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Die Galamex-Saga - Teil 06

Geschichte Info
Sandburgen? Schneeballschlachten?
41.4k Wörter
4.78
4.7k
11
Geschichte hat keine Tags

Teil 6 der 7 teiligen Serie

Aktualisiert 04/20/2024
Erstellt 06/21/2023
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Ein riesiges DANKESCHÖN an Doc_M1, LiteroCat1147, doktorwiesel und BlackHatNCat, für lebensrettende Korrekturen, unverzichtbaren Feedback und unschätzbar wertvolle Unterstützung!

Alle verbliebenen Fehler, Ungereimtheiten und wissenschaftlich absolut Unhaltbares gehen auf meine Kappe. Werte Lesende: Sorry, dass es so lange gedauert hat! Weiterhin viel Spass!

*** Kapitel 1 - Ornella ***

Der Anblick der sich mir bot, war grauenerregend.

Ich konnte mehrere dutzend regloser Gestalten ausmachen, die überall verstreut auf dem Gelände lagen, im besten Fall lediglich verletzt, im schlimmsten Fall tot. Einige dieser starren Körper waren so klein, dass es sich dabei ohne jeden Zweifel um Kinder halten musste. Nicht weit entfernt von mir, konnte ich ein kleines Mädchen hören, welches verzweifelt nach seinen Eltern rief. Ihre Schreie brannten sich in mein Herz, doch ich hatte im Augenblick keine Zeit, mich vom Grauen lähmen zu lassen. Ich hatte eine Aufgabe zu erfüllen.

"Kassandra, Trevor, Noelia und Charles, ihr überprüft die am Boden liegenden Leute. Wenn sie tot sind, deckt ihr sie mit einer blauen Decke zu. Wenn sie noch leben, dann macht ihr eine rasche Einschätzung ihres Gesundheitszustandes. Sind sie nur leicht verletzt, grüne Decke, andernfalls die rote. Haltet Euch nicht damit auf, erste Hilfe zu leisten. Dafür ist das zweite Team zuständig. Laurie, Svenja, Shawn, Barbara, Achim, Dolores und Bianca, ihr seid im zweiten Team. Ihr kümmert euch zuerst um die Schwerverletzten. Wenn ihr einen dringenden Transport benötigt, haltet die roten Fahnen hoch." Ich blickte ernst in die Runde meiner Offiziere. "Wenn euch jemand Schwierigkeiten bereitet, dann macht euch bei Yegors Sicherheitsleuten bemerkbar. Inzwischen dürften einige hundert von ihnen auf dem Gelände sein, und sie haben allesamt die Anweisung erhalten, euch zu unterstützen. Passt auf euch auf, und jetzt lasst uns die Situation hier in den Griff bekommen."

Meine Leute schwärmten aus, während ich mich auf die Suche nach Commander Bacunawa machte. Die verzweifelten Schreie des kleinen Mädchens verfolgten mich.

***

Jaiden Bacunawa sah aus, als hätte ihn ein Gleiter gerammt. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, und sein rechter Arm hing in einer improvisierten Schleife. Er sass auf einem der Stühle des provisorischen Siedlerempfangs, während ein Sanitäter eine Platzwunde an seinem linken Bein verarztete.

"Jaiden. Wie geht es dir?" Ich kauerte mich neben ihn und sah ihm in die müden Augen.

"Ornella", krächzte er. "Es geht mir, es geht mir gut. Das hier... Das hier ist alles meine Schuld."

Er klang verwirrt. Offensichtlich stand er unter Schock. Aber in diesem Moment konnte ich darauf keine Rücksicht nehmen.

"Jaiden, was ist hier passiert?" Er blieb mir eine Antwort schuldig und starrte in die Ferne. "Commander Bacunawa! Statusbericht!", versuchte ich es erneut in barschem Tonfall. Das schien ihn, zumindest für den Augenblick, wieder ins Hier und Jetzt zurückzubringen.

"Oh, ja, Ornella. Tut mir leid. Ja... Einer der Siedler hatte offenbar eine Schusswaffe bei sich. Mehrere Schüsse fielen, worauf unter den Siedlern Panik ausbrach, und dann, dann versuchten die Leute aus dem umzäunten Empfangsbereich zu fliehen. Ich war gerade auf meinem allmorgendlichen Rundgang, als ich regelrecht überrannt wurde. Was danach geschah, weiss ich nicht."

"Okay, Jaiden. Ein Arzt sollte gleich bei dir sein. Inzwischen werde ich versuchen, mehr herauszufinden."

***

Soviel dazu, den Siedlerempfang auf dem Planeten zu verlegen.

Vor einigen Wochen hatte Commander Van den Heuvel, welcher die Flottenvertretung in Main Town leitete, die glorreiche Idee gehabt, den völlig überlasteten Siedlerempfang auf der Station auf den Planeten transferieren zu lassen. Statt also, wie es die kolonialen Vorschriften eigentlich vorsahen, die Siedler auf der Station in Empfang zu nehmen, wurden sie nun von Shuttles abgeholt und direkt zum Planeten gebracht. Zugegeben: Da inzwischen täglich zwischen zwanzig- und fünfzigtausend Siedler eintrafen, konnte die Station diese Flut an Menschen nicht mehr zeitnah bewältigen. In den vorhergehenden Wochen war es daher zu einem regelrechten Raumschiffstau gekommen - und entsprechenden Verzögerungen, was den Flugplan dieser Schiffe betraf.

Also hatte man in allen grösseren, von der Kolonialbehörde gegründeten Städten in Windeseile bei den jeweiligen Raumhäfen einen Siedlerempfang eingerichtet. In Windeseile, sprich: Man hatte das Ganze hingepfuscht. So hatte man mehr oder minder funktionstüchtige Terminals für die Flottenmitarbeiter hingestellt und notdürftige Abgrenzungen eingerichtet, um den jeweiligen Siedlerstrom zu regeln. Aber auf mit Scannern ausgerüstete Schleusen (welche bei jedem Siedlerempfang einer Station standardmässig vorhanden waren) hatte man verzichtet. Zum einen, weil sich die dafür notwendigen Komponenten in so kurzer Zeit nicht beschaffen liessen. Zum anderen, weil man sich in falscher Sicherheit gewähnt hatte. Schliesslich wurden die Siedler ja bereits bei ihrem Abflug daraufhin kontrolliert, ob sie gefährliche Güter, wie beispielsweise Waffen, bei sich trugen. Und genau hier hatte ich meinen Einwand eingebracht, als Van den Heuvels Vorschlag bei der letzten Einsatzbesprechung mit Commander Donovans Stellvertreter, einem jovialen Mann namens Peeters, zur Sprache gebracht worden war: Wir konnten uns nicht darauf verlassen, dass diese Abflugkontrollen tatsächlich durchgeführt worden waren. Genau deswegen sahen die kolonialen Vorschriften ja vor, dass die Siedler bei ihrer Ankunft entsprechend überprüft wurden. Ich war jedoch von den anderen Commandern überstimmt worden, und daher hatte der aus Belgien stammende Mann den Vorschlag des Holländers gutgeheissen, beziehungsweise die Einrichtung von planetaren Siedlerempfängen freigegeben.

Was aber in Main Town und all den anderen Kolonialstädten funktionieren mochte, hatte sich für Crow Town als unmögliche Aufgabe erwiesen. Denn die meisten Siedler wollten ins Paradies, nach Ornellas Beauty.

Da sich Ornellas Beauty auf einem privaten Grundstück befand, war dort kein planetarer Siedlerempfang entstanden (nicht zuletzt, weil ich mich bei meinen Freunden im Vorstand von CyCo vehement dagegen ausgesprochen hatte). Daher fiel die ganze Last auf Crow Town - während die restlichen Kolonialstädte lediglich je ein paar hundert Siedler pro Tag abfertigen mussten. Jaiden Bacunawa war bei jener Einsatzbesprechung einer der glühendsten Unterstützer des Vorschlags zur Verlegung des Siedlerempfangs gewesen. Vermutlich, weil er darin eine Chance gesehen hatte, sich zu profilieren. Doch alsbald musste ihm klar geworden sein, welch herkuläische Aufgabe er sich und Crow Town damit aufgebürdet hatte, ganz abgesehen vom Siedlerempfang als solches. Der lokale Raumhafen musste rund um die Uhr in Betrieb bleiben, was für die örtliche Flugkontrolle zunehmend zur Belastung geworden war. Zudem konnten die Siedler oft genug nicht direkt nach Ornellas Beauty weiterreisen, denn auch die Kapazität der Magnetbahn sowie anderer Transportmittel war begrenzt. Daher mussten viele Siedler zumindest einige Tage lang in Crow Town ausharren, was unweigerlich dazu führte, dass viele keine Unterkunft fanden und eine oder mehrere (aufgrund der Jahreszeit und der ökologisch bedingten klimatischen Veränderungen zunehmend kälter werdenden) Nächte auf der Strasse verbringen mussten.

***

Ornellas Beauty hatte zwar aufgrund des gewaltigen Andrangs ebenfalls mit den unterschiedlichsten Problemen zu kämpfen, aber obdachlose Siedler gehörten nicht dazu. Inzwischen hatte die Stadt über eine halbe Million Einwohner und in dieser Hinsicht die 'Hauptstadt', Main Town, längst hinter sich gelassen. Aber CyCos Personalabteilung war, im Gegensatz zur Flotte oder geschweige denn der Kolonialbehörde, ein Vorbild an Effizienz. Geleitet wurde die inzwischen grösste administrative Abteilung von CyCo von einer hageren, aus Deutschland stammenden älteren Frau namens Tamara Klein, welche von Alina höchstpersönlich von Astral Solutions abgeworben worden war. Die Abteilung hatte, alleine auf dem städtischen Gelände, ein gutes Dutzend Büros und weitere Fünfzig verteilt über den ganzen Planeten. Jeder Siedler, der sich in einem solchen Büro meldete, erhielt, falls tatsächlich notwendig, für die nächsten drei Tage freie Kost und Logis (mitsamt Angehörigen) im 'Colonist Tower'. Innerhalb dieser zweiundsiebzig Stunden (meistens erheblich schneller) wurde ein Profil der Person angelegt und, unter Berücksichtigung allenfalls vorhandener Qualifikationen, diverse Eignungstests durchgeführt. Danach wurden der Person mindestens drei Jobs angeboten, für die er oder sie sich eignete. Natürlich waren nicht alle Jobs in der Stadt oder gar in den umliegenden Gebieten. Inzwischen war CyCo fast überall auf Galamex 2 tätig. Jeden Tag entstanden neue Eisen- oder Holzwälder, wurden neue Plantagen angelegt oder neue Fertigungsanlagen erstellt. Wenn sich also ein Siedler für einen Job entschied, der nicht in der unmittelbaren Umgebung von Ornellas Beauty lag, wurde von der Personalabteilung für den Transfer gesorgt sowie eine permanente Unterkunft organisiert. Einigen Siedlern, die aufgrund ihrer Qualifikationen oder dem Resultat der Eignungstests dafür in Frage kamen, wurden sogar bezahlte Weiterbildungskurse angeboten.

Selbst Siedlern, die sich selbständig machen wollten - beispielsweise um einen Maniküre Salon zu eröffnen - griff die Personalabteilung unter die Arme, indem zum Beispiel ermittelt wurde, wo in der Stadt, oder überhaupt auf dem Planeten, der Bedarf nach der entsprechenden Dienstleistung gegeben war, oder bei der Beschaffung entsprechender Räumlichkeiten.

Einige (wenige) versuchten ihr Glück auf eigene Faust, heuerten vielleicht als Kellner oder Koch bei einem der vielen Restaurants an, oder kauften sich einen Gleiter und besorgten sich eine Taxifahrer-Lizenz.

Aber der Grossteil der ankommenden Siedler nahm tatsächlich CyCos Angebot in Anspruch. Dabei entschieden sich tatsächlich sehr viele Menschen dafür, als Förster tätig zu sein. Die Aussicht auf eine Tätigkeit in der 'freien Natur' war besonders für sogenannte Erdlinge (also Siedler, welche tatsächlich von der Wiege der Menschheit her anreisten) überaus verlockend, denn auf der Erde waren solche Jobs äusserst rar.

Kurz gesagt: In allen von CyCo gegründeten Siedlungen, sei es nun Ornellas Beauty, Alinas Resolve oder all die anderen kleinen Siedlungen, die in der Nähe von Wäldern oder Plantagen errichtet worden waren, gab es keine Obdachlosen.

***

Ich fand endlich Yegor, der sich gerade mit einigen seiner Sicherheitsleute unterhielt. Er war mit seinen Leuten vor mir in Crow Town eingetroffen und hatte unverzüglich die Initiative ergriffen. Er begrüsste mich mit einem Nicken, während er seinen Männern und Frauen einige letzte Anweisungen gab, bevor sie in alle Richtungen davoneilten. Dann wandte er sich mir zu.

"Wie ist die Lage?", fragte ich ihn unumwunden.

"Der Zaun wurde an sieben Stellen eingerissen. Fast alle Neuankömmlinge, rund zwanzigtausend Menschen, sind über diesen Weg aus dem Empfangsbereich geflohen. Zwanzig Teams sind mit Transportern unterwegs, sammeln diese ein und bringen sie vorübergehend zu Henrys alten Lagerhallen. Die stehen seit Monaten leer und bieten genügend Platz. Aber vor allem lassen sie sich leichter kontrollieren als-", er deutete mit einer weitläufigen Geste auf das Gelände. "-das hier." Sein Missfallen war deutlich aus seinen Worten zu hören. "Was für ein Schlamassel", ergänzte er.

"Hat man den Schützen schon gefunden?"

"Nein, aber die Schusswaffe. Der Schütze muss sich ihrer nach dem Abfeuern entledigt und dann mit den anderen Reissaus genommen haben. Keine Sorge, wir haben sie ordnungsgemäss gesichert. Die Identifizierung des Besitzers ist nur eine Frage der Zeit."

"Die Siedler die deine Leute aufsammeln: Werden sie durchsucht?"

"Ja. Und zwar gründlich, bevor sie in einen unserer Transporter steigen. Bisher wurden keine weiteren Schusswaffen gefunden, allerdings einige Elektroschocker, die wir allesamt konfisziert haben."

"Hast... hast du schon zahlen?", fragte ich zögerlich, während ich mich auf alles gefasst machte.

"Vorläufige, ja. 122 bestätigte Tote, darunter 67 Kinder, 13 Angehörige der Flotte und 3 hier tätige Zivilpersonen. Mindestens vierhundert Schwerverletzte. Der Chefarzt, Marius Feinbaum, ist informiert und richtet sich gerade darauf ein, mehr Kapazität zu schaffen. Aber wie gesagt, diese Zahlen sind provisorisch." Ich schluckte leer. 67 tote Kinder. Ich verdrängte die aufkommenden Gefühle, da Yegor offenbar weitergesprochen hatte, ohne dass ich seine Worte mitbekam.

"Entschuldige, Yegor. Was sagtest du?"

Er schenkte mir einen verständnisvollen Blick, bevor er fortfuhr.

"Borys hat zwar genügend Shuttles für den Abtransport der Schwerverletzten hierher beordert, aber da das Spital lediglich über zwei Landeplätze verfügt, wird sich unweigerlich ein Rückstau bilden."

"Wie wäre es, wenn ich den innerstädtischen Raumhafen für den normalen Flugverkehr sperren lasse? Er liegt nicht allzu weit vom Spital entfernt. Dann könnten die Shuttles dort landen."

"Eine ausgezeichnete Idee, Nella! Ich lasse unterdessen die Strassen vom innerstädtischen Raumhafen zum Spital für den öffentlichen Verkehr von meinen Leuten in Ornellas Beauty sperren und veranlasse Borys dazu, genügend Gleiter zum Raumhafen zu schicken."

Wir holten beide unsere ComPads hervor, um unsere Anweisungen durchzugeben. Mein Gespräch mit dem Leiter der Flugleitstelle dauerte nur kurz. Danach lauschte ich Yegor, wie er sich wohl gerade mit seinem Cousin auf Ukrainisch unterhielt.

"Das wäre geregelt", erklärte er, nachdem er das Gespräch mit Borys beendet hatte.

"Eine letzte Sache noch, Yegor: Da zwei Shuttles auf dem Spital landen können, sollten die dringendsten Fälle gleich dorthin geschickt werden. Verletzte Kinder sollten dabei Vorrang haben."

Er nickte grimmig und machte sich davon.

*** Kapitel 2 - Cygnus ***

Der 'kleine StadtRat', an diesem Abend wohl eher ein grosser Rat, war heute nach den Ereignissen in Crow Town zu einer ausserordentlichen Sitzung einberufen worden.

Normalerweise bestand der kleine Rat aus wenigen Leuten, hauptsächlich CyCo-Mitarbeitern. Dazu kamen jeweils mindestens ein Vertreter der Flotte, einer der Kolonialbehörde, sowie dem Chefarzt. Man traf sich einmal wöchentlich, um die Lage in Ornellas Beauty zu erörtern und so weitere Schritte zu planen. Doch an diesem Abend waren alle Plätze am grossen, runden Tisch besetzt. Während bei einer ordentlichen Tagung meistens nur eine Person, also Alina, Henry oder ich, die Geschäftsleitung vertrat, war am heutigen Abend das 'Triumvirat' vollzählig. Wie üblich waren Jacqueline (Bildungswesen), Borys (Transportwesen), Yegor (Sicherheit), Robert (Stadtplanung), Tamara (Personalwesen), Marius (medizinische Versorgung), Ornella (Flottenvertretung) und Stanislav Popov (Kolonialbehörde) anwesend. Hinzu kamen Admiral Forrester, Commander Donovan, Larissa Montalban, einige weitere Flottenoffiziere die ich nicht kannte, sowie ein sichtlich ramponierter Jaiden Bacunawa. Ausserdem hatte Popov, ein Bürokrat, wie er im Buche steht, noch zwei weitere Mitarbeiter der Kolonialbehörde mitgebracht. Zu guter Letzt war da noch Sakura, die wie immer Protokoll führen würde.

Die Stimmung war sichtlich gedrückt. Mein Blick fiel auf Ornella, die am runden Tisch etwas weiter weg sass. Sie wirkte erschöpft, vermutlich weil sie den ganzen Tag lang die Hilfsmassnahmen sowie die Versorgung der Siedler koordiniert und unterstützt hatte.

Alina stand auf und blickte ernst in die Runde. Sämtliche gemurmelten Gespräche verstummten unter ihrem strengen Blick.

"Besten Dank ihnen allen, dass sie es so kurzfristig einrichten konnten, an dieser Sitzung teilzunehmen", eröffnete sie, nachdem sie sich wieder hingesetzt hatte. "Wir sind heute hier versammelt, um die betrüblichen Ereignisse in Crow Town, deren Auswirkungen auf CyCo im Allgemeinen und auf Ornellas Beauty im Besonderen zu besprechen. Ich übergebe das Wort an unseren Sicherheitschef, Yegor Melnik.

***

"Heute Vormittag, um 8 Uhr 12, feuerte ein Siedler mehrere Schüsse auf dem Gelände des Siedlerempfangs in Crow Town ab. Gemäss mehreren Augenzeugen feuerte der Mann die Schüsse in die Luft, weil er sich von einem anderen Siedler bedroht fühlte. Daraufhin brach unter den 22'434 anwesenden Siedlern eine Massen-Panik aus. Die den Empfangschaltern nächstgelegenen Personen kletterten daraufhin über die Abschrankungen, um aus dem Bereich zu fliehen. Andere rissen an verschiedenen Stellen die Zäune ein. Aufgrund der Panik wurden 146 Menschen, einschliesslich des Schützen, an Ort und Stelle zu Tode getrampelt, darunter 81 Kinder, 13 Flottenangehörige und 7 im Empfangsbereich tätige Zivilpersonen. Von den 541 Schwerverletzten verstarben weitere 112 Personen entweder noch während des Transportes oder nach ihrer Ankunft im Krankenhaus. Auch in diesem Fall handelt es sich bei den Todesopfern mehrheitlich um Kinder, 72 an der Zahl. Insgesamt wurden mindestens 3500 Menschen verletzt. Wieviele von ihnen bleibende Schäden davontragen werden, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht beantwortet werden." Er machte eine Pause, um auf seinem ComPad weitere Angaben abzurufen. "Wir konnten bis auf sechs Personen sämtliche geflohenen Siedler ausfindig machen und haben diese zu leerstehenden Lagerhallen gebracht, wo sie versorgt und gemäss Kolonialvorschriften abgefertigt wurden. Die meisten von ihnen dürften inzwischen die Lagerhallen verlassen haben und mit Spezialtransporten nach Ornellas Beauty gebracht worden sein, um im Colonist Tower vorübergehend untergebracht zu werden. Sämtliche Siedler wurden durchsucht. Dabei haben unsere Sicherheitskräft eine weitere Schusswaffe sowie 17 Elektroschocker konfisziert."

"Wurden die Besitzer verhaftet?", warf Stanislav Popov ein. Seine nasale Stimme erinnerte an eine defekte Trompete.

"Nein, Herr Popov", erwiderte Yegor so neutral wie möglich. Er konnte den Wichtigtuer genauso wenig leiden wie ich. "Gemäss Kolonialrecht ist der Besitz von Waffen kein Verbrechen, das sollten sie eigentlich wissen."

"Aber das verstösst doch bestimmt gegen irgendeine Flottenverordnung!", wandte der Mann ein. "Solche Leute müssen doch bestraft werden!"

"Auch dazu: Nein, Herr Popov", meldete sich Ornella müde zu Wort. "Der Transport von Gefahrengut, wie beispielsweise Waffen, ist gestattet. Sie müssten vor dem Abflug deklariert werden, damit diese bis zur Ankunft beziehungsweise bis nach der Abfertigung vom Flottenpersonal sicher verwahrt werden können. Wer eigentlich bestraft werden sollte, sind die Flottenkontrolleure, da sie die Siedler beim Einschiffen offenbar nicht überprüft haben - Oder weil sie sich haben bestechen lassen und Passagieren gestattet haben, Waffen bei sich zu tragen."

"Dann trägt also die Flotte die vollumfängliche Schuld an diesem, diesem Debakel?" setzte er aufgeregt, beinahe freudig, nach. Offenbar ging es ihm hauptsächlich darum, die Hände der Kolonialbehörde in Unschuld zu waschen. Admiral Forrester setzte verärgert zu einer Antwort an, doch Alina kam ihm zuvor.

"Ihr vor Mitgefühl überquellender Kommentar, Stanislav, ist wie immer äusserst willkommen-" Sie war die Einzige von uns, die ihn tatsächlich beim Vornamen ansprach, obwohl er wohl schon jeden einzelnen im kleinen Stadtrat darum gebeten hatte, ihn mit Vornamen anzusprechen. Alinas Geringschätzung war indes unüberhörbar. "-aber eine allfällige Schuldfrage ist in diesem Moment zweitrangig. Mich interessiert zu diesem Zeitpunkt vor allem das Wohlergehen der Siedler. Darum übergebe ich jetzt das Wort an Marius Feinbaum, damit er die Lage im Spital schildern kann."