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Die Macht des Drachens

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Jeson mustert mich die ganze Zeit ausgesprochen nachdenklich. Ich sehe, dass er mir nicht ganz glaubt. Deshalb beuge ich mich nach dem Essen beim Verlassen des Speisesaals zu ihm hinab.

„Treffen wir uns in einer halben Stunde im Garten?"

„Unbedingt!"

Ich mache mich in meinem Zimmer nur noch kurz frisch und wechsle meine Kleider. Dann muss ich auch schon wieder los.

Ich trete durch die Tür hinaus in den Garten. Die kühle Nachtluft umspielt mich und sofort überkommt mich ein tiefes Gefühl von Trauer. Der Nachtwind erinnert mich an das Gefühl beim Fliegen, an die Freiheit, die ich dabei immer gespürt habe und die ich wohl nie mehr erleben darf.

Wie automatisch blicke ich dabei auf meinen Arm, um mir die Stelle anzusehen, an der ich die Tätowierung hatte. Staunend halte ich inne. Der Drache ist verblasst, aber immer noch erkennbar. Das ist mir schon gleich nach meiner Lossagung aufgefallen. Die Zeichnung ist nicht mehr so kräftig, aber auch nicht ganz verschwunden. Es kommt mir vor, als würde es immer noch eine Verbindung geben, eine schwächere zwar, aber immerhin könnte noch etwas da sein.

Ich gehe den Kiesweg entlang und sehe bereits aus einiger Entfernung die Gestalt auf der Bank sitzen, an der ich mich mit Jeson immer getroffen habe. Ich beschleunige meine Schritte und stehe schon bald vor dem Prinzen.

„Hallo Jeson"

„Hallo Lotta."

„Darf ich mich setzen?"

„Natürlich darfst du."

Er ist zurückhaltend und deutlich schweigsamer als sonst. Ich setze mich und blicke kurz in den Garten, bevor ich anfange zu sprechen.

„Ich habe deinen Eltern nicht alles erzählt, weil ich ihnen nicht alles erzählen konnte."

„Und mir?"

„Dir schon, dir kann und will ich alles erzählen."

Und ich lege los. Ich erzähle ihm alles, wirklich alles. Ich gestehe ihm auch, wie schwer es mir fällt, auf die Verbindung mit Horus zu verzichten. Dabei schaut er mich mitleidig an.

„Ich kann mir vorstellen, wie schwer das für dich sein muss."

„Aber Horus und ich waren uns einig. Ich muss das zu Ende führen, was die Prophezeiung von mir verlangt."

„Du bringst unglaubliche Opfer."

„Eigentlich nur eines."

„Du hast auch darauf verzichtet, eine Göttin und unsterblich zu sein."

„Was ist das ewige Leben, wenn man sich die ganze Zeit vorwerfen muss, versagt zu haben?"

„Du hattest nicht versagt. Du hast Borsin getötet."

„Aber meine Welt im Chaos hinterlassen, das ist nicht meine Art."

Er nimmt mein Handgelenk und betrachtet das blasse Tattoo. Sanft fährt er die Linien nach, fast schon ehrfürchtig.

„Fühlst du ihn noch?", will er wissen.

„Ich spüre ihn in meinem Herzen. Ich werde auf ewig mit ihm verbunden sein und ich weiß, dass auch er mich nie im Stich lassen wird. Er ist bei mir und schenkt mir damit sehr viel Kraft."

„Spürst du mich?"

Ich schaue ihn etwas überrascht an. In seinen Augen leuchtet ein Flehen auf, wie ich es noch nie bei einem Menschen gesehen habe. Er hat Angst vor etwas.

„Ja, ich spüre dich."

„Ich liebe dich Lotta, oder Aurora, wie du auch immer heißen magst."

„Ich glaube, ich liebe dich auch", sage ich und fühle mich genötigt dies zu erklären. „In meinem bisherigen Leben habe ich Liebe nicht kennen gelernt, zumindest nicht, soweit ich mich erinnern könnte. Ich weiß nicht, was Mutterliebe ist, ich habe nie die Liebe meines Vaters oder eines anderen Menschen gespürt und ich habe noch keinen Mann so nahe an mich herangelassen, wie dich.

Ich habe keinen Vergleich, was Liebe wirklich ist, aber ich bin mir sicher, dass das, was ich für dich empfinde Liebe ist, eine tief empfundene und vor allem ehrliche Liebe."

Mit Tränen der Rührung in den Augen zieht er mich an sich und umarmt mich. Erst nach einiger Zeit lässt er mich los, hält mich aber immer noch fest und schaut mir in die Augen. Der Blick ist unglaublich intensiv.

Dann nähern sich langsam seine Lippen den meinen. Ganz langsam kommen sie näher, ich spüre die zunehmende Wärme und schließlich, wie sich sanfte Haut, auf meine Haut legt. Ich schließe die Augen und ein unglaubliches Kribbeln durchläuft meinen Körper. Seine Zunge verlangt Einlass und die gewähre ich ihm nur allzu gerne. Es fühlt sich unbeschreiblich schön an, wie unsere Zungen sich einen sanften Tanz, ein verliebtes Spiel liefern.

Als wir uns nach einiger Zeit voneinander lösen, kann ich ein intensives Glitzern in seinen Augen erkennen. Dieser Mann liebt mich, ehrlich und aufrichtig, daran besteht nicht der Hauch eines Zweifels.

Überrascht schaue ich, als er sich ganz von mir löst, vor mir auf die Knie geht und mich erwartungsvoll anschaut. Ich warte gespannt darauf, was nun kommt.

„Aurora, ich habe mich sofort in dich verliebt und sofort gespürt, dass du eine ganz besondere Frau bist. Ich habe im Moment keinen Ring hier, weil ich es nicht geplant habe. Trotzdem kommt meine Frage aus dem tiefsten Winkel meines Herzens: Willst du, Aurora, meine Frau, meine persönliche Göttin werden?"

Ich schaue ihn überrascht an. Ich hätte wohl mit allem gerechnet, aber nicht mit einem Antrag. Doch sind nicht genau die ganz spontanen Entscheidungen, die richtigen, die, die aus dem Bauch oder aus dem Herzen heraus kommen?

„Ich bin zwar nicht mehr ganz die, die du kennengelernt hast, ich bin keine Göttin mehr und ich habe keinen Drachen mehr. Doch, wenn du mich trotzdem zur Frau haben willst, dann sage ich natürlich ja, aus ganzem Herzen ja!"

Nun erhebt er sich, nimmt mich noch einmal in den Arm und küsst mich voller Leidenschaft. Ich kann die Erleichterung spüren, die seinen Körper dazu bringt, sich zu entspannen und sich voll und ganz auf den Kuss einzulassen.

Als wir uns nach langer Zeit doch voneinander lösen und langsam wieder zum Schloss zurückschlendern, nimmt er meine Hand in die seine. Vergnügt lässt er beide schwingen.

„Ich werde so bald wie möglich nach Wesaria zurückkehren müssen. Dort glauben sie immer noch, ich sei gestorben."

„Dann werde ich dich hinfliegen und deine Auferstehung miterleben", grinst er.

„Du willst was?"

„Du kletterst auf den Nacken von Savier, dann sind wir schnell da."

„Und wie willst du das anstellen?"

„Wir reiten hier mit Pferden los, stellen sie auf einem Bauernhof in der Nähe unter und fliegen von dort los. Wir landen etwas außerhalb der Stadt und gehen dann zu Fuß weiter."

„Wann können wir starten?"

„Morgen früh."

Ich nehme Jeson in den Arm. Ich drücke mich ganz fest an ihn und genieße seine Nähe. Seinen Antrag anzunehmen, war genau die richtige Entscheidung. Ich liebe ihn.

Wir sind vor unseren Zimmern. Einen Moment überlege ich, ob ich Jeson nicht frage, ob er mit mir in mein Zimmer kommt. Aber es ziemt sich wohl nicht. Deshalb schenke ich ihm einen innigen Kuss und verschwinde hinter die Tür.

„Gute Nacht, meine Göttin!", höre ich ihn noch sagen.

Ich erledige schnell meine Abendtoilette und schlüpfe unter die Bettdecke. Auch wenn ich hundemüde bin, weil es ein ausgesprochen anstrengender Tag für mich war, einen Moment bleibe ich auf dem Rücken liegen und schaue verträumt zur Decke.

Noch vor wenigen Tagen war ich eine Göttin und hatte Borsin im Kampf besiegt. Doch mein Tod bremst mich nicht aus. Ich werde meinen Auftrag zu Ende führen und Wesaria zu einem stolzen Land mit zufriedenen Bürgern machen, denen es gut geht. Ich darf mich nicht beklagen, wie alles gelaufen ist. Einziger Wehrmutstropfen ist, dass ich meinen Drachen, meinen Seelenverwandten, verloren habe.

Traurig über den Verlust dieses ganz außergewöhnlichen Wesens schlafe ich ein und falle in einen angenehmen Traum. Ich fliege auf Horus über das Land der Götter. Es ist so realistisch, dass ich das Gefühl habe, den massigen Köper unter mir und den Wind in meinem Gesicht zu spüren. Es ist, als wäre ich immer noch mit Horus vereint.

„Das bist du auch", höre ich die vertraute Stimme in meinem Kopf.

„Wie, das bin ich auch?"

„Zumindest im Traum können wir uns noch begegnen."

„Wie ist das denn möglich?"

„Du bist eine unglaublich starke Persönlichkeit, Aurora. Die Götter haben gedacht, diese Kraft komme daher, dass du die Göttin des Lebens bist. Doch in Wahrheit hat es mit deiner unbeugsamen mentalen Stärke zu tun."

„Die zwar nicht ausreicht, dass wir in der wirklichen Welt miteinander verbunden sein können, doch für die Traumwelt reicht's?"

„Genau, so ist es."

„Man muss mit allem zufrieden sein", sage ich verträumt.

Mit dem Wissen, Horus nicht gänzlich verloren zu haben, sinke ich schließlich mit einem Lächeln auf den Lippen in einen tieferen Schlaf.

Kapitel 23

Ein lautes Klopfen an der Tür weckt mich am Morgen. Auf mein „Herein" hin steckt Jeson den Kopf zur Tür herein.

„Aufstehen, du Faulpelz. Wir haben noch einiges vor."

„Guten Morgen. Ich fürchte, ich werde mir heute den Hals brechen. Deshalb habe ich es nicht so eilig", grinse ich.

„Du brichst dir nicht den Hals. Das wäre noch schöner. Du kannst nicht jeden Tag sterben."

„Na, du machst mir echt Mut", lache ich.

Der Kronprinz verschwindet und ich springe aus dem Bett, um mich schnell anzuziehen. Ich kleide mich in meine Kampfmontur, da ich nicht wissen kann, was mich nach meinem vermeintlichen Tod in Wesaria erwartet. Die Waffen habe ich bis auf zwei versteckte Dolche, die ich immer bei mir trage, in meinem Zimmer gelassen.

Am Frühstückstisch begrüßt mich Mirabell, die mir freundlich zulächelt. Sie ist inzwischen nicht nur zu meiner Freundin, sondern zu meiner Vertrauten geworden. Deshalb erzähle ich ihr, dass sie bald auch meine Schwägerin sein wird.

„Echt, er hat dich gefragt. Ich kann's nicht glauben. Das ist soooo schön", jubelt sie.

Die Prinzessin springt auf und fällt mir um den Hals. Sie erdrückt mich beinahe vor Freude.

„Was ist denn soooo schön?", erkundigt sich die Königin. Sie kommt mit ihrem Gemahl in dem Moment zur Tür herein und muss wohl die juchzende Prinzessin gehört haben.

„Lotta wird meine Schwägerin", antwortet sie voller Begeisterung.

„Wie heißt du denn nun wirklich?", will die Königin wissen.

„Das mit meinem Namen ist ganz schön schwierig", lache ich. „Ich würde aber Aurora vorziehen, da ich nun weiß, dass mir diesen Namen meine leiblichen Eltern gegeben haben."

„Und wie kommst du dann zu Lotta?", will die Prinzessin wissen.

„Den Namen hat mir ein ganz, ganz lieber Freund gegeben, der leider nicht mehr bei mir sein kann."

„Wie kommt ein Freund dazu, dir einen Namen zu geben?"

„Borsin hat mich ja der Frau weggenommen, die meine Mutter sein sollte. Ich war damals noch zu klein, um mich mit der Frage nach einem Namen zu befassen und so fand ich es nicht sonderbar, als Borsin mich einfach nur Nummer 15 nannte. Die anderen hatten auch nur eine Nummer."

„Das ist ja unpersönlich."

„So war er. Menschliche Nähe und Wärme war für ihn ein Fremdwort."

„Dann bist du ja ohne Liebe aufgewachsen."

„Das bin ich. Aber dafür bin ich nun jedem dankbar, der mich liebt."

„Ich liebe dich auf jeden Fall!"

Als sie das sagt, zieht mich Mirabell erneut in eine innige Umarmung. Ihre jugendliche Ehrlichkeit ist entwaffnend und einfach nur schön.

„Ich liebe dich auch, Schwägerin", grinse ich.

Nun schauen der König und die Königin mich mit großen Augen an. Für einen Moment sind sie sprachlos.

„Das war kein Witz von Mirabell?"

Die Königin ist die erste, die ihre Sprache wiederfindet. Allerdings ist ihrer Stimme die Verwunderung immer noch deutlich anzuhören.

„Nein, es ist kein Witz von Mirabell", ertönt eine Stimme von der Tür her.

Jeson ist mir wieder einmal mit der Antwort zuvorgekommen. Er kommt direkt auf mich zu und legt den Arm um meine Taille.

„Ich habe Aurora gebeten, meine Frau zu werden und heute werden wir in ihr Land reisen, um ihre Position als Königin zu festigen", sagt er locker.

„Besteht eine Gefahr für ihre Macht?", will der König nun wissen. „Soll ich euch Truppen mitgeben?"

„Danke, eure Majestät, das wird nicht nötig sein", winke ich ab. „Es ist nur so, dass ich erst vor wenigen Tagen zur Königin ernannt wurde und wenig später auch schon wieder abgereist bin. Dabei habe ich natürlich einige Dinge zurückgelassen, die dringend erledigt werden müssen.

Die Rückkehr zusammen mit Prinz Jeson, als meinen Verlobten, ermöglicht es mir aber auch, den Menschen in meinem Land klarzumachen, dass wir auf die Unterstützung eures Landes hoffen dürfen und dass ich einen starken Mann an meiner Seite habe."

„Du willst dein Territorium abstecken", grinst der König in Richtung seines Sohnes.

„Das hat doch damit nichts zu tun. Es geht darum, Aurora's Position zu stärken und zu festigen."

„Wann wollt ihr los?", will der König wissen.

„Gleich nach dem Frühstück brechen wir auf."

„Wer bildet eure Eskorte?"

„Wir brauchen keine", winkt Jeson ab.

„Das geht doch nicht. Der Kronprinz braucht eine angemessene Eskorte."

„Ich glaube", mischt sich nun Mirabell ein. „Mein Bruder hat mit Aurora die beste und mutigste Eskorte, die man sich wünschen kann."

„Und du?", will die Königin wissen. „Wer passt auf dich auf?"

„Dank Aurora kann ich mich inzwischen selbst verteidigen. Ich werfe die Dolche schon fast so präzise wie sie. Beim Schwertkampf muss ich noch ein wenig üben, aber das wird auch noch besser."

„Außerdem ist Borsin tot und trachtet der Prinzessin nicht mehr nach dem Leben", ergänze ich.

Damit gehen wir zu anderen Themen über. Fast das gesamte Frühstück über haben sich die Königin und Mirabell in die Hochzeitsplanung begeben. Sie überschlagen sich dabei mit den abwegigsten Ideen und Vorschlägen.

„Stopp, wenn ihr nicht sofort aufhört, dann heiraten wir ganz allein, irgendwo auf einer einsamen Insel", bremst Jeson die beiden aus.

„Aber in Noresia gibt es doch keine Insel", erkundigt sich Mirabell verwundert.

„Aber in Wesaria", grinse ich gemein.

„Das könnt ihr uns unmöglich antun", echauffiert sich die Prinzessin.

„Das wäre grausam", ergänzt ihre Mutter.

Wir schauen uns alle an und lachen laut los. Selbst der sonst eher streng dreinblickende König, lacht mit.

„Schon gut, schon gut", lenkt die Königin ein. „Wir helfen euch bei der Planung, mischen uns aber nicht zu viel ein."

„Das nenne ich ein Wort", meint Jeson vergnügt.

Nach dem Frühstück hole ich noch schnell meine Waffen und schon machen wir uns auf den Weg zum Stall. Ich bekomme erneut meinen Rappen, den ich schon auf dem Weg zum Rat der Weisen hatte. Es ist ein sehr gutmütiges Tier und wir haben uns inzwischen aneinander gewöhnt.

Als wir den Bauernhof erreichen, der sich in der Nähe jenes Ortes befindet, an dem ich zum ersten Mal einen Fuß auf dieses Land gesetzt habe, bittet Jeson die Bauersleute, dass wir bei ihnen unsere Pferde unterstellen dürfen. Da sie dem Prinzen des Landes keinen Wunsch abschlagen können und er ihnen natürlich eine fürstliche Entlohnung in die Hand drückt, versichern sie uns, gut auf die Tiere aufzupassen.

Zu Fuß machen wir uns auf den Weg zu einem nahegelegenen Feld, das man vom Hof aus nicht einsehen kann. Dort kommt Savier aus Jeson hervor, dieser zieht sich in seinen Drachen zurück und ich klettere auf den Nacken des Tieres.

Wenig später heben wir ab, überfliegen die Berge und landen wenig später in der Nähe des Schlosses von Wesaria. Dort klettere ich von Savier herunter und dieser wechselt erneut mit Jeson. Zu Fuß machen wir uns auf den Weg zum Schloss.

Ich bin etwas aufgeregt. Ich frage mich, was mich erwartet und vor allem, was wurde beobachtet. Besondere Sorge bereitet mir, was Jegrina und der Hauptmann, der sie vom Mord abhalten wollte, gesehen haben.

Den Hauptmann kenne ich noch von meiner Zeit als Kriegerin. Er war einer der wenigen, die mich gegrüßt und immer mit Respekt behandelt haben. Ich hatte immer den Eindruck, er würde sich einen anderen König und vor allem einen anderen Führungsstil im Land wünschen. Nun aber könnte er es sein, der meinen Plan durchkreuzt, gewollt oder ungewollt.

Als wir auf das Schlosstor zugehen, erkenne ich schon von weitem einen der Wachleute. Es ist ein alter Krieger, der ganz auf der Linie Borsin's lag und uns Neulinge immer gedrillt und traktiert hat. Er hatte eine sadistische Freude daran, uns leiden zu lassen.

„Na schau mal, wer da kommt", meint er. „Die kleine Nervensäge Nummer 15."

„Max, sie ist die Königin", raunt ihm die zweite Wache zu.

„Schnauze!", brüllt ihn der ältere an.

Mir ist klar, dass das lustig wird. Der junge Wachmann ist keine Gefahr, aber Max will seine Macht ausspielen. Womöglich ist er auch sauer, weil ich sein großes Vorbild, König Borsin, getötet habe.

„Ist der auf Krawall gebürstet?", raunt mir Jeson zu.

„Das könnte sein. Aber mach dir keine Sorgen", flüstere ich zurück.

Instinktiv schiebe ich den Prinzen hinter mich, um ihn in Sicherheit zu wissen. Max macht mir echt keine Sorgen. Er war einmal gut und gefährlich. Inzwischen ist er ein versoffener alter Mann. Der Alkohol hat seiner Gesundheit und seiner Kampfkraft massiv geschadet.

„Lass uns durch!", sage ich im Befehlston.

„Wir lassen keine Verräterinnen durch!", bellt er mir entgegen.

„Ich bin deine Königin."

„Die ich nicht anerkenne."

„Das ist Hochverrat!"

„Nenn es wie du willst. Du kommst hier nicht durch, dann hilft es dir nicht, wenn man das, was ich mache, als Hochverrat bezeichnet. Keiner wird mich belangen."

„Da würde ich nicht so sicher sein, du alte Schnapsdrossel", ärgere ich ihn.

Ich habe meine Hand schon länger auf dem Knauf meiner Waffe liegen, ständig bereit, sie zu ziehen. Bei meinen Worten knurrt er böse und zieht tatsächlich das Schwert. Die Klinge gegen die eigene Königin zu erheben, ist ein starkes Stück. Darauf steht natürlich die Todesstrafe. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass er aufgrund seines Alkoholpegels alle Bedenken über Bord geworfen hat und nicht wirklich weiß, was er macht.

„Max, spinnst du? Dein Verhalten kostet uns beide das Leben."

„Versuch mich aufzuhalten", meint Max jedoch herausfordernd. Er scheint komplett die Kontrolle über sein Tun verloren zu haben.

Der junge Wachmann schaut mich fast panisch an und zieht ebenfalls seine Waffe. Ich habe den Eindruck, er traut sich nicht zu, seinen älteren Kollegen wirklich besiegen zu können, will aber mir gegenüber auch nicht Schwäche zeigen und vor allem will er nicht sein junges Leben wegwerfen. Unter Borsin wäre es Gesetz gewesen, dass beide zur Rechenschaft gezogen werden, egal ob nur einer sich falsch verhalten hat.

Etwas unbeholfen fuchtelt er mit der Waffe herum. Max jedoch lässt sich davon nicht einschüchtern. Das kann ich auch verstehen. Von einem Grünschnabel würde ich mich auch nicht ins Boxhorn jagen lassen.

„Bleib zurück, das ist eine Sache zwischen dem alten Griesgram und mir", fordere ich den jungen Wachmann auf.

„Aber er kann doch nicht so mit der Königin sprechen."

„Das kann er auch nicht. Aber in die Schranken weist ihn die Königin selbst. Das ist eine Sache zwischen uns beiden."

„Aber ich ...", will er erneut widersprechen.

„Du hältst die Klappe und machst dich vom Acker", stelle ich energisch klar.

Völlig eingeschüchtert von mir tritt er zur Seite und steckt sein Schwert wieder weg. Nun stehe ich dem älteren Wachmann gegenüber. Als ich sehe, dass der Hauptmann, der Jegrina am Fenster beobachtet und sie zu Boden gerissen hat, auf uns zukommt und schon etwas brüllen will, gebe ich ihm zu verstehen, still zu sein. Auch bei ihm brauche ich zwei Anläufe. Dann schließt er zum Glück auch wieder den Mund und Max hat nicht einmal mitbekommen, dass er uns nun, an eine Mauer gelehnt, zuschaut. Der Alkohol benebelt tatsächlich komplett seine Sinne.

Nun ziehe auch ich mein Schwert. Ich schaue den Wachmann entschlossen an, er blickt verbissen zurück.

„Lass mich durch, ich sage es nicht noch einmal!", befehle ich ihm.

„Du warst schon von klein auf, eine Pest. Dich wird man auch nie los", faucht er.

Nun gehe ich auf ihn zu. Langsam reicht es mir. Er lacht aber nur laut auf und geht in Kampfstellung. Er will es also wissen.