogen."

"Soll das heissen, sie sind nicht qualifiziert?", fragte Edmund mich glucksend.

"Doch, Sir! Es ist nur-"

"Dann bringen sie uns endlich von hier weg", unterbrach mich der Admiral breit grinsend. "Wir haben es eilig."

"Aye, Sir."

Mit einem etwas mulmigen Gefühl ergriff ich den Steuerknüppel, während ich mit der anderen Hand die Repulsoren aktivierte. Für einen kurzen Augenblick vibrierte das Schiff und verursachte dabei ein angenehmes Kribbeln in meinem Bauch. Dann sanken die umliegenden Gebäude des Raumhafens unter mir weg. Als dann auch der Cooperation Tower aus meinem Blickfeld verschwunden war, zog ich die Nase des Schiffes hoch, bis die Instrumente eine Neigung von 45 Grad zeigten. Ich aktivierte den Schub des Hauptantriebes und wurde augenblicklich in meinen Sitz gedrückt. Die Repulsoren wurden automatisch ausgeschaltet, und alsbald wurde das dunkle Nachtblau des Himmels von der glitzernden Schwärze des Alls ersetzt. Ich fühlte mich herrlich beschwingt. Wie so oft, verschlug mir der Anblick der zahllosen Sterne die Sprache.

"Das war ein äusserst angenehmer Start, Ornella. Ganz nach Lehrbuch", lobte Edmund mich.

"Ich hätte etwas mehr Schub gegeben", meinte seine Tochter feixend.

"Ja, das hättest du. Und genau deswegen habe ich Lieutenant Rossi starten lassen. Sie ist nicht so ein Hitzkopf wie du."

"Ach komm, Paps! Du stehst doch drauf, wenn dir ein paar G mehr auf die Brust drücken."

"Nicht wenn mein Bauch voll mit Focaccia und Bruschetta ist, junge Dame", erwiderte Edmund Forrester. Er löste den Gurt seines Sitzes und schwebte zu uns nach vorne. "Setzen sie Kurs auf das Temaklin-System, Ornella."

"Aye, Sir." Ich rief die Astronavigationskarte auf, suchte den entsprechenden Eintrag und richtete das Schiff aus. "Kurs ist gesetzt."

"Initiieren sie die Raumfaltung. Einen Zehntel der maximalen Antriebsleistung."

"Siebenhundertfache Lichtgeschwindigkeit, verstanden Sir. Informiere die Station über Kurs und Geschwindigkeit - Initiiere Raumfaltung in drei, zwei, eins ... "

Das Schiff vibrierte erneut, heftiger als beim Start. Die Sterne direkt vor uns zogen sich aufgrund des Linseneffektes zusammen, während die umliegenden Lichtpunkte zu langen, hellen Strichen wurden. Dann verschwanden sie gänzlich, ersetzt durch kurze Lichtblitze in allen möglichen Farben, die von Zeit zu Zeit an uns vorbeischossen. Dies war das erste Mal, dass ich das Schauspiel der Raumfaltung ausserhalb des Simulators in wachem Zustand miterlebte. Schon alleine deswegen, hatte sich meine Entscheidung gelohnt. Wie auch immer sich die Dinge zwischen mir und Cygnus entwickeln mochten: Meine Liebe für das Weltall mit all den Geheimnissen welches die ewige Nacht noch für mich bereithielt, würde bestehen bleiben.

*** Kapitel 5 - Cygnus ***

Ich war wütend. Wütend auf Marla, die mich regelrecht überfallen hatte. Wütend auf Alina, die so stur wie ein Maulesel sein konnte. Wütend auf Ornella, weil sie an mir zweifelte und vor allem auch weil sie mir die kalte Schulter gezeigt hatte. Und ich war wütend auf mich selbst. Warum bloss hatte ich mich nicht gewehrt, als Marla mich geküsst hatte? Hatte Ornella etwa recht? Empfand ich noch etwas für meine Ex? Ich schüttelte vehement den Kopf. Nein, ich empfand nichts mehr für dieses herzlose Miststück. Ich mochte sie irgendwann einmal geliebt haben, aber davon war definitiv nichts mehr übrig.

Ich trat in mein dämmriges Haus und machte mir nicht einmal die Mühe, das Licht einzuschalten. Der Schein der beiden Monde war hell genug, um nicht blindlings herumzustolpern. Zudem entsprach das fahle Licht viel eher meiner miesen Stimmung. Ich ging in die Küche, um mir eine flasche Whisky aus meiner Hausbar zu besorgen. Da ich am nächsten Tag frei hatte (und den Tag aufgrund von Ornellas plötzlicher Abreise alleine verbringen würde!), konnte ich mich genauso gut betrinken. Ohne Alkohol würde ich sowieso keinen Schlaf finden. Als ich die Bar öffnete, stellte ich verärgert fest, dass die Flasche aus Schottland nicht mehr da war. Dann hörte ich ein Geräusch. Hatte da gerade jemand geschluchzt?

Hoffnung keimte in mir auf. Vielleicht hatte es sich Ornella nochmals anders überlegt. Ich eilte die Treppe hoch zu meinem Schlafzimmer.

"Ornella?", rief ich. Doch mein Bett war leer. Es war niemand in meinem Zimmer, ebenso wenig im anliegenden Bad. Dann hörte ich erneut einen leisen Schluchzer. Das Geräusch kam aus einem der anderen Zimmer. Vermutlich aus jenem, welches ich vor einigen Tagen als Gästezimmer eingerichtet hatte, in Erwartung des Besuches meiner Eltern. Tatsächlich lag dort auf dem Bett eine Gestalt und wandte mir den Rücken zu.

"Wer ist da?", fragte ich in das Dämmerlicht hinein. Die Gestalt sprang auf, umrundete das Bett und umarmte mich. Ein bekannter Duft nach Jasmin stieg mir in die Nase. "Ale? Alejandra, bist du das?"

"Halt einfach den Mund, Hermano, und halt mich fest!", antwortete sie schniefend, bevor sie heftig zu zittern begann. Ich drückte sie fest an mich, bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte. Dann setzten wir uns gemeinsam aufs Bett.

"Ale, wie zum Teufel bist du in mein Haus gekommen? Du hast doch gar keinen Schlüssel."

"Durch eines der offenstehenden Fenster im Erdgeschoss, Blödmann", antwortete sie. "Entweder legst du dir eine Alarmanlage zu, oder du schliesst die Fenster, wenn du das Haus verlässt. Du weisst, dass man sie auch einfach nur kippen kann, ja?"

Ich musste unwillkürlich kichern.

"Du hast recht, Hermana. Aber was machst du hier?"

Sie wischte sich einige Tränen aus den Augen und griff nach meiner vermissten Flasche Whisky, die auf dem Nachttisch stand. Sie reichte sie mir, nachdem sie selbst einen langen Zug genommen hatte.

"Ich habe von meinem Haus aus gesehen, dass Ornella mit einer Reisetasche in ein Taxi stieg. Also habe ich angenommen, dass sie verreist und du heute Abend alleine zuhause bist. Habt ihr euch gestritten?"

Ich zögerte. Hatten wir uns tatsächlich gestritten?

"Etwas in der Art, ja", antwortete ich schliesslich. "Sie hat den Kuss zwischen Marla und mir nicht gut aufgenommen und meinte, sie brauche etwas Zeit für sich. Darum begleitet sie jetzt Admiral Forrester ins Temaklin-System, um ihm beim Umzug hierher zu helfen. Aber das beantwortet meine Frage nicht, Ale. Warum bist DU hier?"

"Stell dich nicht dümmer an, als du bist, Cy!", tadelte sie mich. "Weil du mich - in so einer Situation - brauchst! Und weil ich dich brauche, nachdem mich diese kaltherzige PUTA wie ein lästiges Flittchen behandelt hat!"

"Übertreibst du nicht ein wenig?", fragte ich, nachdem ich ebenfalls einen Schluck aus der Flasche genommen hatte. Das Getränk brannte wohlig in meinem Rachen.

"Nein! Kaum taucht ihre Ex auf, macht sie einen auf unnahbar! Dabei ist es nicht das erste Mal, dass ich sie in aller Öffentlichkeit umarme oder küsse! Nur, wenn gerade Ashley Simmons zugegen ist, DANN ist das natürlich nicht in Ordnung! DANN gelten wieder irgendwelche engen Spielregeln, die sie, einseitig wohlgemerkt, aufgesetzt hat!" Meine Freundin war aufgestanden und schritt aufgeregt, ihr ausgeprägtes südländisches Temperament zur Schau stellend, vor mir hin und her. Ich versuchte, ihre Hand zu ergreifen, doch sie zog sie weg. "Ich HASSE diese blonde PUTA!!"

Ich lächelte verständnisvoll und hob die Augenbrauen.

"Wirklich?"

"Natürlich NICHT, Dummkopf!" Sie riss mir die Flasche aus der Hand und nahm einen tiefen Zug, bevor sie sie mir zurückreichte. "Ich LIEBE diese PUTA! Aber dafür hasse ich DICH, weil du sie mir vorgestellt hast! Deine Schuld, Cabron!"

"So hast du mich schon lange nicht mehr genannt, Hermana." Endlich gelang es mir, ihre Hand zu ergreifen. Ich zog sie zurück zu mir aufs Bett und nahm sie erneut in den Arm. Ich kannte sie inzwischen lange genug, um zu wissen, dass sie gerade lediglich Dampf abliess. Sie begann wieder zu zittern und zu schluchzen.

"Warum, Cy?!", fragte sie mich mit weinerlicher Stimme zwischen einem Schluchzer und dem nächsten. "Warum behandelt sie mich so?!"

"Nun ... nachdem du die Feier verlassen hast, sagte sie zu mir, sie tue dies, um dich vor allfälligen Attentaten zu schützen."

"Ha! Von wegen! Das ist doch nur eine billige Ausrede! In Wahrheit hat sie noch Gefühle für Ashley!" Sie löste sich aus meiner Umarmung und führte die Flasche in meiner Hand zu ihrem Mund.

"Vielleicht. Vielleicht bleibt tatsächlich immer etwas übrig, wenn man jemanden irgendwann geliebt hat."

Alejandra musterte mich eingehend.

"Ist es ... Ist es denn bei dir und Marla so? Hast du noch Gefühle für sie übrig?"

"Nein!", erwiderte ich entschlossen. "Ich verachte sie! Ich habe keine Gefühle für sie übrig!"

"Verachtung ist auch ein Gefühl", konterte Alejandra. "Also hast du doch etwas für sie übrig, wenn auch nichts Positives."

Ich dachte einen Augenblick über ihre Worte nach. Vielleicht hatte sie recht. Ich hatte Marla nie verziehen, dass sie mich im Grunde genommen nur ausgenutzt und immer wieder betrogen hatte. Anstatt meine Beziehung zu ihr tatsächlich hinter mich zu lassen, hatte ich unbewusst den Groll bewahrt. Aber das war ja keine Liebe mehr, sondern vielmehr das Resultat, welches Enttäuschung mit sich brachte. Trotzdem: Es wäre wohl viel besser gewesen, wenn ich statt Verachtung Gleichgültigkeit empfunden hätte.

"Da ist was Wahres dran", antwortete ich und leerte den Rest der Flasche in mich hinein. Alejandra streichelte sanft meine Wange.

"Ich wünschte, ich würde auf Männer stehen. Oder zumindest, Bi zu sein! Mein Leben wäre sooo viel einfacher, wenn ich mit dir zusammen wäre."

Ich lachte und küsste ihre Hand.

"Das bezweifle ich, Hermana. Wir würden uns vermutlich permanent streiten."

Sie seufzte. "Jaaah, vermutlich - Ist es ok für dich, wenn ich heute Nacht bei dir penne?"

Ich begann, mich auszuziehen.

"Klar, sofern ich auch hier pennen darf. In meinem Zimmer riecht es zu sehr nach Ornella."

"Ich mag den Duft deiner Chica!", erklärte Alejandra lachend.

"Schlag sie dir aus dem Kopf, Puta!", erwiderte ich und legte mich aufs Bett. "Sie gehört mir - Oder zumindest tat sie das, bis heute Abend", ergänzte ich seufzend.

Alejandra legte sich ebenfalls hin und küsste mich auf den Mund.

"Keine Sorge, Cy. Nella liebt dich. Davon bin ich absolut überzeugt. Du wirst schon sehen: Wenn sie zurückkommt, wird alles wieder gut."