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Die Wikingerfibel Teil 04

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„Ich habe Angelhaken. Hier kommen sie."

Wir haben schon am ersten Tag ein Tau von einem Schiff zum anderen gezogen. Daran haben wir bereits in den letzten Tagen immer wieder Gegenstände hin und her befördert. Auch das ist eine Erfindung von mir. Nun hänge ich einen Beutel an die Schnur und lasse ein paar Angelhaken hinüber.

Er packt sie aus und schaut sich meine Konstruktion an. „Aua!" schreit er, als er den Finger gegen die Spitze drückt und sich damit natürlich piekst.

„Wie geht das?", will er wissen.

Ich hole ein Stück Trockenfleisch, spieße es an den Haken und lasse ihn dann ins Wasser hinuntersinken. Mein Vater beobachtet mich genau und macht es mir dann nach. Allerdings sehe ich ihm an, dass er es für Zeitverschwendung hält und nur mitmacht, um etwas zu tun zu haben.

„Und jetzt?", murrt er, nachdem der Haken im Wasser ist.

„Jetzt heißt es warten", antworte ich gelassen.

„Ist das langweilig", jammert er keine 10 Minuten später.

„Geduld!", lache ich.

„Uffa!", meckert er.

Ich lass mich davon allerdings nicht beirren und halte meine Schnur weiter fest. Plötzlich spüre ich, wie etwas heftig daran zieht.

„Ich hab etwas!", rufe ich.

„Und was? Womöglich hast du ein Seeungeheuer angelockt", neckt mich mein Vater.

Mir bleibt allerdings keine Zeit, auf seine Sticheleien zu antworten. Ich ziehe an der Schnur und bekomme Hilfe von Sif, die mich fragend anschaut.

„Das muss aber ein ordentlicher Fang sein", sage ich vergnügt. „Heute gibt es Fisch zum Abendessen."

„Den kann doch keiner kochen", ätzt mein Vater.

„Dann koche ich!"

„Oh Gott, kannst du kochen?"

„Besser als du auf jeden Fall", lache ich.

Zusammen mit Sif holen wir einen riesigen Brocken an Bord. Nun schaut auch mein Vater überrascht. Ich habe beinahe den Eindruck, als sei er neidisch.

„Das ist ein Tunfisch. Das wird lecker", sage ich zufrieden.

Während mein Vater mich staunend beobachtet, hole ich mein Messer hervor und ramme es dem Fisch in den Nacken. Ich treffe das Rückenmark und durchtrenne es. Sofort fällt der Fisch reglos in sich zusammen und bleibt leblos liegen.

„Der ist essbar?", erkundigt sich Sif.

„Das ist einer der besten Speisefische. Das wird heute ein Festmahl. Hoffen wir, dass mein Vater genauso viel Glück hat", lache ich.

Ich hole die Angel aus dem Maul des Fisches und nehme ihn aus. Ich hänge wieder einen Köder an den Haken und werfe ihn zurück ins Wasser. Ich muss lachen, als es schon 10 Minuten später danach aussieht, als würde schon wieder etwas am Haken hängen. Und tatsächlich, wenig später hieve ich erneut einen Tunfisch an Bord. Diesmal ist es ein noch größeres Tier. Damit haben wir genug fürs Abendessen.

„Du kannst deine Angel einholen", rufe ich meinem Vater zu. „Wir haben genug für das Abendessen."

„Angeberin!", grinst er.

Auch diesen Fisch töte ich schnell mit einem gezielten Stich in den Nacken und nehme ihn auch gleich aus. Danach gehe ich unter Deck und bereite die Tiere vor, um sie dann in den Ofen zu schieben. Schon nach einer Stunde steigt ein herrlicher Duft auf und erfüllt einen Teil des Schiffes. Als der Fisch endlich fertig ist, kommen wir alle zusammen und essen.

Von meinem Erflog beflügelt versuchen sich am nächsten Tag mehrere von der Mannschaft beim Fischen, schaffen es aber nicht wirklich, einen so guten Fang zu machen, wie ich. Es sind alles nur kleine Fische, die sie aus dem Wasser holen. Ich hatte am Vortag vermutlich Glück, dass gerade ein Schwarm Tunfische unseren Weg gekreuzt haben.

Die meisten geben sich selbstsicher und werfen die Angelruten aus. Nur Sif kommt zu mir, lässt sich erklären, wie ich es machen soll und lässt sich ganz besonders beim Köder von mir helfen. Sie lässt sich auch beraten, wie sie die Angel ins Wasser halten muss und ähnliches. Die Männer dagegen sind wohl zu stolz, sich bei einer Frau Rat zu holen.

„Ingrid, Ingrid, ich hab etwas. Das muss gewaltig groß sein", ruft sie schon nach einer Viertelstunde. Damit sind alle Augen auf sie gerichtet.

Ich laufe zu ihr und gemeinsam holen wir den Angelhaken ein. Da wir keine moderne Angelrute haben, sondern nur eine Hanfschnur, ist es etwas mühsam. Aber wir schaffen es doch.

Als wir einen großen Tintenfisch an Deck hieven, springen Sif und die Männer in der Nähe schreiend zurück. Offenbar haben sie noch nie ein solches Tier gesehen.

„Was ist das?", will Sif wissen.

„Ein Seeungeheuer!", ruft einer der Männer.

„Ja, ja, ein Seeungeheuer", lache ich. „Ist das Vieh dafür nicht etwas zu klein?"

„Ein kleines Seeungeheuer", meint er kleinlaut.

„Das ist ein Tintenfisch", erkläre ich lachend.

„Ein Tintenfisch?", erkundigt sich Sif.

Sie kommt wieder näher, beäugt den Fang, der mit seinen langen Tentakeln etwa einen dreiviertel Meter lang und damit ein recht großes Exemplar ist. Ihr Gesichtsausdruck ist dabei allerdings immer noch ausgesprochen kritisch. Vor allem, weil sich dieser mit seinen Beinen vorwärtsbewegt, als ich ihn auf den Planken absetze, kommt er ihr wohl sonderbar vor.

„Wenn er glaubt, in Gefahr zu sein, verspritzt er eine dunkle Flüssigkeit, die im Wasser eine Wolke bildet und ihn einhüllt. Er nützt die Zeit, in der sich der Angreifer neu orientieren muss, um zu verschwinden", erkläre ich ihr.

„Kluges Kerlchen", grinst Sif.

Ich hebe den Tintenfisch wieder hoch, weil er sich von mir wegbewegt und schon verspritzt er einen Strahl seiner Tinte. Sif erschrickt und springt erneut zur Seite, lacht dann aber, als sie versteht, was das Tier macht.

Ich aber töte den Tintenfisch mit einem gezielten Schnitt mit meinem Messer. Überrascht schaut mich Sif an.

„Kann man dieses Tier essen?", will sie skeptisch wissen.

„Und ob! Tintenfisch ist ausgesprochen lecker."

Alle schauen mich an und ich kann deutlich sehen, dass die meisten nicht davon überzeugt sind, dass man dieses Tier verspeisen kann.

„Damit haben wir noch nicht genug. Werft die Angeln wieder aus. Oder sollen wir verhungern", rufe ich belustigt.

Während ich den Tintenfisch putze und dann in einen Holzeimer mit Wasser gebe, versuchen sich die anderen erneut mit Fischen. Es dauert etwa eine Stunde.

„Ich hab´ etwas, ich hab´ etwas", ruft plötzlich mein Vater.

Ich eile zu ihm und tatsächlich hat er diesmal Glück. Ein ordentlicher Brocken hängt an seinem Haken. Es ist erneut ein Tunfisch. Mein Vater, kaum, dass er das Tier erkennt, bläht seine Brust und ich kann ihm ansehen, wie stolz er ist.

Auch dieses Mal bin ich es, welche die Tiere zubereiten muss. Während alle beim Tunfisch kräftig zugreifen, sind es beim Tintenfisch nur wenige. Diese allerdings sind echt begeistert und loben meine Kenntnisse und meine Kochfähigkeiten. Auch der Tintenfisch wird am Ende komplett verspeist.

Am nächsten Tag kommt bereits im Laufe des Vormittags eine Brise auf. Wir können endlich wieder die Segel setzen und unsere Reise fortsetzen. Solche Flauten sind in der Ostsee selten, aber man muss sie hinnehmen, wenn sie sich ergeben. Eine andere Möglichkeit hat man nicht, sofern das Schiff nicht über einen Motor verfügt.

Zum Glück werden die Winde von Tag zu Tag kräftiger und wehen günstig. Damit können wir unsere Reise fortsetzen und holen sogar die verlorene Zeit weitgehend wieder auf. Sif muss zwar nach der Flaute den Kurs leicht korrigieren, da wir etwas abgetrieben wurden, aber wir halten weiterhin auf die Stelle zu, an der bereits meine Mutter Britannien betreten hat und wo sie auf McBrix gestoßen ist.

Kapitel 5

Meine Leute werden beinahe ungeduldig, als wir nach Wochen auf hoher See immer noch kein Land zu Gesicht bekommen. Mir ist schon klar, dass wir eben die Zeit brauchen, welche eine solche Überfahrt in Anspruch nimmt. Für die Besatzung wird es aber zunehmend langweilig und selbst das Wasserskifahren kann sie nicht mehr ausreichend ablenken.

Ich stehe wieder einmal ganz vorne am Bug und blicke hinaus auf das Meer. Wie meistens in letzter Zeit, steht auch Sif bei mir. Sie könnte inzwischen selbst ein Schiff führen und ich überlasse ihr inzwischen fast die gesamte Berechnung des Kurses. Nur, wenn sie Befehle an die Mannschaft erteilen muss, ist sie oft noch recht zurückhaltend. Deshalb versuche ich ihr klarzumachen, dass sie die Anweisungen deutlich in strengem Ton geben und klar machen muss, dass sie keinen Widerspruch duldet.

„Die Mannschaft wird langsam ungeduldig", meint sie.

„Ich sehe das auch. Aber solche Reisen brauchen eben ihre Zeit."

„Da!", ruft plötzlich Sif. „Da! Ein Baumstamm. Wir sind in der Nähe von Land."

Nun sehe auch ich den im Wasser treibenden Stamm und bin mir sicher, dass wir unserem Ziel sehr nahe sind.

„Gut erkannt!", lobe ich sie.

Während ich sie bitte, die Umgebung weiter im Auge zu behalten, informiere ich die Mannschaft und klettere hinauf ins Nest. Der Ausguck, den meine Mutter hat bauen lassen, ist auch für mich zu einem vertrauten Ort auf diesem Schiff geworden. Von hier oben aus hat man eine wesentlich bessere Aussicht.

Und tatsächlich, von oben aus kann ich die Steilküste erkennen, die in der Nähe des Horizonts aus dem Meer ragt. Deshalb gebe ich den Befehl, einen Teil der Segel abzunehmen, um die Geschwindigkeit zu drosseln.

Da es bereits Nachmittag ist, warten wir noch etwas ab und nähern uns erst im Schutz der Dunkelheit der Küste. Dabei müssen wir sehr vorsichtig ans Werk gehen, um nicht gegen die Steilküste zu stoßen. Dabei könnte das Schiff beschädigt werden.

Ich entdecke etwas weiter westlich eine Stelle, an der man an Land gehen kann. Da wir Vollmond und noch dazu gutes Wetter haben, kann ich es wagen, mich auch nachts der Küste zu nähern. Dies hat den großen Vorteil, dass wir von Land aus nicht so leicht auszumachen sind.

Vorsichtig und langsam, aber schlussendlich sicher und unbemerkt gelangen wir zur Küste und können an Land gehen. In der Nähe muss sich ein Dorf befinden, denn in der Abenddämmerung habe ich vom Meer aus ein paar rauchende Schornsteine ausmachen können.

Ich warte den Morgen ab, meine Leute bleiben dabei an Bord der Schiffe. Wir ankern mit genügend Abstand zum Ufer, um sicher zu sein. Ich gehe am Morgen mit meinem Vater und einem weiteren Mann an Land.

„Darf ich mitkommen?", meldet sich Sif.

„Wir wissen nicht, was uns erwartet", sage ich. „Es wäre besser für dich und die Mission, wenn du an Bord bleibst."

„Warum für die Mission?", erkundigt sie sich erstaunt.

„Weil du, sollte mir etwas widerfahren, die einzige bist, die den Weg nach Hause finden kann."

„Du meinst ...?"

„Sei nicht so überrascht. Du hast fast allein den Weg hierher gefunden, du wirst auch die Route für die Rückreise berechnen können."

„Du hast aber kontrolliert."

„Und keinen Fehler dabei gefunden. Sif, du bist gut und wir brauchen dich. Wenn alles sicher ist, kannst du gerne mitkommen."

„Von mir aus", meint sie etwas enttäuscht.

Ich gehe auf sie zu und nehme sie in den Arm. Ich kann sie verstehen. Seit Wochen begleitet sie mich wie ein Schatten und versucht, mich zu beobachten und von mir zu lernen. Aber in diesem Moment ist es einfach ratsam, nicht gemeinsam zu gehen.

„Du bist wichtig. Deshalb dürfen wir nicht zusammen gehen, nicht weil ich dich nicht dabeihaben will."

„Ich kann es irgendwie nicht glauben, dass ich wichtig bin. Das war ich mein ganzes Leben lang nicht."

„Du bist wichtig, sehr sogar!", versichere ich ihr.

Ich nehme sie erneut in den Arm und drücke sie an mich. Dann mache ich mich auf den Weg. Meinen Vater habe ich bewusst ausgewählt, weil er schon einmal hier war. Er hat damals meine Mutter auf der Fahrt begleitet. Natürlich wäre er eine Autoritätsperson, die im Notfall das Kommando über die Schiffe übernehmen könnte, aber sein Wissen über die Gegend ist nun einmal wichtiger.

„Du hast das gut gemacht. Deine Mutter hat genau an dieser Stelle geankert und wir sind an Land gestürmt."

„Dann hoffen wir, dass wir auf die gleichen Leute treffen und sie uns friedlich empfangen."

„Das hoffe ich auch", entgegnet er.

Mein Vater übernimmt die Führung und wir gehen ein ganzes Stück, bis wir vor einem Schloss stehen. Es ist kleiner als unsere Burg aber mindestens ebenso wehrhaft.

„Das ist das Schloss von McBrix", informiert mich mein Vater.

„Dann wollen wir doch einmal hallo sagen", antworte ich vergnügt.

Mit entschlossenen Schritten gehe ich auf das Schlosstor zu und hämmere mit der Faust dagegen. Es dauert etwas, bis jemand oben auf der Mauer erscheint.

„Was wollt ihr?", ruft ein Mann herab. Ich gehe davon aus, dass es sich um eine Wache handelt.

„Wir wollen mit euch sprechen."

„Ihr drei?"

„Ja, wir drei."

„Macht das Tor auf!", gibt er Anweisung an seine Leute.

Erneut dauert es einige Zeit, bis ein Flügel des Tores aufschwingt. Vorsichtig gehe ich hinein, meine Begleiter folgen mir. Es ist nur ein jüngerer Mann zu sehen, der über den Hof auf uns zukommt sowie der Mann, der das Tor aufgemacht hat.

Plötzlich fällt das Tor hinter uns lautstark ins Schloss und aus einigen Nischen kommen bis dahin verborgene Kämpfer hervor. Sie treten mit gezogenen Schwertern entschlossen auf uns zu. Mein Vater und der zweite Mann wollen sofort ihre Waffen ziehen, aber ich bremse sie.

„Bleibt ruhig", ermahne ich sie. „Wir hätten eh keine Chance."

Mein Vater wirft mir einen skeptischen Blick zu, lässt die Waffe aber schlussendlich doch stecken. Ihm ist deutlich anzusehen, dass er es gewohnt ist, sich zu verteidigen. Ich hingegen verschränke bewusst die Arme und schaue dem jungen Mann, der immer noch auf uns zukommt, geradewegs entgegen.

Die Wachen haben uns inzwischen umstellt und mehr als ein Dutzend Schwertspitzen sind auf uns gerichtet. Der junge Mann, der uns inzwischen erreicht hat, hat seine Waffe ebenfalls gezogen und die Spitze zeigt genau gegen meinen Hals.

Eine Zeit lang sagt keiner ein Wort. Mit einem hämischen Grinsen mustert mich der junge Mann. Ich kann aber nicht einschätzen, was er denkt. Er wirkt verschlossen und scheint von unserem Auftauchen nicht sonderlich begeistert zu sein. Ich habe den Eindruck, ihn bringt meine Gelassenheit etwas durcheinander.

Während er mich mustert, lässt er die Spitze seines Schwertes zu meiner Brust absinken und beschreibt dort einen Kreis, fast so, als wolle er sich die Stelle aussuchen, an der er gleich zustechen wird. Trotzdem lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen.

„Das ist aber eine sonderbare Art, friedliche Besucher zu empfangen", sage ich gelassen. Ich will das Eis brechen, wenn er es schon nicht tut. „Wenn ich mich vorstellen darf, ich bin Ingrid aus Haugesund."

„Ihr seid Wikinger und als solche eine Bedrohung."

„Wer sagt das?"

„Mein Vater hat mir erzählt, wie uns die Wikinger überfallen haben."

„Hat er auch erzählt, dass er meine Mutter gerne hierbehalten hätte, um sie zur Frau zu nehmen?"

„Das war deine Mutter?"

„Das war meine Mutter, Alva aus Haugesund. Und du bist der Sohn von Earl John McBrix?"

„Lord McBrix", meint er hochnäsig.

„Inzwischen Lord? Gratuliere!"

„Ich glaube nicht, dass ihr gekommen seid, um Höflichkeiten auszutauschen."

„Genau, wir wollen euch ein Tauschgeschäft vorschlagen."

„Ein Tauschgeschäft? Unser Leben gegen Waren?"

„Nein, dieses Mal haben auch wir Waren mit dabei, die euch interessieren könnten. Wir wollen Handel treiben und niemanden überfallen. Wäre auch lächerlich, wenn wir drei hier an die Tür klopfen würden, um euch auszurauben."

„Es könnte ein Trick sein."

„Ja, ja, wir könnten aber auch eine Erscheinung sein und in Wirklichkeit gibt es uns gar nicht", antworte ich leicht genervt.

„Wenn es euch nicht passt, könnt ihr gerne gehen."

„Das könnten wir. Wir könnten dann aber auch wiederkommen und kämpfen", antworte ich gefährlich leise.

„Siehst du, da haben wir´s. Wenn ihr nicht bekommt, was ihr wollt, dann droht ihr mit Gewalt."

„Ja glaubst du, wir sind den langen Weg hierher gereist, um hallo zu sagen und uns dann wieder gleich vom Acker zu machen?", halte ich entschlossen dagegen. „Aber ich denke, wir fahren einfach an der Küste etwas weiter und treffen dort auf andere Leute, solche, die freundlicher sind und mit uns Handel treiben wollen."

„John, was ist hier los?", ertönt plötzlich eine Stimme.

Sie ist kräftig und voller Autorität. Sie schallt über den Hof zu uns und ich muss zunächst schauen, woher sie kommt. Da die Stimme von den Wänden des Innenhofes mehrfach als Echo zurückgeworfen wird, bin ich im ersten Moment irritiert.

Dann aber entdecke ich einen Mann, im Alter meines Vaters, der über den Hof auf uns zukommt. Er hat weißes Haar, das ihm etwas wirr um den Kopf hängt.

„Nehmt doch die Waffen runter. Ihr macht euch doch lächerlich. Drei Personen in unserem Hof umzingelt von unseren Kriegern, stellen doch hoffentlich keine Gefahr dar."

„Das habe ich auch schon gesagt, aber auf mich hört ja keiner", antworte ich grinsend.

Der Mann mustert mich eingehend, als die Krieger die Waffen senken und etwas zur Seite treten, um ihm zu ermöglichen, auf uns zuzukommen. Wir schauen uns einige Zeit schweigend an. Seine Augen sind noch voller Leben und funkeln vielsagend. Ich habe sofort den Eindruck, einen weisen Mann vor mir zu haben und bin erleichtert. Mit ihm kann ich sicher vernünftig verhandeln. Davon bin ich überzeugt.

„Du bist etwas vorlaut. Dafür, dass du die Jüngste bist und noch dazu eine Frau, solltest du zurückhaltender sein", grinst er.

„Sind es nicht oft die Frauen, die etwas auf dieser Welt verändern."

„Ich hatte bisher nur einmal das Glück eine Frau zu treffen, welche wirklich das Zeug hatte, die Welt zu verändern."

„Meine Mutter!", sage ich geradeheraus.

„Deine Mutter? Du bist die Tochter von Alva aus Haugesund?"

„Ich bin Ingrid aus Haugesund, Tochter von Alva und Fjell. Das ist er, mein Vater", antworte ich. Dabei zeige ich auf meinen Begleiter.

„Jetzt ist mir alles klar. Du bist Alvas Tochter, daran besteht kein Zweifel. Jetzt, wo ich dich genauer anschaue, bist du ihr, wie aus dem Gesicht geschnitten und du bist genauso entschlossen, wie sie."

„Viele sagen das."

„Was führt dich zu uns? Kommt herein", meint er.

Dabei macht der Lord eine einladende Handbewegung in Richtung des großen Eingangstores. Er selbst ist entspannt und ich erkenne, dass das Eis gebrochen ist.

Die Krieger allerdings wissen nicht so recht, wie sie sich verhalten sollen und auch sein Sohn scheint etwas irritiert zu sein. Mir allerdings ist klar, der Lord schwelgt in Erinnerungen.

„Wenn sie unsere Burg betreten, müssen sie die Waffen ablegen", meldet sich der Sohn zu Wort.

„Alvas Tochter wird ganz sicher nicht ihre Waffen ablegen, dafür ist sie viel zu stolz, wenn sie nach ihrer Mutter kommt. Aber ich vertraue ihr."

„Vater, du bist doch sonst nicht so leichtsinnig."

„Leichtsinnig? Ingrid gehört für mich ein wenig zur Familie", sagt er geradeheraus.

Sein Sohn und ich schauen ihn gleichermaßen verblüfft an. Ich wusste aus den Erzählungen, dass er in meine Mutter verschossen war, dass er jedoch so weit gehen würde, hätte ich wirklich nicht gedacht. Er aber scheint unsere Überraschung zu erkennen.

„Ich habe deine Mutter mein Leben lang bewundert für das, was sie getan hat und wie sie sich verhalten hat. Sie war eine kluge und ehrenhafte Frau. Ich hatte mich damals in sie verliebt und habe es bedauert, dass sie wieder nach Hause musste. Trotzdem war sie für mich immer ein Vorbild.

„Und Mutter?", meint der Sohn empört.

„Keine Angst, deine Mutter liebe ich noch heute, aber auf eine andere Art. Sie hat mich mit ihrer Sanftmut und ihrer Hingabe für die Familie beeindruckt. Aber sie war eine Frau, die sich hinter den Mann gestellt hat. Alva hingegen war entschlossen und hat immer selbst ihre Entscheidungen getroffen.

Sie und ihre Leute haben uns damals überfallen und doch war es kein Raub im eigentlichen Sinn. Sie hat kein sinnloses Blutvergießen geduldet, sie hat selbst gekämpft und ihre Leute geschont. Auch ich bin mir nie so vorgekommen, als hätte sie mich zu etwas gezwungen."

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