Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Die Wikingerfibel Teil 01

Geschichte Info
Eine Frau steigt für einige Zeit aus, erlebt dann aber ....
29.4k Wörter
4.68
10.7k
16
Geschichte hat keine Tags

Teil 1 der 4 teiligen Serie

Aktualisiert 09/11/2023
Erstellt 09/08/2023
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Die Wikingerfibel

Teil 1 - Aufbruch in eine neue Welt

Prolog

„Ich muss raus hier! Ich brauche Urlaub, eine Auszeit, irgendetwas. So kann es nicht unmöglich weitergehen. Mir wird alles zu viel."

„Spinnst du jetzt, wie stellst du dir das denn bitte vor?", will mein Chef wissen. „Wir haben erst einen großen Auftrag an Land gezogen. Dabei kann ich unmöglich auf dich verzichten. Wer soll das denn sonst machen. Das kann kein anderer so gut wie du."

„Gerry, halt mal die Luft an. Ich kann nicht mehr, ich stehe kurz vor einem Burnout. Wenn ich jetzt nicht die Reißleine ziehe, lande ich direkt in der Klapse."

„Mein Gott, ihr jungen Leute von heute, ihr seid überhaupt nicht mehr belastbar", motzt er sichtlich genervt. „Ein halbes Jahr musst du noch durchhalten, danach können wir über Urlaub reden, eine Woche, oder von mir aus auch zwei. Aber jetzt ist es unmöglich. Ohne dich geht hier alles den Bach runter. Was soll ich ohne dich machen?"

„Ich kann kein halbes Jahr mehr warten und ein oder zwei Wochen reichen nicht mehr aus!", beharre ich. „Ich muss jetzt abschalten, für eine längere Zeit. Ich muss mich erholen, herunterkommen und die Batterien wieder aufladen."

„Aber wer soll dann die ganze Arbeit machen?"

„Das ist mir egal. Du hättest dich schon viel früher um eine zusätzliche Kraft kümmern müssen, statt alles nur mir aufzuladen. Dann wäre es vermutlich nie so weit gekommen, dass ich ausgebrannt bin, am ENDE. Seit Monaten sage ich dir, tu etwas, aber du wolltest ja nicht hören."

„Das kannst du mir nicht antun, du bist meine beste Architektin."

„Ich muss im Augenblick auf mich Rücksicht schauen, nur auf mich. Schließlich tut es sonst ja keiner. Ende des Monats bin ich weg!"

Kapitel 1

Ich fahre mit einem gemieteten Geländewagen über eine schmale Küstenstraße. Keine Menschenseele ist weit und breit. Mich erfasst ein Gefühl von nahezu grenzenloser Freiheit. Genau das habe ich gebraucht, ganz dringend sogar.

Ich habe es tatsächlich gemacht, ich habe meinen Job hingeschmissen und mir ein Flugticket gekauft. Ich kann es immer noch nicht glauben, dass es so leicht war, es durchzuziehen. Ich bin einfach bei meinem Entschluss geblieben und habe mich nicht mehr davon abbringen lassen.

Gerry, mein Chef hat getobt. Ich habe ihn noch nie mit einem so roten Kopf gesehen. Aber er ist selbst schuld an der Misere. Er hat mir keinen Augenblick leidgetan. Ich war heillos überlastet und das schon viel zu lange. Ich habe ihm oft genug gesagt, dass ich nicht mehr lange durchhalte. Doch er wollte nicht hören, er wollte wohl sparen. Jetzt hat er den Salat.

Ob ich nach meiner Auszeit dort wieder weitermache oder mir etwas Neues suche, das weiß ich nicht. Daran will ich im Moment auch noch nicht denken. Das werde ich spontan entscheiden, wenn ich mich dazu entschlossen habe, die Auszeit zu beenden. Vorerst will ich ausspannen und denke noch lange nicht an meine Rückkehr.

Ich brauchte nicht lange überlegen und mich für Norwegen entschieden. Die Landschaft, die Fjorde, das Land mit seinen Mythen und Sagen, den Nordlichtern und den sternenklaren Nächten, das alles hat mich schon von klein auf fasziniert. Natürlich glaube ich heute nicht mehr an Feen und Kobolde, aber die Begeisterung für dieses Land im hohen Norden ist geblieben. Ich habe mir damit einen Kindheitstraum erfüllt.

Vor etwa drei Wochen bin ich in Oslo gelandet, meinen Wagen abgeholt, Vorräte gekauft und mich auf den Weg gemacht. Seitdem bin auf der Fahrt, eher ziellos von einem Ort zum nächsten. Ich bin mit einem Reiseführer und einer Karte bewaffnet, aber ich lasse mich weitgehend treiben. Ich fahre dorthin, wo das Schicksal mich hinführt. Ich habe zweimal in einer kleinen Pension übernachtet, die restliche Zeit habe ich im Wagen übernachtet oder mein Zelt aufgestellt, ganz nach Wetter. So frei, wie im Augenblick, habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt.

Heute früh habe ich wieder einmal alle meine Habseligkeiten zusammengepackt und bin aufgebrochen, um die Küstenstraße ein Stück weiter Richtung Norden zu fahren. Ich bin gerade in Gedanken, da taucht vor mir eine Ruine auf, die ich auf der Karte nicht entdeckt hatte, zumindest könnte ich mich nicht erinnern, einen entsprechenden Eintrag gesehen zu haben.

In der Nähe der verfallenen Burg bietet sich ein Platz an, das Auto abzustellen. Da ich Zeit in Hülle und Fülle habe, ergreife ich die Möglichkeit und bleibe stehen. Ich steige aus und studiere noch einmal die Karte. Tatsächlich kann ich weit und breit keine Ruine finden, die dort eingezeichnet wäre. Ich habe mich also doch nicht getäuscht.

Ich müsste mich, meiner Einschätzung nach, kurz vor Haugesund befinden. Aber eine Ruine ist an dieser Stelle der Küste nicht auf der Karte eingetragen und wäre auch eher ungewöhnlich. Siedlungen gab es in früheren Jahrhunderten weiter nördlich und weiter südlich, weshalb ich mir nicht erklären kann, was für Reste an dieser Stelle zu finden sein sollten und um welches Bauwerk es sich handeln könnte. Auch im Führer kann ich nichts dazu finden. Ich habe keine Ahnung, was für eine Burg das sein sollte und welchem Zweck sie gedient haben könnte.

Nachdenklich falte ich die Karte zusammen und lege alles zurück ins Auto, das ich abschließe. Nun mache ich mich auf den Weg zu dem verfallenen Bauwerk, das auf einer kleinen Anhöhe in unmittelbarer Nähe der Klippe steht. Ein schmaler Pfad führt den Hügel hinauf. Diesem folge ich, weil es der einzige Weg zu sein scheint. Da der Steig an einer Stelle über größere Steine und Felsen führt, ist es wohl ratsam, nicht von ihm abzuweichen.

Dann aber packt mich die Neugier. Ich wage es trotz allem, einen kleinen Felsen hinaufzuklettern, weil mir dieser einen besseren Ausblick auf die Umgebung in Richtung Landesinneres verspricht. Ich gehe in meiner Heimat öfters wandern und ab und zu auch klettern, weshalb ich mir diesen kurzen Abstecher durchaus zutraue. Es ist zwar etwas anstrengend, aber ich schaffe es ohne größere Probleme.

An der Spitze des Felsens angekommen, habe ich tatsächlich einen wunderschönen Überblick über die saftig grünen Wiesen. Verträumt setze ich mich auf einen größeren Stein und lasse das Bild auf mich wirken. Als ich mich dabei entspannt zurücklehne und mit den Armen abstütze, spüre ich unter dem linken Ellbogen etwas, das ich nicht zuordnen kann. Es könnte zwar ein etwas spitzerer Stein sein, aber ich bin neugierig. Deshalb drehe ich mich um und schaue genauer nach.

Was mir sofort ins Auge sticht, ist der Lichtreflex, der direkt aus der Erde zu kommen scheint. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieser als Spiegelung der Sonne, die von einem alten Schmuckstück kommt, das halb ins Erdreich gedrückt ist. Nur ein Teil ragt hervor.

Ich nehme den Gegenstand in die Hand und betrachte ihn eingehend, nachdem ich ihn etwas von der Erde gesäubert habe. Als ich erkenne, was es sein könnte, bin ich ehrlich überrascht. Meiner Einschätzung zufolge handelt es sich um eine Fibel, eine Schmuckspange, wie sie in ganz alten Zeiten von Frauen getragen wurde. Sie diente nicht nur als Schmuckstück, sie hatte auch einen praktischen Zweck, sie sollte Kleidungsstücke wie Mäntel, Jacken oder auch Kleider zusammenhalten. Ich weiß das nur, weil ich erst kürzlich, so nebenbei beim Essen, eine Dokumentation darüber im Fernsehen verfolgt habe.

Ich nehme das Stück in die Hand und begutachte es. Ehrfurcht überkommt mich. Auch, wenn ich mich mit solchen Dingen nicht sonderlich gut auskenne, ist mir sofort klar, dass ich ein ganz besonderes Fundstück in Händen halte. Es ist rudimentär gearbeitet, die Steine darauf sind bunt, aber unbehandelt und man kann auf Anhieb erkennen, dass es schon einiges mitgemacht hat.

Trotz der einfachen Machart und des Alters strahlt die Fibel Macht aus. Ich kann nicht erklären, wie ich zu dieser Einschätzung komme. Auch, wenn es sonderbar anmuten könnte, mir kommt es so vor, als würde die Fibel von einer mächtigen Aura umgeben ist. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, als würde genau in diesem Moment eine andere, für mich unsichtbare Person direkt neben mir stehen.

Nach längerer Betrachtung stecke ich die Fibel in meine Tasche, um sie beim Abstieg nicht zu verlieren. Ich nehme mir vor, sie in der nächsten Ortschaft abzugeben und den Fundort genau anzugeben. Solche Funde sind selten und sicher von großem, historischem Wert. Außerdem können Einheimische die Umgebung nach weiteren Fundstücken absuchen. Kann ja sein, dass noch weitere Gegenstände zu Tage treten.

Doch bevor ich weiterfahre, will ich auch die Ruine selbst noch etwas genauer unter die Lupe nehmen. Als Architektin bin ich natürlich an den verschiedenen Baustilen interessiert. Ich gewinne bereits aus der Entfernung den Eindruck, dass diese Ruine älter als die sonst bekannten Bauten der Umgebung sein müsste.

Ich kann keine Schmuckelemente daran ausmachen, die allein der Schönheit oder der Dekoration gedient hätten. Alles an diesen Überresten deutet auf reine Zweckerfüllung hin. Als ich endlich die Ruine erreiche und an die steil abfallende Küste herantrete, ist mir sofort klar, dass hier ein Seefahrervolk gelebt haben muss.

Die Bucht darunter eignet sich hervorragend als natürlicher Hafen. Von hier aus könnten auch größere Schiffe in See gestochen sein. Zudem konnten mehrere Schiffe gleichzeitig in der Bucht vor Anker liegen, um auf die nächste Reise zu warten oder entladen zu werden. Sie ist schön groß und gegen das Meer hin, durch eine felsige Landzunge, bestens geschützt. Stürme dürften in der Bucht nur geringe Auswirkungen haben. Schiffe sind hier somit weitgehend sicher.

Zudem führt etwas weiter nördlich, immer noch am Rand der Bucht, ein breiter Weg nach unten. Ich gehe davon aus, dass an dieser Stelle die Küste vor vielen Jahrhunderten abgebrochen sein muss. Das würde erklären, wie diese natürliche Rampe entstanden sein könnte. Diese führt bis hinab zum Meer. Sie könnte dazu gedient haben, um Waren von den Schiffen hinauf zur Burg zu befördern.

Hoch über der Bucht, an einem nicht eingestürzten Bereich der Klippen, hat man diesen burgähnlichen Bau errichtet. Er thront majestätisch über den Klippen auf felsigen Untergrund. In dieser Burg haben, so kann ich mir gut vorstellen, die Seeleute und ihre Familien bei Gefahr Unterschlupf gefunden.

Die Burg ist bestens auf Verteidigung ausgerichtet. Von hier aus hatte man einen herrlichen Blick weit über das Meer und konnte schon frühzeitig reagieren, sollten sich Feinde nähern. Ich nehme an, dass die Menschen bis auf wenige Ausnahmen, normalerweise auf Höfen rund um die Burg herum gewohnt haben. Hier hat man sicher schon vor vielen Jahrhunderten Landwirtschaft betrieben. Darauf deutet die Beschaffenheit des Bodens hin. Ich kann mir auch vorstellen, dass nur die Männer mit den Schiffen unterwegs waren. Die Frauen mussten sich um Haus, Hof und Kinder kümmern.

Ich setze mich ganz vorne an die Klippe und lasse die Beine baumeln. Der Ort ist einmalig. Ich fühle mich auf diesem kleinen Fleckchen Erde unglaublich frei und wohl. Genau das habe ich gesucht und gebraucht. Den Druck und den Stress der letzten Wochen und Monate kann ich hier hinter mir zu lassen. Auszusteigen war auf jeden Fall die beste Entscheidung, die ich habe treffen können.

Hier zu sitzen und der Natur zu lauschen, ist eine Wohltat. Unter mir schwappt das Wasser gegen das Ufer, weiter draußen sind die Wellen größer und brechen sich an der Landzunge. Dazu singt der Wind, der um die Klippen streicht, sein Lied, das er schon seit Jahrhunderten zum Besten gibt. Die Luft ist zudem voll von Geräuschen kreischender Vögel und anderer Tiere.

Zum Glück leide ich nicht unter Höhenangst, denn unter mir geht es ein ganz schönes Stück senkrecht nach unten. Die Geschichte, die ich mir zusammengereimt habe, könnte stimmen, muss aber nicht. Kann auch sein, dass hier im Mittelalter eine militärische Struktur für die Verteidigung des Landes ihren Sitz hatte. Oder man hat deutlich später Anlagen gebaut, um sich gegen die Seemacht England zu wappnen, die nach Macht und Einfluss gedürstet hat. Ich habe keine Ahnung. Es ist mir im Moment aber auch egal, was früher einmal war. Ich genieße einfach den Augenblick.

Da der Wind hier an der Küste etwas rauer ist und ich meine Jacke nicht bis ganz nach oben zuknöpfen kann, komme ich auf die verwegene Idee, die Fibel für genau den Zweck einzusetzen, für den sie ursprünglich angefertigt worden ist. Ich steche vorsichtig durch den Stoff und verschließe die Fibel, damit sie auch hält. Ich hoffe innständig, dass sie noch stabil genug ist und ich keinen Schaden anrichte. Aber sie hält.

Ich blicke wieder hinaus über das Meer. Diesmal allerdings fallen mir Schiffe ins Auge, die in der Bucht vor Anker liegen. Die waren doch vorhin noch nicht da! Plötzlich nehme ich auch Geräusche hinter mir wahr, so als ob da jemand wäre, als ob die Burg immer noch in Betrieb sei. Überrascht von alledem, weil ich ja weiß, dass ich allein bin und hier draußen sicher keine andere Menschenseele unterwegs ist, drehe ich mich zur Burg um. Was ist das denn? Ich schaue völlig verwirrt drein. Ich kann offenbar meinen Augen nicht mehr trauen. Was ich zu sehen bekomme, ist einfach unmöglich.

Die Burg ist keine Ruine mehr, es ist, als würde sie mitten im Leben stehen. In der Bucht zähle ich fünf Schiffe und unzählige Menschen eilen hierhin und dahin. Es ist ein reges Durcheinander. Auf der Burgmauer erkenne ich Wachen. Frauen und Kinder tummeln sich auf den Wiesen und Feldern im Umkreis des Baues und Männer mit schweren Karren bringen Waren oder sonst irgendwelche Gegenstände den beschwerlichen Weg von der Bucht nach oben.

„Alva kommst du endlich? Was trödelst du denn heute?", ruft ein Mann von der Mauer herab.

Ich schaue mich neugierig um. Ich kann aber nicht erkennen, mit wem er spricht. Außer mir ist ja keiner da. Zu allem Überfluss bin ich mir noch nicht einmal sicher, ob Alva ein Mann oder eine Frau sein soll. Ich kenne den Namen nicht.

„Kommst du oder willst du den ganzen Tag an der Klippe sitzen? Was ist denn heute mit dir los?", brüllt der Mann erneut, diesmal lauter und schon leicht verärgert.

„Meinst du mich?", frage ich überrascht. An der Klippe sitze nur ich.

„Wen denn sonst?"

Irritiert von den Vorkommnissen erhebe ich mich. Ich verstehe einfach nicht, was um mich herum plötzlich los ist und versuche zu rekapitulieren. Ich entdecke eine verlassene Ruine, die auf keiner Karte zu finden ist und nun stehe ich plötzlich vor einer Burg, die bewohnt ist von Menschen, die Kleider tragen, die schon lange keiner mehr trägt. Ich frage mich, ob ich träume, denn anders kann ich mir das Ganze nicht erklären. Wie kann es bitte sein, dass die Burg plötzlich mit Leben erfüllt ist, wie es zur Zeit ihrer Blüte gewesen sein dürfte.

Ich schaue mir die Kleidung, der Menschen um mich herum, etwas genauer an. Sie tragen Felle und ab und zu auch Stücke aus Leder. So zieht sich heute doch kein Mensch mehr an. Ja, nicht einmal im Mittelalter trug man solche Felle. Ich schaue an mir herab. Meine Jeans und mein Pullover sowie die Lederjacke wollen passen so ganz und gar nicht in diese Welt.

In einiger Entfernung erblicke ich auch Krieger. Sie tragen Waffen, die ich nur in Filmen über längst vergangene Zeiten gesehen habe. Viele von ihnen tragen eine Keule oder eine Axt bei sich, einige wenige sind mit einem Schwert bewaffnet. Die Wachen am Tor tragen so etwas ähnliches wie eine Hellebarde.

Als Architektin kenne ich mich nicht sonderlich gut mit Waffen aus. Ich bin auch sonst kein Waffennarr oder in einem Schützenverein. Aber selbst mir ist klar, bereits im Mittelalter waren die Krieger besser bewaffnet als diese hier. So etwas Rudimentäres kenne ich eigentlich nur aus einem Dokumentarfilm über die Wikinger. Vor allem die Keulen und die Äxte waren typische Waffen dieser Zeit.

Aber nicht nur die Waffen und die Kleidung passt in die Zeit der Wikinger. Auch das Aussehen der Menschen, vor allem der Männer. Sie sind groß und grobschlächtig, wahre Riesen. Sie wirken furchteinflößend. Keiner von diesen Typen würde in einen modernen Anzug passen. Außerdem sind die Haare wild zerzaust und alle tragen Bärte. Sie sind dem Eindruck nach den Neandertalern näher als dem neuzeitlichen Homo sapiens.

Ich frage mich, wie um alles in der Welt ich in diese Zeit gelangt sein soll. Ich habe doch keine Zeitreise unternommen. Doch da fällt mir ein, dass die Stimmen und das Leben rund um die Burg genau in dem Moment eingesetzt haben, als ich die Fibel angesteckt habe. Ich hatte den Blick zwar von der Burg abgewendet, aber die Geräusche habe ich genau zu dem Zeitpunkt zum ersten Mal wahrgenommen.

Ich starte einen Versuch und nehme die Fibel ab, sie klemmt etwas. Als ich es dann doch geschafft habe und das alte Ding wieder in der Hand halte, steht plötzlich wieder die Ruine vor mir. Jedes Leben ist verschwunden, hat sich in Luft ausgelöst. Ich bin wieder mutterseelenallein, irgendwo im Nirgendwo.

So etwas gibt es doch nicht! Das kann doch nur Einbildung sein. Allerdings dunkel kann ich mich erinnern, vor längerer Zeit ein Buch gelesen zu haben. Auch dort ging es um eine Fibel, die eine Verbindung zwischen einer jungen Frau aus dem Heute und einer Kriegerin oder Königin aus der Keltenzeit hergestellt hat. Ich habe das für eine findige Idee des Autors gehalten, die Frau in die frühere Zeit zurück zu versetzten. Doch was, wenn es so etwas wirklich gibt? Liegt womöglich ein Fluch oder ein Zauber auf der Nadel, trägt sie magische Kräfte in sich? Doch wirklich vorstellen kann ich mir das alles nicht.

Aus reiner Neugier heraus stecke ich die Schmuckspange erneut an meine Jacke. Ich will es nun wissen, erwarte jedoch, dass diesmal nichts passiert und es nur Einbildung war. Entgegen meiner Erwartung und Hoffnungen, passiert erneut das Gleiche wie vorhin. Um mich herum herrscht erneut reges Treiben. Ich reibe mir die Augen. Nichts! Die Burg ist wieder intakt und die Menschen gehen, wie schon zuvor, ihren Tätigkeiten nach. Ich werde kaum beachtet, so als würde ich ins Bild passen.

Es kann definitiv nur mit der Fibel zusammenhängen. Sie muss eine magische Wirkung besitzen. Vermutlich hat sie einst einer wichtigen Persönlichkeit gehört und ging verloren. Dass aber ausgerechnet ich sie finden muss, ist ungewöhnlich und passt mir nicht in meine Pläne.

Ich habe einfach keine Lust bei den Wikingern zu bleiben, ich will einfach nur entspannen, an gar nichts denken und mein Leben genießen. Deshalb versuche ich hastig die Nadel wieder abzunehmen. Doch der Verschluss lässt sich dieses Mal nicht mehr öffnen. Er klemmt. Ich versuche es lange und auf alle erdenklichen Arten, ich will das Ding zum Nachgeben bewegen. Doch was immer ich auch versuche, es funktioniert nicht. Allmählich werde ich panisch. Es kann doch nicht sein, dass ich in der Welt der Wikinger gefangen bin. So habe ich mir meinen Entspannungsurlaub bei Gott nicht vorgestellt.

„Alva, jetzt beeil dich endlich. Es sind schon alle versammelt. Sie warten nur noch auf uns."

„Wo seid ihr?"

„Was hast du heute? Warum bist du so zerstreut? Im großen Saal natürlich."

Neugierig geworden mache ich mich auf den Weg in die Burg. Wenn ich schon hier festsitze, dann kann ich mich auch ein wenig umschauen. Da ich mich nicht auskenne, muss ich mich bis zum großen Saal durchfragen. Ich habe nicht den Hauch einer Ahnung, wo ich hinmuss. Der Weg ist zudem ganz schön weit. Die Burg ist nämlich deutlich größer als ich zunächst angenommen habe. Das liegt wohl daran, dass ich bisher nur die Querseite, die zum Meer hin ausgerichtet ist, gesehen habe. Zum Land hin zieht sich die Burg ein beachtliches Stück in die Länge. Es ist ein beeindruckender und sehr weitläufiger Bau.

Ich erreiche zuerst das Eingangstor. Das ist nicht zu übersehen, ist schließlich auch groß genug. Es wird zwar streng bewacht, von Kerlen, die einem das Fürchten lehren könnten und neben denen ich mich ganz schön klein fühle. Aber als die Wachen mich erblicken, straffen sich ihre Körper und sie grüßen voller Respekt. Sie lassen mich anstandslos passieren. Daraus schließe ich, dass man mich hier kennt oder besser gesagt jene Person, zu der ich durch die Fibel geworden bin.