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Die Galamex-Saga - Teil 06

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"Am Meer?", fragte Valentina erstaunt.

"UND man kann darin baden", klärte Ornella sie selbstzufrieden auf. Valentina starrte sie mit offenem Mund an. Stattdessen ergriff mein Vater das Wort.

"Stimmt das Cygnus? Man kann tatsächlich darin baden? Ich glaubte, irgendwo gelesen zu haben, dass sämtliche bisher auf Exoplaneten entdeckten Meere toxisch wären."

"Das stimmt. Und hast du vielleicht auch gelesen, dass auf einigen der sogenannten 'Luxusplaneten' die Meere so weit entgiftet wurden, dass man darin baden kann?"

"Naja, über die 'Planeten der Reichen und Schönen' kursieren jede Menge Gerüchte. Schwierig zu beurteilen, was davon verlässliche Informationen sind und was reine Spekulation."

"Nun, das mit der Entgiftung der Meere ist eine Tatsache. Ich arbeite nun seit einiger Zeit mit einem Mann zusammen, der genau das getan hat: Die Meere der Planeten der Reichen und Schönen entgiftet. Dank seines unverzichtbaren Beitrages haben wir hier auf Galamex 2 dasselbe getan."

"Du hast hier wirklich eine Menge erreicht, mein Sohn", meinte er nach einer Weile. "Ich bin stolz auf dich."

Ich konnte nichts anderes tun, als zu erröten.

***

Nach etwas mehr als einer halben Stunde kamen wir in Sichtweite der 'Altstadt'. Ich trat zu meinem Vater und deutete nach links.

"Siehst du den Vorsprung dort?" Er nickte. "Darunter befindet sich eine Höhle, in der ich den ersten Monat auf Galamex verbrachte. Und das hier-" Ich zeigte auf die vor uns liegende, silbrig schimmernde Eiche. "-ist mein erster Eisenbaum. Der letzte hier in der Gegend."

Mein Vater strich andächtig über die Rinde.

"Kein Wunder gibt es Leute, die dich entführen wollen. Du bist ja schon fast so etwas wie ein Zauberer - oder, wohl passender, ein Druide!"

***

Wir gingen weiter und erreichten alsbald die Häuser der Altstadt. Die meisten davon bestanden nach wie vor hauptsächlich aus Holz, hie und da mit Stein verstärkt. Mit Schnee bedeckt erinnerten sie in diesem Augenblick an längst vergangene Berghütten, die es heutzutage so auf der Erde nicht mehr gab. Die meisten 'Kameraden der ersten Stunde' (und wohl auch einige der zweiten) lebten noch hier, obschon es inzwischen wesentlich schönere Wohngegenden sowie komfortablere Häuser und Wohnungen gab. Hier zu leben, wo alles seinen Anfang genommen hatte, war für diese Menschen (von denen ich noch jeden persönlich kennengelernt hatte) eine Art Auszeichnung, von der sie sich um kein Penthouse-Apartement der Welt getrennt hätten.

Und während unsere Eltern über die bereits schneegeräumten Gassen aus Kopfsteinpflaster staunten, realisierte ich, dass wir schnurstracks zur Statue unterwegs waren! Panik überkam mich. Ich hatte ihnen gegenüber ja noch nicht einmal den Namen der Ortschaft genannt! Wie würden sie reagieren? Vor allem: Wie würden Ornellas Eltern reagieren? Mein Blick suchte jenen der Liebe meines Lebens. Sie zwinkerte mir mit einem kaum angedeuteten zwinkern zu. Offenbar schien sie sich darauf zu freuen, ihre Eltern mit der Statue zu konfrontieren.

***

Wie so oft tummelten sich jede Menge Leute auf dem Platz herum, auf dem die Statue stand. Sie war zweifelsohne eine Attraktion für die, trotz der winterlichen Temperaturen, reichlich vorhandenen Aussenwelt-Touristen, sowie für frisch eingetroffene Siedler, denen in der Regel kurz nach ihrer Ankunft die ersten Geschichten über Ornellas Beauty's Schutzpatronin zu Ohren kamen. Und natürlich die Anwohner selbst, welche offenbar die Gelegenheit ergriffen hatten, um Passanten kostenlosen Glühwein anzubieten.

Unsere Schatten hatten sich im Kreis um uns verteilt und hielten Fremde auf Abstand, während sie altbekannte Gesichter in meine Nähe liessen, um mich kurz zu begrüssen. Wir erreichten tatsächlich den Sockel der Statue bevor unsere Eltern schliesslich unweigerlich nach oben blickten und Ornellas eisernes Antlitz entdeckten, in all ihrer sekretärinnenhaften Pracht. Sämtliche Farbe wich aus Valentinas Gesicht, bis sie so weiss wie der Schnee auf den Schultern der Statue war.

"Was... was hat das zu bedeuten?", fragte sie mit zittriger Stimme.

"Warum steht da eine Statue von dir?", setzte Paolo nach, während seine Tochter verschmitzt grinste.

"Das bin nicht ich, Papà! Das ist die Schutzpatronin und Namensgeberin der Stadt, Ornella Muti, eine Schauspielerin die zur Zeit der Jahrtausendwende gelebt hat. Ich bin lediglich ihr Klon!"

Der letzte Satz war ohne Zweifel als Witz gemeint, doch auf auf Valentina, die ihre Tochter mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen betrachtet hatte, hatte er eine ganz andere Wirkung. Sie fiel in Ohnmacht.

***

Paolo fing sie gerade noch auf, als sie zusammensackte. Mein Vater kam ihm prompt zu Hilfe. Zusammen trugen sie Valentina zu einer nahegelegenen Bank und setzten sie hin. Claire, ihre Leibwächterin, packte ein Fläschchen aus ihrer Tasche, schraubte den Deckel ab und hielt ihn ihr unter die Nase. Allmählich kam Ornellas Mutter wieder zu Bewusstsein. Das Gesicht ihrer Tochter hatte indes dieselbe Farbe angenommen wie ihres. Schneeweiss, mit einem Hauch Entsetzen.

Die Leute in unserer unmittelbaren Nähe hatten den Trubel mitbekommen und blickten neugierig in unsere Richtung. Unsere Schatten versuchten zwar ihr Bestes, um uns vor den Schaulustigen abzuschirmen, aber sie waren dafür einfach zu wenige. Ausserdem bestand ihre Hauptaufgabe darin, unser Leben zu schützen. Diskretion zu wahren war zweitrangig.

Ornella kauerte vor ihrer Mutter nieder und starrte sie mit zusammengepressten Lippen an. Ich sah ein Kaleidoskop an Gefühlen in ihren Augen: Sorge, Zorn, aber vor allem Angst.

Valentinas Augen flatterten noch ein letztes Mal. Dann klärte sich ihr Blick und begegnete jenem ihrer Tochter. Eine Träne rollte Valentinas Wange hinunter.

"Es, es tut mir so leid, Ornella!"

"Erzähl mir alles", erwiderte Ornella mit gepresster Stimme. Ihre Miene hatte sich verhärtet, so ähnlich wie an jenem Abend, an dem mich Marla geküsst hatte.

"Das wird schmerzhaft - für alle!", wandte Valentina ein und drehte sich kurz zu ihrem Mann um, der sie voller Fürsorge aber sichtlich verwirrt betrachtete.

"Lass nichts aus", setzte Ornella nach. Valentina seufzte, bevor sie sich gerade hinsetzte und an den Hals griff. Sie zog ein ziemlich alt wirkendes Medaillon hervor, eines jener altertümlichen Dinge, die man öffnen konnte und bei denen auf beiden Seiten das Bild eines geliebten Menschen eingesetzt war.

Als sie es öffnete war jedoch nur auf einer Seite ein entsprechendes Bild. Alt und grösstenteils verblasst, musste man schon ziemlich genau hinschauen um festzustellen, dass es sich dabei wohl um Ornella handeln musste. Alt und verblasst, daher Ornella Muti und nicht Ornella Rossi darstellend.

Was sich auf der anderen Seite befand, konnte ich jedoch erst bei näherer Betrachtung erkennen. Eine dunkle Haarlocke.

"Dies hier ist mein wertvollster Besitz", begann Valentina. "Eine Haarlocke meiner Vorfahrin, Francesca Romana Rivelli, besser bekannt als Ornella Muti." Sie zögerte. Es war für jeden ersichtlich, wie schwer es ihr fiel, die nächsten Worte auszusprechen. Ornella kam ihr mit eiskalter Stimme zu Hilfe.

"Welche du dann dazu verwendet hast, um einen Klon von Francesca Romana Rivelli erschaffen zu lassen."

"Es, es ist nicht so, wie du denkst", versuchte Valentina sich zu wehren.

"Ach?" Zum ersten Mal blitzte Wut in Ornellas Stimme auf, doch sie hielt sich überraschend gut unter Kontrolle. Ich wollte zu ihr treten, um sie in den Arm zu nehmen, doch als sich unsere Blicke für den Bruchteil einer Sekunde begegneten, lag darin eine deutliche Warnung: Sie jetzt auch nur zu berühren, hätte wohl einen Orkan ausgelöst. "Was meinst du denn, was ich denke? Hast du es überhaupt Papà, Korrektur: deinem Ehemann gesagt? Für mich sieht das gerade nicht so aus."

"Ornella-", begann Paolo, doch sie hob eine Hand und brachte ihn abrupt zum Schweigen, während ihre Augen weiterhin auf Valentina fixiert waren.

"Dein VATER war unfruchtbar, doch er wollte unbedingt ein Kind", fuhr Valentina mit weiteren Tränen in den Augen fort. "Wir beiden wollten eins. Also entschieden wir uns für eine künstliche Befruchtung. Aber mein geliebter Paolo wollte nichts über den allfälligen Spender wissen. Ich konnte es mit jeder Faser meines Wesens spüren, wie sehr er den Gedanken daran hasste, dass ein anderer Mann für Deine Zeugung zuständig sein sollte. Also versprach ich ihm, einen anderen Weg zu finden, ohne ihm zu verraten, welchen. Er überliess alle weiteren Details mir. Ich war damals in der Buchhaltung im Policlinico di Bologna tätig und war ziemlich gut mit dem damaligen Chefarzt befreundet, der, wie es der glückliche Zufall wollte, gerade eine eigene Vergleichs-Studie über die diversen Wege der Klonreproduktion durchführte. Er verglich dabei insbesondere die übliche In Vitro Methode des Klonens mit einer neuartigen Methode, bei der der Klon direkt in der Gebärmutter einer Frau erzeugt und bis zur Geburt ausgetragen wird. Also genau das, wonach ich gesucht hatte: Eine echte Schwangerschaft und kein fremder Mann involviert. Und da ich an der Studie teilnahm, kostete mich die Prozedur keinen Stellari. Ornella, du BIST meine, du bist UNSERE Tochter."

Valentina streckte die Hand aus, um ihre Tochter zu berühren, doch Ornella wich blitzartig zurück.

Der Orkan brach aus.

***

"Fass mich nicht an!!!", fauchte sie. "Wie konntest du nur?! Wie konntest du mir das antun?!"

"Dir was antun?", fragte Paolo verwirrt. Ornella schaute ihn an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.

"ICH BIN EIN KLON!!!", schrieh sie und zog damit noch mehr Aufmerksamkeit der Leute um uns herum an. "EIN STERNVERDAMMTER KLON!!! Ein Imitat!! Ein Faksimile!! Ich bin kein Mensch, sondern nur die billige Kopie eines Menschen!!"

Ihr Schmerz traf mich wie tausend Stiche und gleichzeitig liess er eine unerwartete Wut, aus den Tiefen meines Ichs in mir aufsteigen. Ich stand auf, trat zu ihr - und knallte ihr eine.

*** Kapitel 21 - Ornella ***

Cygnus' Ohrfeige wirkte wie eine kalte Dusche auf mein überhitztes Gemüt. Es war nicht die Intensität. Cygnus und ich hatten uns beim Liebesspiel schon wesentlich intensiveren (wenn auch stets mit Lust verbundenen) Schmerz zugefügt. Es war auch nicht die Tatsache, dass er mich hier, in Gegenwart unserer Eltern und zahlloser Fremder, geschlagen hatte.

Es war dieser Blick in seinen Augen, den ich, geblendet von meinem Zorn, einfach übersehen hatte. Der Schmerz. Der geteilte Schmerz! Seine unendliche Fürsorge. Bedauern, vermutlich weil ein Teil von ihm bereute, mich in aller Öffentlichkeit (oder überhaupt) geschlagen zu haben. Und Zorn, so ganz anders als meiner, und doch genauso entschlossen.

Cygnus packte mich an den Schultern, drängte mich zurück und drückte mich auf die nächste Sitzbank.

"Niemand, selbst du nicht, nennt die liebste Person die ich kenne ungesühnt 'eine billige Kopie eines Menschen'", donnerte er von oben herab. Er wirkte dabei so gebieterisch, als wäre er ein anderer Mensch. Hätte ich diese grünen Augen nicht besser gekannt als meine eigenen, hätte mich seine Art vielleicht sogar eingeschüchtert. Stattdessen schaute ich sprachlos zu ihm hoch, in einer Mischung aus Erstaunen und Ehrfurcht. "Niemand", setzte er nach, sank auf ein Knie und ergriff meine Hände. Sein Gesicht war nun wesentlich sanfter als noch einige Augenblicke zuvor, aber nach wie vor ernst, fast traurig, auf jeden Fall mitfühlend.

"Du bist niemandes Kopie, mein Herz, sondern definitiv ein Original. Du magst denselben Bauplan haben, wie jemand vor dir, aber den haben eineiige Zwillinge auch. Niemandem käme es dabei in den Sinn, den einen eine Kopie des anderen zu nennen."

"Aber-", wollte ich einwenden, doch Cygnus legte mir einen Finger auf den Mund und lächelte.

"Schon klar, der Vergleich hinkt. Worauf ich damit hinaus will, ist folgendes: Das genetische Material aus dem eine Person entsteht, definiert die Person nicht. Wie sie ihr Leben lebt, tut dies. Und du, Ornella Rossi, hast bisher eine äusserst beeindruckende Existenz geführt." Erste Tränen liefen meine Wagen hinab, und ich spitzte meine Lippen, um seinen Finger zu küssen. "Vielleicht, Liebe meines Lebens, solltest du sogar in Betracht ziehen, dich bei deinen Eltern, ja, deinen Eltern, zu entschuldigen. Denn Eltern sind nicht immer die Erzeuger, sondern jene Menschen, die uns grossziehen und sich um uns kümmern. Und das haben Paolo und Valentina bei dir doch gar nicht so schlecht hinbekommen."

Und endlich, nach Monaten, in denen dieser stille Zweifel über meine tatsächliche Herkunft sich leise und unerkannt in mein Unterbewusstsein eingenistet hatte, um genau in dem Moment aus seiner Lauer hervorzuspringen, an dem er den meisten Schaden anrichten konnte, um an den Grundfesten meines Wesens zu rütteln und es zum Einsturz zu bringen, verzog er sich für immer, vertrieben von den grünen Augen meines Seelenverwandten.

"Doch bevor du dich bei deinen Eltern entschuldigst", fuhr Cygnus fort und kramte etwas aus seiner Manteltasche hervor und hielt es mir hin. "Ornella Rossi, willst du mich heiraten?"

***

Der Ring schimmerte im Morgenlicht. Er bestand dem Anschein nach aus Iridium, schlicht und elegant zugleich, lediglich mit einem dezenten, rund geschnittenen Smaragd ausgestattet. Der kleine Edelstein, der so sehr an Cygnus' Augen erinnerte, schien mir zuzufunkeln. Nimm mich. Nimm mich. Ich blickte hoch, in die beiden lebenden Edelsteine vor mir, diese sicheren Häfen, diese beiden Fenster auf mein ganz persönliches Nirvana im Diesseits. Mein Herz quoll gerade über vor Glück, während Cygnus geduldig auf meine Antwort wartete. Also knallte ich ihm eine.

***

Ich hörte (jedoch wirklich nur mit einem halben Ohr), wie die Menge um uns herum dabei raunte.

"Das war für vorhin", erklärte ich weinend. "Und ja, ich will dich heiraten, Cygnus Montichiari." Ich rutschte von der Bank, hinunter in seine Arme und stiess ihn in den Schnee, hungrig nach seinem Kuss. Um uns herum explodierte die Menge in Jubelgeschrei und tosendem Applaus. Aus dem Augenwinkel sah ich gerade noch, wie sich meine Eltern in die Arme fielen, genauso wie Cygnus' Eltern. Selbst Gianna war vor Freude in Dimitrios' Arme gesprungen. Dann lenkte ich meine gesamte Aufmerksamkeit auf den fordernden Kuss meines Verlobten.

***

Irgendwann beschlossen die Schatten, dass es an der Zeit war, das Feld zu räumen, da das Ganze allmählich zu einer spontanen Gross-Feier ausartete. Alle möglichen Leute hätten uns gerne gratuliert, doch Emilio, Dimitrios, Horst und Paul hielten jeden, selbst 'Kameraden der ersten Stunde' davon ab, da uns wohl sonst einfach jeder hätte gratulieren wollen. Claire und Gianna organisierten irgendwie die Limousine des Vorabends, dessen Fahrer das Kunststück gelang, das fünf Meter lange Fahrzeug durch die Gassen der Altstadt zu manövrieren, ohne den kleinsten Kratzer. Wir stiegen hastig ein, während draussen die Menschen nach wie vor klatschten und johlten. Ich schlang augenblicklich meine Arme um meinen Vater.

"Es tut mir so leid, Papà!" Er drückte mich fest an sich, und ich hörte ihn schniefen.

"Schhhhht, Piccolina. Da gibt es nichts, dass dir leid zu tun braucht. Ist alles gut. Und, ich gratuliere dir, zu deiner Verlobung."

Ich blickte auf.

"Dann haben wir deinen Segen?"

Er lachte laut auf.

"Als ob du den brauchen würdest! Aber wenn du es genau wissen willst: Ich war schon gestern von Cygnus überzeugt. Heute könnte ich mir keinen anderen an deiner Seite vorstellen."

Mein Blick fiel auf meine Mutter, auf dessen Gesicht zwar noch ein Hauch von Sorge lag, die aber dennoch wie jeder andere im Gefährt Freude ausstrahlte. Sie blickte mich hoffnungsvoll an. Ich setzte mich neben sie, um sie ebenfalls in die Arme zu schliessen. Sie begann sofort damit, leise zu schluchzen.

"Es tut mir so furchtbar leid, Ornella!", flüsterte sie.

"Schhhhht, Piccina. Da gibt es nichts, dass dir leid zu tun braucht. Ist alles gut", flüsterte ich zurück, nicht nur die Worte, sondern auch den ruhigen Tonfall meines Vaters nachahmend. Ihre Schluchzer vermischten sich umgehend mit Gluckser. Ein herrlich bebender und zuckender, geliebter Mensch in meinen Armen. Sie schaute hoch, als sähe sie mich heute zum ersten Mal.

"Du bist wirklich, wirklich gross geworden, Ornella. In jeder Hinsicht", meinte sie anerkennend, was mich doch tatsächlich für einen kurzen Augenblick in Verlegenheit brachte.

"Und was meinst du zu meinem Verlobten?", lenkte ich ab. "Habe ich auch deinen Segen?"

Statt zu antworten, winkte sie Cygnus zu uns. Er setzte sich neben sie, woraufhin sie ihn augenblicklich in die Arme schloss und ihm einen langen, schallenden Kuss auf die Wange drückte.

"Und dann riecht und schmeckt er auch noch gut!", erklärte sie. "Also, wenn du ihn nicht nimmst, dann nehm ich ihn!"

Im darauffolgenden allgemeinen Gelächter wies mein Vater den Fahrer an, uns zum besten Juwelier der Stadt zu bringen.

***

"Das ist doch nicht nötig", protestierte Cygnus.

"Natürlich ist es das!", widersprach ihm mein Vater. "Das ist der Laden, richtig?" Cygnus nickte. "Dann sag jetzt bitte dem Angestellten, dass er dir denselben Ring anfertigen lassen soll, mit einem Saphir statt eines Smaragdes. Und sag ihm, dass ich ihn bezahle."

"Paolo-", versuchte es Cygnus erneut. Vergeblich.

"Keine Widerrede."

Meine Mutter kam hinter einer der Vitrinen hervor und schmiegte sich an Cygnus' Schulter. Offenbar hatte sie inzwischen einen Narren an ihm gefressen.

"Vergiss es, Cygnus. Wenn sich Paolo einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist er nicht mehr davon abzubringen. Ausserdem hat er recht. Was wären wir für Eltern, wenn wir nicht wenigstens diese kleine Mitgift für unsere Tochter einbringen würden?"

"Es ist nicht so, dass ich dies nicht zu schätzen weiss, Vale - auch wenn ich diesen altertümlichen Brauch, dass ausgerechnet die Eltern des weiblichen Teils einer Verbindung irgendeine Art von Entschädigung an den Bräutigam zu entrichten hätten, für völlig absurd halte", antwortete Cygnus, der nun auf der anderen Seite seine eigene Mutter an sich drückte. "Aber der Schmuck hier ist WIRKLICH teuer. Das ist für mich nicht okay, dass ihr eure Ersparnisse auf diese Art und Weise verpulvert."

"Uffa!", raunte mein Vater und machte mit den Händen ein Zeichen, welches Italiener nun schon seit Jahrhunderten dazu verwendeten, anderen zu signalisieren, dass sie die Schnauze voll hatten.

"Na schön", gab Cygnus schlussendlich nach. "Aber beklagt euch anschliessend nicht bei mir."

"Hauptsache, du kommst in die Gänge, damit wir aus dieser Glitzerfalle verschwinden können", ermahnte Giacomo seinen Sohn. "Du hast Paolo gehört. Wenn er unbedingt sein Geld für Klunker aus dem Fenster werfen will, dann lass ihn. Sprich endlich mit dem Manager, Cy!"

"Ist ja gut!", gab Cygnus leicht gereizt zurück, packte Paolo am Arm und führte ihn in den hinteren Teil des Juwelierladens, wo ein junger Mann in einem teuer wirkenden Anzug stand.

"Ich könnte den ganzen Tag hier verbringen!", erklärte Selina begeistert, während sie gerade ein stilvolles Collier von der Schmuckdesignerin Diana Nanà bewunderte.

"Wem sagst du das!", pflichtete ihr meine Mutter bei und gesellte sich zu ihr, um das Stück zu betrachten.

"Ich nicht", murrte Giacomo kaum hörbar. Ich schenkte ihm ein breites Lächeln.

"Ich auch nicht - die einzigen funkelnden Dinge, die mich interessieren, sind die Sterne."

"Eine Frau nach meinem Geschmack." Giacomo erwiderte mein Lächeln, trat zu mir und nahm meine Hand, an dessen Ringfinger nun Cygnus Heiratsversprechen angebracht war. "Aber das hier ist wirklich ein schönes Stück."

"Das ist es", pflichtete ich ihm bei. Hier, unter seinesgleichen, schien der Stein noch heller zu glitzern, als wolle er mit den anderen konkurrieren. Oder, was mir wesentlich besser gefiel, als wolle es die anderen zu einer gemeinsamen Symphonie des Lichtes anregen. "Wie sieht es aus, Cometa? Wollen du und ich in den 'Normalsterblichen-Bereich' zurückkehren und uns zur Garde gesellen?"