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Die Wikingerfibel Teil 04

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„Das klingt vernünftig", antworte ich.

„Du liebst sie noch heute?", will sein Sohn wissen.

„Irgendwie schon", gibt er überraschend ehrlich zu. „Aber anders als deine Mutter. Alva ist zwar weggegangen, sie ist mir aber immer ein Vorbild geblieben und ich habe mein Handeln nach ihrem Vorbild ausgerichtet. So gesehen war sie die ganzen Jahre doch irgendwie bei mir."

„Sie ist in deinem Herzen geblieben", sage ich verträumt.

„So kann man sagen", meint er. „Und jetzt kommt herein."

Damit dreht er sich abrupt um und geht auf das Tor zu, das ins Innere des Schlosses führt. Der junge Lord und ich schauen uns an, er zuckt mit den Achseln und setzt sich ebenfalls in Bewegung.

„Dann komm, wenn Vater es schon sagt", meint er schmunzelnd. „Halbschwester!"

Ich schaue überrascht, setze mich dann aber ebenfalls in Bewegung und meine Begleiter folgen mir. Durch das Tor gelangen wir in eine Eingangshalle. Der alte Lord geht aber weiter und wir gelangen in eine Art Rittersaal. Zumindest würde ich mir einen solchen so vorstellen.

„Hier hat sich nichts verändert", meint Vater. Er sagt es zwar eher zu sich selbst, sagt es aber doch so laut, dass wir es alle hören.

„Du warst schon einmal hier?", will der Lord wissen.

„Damals mit Alva."

„Ist sie zu Hause geblieben?"

„Meine Mutter ist vor einiger Zeit gestorben."

„Das tut mir ehrlich leid", meint der alte Brite.

„Ich glaube, sie hätte gewollt, dass wir nach vorne schauen und deshalb sind wir hier. Ein Unwetter mit Überschwemmungen hat einen großen Teil unserer Getreidevorräte vernichtet und deshalb sind wir hier. Wir möchten euch einen Handel anbieten", wechsele ich das Thema. „Das hier ist übrigens mein Vater, Alvas Mann."

„Du bist also der Glückspilz, der sein Leben mit ihr verbringen durfte und ihr Herz erobert hat."

„Ich habe wirklichen jeden Tag mit ihr genossen und ich bin froh, dass sie mir eine so wunderbare Tochter geschenkt hat", antwortet mein Vater gerührt.

„Sie sieht ihr ähnlich und sie scheint auch ihren Charakter geerbt zu haben. Zumindest wirkt sie genauso entschlossen, wie ihre Mutter."

„Fast noch mehr", grinst mein Vater. „Sie ist in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten. Alva wäre stolz auf sie."

Ich bin gerührt von seinen Worten. So deutlich hat er mir das noch nicht gesagt. Dabei habe ich das Leben des Stammes ganz schön aufgemischt. Nach langer Zeit führe ich wieder eine Reise zu neuen Ufern an. Diesmal allerdings nicht mit räuberischen Absichten und ich hoffe, dass wir auch nach dieser Reise langsam, langsam Handelsbeziehungen zu den umliegenden Gebieten aufbauen können. Aber das hat noch Zeit und wird ein ganz schönes Stück Arbeit mit sich bringen und mir vor allem Überzeugungskraft abverlangen.

Im Moment sind wir hier und ich hätte es nicht besser treffen können. Der alte Lord hat uns mit offenen Armen empfangen und ich bin mir sicher, dass wir die Mission erfolgreich zu Ende bringen können.

„Setzt euch und erzählt, was genau führt euch zu uns", sagt McBrix Senior.

„Wie schon gesagt, wir brauche Getreide. Ein Unwetter hat einen großen Teil unserer Vorräte vernichtet. Das, was uns geblieben ist, reicht nicht einmal für die Aussaat. Außerdem haben wir bis zur nächsten Ernte nichts mehr zum Brotbacken."

„Ihr braucht Getreide. Das kann ich euch geben."

„Wir haben Felle und Leder mitgebracht. Ich hoffe, ihr könnt so etwas brauchen, dann kämen wir ins Geschäft."

„Wir brauchen keine Felle und kein Leder. Wir haben selbst genug davon", mischt sich der junge Lord ein.

„Was für Felle habt ihr?", will sein Vater jedoch wissen. Er übergeht damit den Einwand seines Sohnes.

„Wir haben sehr weiche und warme Felle und weiches Leder mitgebracht. Rentierleder und Bärenfelle."

„Bären? Gibt es bei euch Bären?"

„Braunbären gibt es bei uns. Sie kommen nicht direkt an der Küste vor, sondern eher im Hinterland. Aber es reicht, immer wieder einen zu erlegen."

„Was sind Bären?", will der Junior wissen.

„Bei uns in der Nähe gibt es diese Tiere nicht. Es sind große Raubtiere, die durch die Wälder streichen und ein unglaublich schönes Fell besitzen", erklärt ihm sein Vater.

„Und Rentiere?"

„Die geben uns ein sehr weiches Leder", erkläre ich.

„Sehr weiches Leder? Das könnten wir gut brauchen", gibt der Junior nun zu. „Wir haben nur so hartes Rinderleder."

„Nun ja, wir haben auch Leder von anderen Tieren", wirft sein Vater ein.

„Aber ein schönes festes und doch weiches Leder wäre genau das, was wir brauchen würden", hält sein Sohn dagegen. Dann wendet er sich an mich. „Kannst du mir zeigen, was du mitgebracht hast?"

„Vertraust du mir genug, um mit uns auf unsere Schiffe zu kommen?", stelle ich eine Gegenfrage.

Der junge Lord schaut mich gespielt skeptisch an. Dann aber lacht er los und haut sich belustigt mit den Händen gegen seine Schenkel.

„Ich soll Angst vor dir haben?", grinst er. „Wenn, dann eher vor deinen Leuten."

„Täusch dich nicht, mein Sohn", mischt sich der Vater ein. „Wenn Ingrid auch nur halb so gut kämpft, wie ihre Mutter, dann hast du gegen sie keine Chance."

„Ich bin der beste Schwertkämpfer weit und breit."

„Das mag schon sein, aber Alva konnte kämpfen, wie ich noch nie einen Mann habe kämpfen sehen. Ich nehme an, sie hat es ihrer Tochter beigebracht und ich wette, sie war eine sehr gute Lehrerin."

„Ha, gegen mich hat sie trotzdem keine Chance."

Dabei lacht er mich herausfordernd und überheblich an. Sein Vater schaut neugierig zu mir. Ich glaube, ihn interessiert, wie ich reagiere. Aber ich komme nicht mehr wirklich dazu.

Die Tür zum Saal wird aufgerissen und ein Mann kommt hereingerannt. Er scheint völlig erschöpft und außer Atem zu sein. Er muss sich am Tisch festhalten, während er heftig atmend den Lord anschaut.

„Die Schotten, die Schotten kommen!", sagt er abgehakt, weil er noch gar nicht richtig in der Lage ist, zu sprechen.

„Wo sind sie."

„Ich habe sie etwa einen halben Tagesmarsch von hier gesehen und bin gleich losgerannt. Ich denke, sie werden heute Abend hier sein."

„Die Schotten?", frage ich sogleich. Dabei weiß ich zwar, was die Schotten sind, aber ich verstehe nicht, warum die angreifen sollten.

„Das ist ein Volk, das in diese Richtung wohnt", antwortet mir der Lord. Er denkt wohl, ich weiß nicht, wer die Schotten sind.

Dabei macht er eine Handbewegung und deutet gegen Norden, nehme ich an. Trotzdem hat er nicht das gesagt, was mich interessiert.

„Was wollen sie?", frage ich deshalb nach.

„Unsere Ernte."

„Das Getreide?"

„Genau!"

„Das gehört euch und uns."

„So ist es. Helft ihr uns, es zu verteidigen? Sonst bleibt euch keines mehr."

„Kommen die Schotten öfters?"

„Immer dann, wenn sie Hunger leiden."

„Greifen sie dann immer gleich an?"

„Die Schotten sind Naturburschen. Sie versuchen uns zu überrennen. Richtig kämpfen können sie nicht. Deshalb müssen sie den Überraschungseffekt nutzen."

„Wie viele sind es?"

„Meistens sind es 40 bis 50 Krieger. Es hängt davon ab, ob sie eine zweite Grafschaft überfallen oder nur zu uns kommen."

„Hast du gesehen, wie viele es sind?", frage ich den Boten.

„Ich würde sagen, sie greifen auch anderswo an. Ich schätze ihre Stärke auf 30 bis 35 Mann", antwortet der Bote, der immer noch am Tisch abgestützt dasteht. Inzwischen jedoch ist er zu Atem gekommen und spricht deutlicher.

„Wie viele Krieger kannst du aufbringen?", frage ich Lord McBrix.

„Ich denke 20 Mann, das sind aber eindeutig zu wenig."

„Dazu kommen noch unsere Leute, dann dürfte es kein Problem sein", antworte ich gelassen.

„Ihr wollt uns tatsächlich helfen?", erkundigt sich der junge Lord.

„Wenn wir Getreide wollen, dann werden wir es verteidigen müssen", grinse ich. „Damit müssen wir wohl unseren Zweikampf auf nachher verschieben. Leider! Aber im Moment haben wir Besseres zu tun."

„Du kannst ja im Kampf zeigen, was du draufhast", grinst er selbstsicher.

„Hat jemand Zeit, den Punkterichter zu spielen?", frage ich belustigt.

„Den was?", will er wissen.

„Den Punkterichter. Das ist jemand, der unparteiisch ist und zählt, wer wie viele Punkte erzielt."

„Wie meinst du Punkte?"

„Ein Toter sind fünf Punkte, ist der Gegner kampfunfähig sind es drei und wenn er davonläuft nur ein Punkt", schlage ich vor.

„Du willst echt kämpfen?", wundert er sich.

„Was hast denn du gedacht?", halte ich lachend dagegen. „Wir gehen auf das Schiff und informieren unsere Krieger. Danach treffen wir uns vor dem Schloss und besprechen die Taktik."

„Welche Taktik?", will der junge Lord wissen.

„Du bist wie deine Mutter", grinst sein Vater und gibt mir damit keine Chance seinem Sohn zu antworten.

„Ist das gut oder schlecht?", frage ich lachend.

„Du weißt genau, was ich meine. Na los jetzt!"

Wir stehen alle auf. Ich und meine Begleiter gehen zu unseren Schiffen. Ich informiere die Mannschaft, dass wir kämpfen müssen, damit man nicht die Getreidevorräte raubt, die wir brauchen. Im Grunde haben wir keine Wahl, auch wenn ich auch sonst dem Lord beigestanden wäre.

Nach der Besprechung an Bord mache ich mich mit Sif auf den Weg zurück zur Burg. Meinen Vater und den anderen Krieger lasse ich bei den Schiffen zurück, damit sie unsere Leute auf den Kampf vorbereiten.

Kapitel 6

Ich komme mit Sif zurück zur Burg, wo bereits der Lord und sein Sohn auf uns warten. Als wir auf sie zukommen, bemerke ich, wie der junge McBrix meine Begleiterin anschaut und als ich daraufhin zu ihr blicke, stelle ich fest, dass auch sie ihn ausgesprochen interessiert mustert. Ich habe das Gefühl, als würden sich die beiden auf eine mir sonderbare Art und Weise betrachten, mit einem verräterischen Leuchten in den Augen.

„Da bist du ja wieder. Was hast du vor?", will der alte Lord wissen.

Ich reiße mich vom Anblick der beiden los und konzentriere mich wieder auf meine Aufgabe. Was zwischen den beiden vor sich geht, kann ich auch später noch herausfinden.

„Aus welcher Richtung kommen die Schotten?"

„Sie kommen von da."

Dabei deutet er in nördliche Richtung. Vor uns liegen Wiesen und Äcker, weit hinten beginnt dann Wald. Ein ganzes Stück hinter dem Waldrand erheben sich Felsen über die Wipfel der Bäume.

„Sind die Felder bereits bebaut?"

„Wie bebaut?"

„Habt ihr schon gesäht?"

„Ja, natürlich."

„Was ist dort hinten im Wald, ich kann Felsen erkennen?"

„Da gibt es eine Schlucht."

„Wie muss ich mir diese Schlucht vorstellen?"

„Der Wald verdeckt eine steile Felswand. Sie zieht sich ganz lang in beide Richtungen und ist nur schwer zu überwinden. Allerdings gibt es eine enge Schlucht, durch die sie kommen."

„Das ist sicher, dass sie durch diese Schlucht kommen?"

„Einen anderen Weg gibt es nicht."

„Wie eng ist diese Schlucht?"

„Es können drei, allerhöchstens vier Männer nebeneinander gehen."

„Dann schlagen wir dort zu. Macht die Krieger bereit, in einer Stunde brechen wir auf."

„Wohin?", will der junge Lord wissen.

„Wenn sie durch diese enge Schlucht kommen, müssen sie sich aufteilen und können nicht alle auf einmal auf uns losstürmen. Wir haben damit Gelegenheit, sie einen nach dem anderen zu bekämpfen und zu besiegen."

„Aber die Schlucht ist sehr schmal", wirft er ein.

„Vertrau Ingrid. Sie weiß, was sie macht", mischt sich sein Vater ein und unterbricht damit die Diskussion. Er hat offensichtlich meinen Plan verstanden. „Dass ich nicht schon früher darauf gekommen bin."

Ich schicke Sif los, meine Leute zu holen, sobald sie bereit dazu sind und auch der Lord gibt Anweisung, dass sich seine Leute vorbereiten und sich zu uns gesellen sollen.

Als sowohl Briten wie Wikinger am Treffpunkt warten, beäugen sie sich skeptisch. Entschlossen trete ich vor den Männern und ziehe damit alle Augen auf mich.

„Krieger, ich bin Alva aus Haugesund und das ist Lord McBrix. Wir werden heute gemeinsam gegen Männer aus Schottland kämpfen, die uns überfallen wollen. Wir werden Seite an Seite kämpfen und ich übernehme das Kommando", rufe ich allen zu.

„Du?", meint der junge Lord. „Das Kommando übernehme wohl eher ich."

„Dann gehen wir!", sagt mein Vater. Wie auf Kommando drehen sich meine Leute um und wollen davongehen.

„Halt, halt, was macht ihr?", will der junge Lord wissen.

„Wir vertrauen Ingrid. Nur sie wird uns in die Schlacht führen. Und weil es nur einen Anführer geben kann, müsst ihr euch entscheiden", ruft ein junger Mann aus den Reihen der Wikinger, der mir bisher noch nicht aufgefallen ist.

„Wir sind hier aber auf meinem Land", hält der junge Lord dagegen.

„Dann viel Glück!", sagt ein anderer meiner Männer.

„Stopp! Lasst das Streiten. Ingrid wird uns anführen, alle!", brüllt der alte Lord und setzt damit dem Disput ein Ende.

Etwas missmutig wendet sich sein Sohn ab und gibt sich missmutig geschlagen. Allerdings traue ich dem Frieden nicht. Der junge Mann wirkt mir zu verbissen, als dass er klein beigeben würde.

Im Moment jedoch erhebt er keine Einwände mehr und wir marschieren los. Nach zwei Stunden erreichen wir den Eingang der Schlucht. Sie ist tatsächlich eng. Es können zwei, höchstens drei Leute nebeneinander durchgehen. Wenn es vier sind, dann behindern sie sich gegenseitig. Ich finde die Stele ideal, um die Schotten zu empfangen.

Vor dem Ausgang der Schlucht liegt ein kleiner Platz, der von Bäumen und Sträuchern gesäumt wird. Hinter diesen gehen meine Männer in Deckung. Nun heißt es warten.

Geduldig sitzen wir alle hinter den Büschen und warten. Nach etwa eineinhalb Stunden höre ich Geräusche aus der Schlucht und gehe in Position. Der junge Lord hockt sich neben mich.

„Was jetzt?", will er wissen.

„Wir warten."

Etwas missmutig schaut er mich an, blickt dann aber wieder zur Schlucht, die ich die ganze Zeit im Auge behalte. Wir sagen beide kein Wort mehr. Kurze Zeit später entdecke ich Männer, die durch die Schlucht auf uns zukommen. Sie wirken wie ein unkoordinierter Haufen, sind mit Äxten und Keulen bewaffnet, nur wenige haben ein Schwert.

Ganz vorne kommt ein wahrer Riese auf uns zu. Er ist sicher 1,90 m oder gar 2 m groß, trägt einen Rock sowie einen Umgang, der im Wind weht. Sein Schritt ist entschlossen und an seiner Seite baumelt ein Schwert.

Als die Schotten sich langsam dem Ausgang der Schlucht nähern, trete ich aus der Deckung und hebe die Hand.

„Halt! Hier kommt ihr nicht durch!", rufe ich ihnen zu.

Überrascht bleiben die Krieger ganz vorne stehen. Da die Männer weiter hinten nicht darauf vorbereitet sind, laufen sie zum Teil in den Vordermann hinein. Die gesamte Truppe kommt etwas ins Schwanken, einige stolpern und fallen hin.

Der Anführer mustert mich und verzieht die Lippen zu einem überheblichen Grinsen. Mir ist klar, dass er mich nicht für voll nimmt.

„Was macht denn eine Frau allein in dieser Gegend?", meint er.

„Sie will euch aufhalten, damit ihr nicht in euer Unglück rennt", antworte ich.

„In unser Unglück, das ist ja lustig."

„Ich denke, es ist nicht lustig, wenn Menschen sterben müssen, auch wenn es Schotten sind."

„Und wer soll so gefährlich sein, dass wir sterben könnten?", lacht er. „Du etwa?"

Mir ist schon klar, dass er mich nicht für voll nimmt, aber ich bleibe immer noch ruhig. Nicht so der junge Lord. Bei diesen Worten des Hünen springt er aus der Deckung hervor und stellt sich neben mich. Seine Brust stolz hervorgedrückt blickt er den Schotten an.

„Ich werde euch aufhalten!", meint er selbstsicher.

„Sieh mal einer an, der junge Lord. Du bist aber groß geworden", lacht der Schotte.

„Dir wird das Lachen schon noch vergehen", keift der Jüngling neben mir.

„Als wir das letzte Mal hier waren, warst du noch ein halbes Kind und jetzt bist du ein Halbstarker. Da kannst du sehen, wie die Zeit vergeht."

„Ich bin ein Mann und kein Halbstarker", protestiert der Angesprochene.

„Das glaubst du doch selbst nicht", lacht der Schotte. Sein Blick zeigt deutlich, dass er den jungen Lord nicht für voll nimmt.

Als der Hüne dabei einen Schritt nach vorne macht und damit wohl nur austesten will, ob wir uns ihm tatsächlich in den Weg stellen wollen, erhebe ich erneut die Hand.

„Dreht besser um!", sage ich. „Ihr habt nun euren Spaß mit dem jungen McBrix gehabt und könnt euch auf den Heimweg machen."

„Wir haben noch nicht bekommen, was wir wollen."

„Prügel? Wenn ihr weiter nichts wollt, kann ich euch gerne eine ordentliche Tracht davon geben", antworte ich spöttisch grinsend.

„Dass ich nicht lache. Ein kleines Mädchen will mir eine Tracht Prügel verpassen. Da lacht doch die ganze Welt."

Bei diesen Worten setzt er sich erneut in Bewegung, diesmal aber entschlossen. Er scheint nicht mehr reden zu wollen. Das hatte ich aber auch erwartet und will gerade das vereinbarte Handzeichen geben, damit unsere Krieger aus dem Unterholz treten und der Feind damit unsere wirkliche Stärke sehen kann, da läuft der junge Lord bereits mit gezogenem Schwert auf den Hünen zu.

„George! Bleib da!", rufe ich ihm noch hinterher.

Aber er hört nicht auf mich. Er will nicht hören, er will sich diesem Schotten in den Weg stellen und kämpfen. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob er ihm gewachsen ist. Der Schotte grinst breit und stellt sich in der Mitte der Schlucht auf. Er wartet gelassen, bis ihn sein Gegner erreicht hat. Dieser Mann scheint kampferprobt zu sein. Der junge Lord hingegen nicht. Zumindest in diesem Fall lässt er sich von seiner Wut leiten und die war noch nie ein guter Ratgeber.

Da ich berechtigte Zweifel daran hege, dass die Sache für den jungen Lord ein gutes Ende nehmen wird, gebe ich sofort das Zeichen, dass unsere Krieger in Erscheinung treten, und laufe George hinterher. Ich habe das untrügliche Gefühl, ihn retten zu müssen.

„Ingrid! Was machst du?", höre ich meinen Vater rufen.

„Ich muss den Hitzkopf retten", gebe ich zur Antwort.

„So ein Idiot!", macht auch der alte Lord seinem Ärger Luft.

Im Laufen sehe ich, wie sich die beiden Männer gegenüberstehen. Als der Schotte ausholt, kann Georg zwar mit aller Mühe den Schlag parieren, bekommt aber gleich danach mit der anderen Hand des Schotten eine so heftige Ohrfeige, dass er zwei Meter nach hinten taumelt und zu Boden geht.

Mit Entsetzen sehe ich, wie der Schotte zwei schnelle Schritte auf den jungen Lord zumacht und sein Schwert in die Höhe reißt. Zum Glück erreiche ich ihn, als er seine Waffe auf den an Boden liegenden Briten niedersausen lassen will und kann die Klinge noch schnell zur Seite wegschlagen. Ansonsten wäre dies wohl das Ende des jungen Briten gewesen.

Allerdings springt in diesem Augenblick ein weiterer Schotte auf mich zu und will mich angreifen. Er hat mich wohl kommen sehen und wollte seinen Anführer decken. Ich aber schaffe es, noch rechtzeitig dem jungen Lord die Hand hinzuhalten und ihn auf die Beine zu ziehen, damit er dem zweiten Schlag des Anführers ausweichen kann.

Inzwischen ist der zweite Schotte bei mir. Er setzt zum Schlag an, den ich allerdings parieren kann und tauche dabei unter seinem Angriff weg. Er braucht ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass ich inzwischen hinter ihm stehe.

„Du bist lästig!", fauche ich.

Dabei versetze ich ihm einen Tritt in die Nierengegend und bringe ihn damit ins Straucheln. Der Mann fällt der Länge nach auf den Boden und knallt dabei mit dem Kopf gegen einen Stein. Er rührt sich nicht mehr und ich nehme an, dass er das Bewusstsein verloren hat.

Als ich sicher bin, dass von diesem Mann keine Gefahr mehr ausgeht, richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf den Anführer. Mit Schrecken muss ich feststellen, dass er den jungen Lord erneut zu Fall gebracht hat. Dieser kriecht wie ein Insekt rückwärts von dem Hünen weg und ich kann die Panik in seinen Augen erkennen.

Mit einem hämischen Lachen auf den Lippen und erhobenem Schwert steht der Hüne vor George. Er könnte jederzeit zustechen und ihn töten. Er aber spielt mit ihm und seiner Angst. Er genießt es, wie sich sein Gegner vor Angst am Boden windet und versucht rückwärts krabbelnd davonzukommen. Es ist entwürdigend.

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