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Die Galamex-Saga - Teil 06

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In der darauffolgenden Woche starteten wir unsere ersten Feldversuche. Dafür suchten wir uns ein weit abgelegenes Grundstück südöstlich von Turtle Town aus. Da wir vor Ort bleiben wollten, nahmen wir Zelte und Schlafsäcke mit. Ornella und Patricia (und natürlich unsere 'Schatten') begleiteten uns, und alsbald war daraus ein regelrechter Camping-Ausflug geworden. Das kam mir ebenfalls ein klein wenig wie eine Zeitreise vor, da ich mich immer wieder an meine ersten Tage auf Galamex 2 erinnert fühlte - mit dem Unterschied, dass ich nicht vollkommen alleine war, sondern von meiner Versprochenen begleitet wurde, die mir des Nachts in meinem Schlafsack Gesellschaft leistete.

Nach nur drei Tagen hielten wir dann die ersten, wie wir sie nannten 'Erzfrüchte' in der Hand. Feigen, die in allen möglichen Farben schimmerten. Jede Frucht wog fast ein halbes Kilogramm. Wir hatten ein angepasstes Modell eines Erzverarbeiters mitgenommen. Dieses extrahierte die einzelnen Elemente und gab sie in Form von Pulver aus. Das Resultat übertraf meine kühnsten Erwartungen. Obschon über die Hälfte der ersten Frucht aus Eisen bestand, waren auch beachtliche Anteile an Gold, Platin, Silber, Kalium, Neodym und Dysprosium vorhanden. Die Frucht eines anderen Baumes enthielt hingegen hauptsächlich Blei, sowie Kupfer, Zink, Samarium und Ytterbium. Jeder Baum schien seine ganz eigene Mischung aus Elementen aus dem Erdreich zu ziehen.

Daraufhin liessen wir umgehend ein Sicherheitstrupp zum Grundstück beordern, um die neuen Pflanzen zu bewachen sowie ein Team aus unserer Terraforming-Abteilung, welches unsere Arbeit weiterführen würde. Dann kehrten wir nach Ornellas Beauty zurück, da inzwischen der Tag gekommen war, an dem meine und Ornellas Eltern eintreffen würden.

*** Kapitel 7 - Ornella ***

"Hör endlich auf, wie ein gefangenes Tier herumzutigern und setz dich, Cy! Wir starten gleich", sagte Patricia zu meinem Herzblatt. Ich schenkte ihm noch einen kurzen, verständnisvollen Blick, bevor ich mich den Kontrollen der Corvette zuwandte.

Cygnus hatte beschossen, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Da unsere Eltern nicht zur Flotte gehörten und zum ersten Mal nach Galamex 2 reisten, mussten sie, entsprechend den kolonialen Bestimmungen, die auch die neu gegründete Autonomiebehörde von Galamex 2 einzuhalten hatte, genau wie jeder andere zuerst durch den Siedlerempfang. Sie hätten dies natürlich auch bei einem der planetaren Siedlerempfängen tun können, aber da Stefan Rudek Wort gehalten hatte, konnten sie dies nun auf der neuen Station tun. Daher wollte Cygnus die Gelegenheit nutzen, sich endlich die Arbeiten an der neuen Station anzusehen und dabei gleich noch unsere Eltern in Empfang zu nehmen. Zudem, so vermutete ich, wollte er seinen Eltern, insbesondere seinem Vater, mit der neuen Station imponieren.

So nervös wie heute hatte ich ihn noch nie erlebt. Der Mann, der ansonsten, zumindest in meinen Augen, die Verkörperung der Ruhe selbst darstellte, wirkte an diesem Tag so zappelig wie ein Kind vor seinem ersten Schultag. Cygnus hatte mir natürlich von seinem doch etwas angespannten Verhältnis zu seinen Eltern, vor allem zu seinem Vater, erzählt. Aber mir war bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen, wie sehr ihn dies tatsächlich beschäftigte und welch ausgeprägten Geltungsdrang dies bei ihm verursachte.

Ich konzentrierte mich auf die Instrumente, während Patricia die Corvette in die Luft brachte.

"A-G-T! A-G-T! A-G-T!" Elijah, den Patricia dazu überredet hatte, mit uns die neue Station zu besichtigen, war sichtlich aufgeregt.

"Alles in Ordnung, da hinten?", rief Patricia.

"Ja! T-T-T! Das ist toll!!", antwortete er begeistert.

"Tief durchatmen, Elj", hörte ich Alba sagen. Dann gab Patricia Schub, und mir blieb für einen kurzen Augenblick die Luft weg.

"Nicht so wild, Lieutenant", ermahnte ich sie. "Wir sind nicht auf der Flucht und haben Zivilisten an Bord."

"Aye-Aye, Commander, Nella, Ma-am!", antwortete sie und beschleunigte weiter. Ich grinste und verkniff mir eine weitere Bemerkung. Am Steuer eines Fahrzeuges war Patricia nun Mal ein Heisssporn. Es war stattdessen Alba, der es doch tatsächlich gelang, sie zu massregeln.

"Trish!", bellte sie. "Wenn du nicht willst, dass Cygnus hier hinten alles vollkotzt und du den Rest dieses Ausfluges damit verbringst, das Cockpit zu reinigen, empfehle ich dir dringend, diesen Flug etwas SANFTER zu gestalten!"

"Ja, Alba", antwortete meine Freundin neben mir kleinlaut und hörte endlich auf, noch mehr Geschwindigkeit aus dem Antrieb der Corvette zu kitzeln.

***

Eine gute Stunde später erreichten wir die kolossale Baustelle. Da die neue Station wesentlich grösser werden würde als die alte, lag sie in einem höheren Orbit. Während die alte Station rund 5 Kilometer lang war, würde die neue mit einer Länge von 30 Kilometern alle aktuell existierenden Stationen übertreffen. Es stand ausser Frage, dass der Architekt, Stefan Rudek, äusserst ambitioniert war und sich in den Geschichtsbüchern verewigen wollte. CyCo hatte eigentlich etwas Kleineres im Sinn gehabt, doch der junge, enthusiastische Architekt hatte alle, insbesondere Alina, davon überzeugt, sich mit nicht weniger zufrieden zu geben als der grössten Station, die die Menschheit je gebaut hatte.

Der Rahmen des Mittelteils, der sogenannten 'Achse', bestehend aus zahllosen stählernen Verstrebungen, war praktisch fertiggestellt. Doch tatsächlich verkleidet war erst knapp ein Drittel davon. Wir flogen an den gewaltigen Triebwerken vorbei, fünf im Kreis angeordnete, schalenförmige Gebilde, jedes mit einem Durchmesser von hundert Meter. Jede Station besass welche, um allfällige Kurskorrekturen vornehmen zu können oder um eine neue orbitale Position zu erreichen. Bei manchen Stationen, wie beispielsweise bei der alten Station, konnten diese Triebwerke gar dazu verwendet werden, den Raum zu falten und somit sogar Lichtgeschwindigkeit zu erreichen. Allerdings war mir persönlich kein Beispiel bekannt, bei dem eine Station tatsächlich auf Lichtgeschwindigkeit gebracht worden wäre. Die Menge an Antimaterie, die für ein solches Vorhaben notwendig gewesen wäre, hätte locker das Jahres-Budget mehrerer Sternensysteme verschlungen.

Gleich nach den Triebwerken lagen die Reaktorkammer und das eigentliche Kontrollzentrum, vollumfänglich verkleidet waren sie jedoch von Aussen nicht sichtbar. Wir glitten weiter, an einem nur Teilweise verkleideten Trakt vorbei. Unzählige Astronauten sowie Drohnen waren hier damit beschäftigt, vorgefertigte Paneele anzubringen und die Innenröhren, welche später der Besatzung zur Fortbewegung innerhalb der Achse dienen würden, mit Lasern zusammenzuschweissen. Da sich die Achse im Gegensatz zu den Ringen nicht permanent drehte, herrschte dort auch keine Schwerkraft.

Wir wichen einem der vielen Klein-Transporter aus, aus dem gerade weitere Paneele entladen wurden und erreichten nach weiteren zehn bis zwölf Kilometern die an der Achse befindlichen Shuttle-Andockstationen, gleich vor den drei Ästen, um die der erste Ring konstruiert worden war. Obschon dies der kleinste Ring der Station sein würde, hatte er dennoch einen beachtlichen Radius von rund 3'600 Metern. Der Ring selbst war gute 300 Meter breit und etwa 80 Meter dick. Platz genug für 20 Stockwerke. Bei einem Umfang von über 22 Kilometern bot dieser eine Ring alleine genug Lebensraum für tausende von Menschen. Und dies war erst einer vor sieben Ringen. Hier entstand keine Raumstation, sondern eine regelrechte Raumstadt!

***

Wir dockten an, doch bevor wir aus der Corvette aussteigen konnten, drückte Alba jedem von uns Notfall-Repulsoren in die Hand.

"Im Ring herrscht Erdgravitation, Alba", wandte ich ein. "Wofür brauchen wir die?"

"Die Station befindet sich noch im Bau", erwiderte sie trocken. "Da kann immer Mal was schief gehen. Sicher ist sicher."

"Wenn du meinst." Ich verstaute den kleinen Repulsor in der Hosentasche und schwebte durch die Schleuse. Auf der anderen Seite erwarteten uns Emilio und Dimitrios, die vorausgeflogen waren, um, wie sie sagten, die Lage zu sondieren, begleitet von einem bis über beide Ohren grinsenden Stefan Rudek. Der rothaarige junge Mann mit mehr Sommersprossen im Gesicht als Sterne am Himmel stiess einen Freudenschrei aus.

"Na endlich!" begrüsste er uns, aber vor allem Cygnus, auf den er prompt zuglitt und in eine feste Umarmung nahm. "Alter! Ich hatte schon befürchtet, du lässt dich erst hier oben blicken, wenn wir fertig sind!"

"Ich hatte doch gesagt, dass ich dich besuche, Steff", meinte Cygnus lächelnd. Der Architekt begrüsste uns alle der Reihe nach und wandte sich dann wieder Cygnus zu.

"Na? Was hältst du von unserem Baby? Ist sie nicht 'ne Wucht?"

"Wirklich beeindruckend, Steff", pflichtete Cygnus ihm bei. "Du hast definitiv nicht zu viel versprochen."

"Wie sieht's aus? Soll ich euch den Reaktor zeigen? Der ist wirklich bombastisch! Ein Mordsteil! Allerdings müssten wir dafür in Raumanzüge schlüpfen."

"Vielleicht ein andermal", winkte Cygnus ab. "Zum einen habe ich es nicht so mit Mikrogravitation. Zum anderen kommen meine Eltern bald an. Lass uns doch einfach zum Ring gehen, ja?"

"Du wirkst tatsächlich etwas blass", meinte Stefan. "Alles in Ordnung mit dir?"

Cygnus warf Patricia einen kurzen anklagenden Blick zu, bevor er den Kopf schüttelte.

"Ja, ich habe bloss meine Pillen gegen Reiseübelkeit vergessen."

"Okay. Dann lass uns zum Siedlerempfang gehen."

***

Ein Lift in einem der drei Äste beförderte uns innert weniger Minuten zum Ring. Überall waren geschäftige Arbeiter in hellgrauen Overalls zu sehen.

"Wieviele Arbeitskräfte sind hier tätig?", fragte ich Stefan, während wir durch einen Gang schritten, bei dem gerade weisse, metallene Bodenplatten verlegt wurden.

"Insgesamt? 12'000 Menschen und 30'000 Drohnen", verkündete er stolz. "Wenn wir sie innerhalb eines Jahres fertigstellen wollen, müssen wir uns ranhalten. Zum Glück hat Alina mir Verstärkung zugesagt. Stimmt's, Cy?"

Cygnus seufzte. Offenbar war dies nicht das erste Gespräch dieser Art, welches er mit dem Architekten führte.

"Steff, wir tun, was wir können. Aber von den neu ankommenden Siedlern eignen sich nur sehr wenige für die Arbeit im All. Wir haben zwar ein entsprechendes Ausbildungsprogramm gestartet und jede Menge Interessenten gefunden. Aber das braucht trotzdem seine Zeit. Du kannst frühestens in vier Wochen mit neuen menschlichen Arbeitskräften rechnen. Allerdings sollte in den nächsten Tagen eine grössere Lieferung Drohnen eintreffen. Mindestens 5000 Stück."

"Hm. Besser als nix, was?", gab der rothaarige Mann zurück. "Ach komm, Cy! Guck nicht so griesgrämig! Ich ziehe dich doch bloss ein wenig auf! Ich weiss, dass ihr da unten euer Bestes gebt, um mein Leben leichter zu machen!" Er wandte sich mir zu. "Sag Mal, Nella, was ist heute bloss mit deinem Kerl los? Fütterst du ihn auch regelmässig?"

Ich konnte Stefan Rudek zwar ziemlich gut leiden, aber manchmal war mir seine Art einfach etwas zu... forsch. Ich hatte ihn vor einigen Monaten kennengelernt, als er in der 'Casa Sparks' zu Gast gewesen war - ausgerechnet an jenem Wochenende, an dem uns Borys das Morse-Alphabet beigebracht hatte. Dabei hatte sich gezeigt, dass Stefan Rudek dieses tatsächlich bereits kannte. Was er uns an jenem Tag dann auch permanent unter die Nase gerieben hatte, während wir anderen uns damit abmühten, die verschiedenen Zeichenfolgen z7u verinnerlichen.

"Er bekommt das beste Futter, dass es in der Galaxis zu haben gibt, Steff", antwortete ich gleichmütig. "Er ist heute lediglich etwas unpässlich."

Cygnus schenkte mir einen dankbaren Blick. Offenbar war es ihm nur mehr als recht, dass ich seine Nervosität Hinsichtlich der Ankunft seiner Eltern nicht angesprochen hatte.

***

Wir passierten den Ausgang des Siedlerempfangs, aus dem gerade eine mehrköpfige Familie von Einwanderern trat. Ein Mann, eine Frau und fünf Kinder. Dabei weinte das jüngste Mädchen unentwegt. Mir wurde urplötzlich übel.

"Alles in Ordnung, Liebste?", fragte Cygnus, dem meine Übelkeit sofort aufgefallen war. "Ich habe dich doch nicht mit meiner 'Unpässlichkeit' angesteckt?

"Nein, nein. Es ist nur, das weinende Mädchen da drüben. Es hat wohl gerade Erinnerungen wachgerufen... an, an..."

"Den Vorfall in Crow Town?", vervollständigte er den Satz für mich. Ich nickte. "Willst du hier draussen warten?"

"Nein, es geht schon. Es war nur ein kurzer Moment. Das wird gleich wieder."

*** Kapitel 8 - Cygnus ***

Wir gingen weiter, bis wir den Diensteingang zum Siedlerempfang erreichten, vor dem ein finster dreinblickender Sicherheitsoffizier der Flotte stand. Beim Anblick von Emilios, Dimitrios' und Albas Schusswaffen hielt er eine Hand hoch.

"Keine Waffen im Siedlerempfang!", grollte er. Alba blickte ihn missmutig an.

"Das ist ja wohl nicht dein Ernst, oder?" Sie stellte sich vor ihn und stemmte die Hände in die Hüften, ihn um mindestens einen Kopf überragend. "Weisst du eigentlich, wen du vor dir hast?"

"Und wenn du die Präsidentin der Kolonien selbst wärst. Keine. Waffen. Im Siedlerempfang."

Ich fuhr dazwischen, bevor Alba dem Mann den Kopf abreissen konnte.

"Es ist okay, Alba. Die Siedler müssen durch den Scanner, bevor sie die Hallen betreten können. Da drin trägt niemand eine Waffe."

Dimitrios trat zu mir.

"Das ist keine gute Idee, Cygnus. Ohne Waffen können wir da drin nicht für eure Sicherheit sorgen", sagte er leise mit besorgter Miene. Mein Blick fiel auf Ornella, die immer noch ziemlich blass wirkte. Sie mochte es verneinen, aber ich hatte definitiv den Eindruck, dass sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung litt. Der Anblick von Waffen im Siedlerempfang, selbst jener unserer 'Schatten', hätte diese vielleicht noch verstärken können.

"Du hast den Mann gehört, Dimi: Keine Waffen im Siedlerempfang."

"Cygnus", versuchte es der Grieche erneut. "Vertrauen ist gut, Kontrolle-"

Weiter liess ich ihn nicht kommen. Ich funkelte ihn an, ohne einen Hehl aus meiner zunehmenden Gereiztheit zu machen.

"Ich werde das nicht mit dir durchdiskutieren, Dimi. Entweder ihr gebt hier eure Waffen ab, oder ihr wartet hier draussen auf uns. Ist das klar?"

Dimitrios seufzte, zog dann widerwillig seine Pistole aus dem Halfter und übergab diese dem Sicherheitsoffizier. Emilio und eine sichtlich verärgerte Alba taten es ihm gleich.

***

Im Vergleich zur Halle auf der alten Station war diese riesig. Hier passten locker 10'000 Menschen rein, aber aktuell schienen, neben einer guten Handvoll Arbeiter in hellgrauen Overalls, lediglich wenige Hundert Siedler anwesend zu sein. Insgesamt waren auch nur ein Dutzend Schalter geöffnet. Offenbar fuhr man den Betrieb der neuen Halle stufenweise hoch. Stefan bestätigte meine Gedankengänge.

"Die Terminals stehen zwar allesamt, aber wir haben dummerweise nicht daran gedacht, dass wir dann auch entsprechende Quartiere für das hier tätige Flottenpersonal zur Verfügung stellen müssten." Er klang dabei etwas verlegen. "Aber das holen wir nun so schnell wie möglich nach! In spätestens drei Tagen herrscht hier Vollbetrieb!"

Mir konnte es nur recht sein, wenn meine Eltern nicht noch stundenlang anstehen mussten. Ich hätte zwar für sie und Ornellas Eltern eine Vorzugsbehandlung arrangieren können, aber genau wegen solcher Favoritismen hatten wir ja die Unabhängigkeit von der Kolonialbehörde angestrebt. Hätte ich nun meine Stellung dafür genutzt, hätte dies das Ziel einer Demokratie, unter der alle Menschen gleichbehandelt wurden, ad absurdum geführt.

Mein Blick kehrte zu Ornella zurück.

"Wie geht es dir? Kommst du klar?"

"Ja, das tue ich", meinte sie entschieden. "Das hier erinnert mich jetzt doch viel eher an meine eigene Zeit, als ich noch im Siedlerempfang der alten Station gearbeitet habe."

"Als wir uns kennenlernten?", fragte ich glucksend.

"Oh, ja", meinte sie grinsend und wollte mich gerade küssen, als jemand zu schreien anfing.

***

"HÄNDE HOCH! DAS IST EIN ÜBERFALL!"

Ich blickte mich nach der Stimme um und sah, wie einer der Arbeiter der bis dahin hinter den Schaltern beschäftigt gewesen war, ein Gewehr in der Hand hielt und auf die Menge richtete. Ein weiterer Arbeiter, ebenfalls bewaffnet, stiess zu ihm, packte einen Crewman am Kragen und führte ihn nach vorne zu den Siedlern und warf ihn zu Boden.

"FRAUEN UND KINDER, NACH LINKS! MÄNNER, NACH RECHTS! PRONTO!"

Ich hob die Hände, während die übrigen Arbeiter, welche offenbar ebenso an diesem Überfall beteiligt waren, sich unter die Siedler mischten und - ziemliche unzimperlich - dafür sorgten, dass alle den gebellten Befehlen nachkamen. Einer der Männer packte Ornella am Arm und zerrte sie von mir weg. Für einen kurzen, schrecklichen Augenblick befürchtete ich, sie würde sich zur Wehr setzen, doch sie warf mir einen letzten Blick zu und liess sich dann widerstandslos wegführen.

"UND JETZT ALLE AUF DEN BODEN UND HÄNDE HINTER DEN KOPF!", rief der Mann hinter den Schaltern, nachdem auch die letzten Leute des Flottenpersonals nach vorne getrieben worden waren. Ich sah, wie er sich an einem Terminal zu schaffen machte und hörte anschliessend, wie sich die Sicherheitsschleusen am Ausgang schlossen. Er hatte uns allesamt gerade hier eingesperrt. Innert weniger Minuten hatten diese Männer den Siedlerempfang unter ihre Kontrolle gebracht.

***

Der Mann, der offenbar der Anführer dieser Bande war, trat nun ebenfalls nach vorne und positionierte sich so, dass jeder ihn sehen konnte.

"Aufgepasst! Das läuft jetzt folgendermassen ab: Wenn ihr alle brav das tut, was ich euch sage, dann passiert niemandem was. Wer das nicht tut - oder wer das Gefühl hat, er müsse hier den Helden spielen, der verlässt diese Halle in einem Leichensack. Regel Nummer Eins: Ich will keinen Mucks hören. Also beruhigt eure Kinder, bevor ich das tun muss. Regel Nummer Zwei: Meine Männer werden gleich damit anfangen, eure ComPads einzusammeln. Wartet, bis sie euch die entsprechende Anweisung geben. Dann holt ihr es schön langsam hervor. Und ich meine WIRKLICH langsam. Meinen Leuten jucken die Finger, also reizt sie nicht."

Nach und nach sammelten die Männer ComPads ein, während diverse Siedlerinnen versuchten, ihre weinenden Kinder zu beruhigen. Als ich an der Reihe war, nahm ein mit einer Pistole bewaffneter, bärtiger Mann mein ComPad entgegen und warf es dem Anführer zu. Er blickte kurz auf die dunkle Anzeige und nickte dem Mann neben mir zu. Dieser zog mich daraufhin auf die Beine und führte mich zum Anführer, der mir mein ComPad entgegenhielt.

"Entsperren", verlangte er. "Und zwar plötzlich, bevor ich einem Kind 'versehentlich' eine Kugel durch den Kopf jage." Ich kam seiner Aufforderung schweigend nach. Daraufhin baute er eine Verbindung auf und hielt sich das Gerät ans Ohr.

"Nein, Frau Sparks. Hier spricht nicht ihr guter Freund, Cygnus Montichiari." Er machte eine Pause, vermutlich der Stimme am anderen Ende lauschend. "Nennen sie mich doch einfach Carlos." Er beschenkte mich mit einem schiefen Grinsen und zwinkerte mir zu. "Er ist gerade, wie soll ich sagen, ah, indisponiert, zusammen mit einigen hundert Siedlern hier auf der neuen Station. Und das wird er auf nicht absehbare Zeit auch bleiben, wenn sie nicht genau tun, was ich sage." Er lachte. "Natürlich liefere ich ihnen KEINEN Beweis, dass er in meiner Gewalt ist. Sie werden mir einfach vertrauen müssen, und jetzt halten sie endlich den Mund, und hören sie mir genau zu. Ich werde ihnen gleich über dieses Gerät eine Bankverbindung zuschicken. Sie überweisen danach eine Milliarde Stellari auf das entsprechende Konto, und zwar innerhalb der nächsten dreissig Minuten." Er schaute wieder in meine Richtung. "Es ist mir egal, wie sie das anstellen, Frau Sparks. Wie ich hörte, haben sie vor einigen Tagen die Spendierhosen angezogen und zehn Milliarden für die armen Opfer von Crow Town locker gemacht. Also werden sie bestimmt noch irgendwo eine Milliarde für den armen Carlos und seine Freunde übrighaben." Bisher schien er richtig Spass an seinem Gespräch mit Alina zu haben, doch nun verzog sich sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse. "Ersparen sie mir ihre Drohungen, Sparks. In diesem Moment sind sie ein zahnloses, krallenloses Kätzchen. Und wenn die Zahlung nicht innerhalb der nächsten 29 Minuten auf dem Konto eintrifft, erschiesse ich für jede Minute Verzug eine Geisel. Mal sehen, mit welcher PR-Aktion sie dann DAS unter den Tisch kehren." Carlos beendete die Verbindung und wies den Bärtigen an, mich zurück zu den Siedlern zu führen. Dann wandte er sich wieder der Menge zu.

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