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Die Opernfans 03

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Wir haben sofort Ja gesagt, weil wir fanden, dass wir das unseren besten Freunden schuldig waren. Die einzige Bedingung war, dass wir unserer Adoptivtochter bis zu ihrer Volljährigkeit nicht sagen durften, dass sie nicht unsere leibliche Tochter ist. Das ist uns mit den Jahren immer schwerer gefallen, aber für Gerd, den Vater von Ute, aber auch für die anderen Großeltern, war das unheimlich wichtig.

Deswegen war der letzte Montag für uns ein äußerst besonderer Tag. An dem Abend, als Ihr aus der Oper zurückkamt, wollten wir Dich noch nicht damit überfallen. Dann haben wir uns ein paar Tage sehr schwer getan. Uns war aber klar, dass wir spätestens am ersten Urlaub reden müssen. Und hier passte es jetzt eigentlich ganz gut. Es tut mir furchtbar leid, mein Kind, dass das alles passiert ist. Aber Papa und ich, wir haben immer versucht, wie richtige Eltern zu Dir zu sein und alles zu tun, damit es Dir an nichts fehlt. Mehr konnten wir nicht tun. Ob wir es gut genug gemacht haben, weiß ich nicht. Aber wir haben es jeden Tag immer wieder aufs Neue versucht. Das kann ich sagen."

Mit diesen Worten stand sie auf, und nahm Hannah in die Arme. Beide Frauen konnten die Tränen nicht mehr zurückhalten und lagen sich erst einmal Minuten stumm in den Armen. Als nächstes drückte Hannah ihren Vater ganz lange, der der Erzählung seiner Frau die ganze Zeit wortlos gelauscht hatte. Das hatten die beiden vorher so vereinbart gehabt. Die dritte und letzte Umarmung galt dann Patrick, der seine Tränen ebenfalls nicht mehr zurückhalten konnte. Danach gab sich Hannah sichtbar einen Ruck, holte ein frisches Taschentuch aus dem Rucksack und wischte sich die letzten Tränen ab.

„Danke, dass Ihr es mir gesagt habt. Und Danke, dass Du es mir so gesagt hast, Mama. Ich glaube, ich muss jetzt erst mal ein paar Minuten allein sein und anfangen, das zu verarbeiten. Wollt Ihr schon mal vorgehen? Ich bleibe noch eine Viertelstunde hier oben und hole Euch dann entweder unterwegs ein oder ihr wartet einfach unten noch ein paar Minuten. Okay?"

Die drei anderen nickten und machten sich auf den Weg. Hannah brauchte die angekündigte Viertelstunde auf dem Gipfel, um noch einmal allein und unbeobachtet den Tränen freien Lauf zu lassen. Aber danach, auf dem Weg nach unten zurück zum Bus und zu den anderen, gewann die „eigentliche" Hannah wieder die Oberhand: leidenschaftlich, kämpferisch, mutig und ziemlich rational. Auch ihr war klar, dass man Zeit niemals zurückdrehen konnte. Und dass „ihre Eltern" von „richtigen" Eltern nur die leibliche Abstammung unterschied. Das mochte genetisch einen Unterschied machen, aber es war sicher nichts, was nicht mit Liebe und Vertrauen kompensiert werden konnte. Und beides hatte es in ihrer Familie schon immer gegeben, seit sie denken konnte.

So war es kein Wunder, dass sie die anderen drei schon wieder mit einem vorsichtigen Lächeln begrüßte, als man sich unten beim Bus wieder traf. „Das Thema" wurde, in einer Art stillschweigender Übereinkunft, erst einmal nicht mehr angesprochen. Ganz gut war, dass nach kurzer Autofahrt erst einmal die üblichen Routinen auf dem Campingplatz zu absolvieren waren: Anmeldung an der Rezeption, Aufbau des Zeltes, Ausfahren der Markise des Busses, Stromkabel verbinden, Aufbau von Tisch und Campingstühlen, Verteilen des Gepäcks auf Zelt und Bus. Und vor allem: weg mit den blöden Klamotten. Endlich splitterfasernackt. Dann gab es erst einmal einen guten frischen Kaffee und Eis aus dem Campingsupermarkt, bevor alle vier zum ersten Mal Richtung Strand starteten, um sich abzukühlen und die Wassertemperatur zu testen. Wie vorhergesagt, hatten sich die Wolken auch längst verzogen und der erwarteten korsischen Sonne Platz gemacht.

Während die anderen drei nach dem ersten ausgedehnten Bad wieder zurück zum Bus beziehungsweise zum Zelt zog, merkte Hannah, dass sie noch einmal eine Zeit für sich brauchte. Daher blieb sie mit ihrem Handtuch am Strand, legte sich auf den Bauch, schloss die Augen und versuchte noch einmal, sich zu sortieren. Als sie ziemlich strukturiert überlegte, was die heute bekannt gewordenen Tatsachen für ihr weiteres Leben bedeuten würden, kam ihr ein Gedanke, für den in der traurigen Zeit vorhin auf dem Gipfel und auf dem Weg bergab noch gar kein Raum war: Patrick. Patrick war ja nun definitiv vieles: schlau, gutaussehend, mutig, sportlich, sexy. Aber ihr leiblicher Bruder war er ganz sicher nicht. Und vor ihnen lagen jetzt 14 Nächte in dem kleinen Zelt. Dieser Gedanke ließ sie keineswegs kalt. Ganz im Gegenteil. Sofort wurde ihr die körperliche Spannung bewusst, die sich in ihr aufbaute, nachdem sie sich diese veränderten Umstände bewusst gemacht hatte.

Sie musste noch einmal ins Wasser, um sich abzukühlen. Andere Möglichkeiten des Spannungsabbaus standen gerade nicht zur Verfügung, dazu war der Strand an diesem herrlichen Samstagnachmittag einfach zu voll. A propos Strand: Auf dem Rückweg aus dem Wasser fiel ihr Blick auf ein junges Pärchen, dessen weiblicher Teil auffallend rote Locken hatte. ‚Das kann doch jetzt nicht sein', dachte sie sich, ‚das sind doch nicht etwa die beiden von der Fähre? Das kann ja heiter werden, wenn die hier so weiter machen wie heute Nacht.' Grinsend schlenderte sie zurück zu ihrem Standplatz, wo gerade schon der Holzkohlegrill angeworfen wurde.

Als alle am Tisch versammelt waren und mit einem Glas kühlen Rosé auf den ersten korsischen Abend anstießen, klopfte Hannah mit der Gabel an ihr Glas.

„Leute, ich möchte jetzt mal was sagen. Ich bleibe dabei aber sitzen. Ich habe heute Mittag und gerade am Strand noch einmal lange nachgedacht. Mir sind dabei drei Sachen klargeworden.

Erstens: Ich bin Euch überhaupt nicht böse, dass Ihr es mir erst heute gesagt habt. Vielleicht sogar im Gegenteil. Ich bin nicht sicher, ob ich vor zwei oder drei Jahren oder gar noch früher damit hätte umgehen können. Jetzt ist doch eine gute Situation. Ich habe das Abi, bin volljährig, ziehe im Herbst in meine eigene WG. Einen besseren Zeitpunkt hätte es wahrscheinlich gar nicht geben konnten."

Ihre Eltern waren extrem erleichtert, als sie das hörten. Jahrelang hatten sie mit der Frage gekämpft, wann der richtige Zeitpunkt für die Wahrheit sein könnte. Dass Hannah jetzt so souverän reagierte, war einfach nur ein riesiges Geschenk. Sofort wieder viel freier und lockerer geworden, fragte Hannahs Vater:

„Und zweitens?"

„Zweitens wollte ich Euch sagen, dass Ihr für immer meine Eltern bleiben werdet. Ja, ich werde die neue Situation annehmen. Ich werde die Gräber besuchen, viel über Georg und Ute wissen und auch meine leiblichen Großeltern kennen lernen wollen, wenn die noch leben. Aber Mama und Papa, das werdet immer Ihr sein für mich und so würde ich auch gerne weiter zu Euch sagen. Ihr wart immer für mich da, es war immer so schön und unbeschwert und geborgen zuhause. Ich möchte, dass sich daran nichts ändert."

Nach dieser doch sehr emotionalen Botschaft wurden erst einmal die Augen bei allen Beteiligten wieder feucht. Hannah wollte aber ganz bewusst die lockere und entspannte Atmosphäre des ersten Urlaubsabends wiederherstellen. Deswegen kam jetzt unmittelbar der letzte Teil der Botschaft:

„Ah ja. Jetzt kommt drittens. Eine Einschränkung gibt es nämlich doch noch. Die betrifft Euren Sohn. Der jetzt ja nicht mehr mein Bruder ist. Ich bin jetzt mal ganz radikal ehrlich. So kennt ihr mich ja auch. Als ich Patrick am Montag vor der Oper wieder getroffen habe, war da sofort so ein komisches Kribbeln da. Das fühlte sich nicht mehr nach Bruder an, sondern nach, ähm, ja, nach Mann. Und das hat mich neugierig gemacht. Deswegen möchte ich gerne die nächsten Nächte in unserm Zeltchen nutzen, um diese Neugier zu befriedigen. Also natürlich nur, wenn Patrick das auch will. Aber das glaube ich eigentlich schon."

Patrick nickte und grinste breit. Hannah freute sich darüber. Bewusst verschwiegen hatte sie, dass Patrick und sie in den letzten Nächten ja schon einiges angestellt hatten, was sich für Geschwister definitiv nicht gehörte. Das spielte aber jetzt keine Rolle mehr. Wenn das Schicksal schon so fies zu ihr war, dann durfte sie die wenigen positiven Aspekte der Situation auch voll ausnutzen, fand sie.

Kurz sah sie die Eltern an. Deren Gesichtszüge waren schwer zu lesen. So etwas wie die große moralische Empörung spiegelte sich nicht darin. Eher abwartende Nachdenklichkeit.

„Gut, dass Ihr nicht sauer seid. Ihr müsst Euch auch gar keine Sorgen machen. Ganz bestimmt bekommt ihr mal das volle Kontingent an Enkelkindern. Das mit Patrick und mir wird sicher nichts Festes. Nur ein kleiner, na sagen wir mal Urlaubsflirt. Dann geht er nach Passau zurück und sucht sich endlich unter den vielen Kandidatinnen, die da auf ihn warten, die richtige aus. Und ich angele mir dann im Herbst oder Winter einen schicken Mediziner. Kommt, jetzt stoßen wir noch einmal an."

So geschah es. Der Abend wurde noch lange und fröhlich. Spätestens beim Zusammenräumen und Zähneputzen merkten alle vier Familienmitglieder, dass vielleicht nicht erst das letzte, sondern möglicherweise schon das vorletzte Glas Rosé eines zu viel gewesen war. Aber was sollte es. Es war Urlaub, morgen konnte man ausschlafen. Und der Tag hatte ja schwierig angefangen und wunderbar aufgehört. Wenn man das nicht feiern durfte, was dann.

Vergnügt schlüpfte Hannah in das kleine Zelt, in dem sie von ihrem Bruder schon sehnsüchtig erwartet wurde. Auch wenn sie dagegen ankämpfte, musste sie erst einmal herzhaft gähnen.

„Na mein Held? Sei mir bitte nicht böse, aber heute Abend bin ich zu nichts mehr in der Lage. Ich bin hundemüde und in meinem Kopf geht immer noch alles etwas durcheinander. Deswegen brauche ich jetzt ganz schnell eine Mütze Schlaf. Aber wir müssen ja morgen nicht bis elf Uhr pennen. Und Sex am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen. Das war schon immer so. Schlaf gut, mein großer Ex-Bruder."

Sie gab Patrick einen Gute-Nacht-Kuss und war schon nach zwei Minuten ganz fest eingeschlafen.

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9 Kommentare
AnonymousAnonymvor etwa 2 Jahren

hallo, wie ist denn der status bezüglich fortsetzung. warte schon ganz gespannt darauf

kleinaberfeinkleinaberfeinvor etwa 2 JahrenAutor

Danke für das sehr ermunternde Feedback! Wenn Ihr wirklich eine Fortsetzung möchtet, kann ich mich gerne auf den Weg machen. In meinem Kopf ist auch schon relativ klar, wie es mit Hannah weitergeht. Bis das allerdings aufgeschrieben ist, wird es ein paar Wochen dauern, weil ich gerade anderweitig Stress habe. Also habt bitte noch ein wenig Geduld mit mir!

LG, Kleinaberfein

AnonymousAnonymvor etwa 2 Jahren

Die Geschichte ist sehr gut geschrieben ich würde mich auf weitere Fortsetzungen freuen.

Gruß Hartmut

langerBurschelangerBurschevor etwa 2 Jahren

Wirklich klasse geschrieben und ganz großes Kino!

Auch dass Hannah diese Ansage an ihre Eltern gemacht hat. Das war was neues, unerwartet und richtig gut. Eine sehr schöne Geschichte. Danke dafür.

Horman1973Horman1973vor etwa 2 Jahren

Diese drei Kapitel sind toll zu lesen gewesen. Ins Detail gehend, wenn es fast "nebensächlich" war und an anderen Stellen Spannung aufbauend und den Leser ein wenig in der Erregung "hängen lassend".

Hat Spaß gemacht!

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