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Die Wikingerfibel Teil 04

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„Daran hat sie sich auch im anderen Leben gehalten?"

„Ja, das hat sie."

„Hast du eine Ahnung, wie weit diese Welten auseinander sind?"

„Meine Mutter hat mir viel von den Wikingern und den Abenteuern, die sie mit euch erlebt hat, erzählt. Als wir Kinder waren hat sie so getan, als hätte sie das alles nur erfunden. Wenige Jahre vor ihrem Tod hat sie mir jedoch gestanden, dass alles ihre eigenen Erlebnisse waren.

Deshalb habe ich ein wenig recherchiert. Die ersten Wikinger sind am 8.Juni 793 in Lindisfarne in Britannien an Land gegangen, so zumindest behaupten es die Geschichtsschreiber."

„Was heißt 8.Juni 793?"

„Das ist ein Datum. Wir teilen das Jahr in Monate und dieses in Tage. Aber das erkläre ich dir ein anderes Mal. Wenn man bedenkt, dass wir in meiner Welt das Jahr 2023 schreiben und seit eurem Besuch bei den Briten in etwa 30 Jahre vergangen sind, dann liegen zwischen dieser und meiner Welt etwa 1.200 Jahre."

„Das ist ja eine Ewigkeit", meint er sichtlich überfordert.

„In dieser Zeit ist auch sehr viel passiert."

„Gut, aber warum erzählst du mir das alles jetzt, während der Ratssitzung?"

„Weil es wichtig ist. Ich habe in meinem anderen Leben, genauso wie meine Mutter damals, den Segelschein gemacht und bin mit ihr, aber auch allein, sehr viel und oft über die Meere gesegelt. Ich kann das! Ich komme ohne Probleme zu den Briten."

„Ah, jetzt verstehe ich. Das konntest du den anderen nicht erzählen."

„Du hast es erfasst."

„Dann lass uns wieder reingehen."

„Und was sagst du?"

„Wart es ab", grinst er und macht sich auf den Rückweg.

Ich schaue ihm etwas verwundert hinterher. Ich frage mich, wie er das erklären will. Er aber scheint genau zu wissen, was zu tun ist und wirkt entschlossen. Erst als er aus meinem Blickfeld verschwindet, wache ich aus meinen Überlegungen auf und muss mich beeilen, um ihm hinterher zu kommen. Als er schon sitzt, stürze ich etwas hektisch in den Ratssaal, haste zu meinem Stuhl und setze mich hin. Ich bin angespannt.

„Wir können uns auf Ingrid verlassen. Sie ist klug wie ihre Mutter und sie kann Schiffe führen."

„Wenn sie noch nie auf einem drauf war", wirft Laura ein.

„Das stimmt so nicht. Kannst du dich erinnern, als sie mit 18 ein Jahr lang in Bergen war? Dort hatte sie einen Freund, der war von Schiffen begeistert und hat ihr alles beigebracht, weil sie ihn oder das Segeln, so genau habe ich das nie verstanden, so toll fand."

Dabei schaut er mich grinsend an und zwinkert mir zu. Ich hingegen schaue ihn entgeistert an. Ich wusste nicht, dass mein Vater so ein Schlitzohr sein kann. Aber naja, genau genommen ist Fjell nicht mein Vater oder nur zur Hälfte meines jetzigen Ich´s.

„Wie hieß denn der junge Mann?", will Laura skeptisch wissen.

„Sören hieß der junge Mann", sage ich etwas kleinlaut. Ich kann nicht so unverfroren schwindeln wie mein Vater.

„Hattest du da mehr Augen für deinen Sören oder für das Meer?", will Lifa schmunzelnd wissen.

„Hat er mich seitdem besucht?", stelle ich eine Gegenfrage.

„Was hat das damit zu tun?"

„Er ist nie aufgetaucht, ich bin nie mehr nach Bergen, was glaubt ihr, hat mich damals interessiert?"

„Aber du bist seitdem auch nie mehr auf ein Schiff."

„Es hat mich ja auch niemand gelassen."

„Du hast aber auch nie etwas gesagt", hält nun auch Laura dagegen.

„Mich interessiert die Seefahrt und nicht das Fischen", werfe ich ein.

„Das wäre zumindest ein Anfang gewesen", hält Laura dagegen.

Ich schaue meinen Vater an und verdrehe genervt die Augen. Ich weiß, dass man das nicht machen soll, aber ich stecke in einem gewaltigen Zwiespalt. Mir ist klar, so kommen wir nicht weiter. Zum Glück kommt mir genau in dem Moment eine Idee.

„Ich segle mit ein paar Freiwilligen oder auch ganz allein mit dem Schiff meiner Mutter zwei Tage auf das offene Meer hinaus und komme dann wieder zurück."

„Wozu?"

„Damit ihr mir glaubt, dass ich es kann."

„Und wenn du es nicht kannst?

„Dann schippern wir in drei Jahren immer noch da draußen herum", lache ich. „Aber keine Sorge, ich kann das."

„Bist du dir sicher?", will Laura skeptisch wissen. Sie macht sich ehrliche Sorgen.

„Hast du Angst um das Schiff?"

„Nein, um dich. Du bist Alvas Tochter!"

„Und was soll das heißen?"

„Sie hat uns immer überrascht und immer verrückte Sachen gemacht."

„Und du glaubst, ich mache das nur, weil ich glaube, ich müsste auch verrückte Sachen machen?", halte ich aufgebracht dagegen. Erbost stehe ich auf und stütze mich an der Tischplatte ab. „Meine Mutter hat Dinge gemacht, die ihr nicht für möglich gehalten hättet. Sie hat das aber nicht einfach so gemacht, sie hat immer das gehalten, was sie versprochen hat. Ich habe von ihr viel gelernt. Eines davon ist, dass man sich etwas zutrauen soll, dass man aber auch keine falschen Hoffnungen schüren soll. Genau an diese Grundsätze meiner Mutter halte ich mich auch jetzt. Ich kann das! Vertraut mir!"

Laura schaut mich lange und intensiv an. Sie denkt nach. Die anderen im Saal sind alle still, niemand traut sich, auch nur ein Wort zu sagen.

„Du hast dich verändert. Was ist mit dir passiert?", sagt sie.

„Wie meinst du das?"

„In den letzten Tagen warst du zerstreut und verwirrt. Auch heute noch, kurz vor der Sitzung."

„Ist das ein Wunder, ich habe meine Mutter verloren. Darf man da nicht etwas von der Rolle sein."

„Das ist es nicht, das verstehe ich ja. Aber plötzlich bist du entschlossen, mehr als du es früher warst. Du erinnerst mich auf einmal ganz an deine Mutter, wie sie früher immer war."

„Es ist Zeit, die Trauer hinter sich zu lassen. Es geht um das Wohl des ganzen Stammes. Ich will mich einbringen, ich will etwas für die Gemeinschaft tun und ihr traut es mir nicht zu. Da muss ich doch entschlossener werden."

„Meine Tochter kann das, was sie gesagt hat. Ob ihr einen Beweis braucht oder nicht, ist mir egal. Ich werde mit ihr segeln", sagt mein Vater selbstbewusst.

„Wir machen die Probe. Gibt es Freiwillige?"

Etwa ein Dutzend Männer in meinem Alter melden sich. Ich habe den Verdacht, es geht ihnen weniger darum, mitzufahren, als vielmehr, mir zu imponieren. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Alvas Tochter ein von den Männern sehr begehrtes Mädchen ist. Es sind aber auch fünf Mädchen, die sich melden. Sie wollen wohl auch ein wenig so sein, wie ich.

Kapitel 2

Laura blieb an diesem Punkt nichts anderes übrig, als die Sitzung zu verschieben. Zusammen mit meinem Vater mache ich mich auf den Weg zum Schiff. Wir wollen nach den persönlichen Dingen meiner Mutter in jener Kajüte suchen, welche sie immer bewohnt hat, wenn sie auf dem Meer war. Ich brauch mich allerdings nicht lange umzuschauen. Mitten auf dem großen Tisch in der Mitte des Raumes liegen die Karten. Ich entdecke aber auch den selbst gebauten Kompass und den geschickt angefertigten Sextanten.

Fast schon ehrfürchtig halte ich die Gegenstände in der Hand und blicke neugierig auf die Karten. Das ist alles von meiner Mutter, die Karten sind sogar von ihr persönlich mit Hand gezeichnet. Ich kann es kaum glauben, dass sie damit über das weite Meer gesegelt ist. Aber offenbar ist es möglich.

„Ist nie mehr jemand mit diesem Schiff gesegelt?"

„Doch, aber niemand hat es gewagt, diese Kajüte zu betreten. Dazu hatten die Leute zu viel Respekt vor deiner Mutter."

„Du hast sie geliebt?", frage ich, ohne lange nachzudenken.

„Sehr sogar. Sie war die Liebe meines Lebens."

„Sie hat dich auch sehr geliebt. Mein Vater sieht ähnlich aus, wie du. Deshalb habe ich dich auch gleich erkannt, als du vorhin in den Saal gekommen bist."

„Stimmt, du hast gar nicht gefragt, wer ich bin, du hast mich sofort Papa genannt."

„Sie ist jedes Jahr eine Woche lang nach Norwegen gereist und zum Wasserfall gewandert. Ob mit der Familie, mit mir oder ganz allein, sie hat es sich nicht nehmen lassen. Nur die letzten Jahre hatte sie nicht mehr die Kraft dazu."

„Der Wasserfall. Alva und ich haben das auch immer einmal im Jahr gemacht. Damit ist jetzt wohl Schluss", meint er verträumt. Ich spüre, wie ihn eine tiefe Trauer überkommt.

„Wenn wir von den Briten zurück sind, dann gehen wir zwei dorthin. Vater und Tochter, um Alva nahe zu sein."

„Das würde mich sehr freuen", meint er mit belegter Stimme. Ich kann sogar sehen, wie seine Augen feucht werden.

„Das machen wir!", sage ich entschlossen. "Ganz sicher!"

Dann beuge ich mich wieder über die Karten. Ich muss zugeben, sie sind etwas einfach im Vergleich zu den Seekarten, die ich in meinem neuzeitlichen Leben hatte, aber ich finde mich darauf zurecht.

„Diese Karten hat Mutter selbst gezeichnet?", frage ich.

„Ja, sie allein. Sie saß oft den ganzen Tag im Nest oben und hat Ausschau gehalten. Keine Ahnung, was sie alles gezeichnet hat. Aber es hat ihr großen Spaß gemacht."

„Es war wichtig, ausgesprochen wichtig sogar. Ich glaube deshalb weniger, dass sie Spaß daran hatte", sage ich. „Diese Karten sind so detailliert, dass ich ganz sicher keine Probleme damit habe, mich auf dem Meer zurechtzufinden."

„Gut, wir können morgen in See stechen. Organisieren wir noch das Essen für eine Woche und dann beladen wir das Schiff."

„Für eine Woche?", frage ich.

„Sicher ist sicher", grinst er.

„Na danke, für dein Vertrauen", sage ich gespielt beleidigt.

Die Vorbereitungen sind bald abgeschlossen und ich mache mich in der Zwischenzeit auf den Weg zum Hof von Lifa und Greta. Hier habe ich mein Zimmer, hat mir Papa erklärt. Auch er wohnt dort, auch wenn sich die beiden Frauen allein um die Landwirtschaft kümmern.

Inzwischen ist es Abend geworden. Wir sitzen nach dem Essen alle zusammen an der Feuerstelle im Freien. Ich kann mir vorstellen, dass sich meine Mutter hier wohlgefühlt hat.

„Du wirst Alva immer ähnlicher", meint Greta. „Heute im Rat hast du mich so stark an sie erinnert."

„Genau so hat auch sie sich immer im Rat gegeben", pflichtet ihr Lifa bei. „Sie wusste immer Rat und hat sich alles zugetraut."

„Sie hat sich nicht alles zugetraut, so wie ich mir nicht alles zutraue. Aber sie hatte ein gesundes Selbstvertrauen", verteidige ich meine Mutter.

Dabei weiß ich nicht, ob ich von Vera oder Alva spreche. Ich denke, es gilt für beide, denn sie waren sich vermutlich sehr ähnlich. Ich gehe davon aus, dass es genau deshalb so gut gepasst hat, als meine Mutter die Fibel fand und in die alte Zeit zurückversetzt wurde.

Ich finde es faszinierend, wie sich zwei Leben aus so unterschiedlichen Zeiten und völlig verschiedenen Welten zusammenfügen können. Man hat beinahe den Eindruck, als wären es zwei Leben in einer Person.

Ich kann inzwischen auch gut nachvollziehen, warum meine Mutter von diesem Leben und diesen Menschen so begeistert war und sich zeitlebens danach gesehnt hat, hierher zurückkehren zu können. Erst jetzt wird mir klar, welche immense Sehnsucht ihr innegewohnt haben muss.

Jetzt, wo ich es selbst erleben darf, wird mir erst so richtig klar, welche Faszination sie ergriffen haben muss und wie schlimm es für sie gewesen sein muss, diese Welt wieder verlassen zu müssen, zu wissen, dass sie nie mehr die Möglichkeit bekommt, hierher und zu den wunderbaren Menschen, die sie liebgewonnen hat, zurückkehren zu können.

Die anderen sind inzwischen zu Bett gegangen. Ich sitze allein am Feuer und blicke hinaus über das Meer. Ich habe das Gefühl, als würde meine Mutter neben mir sitzen und mich fragen, ob ich es auch als unglaubliches Geschenk empfinde, hier sein zu dürfen.

In dem Moment kommt Laura um die Ecke. Sie schlendert auf mich zu und setzt sich leise neben mir auf den Stamm. Sie sagt zunächst kein Wort. Es ist ähnlich, wie bereits am Nachmittag am Grab.

„Du bist genau wie sie", sagt sie plötzlich. „Heute Nachmittag im Rat hatte ich kurz den Eindruck, Tante Alva würde neben mir sitzen. Ich kann es immer noch nicht glauben."

„Ich sehe ihr nicht wirklich ähnlich."

„Nicht äußerlich, aber vom Wesen her, von deiner Art. Du weißt, ich habe deiner Mutter alles zu verdanken. Vermutlich wäre ich als kleines Mädchen gestorben, wäre sie nicht aufgetaucht."

„Zum Glück ist sie aufgetaucht."

„Sie war auch immer wie eine zweite Mutter für mich. Ich habe sie seit ihrem Tod sehr vermisst."

„Jetzt nicht mehr?"

„Doch, doch! Menschlich natürlich immer noch. Aber die letzte Zeit hat sie vor allem auch im Rat gefehlt. Ihre Energie, ihre Ideen und ihre Entschlossenheit waren von einem Tag auf den anderen nicht mehr da. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, ob wir uns noch weiterentwickeln oder ob wir stehen bleiben.

Mir ist klar geworden, dass alles an deiner Mutter hing. Sie war die treibende Kraft. Doch heute, da habe ich ihre Energie wieder gespürt. In mir ist die Hoffnung aufgekeimt, dass du ihren Platz einnehmen und diese Leere füllen kannst. Du warst so unglaublich entschlossen, so sicher, genau das hat mir seit ihrem Tod gefehlt."

„Ich werde nie den Platz meiner Mutter einnehmen können. Dazu war sie eine viel zu große Persönlichkeit."

„Das bist du aber auch. Genau das ist mir heute klar geworden."

„Ich bin möglicherweise eine Persönlichkeit, aber ich werde nie sein, wie meine Mutter. Nicht, weil ich es nicht gerne wäre, sondern weil ich meine eigenen Erfahrungen mache, mein eigenes Leben lebe und davon geprägt werde."

„So etwas ähnliches hat deine Mutter zu mir auch einmal gesagt. Genau an dieser Stelle. Es war, nachdem der Stamm aus Bergen versucht hat uns anzugreifen", schwelgt sie in Erinnerungen.

„Das kann ich mir gut vorstellen. So war Mutter!"

„Aber ich bin froh, dass du bist, wie du bist."

Dabei zieht mich Laura überraschend in eine Umarmung. Ich bin gerührt. Nach ihrer Haltung im Rat habe ich mir Sorgen gemacht, ob wir Freundinnen werden können. Jetzt, nach diesem Gespräch, habe ich den Eindruck, als könnten wir beste Freundinnen werden.

„Ich denke ich werde jetzt schlafen gehen. Ich muss morgen früh raus", sage ich.

„Du willst das wirklich durchziehen?"

„Ich kann das wirklich durchziehen, so muss es heißen und ich werde es euch allen beweisen."

„Du wirst es nicht glauben, aber ich weiß jetzt, dass du es schaffen wirst."

Noch einmal zieht sie mich in eine Umarmung. Dann lässt sie los, steht auf und macht sich auf den Weg in die Burg. Ich bleibe noch etwas sitzen und schaue ihr hinterher. Dann stehe auch ich auf und gehe zu Bett.

Am Morgen beeile ich mich mit Anziehen und bin wenig später auf dem Schiff. Meine Mädchen und Burschen sowie mein Vater trudeln wenig später nacheinander ein. Wir treffen noch die letzten Vorbereitungen. Dann sind wie startklar.

„Leinen los!", brülle ich über das Deck.

„Leinen sind los!", schallt es wenig später zurück.

„Segel setzen!", kommt mein nächster Befehl.

Ich habe das kaum gesagt und schon wird das Hauptsegel nach oben gezogen. Der Wind steht günstig und auch die Flut zieht sich langsam zurück und damit uns hinaus aufs Meer. Das Segel bläht sich und wir nehmen Fahrt auf. Wir legen das perfekte Ablegemanöver hin.

Der halbe Stamm steht am Ufer und winkt uns hinterher. Vor allem die Kinder haben es sich nicht nehmen lassen, selbst dabei zu sein, wenn nach langer Zeit wieder ein Schiff ablegt, nicht nur um etwas weiter draußen Fische zu fangen.

Der Wind ist günstig und so nimmt das Schiff ordentlich Fahrt auf. Ich bin begeistert, denn so macht Segeln richtig Spaß. Der Bug teilt das Wasser und schiebt sich durch das Meer. Es ist zwar ein Unterschied, ob man eine 16-Meter-Jacht steuert oder ein Wikingerschiff über das Meer führen muss. Es ist behäbiger und nicht so wendig, aber die Grundregeln sind trotz allem ähnlich.

Wir sind bereits außer Sichtweite der Küste, das Wetter ist herrlich und es gibt nur wenig zu tun. Da vorwiegend junge Leute an Bord sind, versuche ich, etwas gegen die Langeweile zu unternehmen.

„Will jemand Wasserskifahren?", rufe ich über das Deck.

„Was willst du?", staunen einige.

„Ach, ihr kennt das nicht", lache ich. „Wir könnten etwas Spaß haben. Wenn wir schon unnütz durch die Gegend schippern, dann soll es zumindest ein Vergnügen sein."

Ich blicke nur in ratlose Gesichter. Mir ist klar, dass sich keiner etwas unter Wasserskifahren vorstellen kann. Deshalb wird mir wohl nichts anderes übrigbleiben, als es ihnen vorzuführen.

Ich suche mir zwei ähnlich große Bretter, die glattgehobelt sind und die wir an Bord haben, um eventuelle Schäden am Schiff ausbessern zu können. Ich suche auch ein paar alte Schuhe und nagle sie auf die Bretter. Dann befestige ich noch ein Seil an jedem Brett, das ich mir dann als Sicherheitsleine um die Knöchel binden will. Ich will sie bei einem Sturz schließlich nicht im Meer verlieren.

Die Besatzung schaut die ganze Zeit mit zunehmender Skepsis zu, wie ich herumwerkle. Ihren Blicken nach zu urteilen, sind sie nicht sicher, ob ich alle Latten am Zaun habe. Ich muss grinsen. Wikinger beim Wasserskifahren wird echt eine Sensation. Ich bin nur froh, dass die Geschichtsschreibung davon hoffentlich nie etwas mitkriegt.

Als ich mit meinen Vorbereitungen fertig bin, ziehe ich meine Schuhe aus, gehe zum Heck des Schiffes und lasse mich an einem langen Seil, das ich zuvor um den Mast festgemacht habe, hinab ins Wasser.

„Bist du dir sicher, was du da machst?", erkundigt sich ein Mädchen.

„Keine Sorge, ich kann das."

Das Seil habe ich mir um den Bauch gebunden und lasse mich schließlich ins Wasser fallen, versuche aber sofort auf die Bretter zu kommen, was mir allerdings erst im zweiten Anlauf gelingt. Dann aber stehe ich bombensicher und beginne schon bald etwas hin und her zu fahren und kleine Sprünge über die Wellen des Kielwassers zu machen.

Ich habe echt Spaß, auch wenn die Geschwindigkeit des Schiffes das Wasserskilaufen nur knapp möglich macht. Etwas schneller über die Wasseroberfläche zu gleiten, wäre besser und würde auch mehr Spaß machen. Trotzdem bin ich mit dem Erreichten zufrieden.

Es macht unglaublich Spaß. Wenn ich noch dazu bedenke, dass ich die erste Frau bin, die hinter einem Wikingerschiff wasserskifährt, dann muss ich schmunzeln. Die Besatzung hängt, soweit sie nicht im Einsatz sind, am Heck des Schiffes und schaut gebannt zu mir herab.

Nach einer Viertelstunde habe ich genug und ziehe ich mich an der Leine zum Heck hin und klettere dann daran hoch. Ich bin trainiert und habe überraschend viel Kraft in den Armen, das muss von meiner Wikingerseite kommen. Ich habe nämlich keine Mühe, mich ohne Hilfe bis nach oben zu hangeln und wieder an Bord zu klettern.

„Wer will?", rufe ich in die Runde.

Zunächst herrscht betretenes Schweigen. Dann aber tritt ein Mädchen vor. Ich schätze sie auf 18 Jahre. Ihr Auftreten ist ausgesprochen schüchtern und sie ist mir auch bisher nicht sonderlich aufgefallen.

„Kann ich es versuchen?", meint sie.

„Natürlich kannst du. Du musst nur schauen, dass du genügend Druck mit den Füßen auf die Bretter ausübst, damit sie dir nicht zur Seite hin wegrutschen. Am besten, du versuchst selbst, den für dich richtigen Weg zu finden."

Ich ziehe meine selbstgebauten Skier aus und helfe dem Mädchen beim Anziehen. Ich erkläre ihr auch, was sie wissen muss. Besonders weise ich sie darauf hin, dass sie versuchen muss, aus den Schuhen herauszukommen, sollte sie stürzen.

„Wie heißt du?", frage ich sie.

„Sif, ich bin Sif."

„Na dann, Sif. Es geht los!"

„Bleibst du da und hilfst mir, wenn ich Probleme habe?"

„Keine Sorge, ich bin da und passe auf dich auf", versichere ich.

Als ich mich ans Heck stelle und hinabschaue wird mir erst bewusst, dass ich keine Chance habe, Sif zu helfen, sollte sie wirklich in Schwierigkeiten geraten. Noch während sie am anderen Seil hinabklettert, lasse ich mir ein zweites bringen, das ich ebenfalls am Mast festmache und mir das andere Ende fest um den Bauch binde. Ich achte dabei auch darauf, dass es so am Boden liegt, dass es sich leicht abwickeln lässt, sollte ich hinabsteigen müssen.

Als ich bereit bin, erreicht Sif gerade die Wasseroberfläche. Recht geschickt schafft sie es bereits im dritten Anlauf, sich auf die Bretter zu stellen und über das Wasser zu surfen. Dafür, dass sie es zum ersten Mal macht, stellt sie sich überraschend geschickt an.

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