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Die Wikingerfibel Teil 04

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„Du Tier!", rufe ich.

Von meinem Ruf abgelenkt, geht der Blick des Hünen zu mir. Aber ich habe ihn bereit erreicht und versetze ihm einen heftigen Schlag mit der Klinge gegen den rechten Oberarm. Das Metall schneidet tief in das Fleisch ein, der Mann brüllt vor Schmerz auf und das Schwert fällt klirrend zu Boden.

„Weg mit dir!", rufe ich George zu. „Zurück zu den anderen!"

Während ich noch immer den Anführer der Schotten in Schach halte, rappelt sich der junge Lord auf und läuft zu unseren Leuten zurück.

„So ein Feigling!", faucht der Schotte.

„Das würde ich so nicht sagen. Er ist etwas unvorsichtig und überschätzt sich, das gebe ich gerne zu, er ist aber auch noch sehr jung", lache ich.

„Und du?"

„Was meinst du, ob ich noch jung bin oder unvorsichtig."

„Beides?", lacht er. „Zumindest habe ich den Eindruck."

„Jung bin ich, das kann ich nicht abstreiten, aber unvorsichtig bin ich nicht. Ich weiß genau, was ich kann."

„Wer bist du und warum hast du mich, ein Tier genannt?"

„Ich bin Ingrid aus Haugesund, eine Wikingerkriegerin", antworte ich. „Und als Tier habe ich dich bezeichnet, weil du dich an der Angst des jungen Mannes ergötzt hast. Das ist nicht menschlich."

„Hast du gesehen, wie er die Hose voll hatte?"

„Das ist egal. Man demütigt einen Mann im Kampf nicht."

„Oh, die junge Lady legt Wert auf gute Manieren", spottet er.

Mit unserem Gespräch habe ich so viel Zeit gewonnen, dass George unsere Reihen hat erreichen können. Damit beginne nun auch ich langsam den Rückzug. Das scheint meinem Gegenüber aber nicht zu gefallen.

„Machst du dich jetzt auch aus dem Staub?", grinst er.

„Ich würde ja gerne noch etwas bleiben und mit dir quatschen, aber es kommen so komische Schotten, die wollen Freunde von mir überfallen. Ich habe leider zu tun", necke ich ihn.

„Komische Schotten? Freunde? Wo kommst du eigentlich her? Ich habe dich hier noch nie gesehen."

„Ich bin zum ersten Mal in der Gegend. Aber der alte Lord McBrix und meine Mutter haben sich gekannt und waren Freunde."

„Was sind eigentlich Wikinger, wo kommst du her?"

„Wikinger sind die Schrecken der Meere", grinse ich. „So zumindest werden sie in die Geschichte eingehen."

„Träum weiter. Du wirst sicher kein Schrecken der Meere", lacht er.

„Das mag schon sein. Aber ich lege auch keinen Wert auf solche Ehren", halte ich dagegen. „Aber sag mal, wie kommt ihr auf die verwegene Idee, meine Freunde ausrauben zu wollen."

„Wir haben Hunger, so einfach ist das."

„Ich habe auch Hunger. Deswegen laufe ich aber noch lange nicht durch die Gegend und raube die anderen aus."

„Ach ja, was macht die junge Lady dann?"

„Ich versuche zu tauschen."

„Zu tauschen, ach ja. Und was?"

„Wir haben Rentierleder und Bärenfälle dabei."

„Was ist das denn?"

„Schon klar, du hast wieder einmal keine Ahnung vom Leben", lache nun ich.

„Oh, die junge Lady scheint schon sehr viel in der Welt herumgekommen zu sein. Verzeiht, wenn ich dumm bin."

„Du bist nicht dumm, du verwendet dein Hirn nur nicht. Du glaubst, alles mit Gewalt lösen zu können."

„Der Stärkere gewinnt!"

„Falsch! Der Klügere gewinnt."

„Wie kommst du auf so eine Idee?"

„Das erkläre ich dir ein andermal, jetzt muss ich gehen."

Ich versuche wieder ein paar Schritte zurückzuweichen, aber diesmal greift er mich an. Er will mich nicht ziehen lassen. Ich bin aber vorbereitet, pariere den Schlag und starte einen Gegenangriff. Dumm ist nur, dass sich genau in dem Moment der am Boden liegende Schotte bewegt und ich beinahe über ihn stolpere.

Ich schaffe es, mich noch im letzten Moment zu fangen, aber der Anführer der Schotten ist zu schnell. Er packt mich, schleudert mich gegen die Felswand der Schlucht, ist im Nu vor mir und packt mich mit der linken Hand am Hals. Damit drückt er mich gegen den Stein.

„Jetzt habe ich dich, Lady", grinst er gemein. „Das Lachen ist dir nun wohl vergangen?"

Damit ich ihn mit meinem Schwert nicht angreifen kann, hat er seines fallen lassen und hält meinen Arm, in dem ich meine Waffe halte, fest gegen die Wand gepresst. Ich überlege fieberhaft. Das ist nicht ganz so einfach, weil er immer wieder fester zudrückt und mir damit die Luft abquetscht. Einmal sogar so lang, dass schon kleine schwarze Punkte durch mein Gesichtsfeld flimmern.

„Und nun?", frage ich. Meine Stimme ist etwas gepresst, weil mir die Luft fehlt.

„Ihr ergebt euch!"

„Wegen mir?"

„Du bist die Anführerin."

„Die kommen notfalls auch ohne mich zurecht", antworte ich gelassen. „Sie müssen es aber nicht."

Ich habe während unseres kleinen Disputs mit der linken das Messer gezogen, das ich immer an meiner Seite stecken habe und halte es ihm gegen die Kehle. Mit der Spitze verletzte ich sogar leicht seine Haut und ein Tropfen Blut quillt hervor.

„Wer ist jetzt der angeschmierte. Egal was du machst, ich kann zustechen und dich ins Jenseits befördern."

Ich sehe, wie er die Augen aufreißt und sich langsam seiner ausweglosen Lage bewusstwird. Er hält keine Waffe mehr in der Hand. Auch, wenn er zudrückt, um mich zu erwürgen, so bleibt mir immer noch genügend Zeit und Kraft, um das Messer in seine Kehle zu rammen. Das weiß auch er.

„Du bist am Arsch!", sage ich und lache gequält, weil mir allmählich die Luft fehlt.

„Ich bin was?", will er wissen.

„Das ist eine neumodische Ausdrucksweise der jungen Leute", lache ich.

Ich nehme mir allerdings vor, meine saloppe Sprache etwas zu zügeln. In meiner jetzigen Welt ist man da noch etwas rückständig. Meine Freundinnen aus Kindertagen würden sich echt wundern, wo ich gelandet bin. Den Begriff Jugendsprache kennt man hier definitiv noch nicht.

„Was machen wir jetzt?", frage ich.

In dem Moment erkenne ich, dass mein erster Angreifer, den ich zu Boden geschickt habe, sich erhebt. Ich sehe es ihm an, dass er unschlüssig ist, was er nun tun soll. Er ist aber offenbar nicht abgeneigt, mich anzugreifen.

„Ich an deiner Stelle würde friedlich bleiben. Eine falsche Bewegung und dein Häuptling, Anführer oder was immer er ist, hat mein Messer im Hals stecken."

„Was redest du da?", erkundigt sich mein Gegenüber. Er hat noch nicht bemerkt, dass der andere Mann sich erhoben hat.

„Dein Freund will dich befreien."

„Das soll er lieber lassen."

„Das sage ich doch auch. Aber sag es ihm und nicht mir."

„Jamie, misch dich nicht ein", sagte der Anführer. Damit wendet er sich eindeutig an seinen Freund.

„Weil wir so gemütlich beisammen und uns nähergekommen sind, wäre schön, wenn du mir auch deinen Namen verrätst."

„Ich heiße Colin."

„Schön Colin, wir haben uns nun gegenseitig an der Gurgel und sollten eine Lösung finden."

„Du könnest dich ergeben", grinst er.

„Könnte ich, mache ich aber nicht. Immerhin habe ich die tödliche Waffe in der Hand", halte ich dagegen.

„Es sieht nicht gut für mich aus", gesteht Colin.

„Du hast Glück, dass ich ein friedlicher Mensch bin."

„Du willst mir jetzt aber nicht sagen, ich lebe nur noch, weil du ein weiches Herz hast."

„Wenn du es so formulieren willst", lache ich. „Ich würde einfach sagen, ich bin die Vernünftigere und Klügere von uns beiden."

„Und das heißt jetzt was?"

„Wir sollten uns friedlich an einen Tisch setzen und reden."

„Über was sollen wir denn reden?"

„Dass ihr in der Klemme steckt?"

„Wir?"

„Was uns zwei angeht, könnte ich dich kalt machen und zurücklaufen. Was euch alle angeht, steckt ihr in einer Schlucht und wenn ihr auf uns losstürmen wollt, schlachten wir euch einen nach dem anderen ab. So einfach ist das."

„Was würdest du an meiner Stelle machen."

„Ich würde reden. Aber ihr Männer habt es ja nicht so mit Reden", grinse ich.

„Worüber sollen wir reden?"

„Ist das dein Ernst? Du willst hier diskutieren, während du mir die Kehle zudrückst und ich dir das Messer an den Hals drücke."

„Ich kann dich nicht loslassen?"

„Warum nicht?"

„Dann läufst du mir davon."

„Du bist aber ein helles Köpfchen. Ich ramme dir das Messer in den Hals und kann dann laufen, wie ich will. Dazu musst du gar nicht loslassen. Ich stehe hier, weil ich eine unblutige Lösung will. Aber dazu musst du mir wohl vertrauen."

„Ich tu mich schwer mit vertrauen."

„Hast du eine Wahl?"

Er schaut mich an, wie ein kleiner Junge, der nicht weiß, was er tu soll. Dann aber lässt er die Hand sinken und ich nehme das Messer weg.

„Kluge Entscheidung!", sage ich.

Ich bin erleichtert und atme auf. Auch, wenn ich am längeren Hebel saß, weiß man nie, wie so etwas am Ende dann ausgeht. Er hingegen schaut sich etwas unsicher zu seinen Leuten um. Sein Blick bleibt vor allem an Jamie hängen. Dieser blickt unzufrieden drein.

„Was ist?", will Colin frustriert wissen.

„Ich hätte das nicht gemacht", sagt Jamie leicht verbissen.

„Ich schätze, dass du offen deine Meinung sagst. Mich würde allerdings interessieren, was du gemacht hättest. Das Messer war an seiner Kehle", ergreife ich das Wort.

„Er hätte es nie so weit kommen lassen dürfen."

„Das sagst ausgerechnet du?", lache ich belustigt auf. Das scheint ihm weniger zu gefallen.

„Was ist daran so lustig", faucht er mich an.

„Du legst dich auf den Boden und schläfst dich aus, während dein Freund kämpft, und dann meckerst du herum, was man hätte, besser machen können. Mit Ruhm bekleckert hast du dich auch nicht gerade."

Meine Ansage scheint ihn zu treffen, er sagt aber nichts darauf, vermutlich weil ich nicht ganz falsch liege. Er hat im Kampf gegen eine Frau verloren. Das ist vermutlich auch bei den Schotten kein Grund, sich aufzuspielen.

„Und jetzt?", will Colin wissen.

„Deine Leute schlagen hier ihr Lager auf, meine Leute bewachen sie und wir gehen und reden mit dem Lord, wie man die Situation für alle zum Vorteil lösen kann."

„Du willst meine Leute, wie Gefangene behandeln?"

„Sie dürfen frei in der Schlucht lagern. Wir lassen sie nur nicht heraus. Damit können sie uns nicht überraschend angreifen. Wir tun ihnen sicher nichts."

„Darauf gibst du mir dein Wort?"

„Das gebe ich dir. Kein Problem."

Er überlegt kurz, dann hält er mir sein Schwert mit dem Griff in meine Richtung entgegen. Er will mir seine Waffe übergeben. Ich aber hebe abwehrend die Hände.

„Wenn ich von dir verlange, dass du mir vertraust, dann muss ich es auch bei dir tun. Komm, gehe wir!!"

Während Colin mich überrascht anschaut und das Schwert wieder zurück an seinen Gürtel steckt, schaut mich sein Freund herausfordernd an. Er scheint der impulsivere von beiden zu sein.

„Er soll allein gehen?", meckert Jamie.

„Wenn er jemand dabeihaben will, soll es daran nicht scheitern."

„Wen soll ich mitnehmen?", wendet sich Colin an mich.

„Ich würde die Nervensäge von Jamie mitnehmen", grinse ich. „Dann soll er seine Meinung sagen und nicht hinterher meckern."

„Das macht er sowieso?", grinst Colin.

„Deine Entscheidung!", grinse nun auch ich. Ich habe das Gefühl, wir verstehen uns.

„Na, was soll´s, komm mit!", sagt er zu seinem Freund.

Er gibt noch Anweisung, dass seine Leute ein Lager aufschlagen sollen und ich informiere meine Leute, dass sie die Stellung halten sollen. Solange die Schotten nicht angreifen, soll ihnen aber nichts geschehen.

Anschließend gehe ich auf den alten Lord zu und bitte ihn, ob wir uns bei ihm in der Burg zusammensetzen und reden können. Ich komme noch gar nicht dazu, meinen Plan vorzustellen, da will mich der Sohn bereits ausbremsen.

„Kommt gar nicht in Frage, wir setzen uns mit diesen Leuten nicht an einen Tisch", fährt er mich an. „Wie kommst du auf so eine blöde Idee?"

„Willst du lieber kämpfen?", frage ich leicht spöttisch. Langsam nervt mich der junge Mann.

„Wenn Ingrid sich zusammensetzen will, dann machen wir das", fährt jedoch der alte Lord dazwischen und bremst seinen Sohn aus, der mir etwas entgegnen will.

„Aber Vater ....", will der Junior antworten.

„Nichts aber, wir reden", schneidet ihm dieser das Wort ab.

Die beiden Lords, Colin und Jamie sowie Sif und ich machen uns auf den Weg zur Burg. Dort führt uns der alte Lord in ein gemütliches Kaminzimmer und bietet uns Platz an. Wir sitzen kaum, da kommt auch schon eine Magd und bringt uns Tee.

„Ich möchte dem Hausherrn nicht vorgreifen", beginne ich. „Aber ich möchte zunächst meine Freunde zum Ausdruck bringen, dass alle sich hier eingefunden haben und reden wollen. Ich bin mir sicher, wir finden eine friedliche Lösung."

„Eine friedliche Lösing, so ein Blödsinn!", ruft Jamie dazwischen.

„Halt den Mund oder du fliegst raus!", fahre ich ihn an.

„Du hast mir nichts zu sagen, Lady", hält er dagegen. Dabei spuckt er das Wort Lady förmlich heraus.

„Aber ich habe dir etwas zu sagen", fährt ihn Colin an. „Du begegnest Ingrid mit dem nötigen Respekt, sonst fliegst du tatsächlich raus."

Nach diesem Rüffel zieht sein Freund den Kopf ein und ich schenke dem Anführer der Schotten einen dankbaren Blick. Dann schaue ich auffordernd zum Lord hinüber. Der versteht mich offenbar sofort.

„Meine Damen und Herren, ich möchte euch in meiner Burg begrüßen. Es ist zwar ungewöhnlich, dass sich ausgerechnet zwei Schotten, zwei Wikinger und zwei Briten zusammensetzen, aber wenn es Ingrid so wünscht, dann bin ich zuversichtlich, dass es Sinn ergibt und etwas dabei herauskommt. Aus diesem Grund möchte ich auch gleich ihr das Wort erteilen."

„Warum ihr?", meckert sein Sohn.

„George, vertrau Ingrid. Sie weiß, was sie macht", sagt Sif, die neben ihm sitzt. Dabei legt sie eine Hand beruhigend auf seinen Arm.

Er schaut sie zuerst nur erstaunt an, entspannt sich dann aber doch. Nun sind alle Augen erwartungsvoll auf mich gerichtet.

„Meine Mutter hat in alter Wikingertradition Raubzüge angeführt. Sie hat es nicht anders gekannt. Dann aber ist sie sehr schnell dazu übergegangen, alles, was wir brauchen, bei uns anzubauen. Die Raubzüge haben wir danach nicht mehr gebraucht und wurden friedlich. Ein Unwetter hat uns nun aber in die Lage versetzt, dass unsere Vorräte zum Teil vernichtet wurden und wir nicht mehr genug davon haben.

Wir mussten handeln, um wieder an Getreide zu kommen. Ich habe allerdings von meiner Mutter gelernt, dass Raubzüge nicht gut sind."

„Warum nicht?", ruft Jamie dazwischen. Dann grinst er. „Man muss nur der Stärkere sein."

„Ob man der Stärkere oder der Unterlegene ist, es gibt immer Leid und Schmerz. Bei einem Überfall wird gekämpft und Männer sowie Frauen werden verletzt oder gar getötet. Außerdem wird dann meist alles mitgenommen, was man kriegen kann. Das ist ein Nachteil für alle.

Schon bei den Raubzügen damals hat meine Mutter nie alles mitgenommen. Sie hat nur das auf die Schiffe laden lassen, was die Menschen vor Ort mehr hatten, als sie zum Überleben brauchten, was sie entbehren konnten. Sie hat deshalb nie alles genommen, um nicht Hunger und Verzweiflung zurückzulassen."

„Das stimmt!", bestätigt der alte Lord.

„Das ist doch dumm!", ruft Jamie.

„Das ist ganz und gar nicht dumm. So haben alle das, was sie zum Leben brauchen und nicht der eine zu viel und der andere muss hungern. Aber warum muss man die Leute überfallen, das zumindest habe ich mir gedacht, als wir hierher aufgebrochen sind. Ich habe Leder sowie weiche Felle, die es hier nicht gibt, einladen lassen."

„Woher wusstest du, was es bei uns nicht gibt?", mischt sich der junge Lord wieder ein.

„Lass sie ausreden!", fährt sein Vater dazwischen. Ich werfe ihm einen dankbaren Blick zu.

„Ich wusste es von meiner Mutter", lüge ich. „Auf jeden Fall ist meine Idee, Tauschhandel zu betreiben. Wir versuchen herauszufinden, was die einen haben und die anderen brauchen."

„Wie soll so etwas ablaufen?", erkundigt sich Colin. Er scheint ernsthaft an meinem Vorschlag interessiert zu sein. Er hat mir auch bisher sehr aufmerksam zugehört.

„Ich kann mir vorstellen, dass ihr Schafe habt. In der Grafschaft von Lord McBrix hätte man gerne mehr Schafe wegen des Fleisches, hat aber nicht die nötigen Weideflächen, weil man Korn anbaut. Ihr gebt also dem Lord von eurem Fleisch oder bringt die Schafe her, er gibt euch dafür Getreide. Das ist aber nur ein Beispiel, es können auch ganz andere Waren sein. Versucht doch herauszufinden, was der andere braucht und ihr ihm bieten könnt."

„Klingt gut, aber wie soll man herausfinden, was der andere braucht?", wirft Colin ein.

„Redet miteinander, erkundigt euch! So weit ist Schottland nicht weg. Du könntest einen Boten schicken, der aushandelt, was der Lord braucht und wieviel Getreide er abgeben kann. Danach wird geliefert. Wir hingegen sind weit weg und da ist es schwierig einfach mal einen Boten vorbeizuschicken. Deshalb habe ich einladen lassen, was ich dachte, dass der Lord brauchen könnte und habe mein Glück versucht."

„Das klingt vernünftig", gibt Colin zu.

„Das ist viel zu kompliziert", tut Jamie meinen Vorschlag ab.

„Du bist nur beleidigt, weil dich eine Frau besiegt hat", lacht der junge Lord.

„Ist gar nicht wahr."

„Ich denke auch, du willst dir von einer Frau nichts sagen lassen", mischt sich nun auch Colin ein. „Noch dazu von einer, die dich im Handumdrehen außer Gefecht gesetzt hat."

„Das ist nur dumm gelaufen", wehrt Jamie sich. Ihm ist die Diskussion sichtlich peinlich.

„Das würde ich an deiner Stelle auch behaupten", grinse ich.

„Wir können ja noch einmal kämpfen", meint Jamie herausfordernd.

„Lass es lieber. Mit Ingrid zu kämpfen ist keine gute Idee", lacht mein Vater, der gerade zur Tür hereinkommt. „Da kannst du dich auch gleich von der Klippe stürzen."

Alle lachen. Nur Jamie schaut grimmig drein.

„Warum sollte ich mich von der Klippe stürzen?"

„Selbstmord ist beides. Von der Klippe zu springen, tut allerdings weniger weh, weil es schneller geht", lacht mein Vater.

„Das hat man von meiner Mutter auch gesagt, als sie zu euch kam", lache ich.

„Du hast heute bewiesen, dass du Alvas Tochter bist", meint mein Vater voller Stolz.

„Das stimmt", pflichtet ihm auch der alte Lord bei. „Ganz die Mutter. Immer für eine Überraschung gut."

Kapitel 7

Colin und der alte Lord haben meinen Vorschlag angenommen, Jamie und der junge Lord mussten sich missmutig beugen, obwohl sie nach wie vor anderer Meinung sind. Da mir der Anführer der Schotten die Zusicherung gegeben hat, dass er nicht mehr angreifen wird, haben wir es seinen Leuten erlauft, die Schlucht zu verlassen und einen bequemen Lagerplatz zu suchen.

Ich stehe an der Klippe und blicke hinaus auf das Meer. Morgen wollen sich der Lord und Colin zusammensetzen und im Detail darüber sprechen, wie sie Waren austauschen wollen. Ich denke, ich konnte Frieden stiften, zumindest im Kleinen. Während ich noch nachdenke, tritt mein Vater neben mich.

„Du bist wirklich, wie deine Mutter. Auch sie hat sich immer zur Klippe zurückgezogen, wenn sie allein sein wollte, um nachzudenken."

„Glaubst du, Mutter hätte es auch so gemacht?", frage ich unsicher.

„Ich weiß nicht, ob sie es so gemacht hätte wie du. Damals waren auch andere Zeiten. Ich bin mir jedoch sicher, sie wäre stolz auf dich, furchtbar stolz. Du hast eine schwierige Situation gelöst, ohne auch nur einen Tropfen Blut zu vergießen. Das hätte auch sie so gewollt. Sie war gegen Gewalt und für die Verständigung der Menschen."

„Ich hoffe, ich kann die beiden davon überzeugen, dass es zum Vorteil aller ist, wenn man Handel betreibt."

„Bist du sicher, dass das klappt?", will der alte Lord wissen. Er muss sich uns unbemerkt genähert haben.

„Es könnte noch viel weiter ausgebaut werden, aber man muss zunächst klein beginnen", antworte ich.

„Wie meinst du das?"

„Man könnte in einem zweiten Moment Münzen einführen. In anderen Teilen der Welt gibt es so etwas schon. Diese haben einen bestimmten Wert. Dieser muss immer gleichbleiben. Ich mache dir ein Beispiel. Du hast Getreide und Colin braucht es, hat aber nichts, was er dir geben kann, dann gibt er dir eben Münzen. Diese kannst du verwenden, um Schafe bei jemand anderem zu kaufen, der die Münzen dann wieder an Colin gibt, weil er bei ihm Whisky kauft. So kann man Handel betreiben, auch wenn der andere nicht genau das bieten kann, was man selbst im Augenblick braucht."

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