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Die Macht des Drachens

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Ich habe ihn erreicht, deute einen Angriff auf der linken Seite an und als ich sehe, wie schwerfällig er versucht diesen abzuwehren, wechsle ich sofort auf rechts und versetze ihm eine tiefe Wunde am rechten Arm. Dieser baumelt nur noch nutzlos herab, das Schwert fällt klirrend zu Boden.

Ich schaue dem Mann in sein schmerzverzerrtes Gesicht. Ich kann aber beim besten Willen kein Mitleid für ihn empfinden. Ich will einfach weitergehen, an ihm vorbei.

„Der Kampf ist noch nicht zu Ende", brüllt er.

„Oh doch, das ist er."

Stur, wie er ist, will er das Schwert mit der Linken aufheben. Ich trete aber gegen sein Standbein und bringe ihn damit zu Fall. Er stößt einen wütenden Schrei aus, ist sich aber seiner Hilflosigkeit bewusst.

„Eure Majestät, was soll ich jetzt tun?", will der junge Wachmann wissen.

„Bring den alten Depp zum Arzt und dann in den Kerker."

„Habe ich etwas zu befürchten?", meint er ängstlich.

„Hast du etwas angestellt?"

„Ich war mit ihm hier."

„Aber du hast nichts getan. Demnach ist alles gut."

„Danke, Eure Majestät."

Damit läuft er zu seinem Kollegen, legt als erstes das Schwert zur Seite und hilft ihm dann beim Aufstehen. Max wirft mir noch einen bösen Blick zu, den ich aber ignoriere. Ich wende mich dem Hauptmann zu, der inzwischen langsam auf mich zukommt.

„Eure Majestät, schön, dass ihr lebt."

„Warum sollte ich nicht leben?", frage ich.

Dabei zwinkere ich ihm zu und klopfe ihm freundschaftlich auf die Schulter. Ich setze mich in Bewegung und gehe, von ihm gefolgt, aufs Schloss zu. Er weiß nicht genau, was er sagen soll.

„Du hast den Drachen gesehen?", frage ich gerade heraus.

„Ihr meint Prinzessin Jegrina? Die habe ich gesehen."

„Wo ist sie jetzt?"

„Sie sitzt im Kerker und faselt wirres Zeug, dass sie euch getötet hat und einen bösartigen Drachen gesehen haben will. Der Drache ist wohl sie", schmunzelt er.

„Wie hast du mein Verschwinden erklärt?"

„Ich habe gesagt, Ihr hättet etwas zu erledigen gehabt und mich gebeten, die Stellung zu halten."

„Du bist ein sehr guter Mann. Ich bin Aurora und Freunde dürfen mich mit dem Vornamen ansprechen."

„Aber Ihr seid die Königin."

„Auch eine Königin braucht Freunde, die in schwierigen Zeiten zu ihr stehen."

Plötzlich bleibt er stehen. Auch ich halte abrupt inne. Jeson hinter mir muss stark abbremsen, um nicht in mich hineinzulaufen. Er hat sich bewusst im Hintergrund gehalten, damit ich die Sache mit dem Hauptmann klären kann.

„Ich schwöre dir die Treue, Königin Aurora. Auf mich wirst du dich immer verlassen können", gelobt er feierlich. „Ich wusste nicht, was ich tun sollte und bin heilfroh, dass du wieder da bist."

„Wie heißt du?"

„Ich bin Emeron"

„Gut, Emeron, ich bin froh, dass du so klug und besonnen reagiert hast. Darf ich dir auch meinen Verlobten, den Kronprinzen von Noresia, Prinz Jeson, vorstellen."

„Freut mich, Eure Hoheit", meint der Hauptmann.

„Jeson, einfach Jeson", sagt mein Verlobter.

„Ich habe die Versammlung kurzerhand auf heute verschoben."

„Das war ausgesprochen mutig", grinse ich. „Wie konntest du wissen, dass ich heute komme?"

„Im Nachhinein hätte ich mich auch ohrfeigen können. Es war vermutlich etwas unüberlegt, so ganz ohne Anhaltspunkte. Aber ich hatte ein Gefühl und das Vertrauen darauf, dass alles gut wird."

„Und jetzt bin ich ja da. Dein Gefühl hat sich also nicht getäuscht."

Damit setzen wir unseren Weg fort. Als Emeron das Tor zum Thronsaal öffnet und mich als Königin Aurora von Wesaria ankündigt, herrscht schlagartig Ruhe im Saal. Alle schauen zu mir.

„Sie lebt!", höre ich jemand rufen.

„Natürlich lebe ich. Warum sollte ich das nicht?"

Da tritt ein Lord vor. Ich kenne ihn flüchtig, weil ich ihn ein paar Mal gesehen habe, als ich zu Borsin gerufen wurde und er dort war. Ich hatte den Eindruck, er sei einer von denen, die dem König am ehesten Paroli boten.

„Es gab Gerüchte", meint er.

„Ich weiß, ich habe sie auch gehört. Aber Totgesagte leben meist länger", grinse ich.

Ich bleibe bewusst in der Mitte des Saales stehen und gehe nicht zum Thron. Jeson und Emeron bleiben bei mir.

„Ich musste nur einer dringenden Verpflichtung nachkommen, ich war in Noresia, um den König um Hilfe zu bitten, wenn wir Wesaria wieder auf Vordermann bringen wollen."

„Und? Helfen sie uns?", höre ich eine Stimme.

„Darf ich den jungen Mann neben mir vorstellen? Ihr seht meinen Verlobten, den Kronprinzen von Noresia, Prinz Jeson", sage ich. Dann lege ich eine Pause ein, um die Worte wirken zu lassen. „Ich denke, das ist Antwort genug."

Ein Raunen geht durch den Saal. Ich kann die anerkennenden Blicke spüren. Dann tritt der Lord von vorhin erneut vor.

„Majestät, würdet ihr euch bitte auf den Thron setzen, dann können wir beginnen."

„Euer Name ist?", frage ich.

„Oh, verzeiht, ich bin Lord Puntigram."

„Lord Puntigram, ich werde mich nicht auf den Thron setzen, nicht auf diesen und auch auf keinen anderen. Holt Stühle, wir setzen uns alle zusammen in lockerer Runde hin."

„Aber ...", will er einwerfen.

„Ich will mit euch allen reden, nach neuen Ideen und den besten Lösungen suchen und nicht von oben herab meine Entscheidung verkünden, die ich im stillen Kämmerlein getroffen habe. Es brechen neue Zeiten an.

Ihr Adeligen werdet von mir in die Verantwortung genommen. Ihr müsst Vorschläge einbringen, was verbessert werden kann, vor allem in eurem Gebiet. Ihr sollt aber vor Ort auch für die Menschen da sein und ihnen helfen.

Ich verspreche euch eines, wer gegen das Volk und in die eigene Tasche arbeitet, der arbeitet gegen mich. Das ist für mich dann Hochverrat und wird auch als solcher bestraft. Wenn wir aber gut zusammenarbeiten, es allen Menschen in diesem Reich gut geht und jeder mit seinem Leben zufrieden sein kann, dann sollt ihr ein wenig mehr haben und Ansehen genießen.

Ich bin keinem böse, wenn er jetzt sagt, dass ihm dies zu viel Arbeit ist oder, wenn er sich das nicht zutraut. Dann werden wir eine Lösung finden, damit er sein Gesicht nicht verliert. Aber er soll es jetzt sagen und nicht versuchen, sich durchzumogeln. Haben wir uns verstanden?"

Ein Murmeln geht durch die Reihen. Mir ist klar, dass einige die Veränderung wollen und tatkräftig mitarbeiten werden, andere dagegen werden auf der Strecke bleiben. Mir ist aber wichtig, dass der Adel versteht, dass er für seine Privilegien auch Leistung bringen muss.

„Du machst das knallhart, aber richtig", raunt mir Jeson zu.

Inzwischen haben Diener damit begonnen, Stühle aufzustellen. Ich setze mich hin, sobald die meisten davon stehen und gebe den Anwesenden mit Handzeichen zu verstehen, dass sie es mir gleichtun sollen.

Ich schwöre sie darauf ein, die armen Menschen ausfindig zu machen und zu unterstützen. Es soll ein Sozialsystem aufgebaut werden, damit niemand im Reich Not leiden muss. Ich kündige auch an, ein neues Steuersystem einführen zu wollen. Die Bürger dieses Landes sollen sich an den Kosten für das Gemeinwohl beteiligen, aber nicht ausgepresst werden.

Zudem sollen alle Infrastrukturen in den verschiedenen Verwaltungsbereichen überprüft, beurteilt und Verbesserungen vorschlagen werden. Wenn es neue braucht oder die bestehenden renoviert werden müssen, dann soll das geschehen. Vor allem will ich ein besseres Straßennetz, denn Borsin hat dieses bewusst vernachlässigt, damit die Menschen möglichst wenig Kontakt untereinander pflegen konnten. Als ich ankündige eine Liste von Grundnahrungsmittel erstellen zu wollen, für die es einen Höchstpreis geben wird, erhebt sich Lord Puntigram.

„Was soll das bringen?"

„Jeder soll sich Brot und andere Grundnahrungsmittel sowie dringend notwendige Güter leisten können. Nicht jeder muss im Luxus schwelgen, aber in meinem Reich soll keiner verhungern"; sage ich klar und deutlich.

„Aber ..."

„Kein aber!"

„Ihr denkt völlig anders."

„Als mein Vorgänger? Was denkt ihr denn, warum ich seiner Herrschaft ein Ende setzen wollte?"

Es wird still im Saal. Alle schauen sie Lord Puntigram an. Ich frage mich, ob ich ihn falsch eingeschätzt habe. Er aber bleibt vorerst still.

„Ich will die Weltordnung nicht auf den Kopf stellen. Ich will nur eine faire Gesellschaft, in der sich alle wohlfühlen. Ich glaube daran, dass es nichts bringt, wenn sich nur einige wenige bereichern und im Überfluss leben.

Irgendwann sind die anderen ausgebrannt und dann ist alles am Ende. Was hilft euch dann der Titel, wenn die Felder brach liegen, wenn kein Handwerker mehr arbeitet, weil es sich nicht mehr lohnt und kein Händler mehr seine Waren feilbietet, weil er den Spaß an seiner Arbeit verloren hat?

Wir haben diesen Punkt fast erreicht. Dabei gebe ich nicht euch die Schuld, denn das Problem lag ganz oben. Wir müssen umdenken, wir müssen neu denken. Dann können wir etwas verändern. Wir müssen aber alle an einem Strang ziehen.

Ich verspreche euch, wenn alle glücklich sind, gerne arbeiten und auch etwas davon haben, dann funktioniert die Gesellschaft, dann haben wir Wohlstand für alle, keine Räuber und Banditen, weil ehrliche Arbeit sich lohnt und wir haben weniger Krankheiten, weil die Menschen besser versorgt und nicht unterernährt sind."

„Ich denke, Ihr macht das Richtige. Ich bin dabei", sagt Lord Puntigram entschlossen.

Alle anderen stimmen daraufhin auch zu. Ich habe sie auf meiner Seite und ich denke, wir können und werden etwas verändern.

Kapitel 24

Die Adeligen verlassen langsam den Saal. Jeder möchte sich mir zuvor noch vorstellen, die Hand schütteln und ein paar Worte mit mir wechseln. Es dauert deshalb seine Zeit, bis sich der Saal allmählich leert und nur noch wenige im Raum sind.

Es warten nur noch zwei Adelige darauf, mir die Hand zu geben und sich zu verabschieden, da kommt ein Wachmann auf mich zu. Er wirkt unsicher und ich kann mir vorstellen, woher dieses ungute Gefühl bei ihm kommt. Borsin zu unterbrechen kam einem Selbstmordversuch gleich. Deshalb spreche ich ihn von mir aus an, sobald sich der Adelige, der sich gerade verabschiedet hat, zum Gehen wendet.

„Du brauchst mich?"

„Eure Majestät, vor der Tür wartet eine Frau, die euch unbedingt sprechen will. Sie ist sehr hartnäckig, will mir aber nicht sagen, worum es geht."

„Bring sie bitte herein."

Ich wende mich dem letzten Adeligen zu, der noch auf mich wartet, wechsle ein paar Worte mit ihm und beobachte dabei aus dem Augenwinkel heraus, dass die Wache mit einer Frau in den Saal kommt. Ehrfürchtig blickt sie sich um. Sie ist ärmlich gekleidet und war mit Sicherheit noch nie in diesem Raum. Unter Borsin wäre sie nie vorgelassen worden, das wäre unter seiner Würde gewesen. Ich aber beende schnell das Gespräch mit dem Adeligen und wende mich ihr zu.

„Was kann ich für euch tun."

„Ihr seid Königin Aurora?"

„Die bin ich und wer seid ihr?"

„Ich bin eure Mutter."

„Meine Adoptivmutter", stelle ich klar.

Sie hält überrascht inne und schaut mich mit großen Augen an. Ich kann die Unsicherheit in ihnen erkennen. Da sie sich offenbar nicht traut, noch etwas zu sagen, übernehme ich das Gespräch.

„Ich weiß es, weil ich meine leiblichen Eltern getroffen habe. Trotzdem bin ich dir dankbar, dass du mich aufgezogen hast, solange es dir möglich war", sage ich beruhigend.

„Ich konnte nichts tun, wirklich nicht. Borsin hat dich mir einfach weggenommen. Es war schrecklich. Dabei habe ich dich so geliebt", meint sie entschuldigend.

Ich mache einen Schritt auf die Frau zu und breite einladend die Arme aus. Sie schaut mich zunächst verwundert an, nimmt dann aber mein Angebot an und wir schließen uns in die Arme.

„Meine kleine Aurora. Ich habe nie zu hoffen gewagt, dich jemals wieder in den Arm nehmen zu dürfen."

Sie sagt das ganz still, so als würde sie es zu sich selbst sagen, um sich davon zu überzeugen, dass das wirklich gerade passiert. Tränen kullern über ihre Wangen.

„Hat Borsin es dir nie erlaubt?"

„Ich durfte nicht einmal das Schloss betreten, er hätte mich in den Kerker werfen lassen. Ich habe nur gehört, dass er dich zu einer hartherzigen Kriegerin hat ausbilden lassen, zur besten von allen."

„Und du hast geglaubt, deshalb würde auch ich dich nicht sehen wollen?"

Während des Gesprächs habe ich die Frau an der Hand genommen und mache mich mit ihr auf den Weg in den Garten. Auf einer Bank setze ich mich hin und gebe ihr zu verstehen, dass sie es mir gleichtun soll.

„Borsin hat versucht mich zu brechen, mich zu seinem Ebenbild zu machen. Doch das ist ihm nicht gelungen. Er hat mein Wesen nicht verändert."

„Du bist eben nicht seine Tochter, zum Glück. Du hast ein Herz und was man jetzt schon im Land hört, sitzt es genau am rechten Fleck."

„Ich hoffe es", sage ich nachdenklich. Ich hoffe nämlich wirklich, das Land in eine gute Zukunft führen zu können.

„Die Menschen setzen ganz große Hoffnungen in dich. Deshalb war es auch ein Schock, als das Gerücht aufkam, deine Schwester hätte dich getötet."

„Sie hat es versucht, das schon, aber wie du siehst, ist sie gescheitert."

„Was wird aus ihr?"

„Sie sitzt im Kerker und ich weiß nicht, was ich mit ihr machen soll. Sie ist die Tochter ihres Vaters und sie hat fast ihr ganz Leben lang nur das für gut gehalten, was er getan hat."

„Und das war alles andere als gut. Trotzdem ist sie meine Tochter", meint sie mit einem flehenden Unterton in der Stimme.

„Es ist nicht wirklich ihre Schuld, was aus ihr geworden ist. Das ändert aber trotzdem nichts daran, dass sie versucht hat, mich zu töten und ich bin mir nicht sicher, ob sie es nicht erneut versuchen würde, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommt."

„Ich möchte nicht in deiner Haut stecken", gesteht mir die Frau, die sich als meine Mutter sieht.

„Erzähl mir von dir", fordere ich sie auf. Ich mache dies auch, um vom Thema abzulenken.

„Was willst du wissen? Ich lebe allein in einer kleinen Hütte in der Nähe der Stadt. Borsin hat mir immer nur so viel Geld zukommen lassen, dass ich überleben konnte. Ein glückliches Leben war es jedoch nie. Ich musste immer dafür kämpfen, gerade so zu überleben."

„Hast du noch andere Kinder?"

„Ich habe seit zwei Jahren ein Pflegekind aufgenommen, ein kleines Mädchen. Es wäre fast verhungert, da habe ich es zu mir genommen."

„Wie ist dein Name?"

„Esmera, warum?"

„Ich hätte gerne, dass du ins Schloss ziehst, zusammen mit deinem Pflegekind. Ich weiß zwar, dass du nicht meine leibliche Mutter bist und das Schicksal hat es uns auch nicht vergönnt, dass ich etwas länger bei dir leben durfte. Aber du warst und bist auch immer noch ein wichtiger Teil meines Lebens und vor allem meines Wesens. Ich bin überzeugt, du hast mir in den ersten Jahren meines Lebens genau die Liebe geschenkt, nach der ich mich später immer gesehnt habe und die den Glauben an das Gute in mir nie hat sterben lassen."

Esmera schaut mich ungläubig an. Sie muss offenbar meine Worte erst verarbeiten. Dann aber schleicht sich ein Lächeln auf ihr Gesicht.

„Du meinst, ich habe etwas bewirken können?", erkundigt sie sich schüchtern.

„Du hast Großartiges geleistet, du hast es möglich gemacht, dass mein Glaube an eine bessere Zukunft tief in meinem Herzen verankert war, weil ich das große Glück hatte, dies erleben zu dürfen. Borsin konnte mit all seiner Boshaftigkeit diesen Funken in meinem Herzen niemals mehr ausmerzen."

Nun gibt es kein Halten mehr, sie nimmt mich in den Arm und beginnt zu schluchzen. Bei ihr brechen alle Dämme. Sie genießt es einfach, in meinen Armen zu liegen, mich zu halten.

„Du gibst meinem Leben einen Sinn. Ich wusste von Anfang an, dass es die Götter eingefädelt haben müssen, dass du zu mir gekommen bist."

Bei diesen Worten muss ich lächeln. Wenn sie wüsste! Aber ich kann ihr nicht sagen, dass mich zwei Götter persönlich vor ihrer Tür abgelegt haben.

„Die Götter haben es mit uns beiden gut gemeint", sage ich stattdessen.

Als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hat, frage ich sie erneut, ob sie zu mir ins Schloss ziehen will. Sie schaut mich unsicher an.

„Passe ich hierher?"

„Früher nicht, heute schon."

„Wie meinst du das?"

„Weil ich nun da bin, passt du perfekt hierher", lache ich. „Das Böse ist nicht mehr da."

„Dann nehme ich gerne an. Künftig in deiner Nähe sein zu dürfen, wäre wirklich schön."

„Du kannst dann auf meine Kinder aufpassen und die Rolle der Großmutter einnehmen."

„Du denkst schon so weit?"

„Komm, ich stelle dir meinen Verlobten vor", sage ich.

Damit erhebe ich mich und wir gehen zum Schloss zurück. An der Tür warten Jeson und der Hauptmann. Ich stelle ihnen Esmera vor. Dann bitte ich Emeron ein paar vertrauenswürdige Wachen zu beauftragen, die Frau zu begleiten, ihr beim Packen zu helfen und sie zusammen mit dem Pflegekind ins Schloss zu holen.

Esmera ist überglücklich und macht sich sofort auf den Weg. Ich aber gehe in den Thronsaal zurück und lass Jegrina zu mir bringen. Mir ist klar, dass ich mich diesem Problem stellen muss und da ist es mir lieber, wenn ich es früher als später hinter mich bringe.

Während des Wartens laufe ich unruhig im Thronsaal auf und ab. Ich bin unschlüssig und das hasse ich. Ich habe keine Ahnung, wie ich meiner angeblichen Schwester gegenübertreten und vor allem, was ich mit ihr machen soll.

Jeson kümmert sich inzwischen um unsere Zimmer, wobei wir vor unserer Hochzeit getrennte Zimmer haben müssen. Ich möchte so gerne bei ihm sein, aber die Traditionen verlangen es. Zum Glück liegen die Räume nebeneinander und verfügen über einen gemeinsamen Balkon. Damit können wir unbemerkt zum anderen gehen. Jeson kümmert sich aber auch um die Zimmer für Esmera und ihr Pflegekind. Sie liegen ganz in der Nähe unserer Räumlichkeiten.

Als er zu mir zurück in den Thronsaal kommt und den Arm um mich legt, wird gerade Jegrina hereingeführt. Als sie mich sieht, verengen sich ihre Augen.

„Du lebst?"

„Wie du siehst."

„Ich hatte gehofft, ich hätte dich mit meinem Pfeil getötet. Als dich dann auch noch der Drache gepackt hat, war ich mir sicher, dass dein letztes Stündchen geschlagen hat."

„Du hast mich offensichtlich verfehlt oder siehst du eine Wunde an mir?"

„Und der Drache?", will sie wissen. Ihr Stimme klingt weinerlich.

„Ich denke, du hast Wahnvorstellungen. Willst du wirklich einen Drachen gesehen haben?", frage ich ganz sachlich.

„Da war ein Drache."

In dem Moment kommt Emeron zur Tür herein. Er erfasst die Lage sofort und kommt auf uns zu.

„Hast du einen Drachen gesehen?", frage ich ihn.

„Was soll ich gesehen haben? Das hat sich die Prinzessin wohl nur eingebildet."

„Er würde natürlich das sagen, was du von ihm verlangst", hält sie dagegen.

„Ich habe sofort gesagt, dass es keinen Drachen gibt", stellt der Hauptmann klar, „Da hatte ich noch nicht mit eurer Schwester gesprochen."

Langsam wird sie nachdenklich. Dass der Hauptmann von Anfang an und ohne die Möglichkeit zu einer Rücksprache mit mir, abgestritten hat, einen Drachen gesehen zu haben, scheint sie allmählich zu überzeugen.

„Bin ich wirklich verrückt?"

Ich gehe auf die 16jähige zu und schaue ihr in die Augen. Dann nehme ich sie spontan in den Arm. Anfänglich sträubt sie sich noch etwas dagegen, gibt den Widerstand dann aber schnell auf und schmiegt sich in meine Arme. Beruhigend streiche ich ihr über den Rücken.

„Du bist nicht verrückt. Du hast dich nur zu sehr unter Druck gesetzt. Du hast dich in etwas verrannt."

„Aber Vater hat mich immer vor dir gewarnt."

„Er hat ein fieses Spiel gespielt. Er hat uns gegeneinander ausspielen wollen."

„Wozu?"

„Er wollte meine Kaltblütigkeit auf die Probe stellen."

„Du meinst ...?"

Sie wagt es nicht, ihren Verdacht auszusprechen. Ich bin mir aber sicher, sie hat verstanden, was die Absicht von Borsin war.

„Ich sollte dich hassen, weil du von ihm zur nervigen Schwester erzogen worden bist, weil du seine Liebe bekommen hast und ich sollte dich irgendwann töten. Mein Mord an dir wäre für ihn der ultimative Beweis gewesen, dass ich in seinen Augen würdig bin, in seine Fußstapfen zu treten."